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Freitag, 19. Oktober 2018

Botschafter von Guinea, Bosnien-Herzegowina und Spanien übergeben ihre Begleubigungsschreiben an den Bundespräsidenten

Ab zehn Uhr rollten heute wieder die schwarzen Limos über den Vorplatz des Schlosses Bellevue. Drei Botschafter-Akkreditierungen gaben sich im Halbstundentakt die Klinke in die Hand:
  • Republik Guinea, Siradiou Diallo
  • Bosnien und Herzegowina, Ankica Gudeljevic
  • Königreich Spanien, Ricardo Martinez Vasquez
Nur gut, dass die Flaggen markiert sind, sonst könnte es bei der Rot-Gelb-Grün-Kombination sämtlicher afrikanischer Flaggen leicht zu Verwechslungen kommen. Die Flagge von Guinea ist eine Spiegelung der Flagge von Senegal und enthält keinen Stern. Das Rot symbolisiert die blutigen Opfer des Freiheitskampfes, das Gelb die Sonne und die Bodenschätze, das Grün die üppige Natur zwischen Mali und Atlantik. Senegal grenzt tatsächlich im Norden an Guinea.

Botschafter akkreditiert Republik Guinea Siradiou Diallo
Botschafter akkreditiert - Republik Guinea - Siradiou Diallo
Das Land hat etwa 12 Millionen Einwohner, die im Durchschnitt sehr jung sind. Die Demografie-Kurve ist typisch für ein Entwicklungsland. 85% der Einwohner gehören dem sunnitischen Islam an. Nur 30% der Menschen in Guinea können lesen und schreiben.

Bis 1958 war Guinea unter französischer Kolonialherrschaft und erlangte dann die Unabhängigkeit. Bereits im November 1958 nahm es diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland auf. Heute konnte also auf 60 Jahre diplomatische Beziehungen angestoßen werden.

Botschafter akkreditiert Republik Guinea Siradiou Diallo
Botschafter akkreditiert - Republik Guinea - Siradiou Diallo - Niederholen der Flagge von Guinea
Einer der zwischenzeitlich aufgetretenen Diktatoren, Moussa Dadis Camara, war an der Offiziersschule des Heeres in Dresden ausgebildet worden und führte mit dem gewonnenen Wissen und "deutscher Gründlichkeit" Ende 2008 einen Putsch durch. Ein Jahr später wurde er per Schussverletzung aus dem politischen Verkehr gezogen, so dass sich die politische Lage anschließend wieder etwas entspannen konnte. Menschenrechte existieren weitestgehend auf dem Papier. Auf dem Korruptionsindex rangiert Guinea im letzten Drittel.

Der neue Botschafter Siradiou Diallo hat einen prominenten Namensvetter. Dieser war Journalist und Oppositionspolitiker in Guinea, starb jedoch bereits 2004 in Frankreich. Wer mehr über den lebenden Siradiou Diallo erfahren möchte, sei an Facebook verwiesen.

Botschafter akkreditiert Bosnien und Herzegowina Ankica Gudeljevic
Botschafter akkreditiert - Bosnien und Herzegowina - Ankica Gudeljevic und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Bosnien und Herzegowina ist ein komplexes Gebilde aus mehreren Ethnien, Religionen und Zuständigkeiten. Das letzte Wort in diesem Land hat der von der internationalen Staatengemeinschaft eingesetzte Hohe Repräsentant, Valentin Inzko. Der Vorsitzende des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić, hatte am 13. August seinen Antrittsbesuch im Kanzleramt absolviert. Deutschland engagiert sich im Rahmen des Berlin-Prozesses für eine politische und wirtschaftliche Stabilisierung der Region.

Botschafter akkreditiert Bosnien und Herzegowina Ankica Gudeljevic
Botschafter akkreditiert - Bosnien und Herzegowina - Ankica Gudeljevic - Niederholen der EU-ähnlichen Flagge
Informationen zu Ankica Gudeljevic stehen nicht zur Verfügung. Statt eine aussagekräftige Vita ihrer Botschafterin zu senden, beschwerte sich die Botschaft von Bosnien und Herzegowina über Formulierungen in diesem Artikel. Daraufhin erfolgten einige Änderungen und Präzisierungen.

Botschafter akkreditiert Königreich Spanien Ricardo Martinez Vasquez
Botschafter akkreditiert - Königreich Spanien - Ricardo Martinez Vasquez nutzt seinen eigenen Füllfederhalter zum Eintrag ins Gästebuch des Schlosses Bellevue.
Deutlich transparenter ist der Werdegang des heute akkreditierten Diplomaten des Königreichs Spanien: Ricardo Martínez Vázquez wurde vor 60 Jahren in Sevilla geboren, also in dem Jahr, als Guinea die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland aufgenommen hatte. Er studierte zunächst Rechtswissenschaften und trat 1986 in den diplomatischen Dienst ein. Ricardo Martínez Vázquez blickt auf eine erfahrungsreiche Laufbahn zurück. In Bonn, in Genf, in Panama und in São Paulo hatte er in verschiedenen Funktionen sein Königreich vertreten. Seit 2017 war er spanischer Konsul in Schottland.

Botschafter akkreditiert Königreich Spanien Ricardo Martinez Vasquez
Botschafter akkreditiert - Königreich Spanien - Die Delegation von Ricardo Martinez Vasquez interessiert sich für ein Gemälde mit Fridrich II.
Seine Erfahrung auf dem diplomatischen Parkett zeigte sich heute auch an einem kleinen Detail. Statt den üblichen Kampf mit dem Verschluss des bereitliegenden 350-Euro-Kugelschreibers von Mont Blanc zu wagen, zog er seinen eigenen Füllfederhalter aus der Jacke und schrieb damit einen Text ins Gästebuch des Schlosses.

Spanien hat nur halb so viele Einwohner wie Deutschland und wird momentan sozialistisch regiert. Ministerpräsident Pedro Sánchez war im Juni zum Antrittsbesuch in Berlin erschienen. Die Stimmung zwischen ihm und Angela Merkel war gut.

Botschafter akkreditiert Königreich Spanien Ricardo Martinez Vasquez
Botschafter akkreditiert - Königreich Spanien - Ricardo Martinez Vasquez - Niederholen der Flagge
Nachdem die rot-gelbe Flagge Spaniens niedergeholt war, verließen auch die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, die Soldaten des Wachbataillons und die Presse den Ort des Geschehens. 90 Minuten Farbe und internationale Beziehungen im Schloss Bellevue.

Video:
Botschafter-Akkreditierung im Schloss Bellevue

Autor: Matthias Baumann

Montag, 8. Oktober 2018

EU-Ratspräsidentschaft Österreichs und der Brexit

Und wieder waren 90 Minuten verflossen. Die österreichische Botschaft hatte zu einer Diskussionsrunde eingeladen, in der es um die österreichische EU-Ratspräsidentschaft mit einem besonderen Fokus auf die Finanzpolitik gehen sollte. Einige der Gäste waren speziell wegen der möglichen Folgen des Brexits auf die Finanzwirtschaft erschienen.

Weniger als sechs Monate sind es noch bis zum Brexit. Sechs Monate, in denen über hart oder weich debattiert wird und vermutlich am Ende immer noch unklar ist, wie sich der Brexit nun gestalten soll. Fakt ist: Die Zeit verrinnt, der Brexit naht und die wenigsten sind darauf vorbereitet.

Vor drei Monaten erfuhren wir in London, welche Bereiche der Brexit tangiert und dass die Ersparnisse durch Wegfall der Mitgliedsbeiträge direkt in die Finanzierung der notwendigen Zollbürokratie fließt. Worst case wäre, dass ab Ende März 2019 keine Flugzeuge mehr fliegen, keine Medikamente mehr nach Großbritannien geliefert werden, Tragflächen von Airbus nicht mehr das europäische Festland erreichen und die Iren den alten Kampf gegen das verhasste Königreich wiederbeleben.

EU-Ratspräsidentschaft Österreichs und der Brexit
EU-Ratspräsidentschaft Österreichs und der Brexit - Diskussionsrunde in der österreichischen Botschaft mit dem Schwerpunkt Finanzpolitik
Das Panel in der Botschaft war mit Volkswirten und Finanzexperten aus Banken und Ministerien besetzt. Allein das Zuhören bereitete Freude, da die Österreicher sehr interessante Formulierungen verwenden. Neben den regionalen Formulierungen konnten wir heute auch so schöne Vokabeln wie "inzentivieren" (anreizen, anspornen), "Interessenskonkordanz" (Übereinstimmung der Interessen) oder "diskretionäre Finanzpolitik" lernen. Letzteres favorisieren die Österreicher und sehen sich hier als besonders mutig und pragmatisch an. Diskretionär bedeutet im Bereich der Fiskal- und Finanzpolitik, dass Gelder situationsbezogen eingesetzt werden und damit nicht ganz konform gehen mit einer regelgebundenen Finanzpolitik. Deutschland ist auf diesem Gebiet etwas vorsichtiger und bevorzugt die Regeln.

Regeln schaffen immerhin Vertrauen, auch wenn es seitens anderer EU-Staaten wie Italien oder Frankreich die Tendenzen gibt, Regeln einfach mal etwas lockerer zu handhaben.

Die Experten waren sich einig, dass die Wahrnehmung der EU deutlich schlechter ist, als es der Realität angemessen wäre. So vergesse man schnell die bestehenden Vorteile und schaue immer nur nach weiteren und neuen Vorteilen. Bleiben diese aus, wird kritisiert. Dieser Kurzsicht war wohl auch Großbritannien erlegen, als es sich für den Brexit entschieden hatte. Die Herren auf dem Podium verglichen die EU mit einem Fahrrad. Bleibe ein Fahrrad stehen, falle es um. Der Brexit habe dem Fahrrad nun sogar einen Rückwärtsgang verliehen. Der Brexit mache das Vereinigte Königreich ab April 2019 zu einem Drittland. Raus ist eben raus - oder wie Theresa May sagte: "Brexit means Brexit".

90 Minuten waren über der Diskussion verflossen. 90 Minuten ohne Ergebnis für den Brexit. Das Vorkommen des Wortes Brexit konnte an einer Hand abgezählt werden. Wer sich für eine Lösung der finanziellen Folgen des Brexits interessiert hatte, war auf das anschließende Networking angewiesen. Bei deftigem Schwarzbrot mit Schinken und weiteren Leckereien aus Österreich versammelten sich die Zuhörer aus der Finanzbranche an den Stehtischen und diskutierten über ihre Sicht der Dinge. Insider befürchten, dass der Brexit einen Domino-Effekt analog zu Lehman Brothers auslöst. Nur dass dieser Effekt jetzt die europäische Bankenlandschaft in einem unkalkulierbaren Maß durchrütteln könnte.

Über den Gästen hing ein Fahrrad. Das spitzfindige Symbol der EU-Rads-Präsidentschaft. Darunter der im Quadrat angeordnete Schriftzug eu2018.at. Deutschland und Österreich bewegen sich in der Regel per Tandem vorwärts. In vielen Punkten herrscht Einheit - pardon Interessenskonkordanz. So radelt Österreich nun schon seit drei Monaten durch die Präsidentschaft und hat jetzt die Halbzeit erreicht. Wenn Österreich das Zepter der EU in drei Monaten an Rumänien abgibt, hat Großbritannien keine 100 Tage mehr bis zum Brexit. Ob diese Zeit für einen geordneten Exit genutzt wird, ist fraglich.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 20. September 2018

Botschafter von Laos, Kuwait und Belgien im Schloss Bellevue akkreditiert

Heute standen im Schloss Bellevue drei Botschafter-Akkreditierungen auf dem Programm:

Demokratische Volksrepublik Laos - Phomma Boutthavong
Staat Kuwait - Najeeb Al-Bader
Königreich Belgien - Baron Willem van de Voorde

Mal wieder ein Mix, der unterschiedlicher nicht sein könnte. Aber für das Protokoll ein gewohnter und immer gleicher (semper talis) Ablauf - unabhängig von Größe und politischer Ausrichtung des jeweiligen Landes.

Botschafter akkreditiert Demokratische Volksrepublik Laos - Phomma Boutthavong
Botschafter akkreditiert - Demokratische Volksrepublik Laos - Phomma Boutthavong (mitte) und seine Gattin (links)
Laos liegt wie ein Sandwich zwischen Thailand und Vietnam. Die Flagge von Laos erweckt den Eindruck, als würde in der Mitte etwas fehlen: großer weißer Punkt auf Blau, oben und unten rot. Die Demokratische Volksrepublik Laos hat etwa 7 Millionen Einwohner, die größtenteils buddhistisch geprägt sind.

Botschafter akkreditiert Demokratische Volksrepublik Laos - Phomma Boutthavong
Botschafter akkreditiert - Demokratische Volksrepublik Laos - Phomma Boutthavong - Eintrag ins Gästebuch von Schloss Bellevue
Das Analphabetentum ist in Laos weit verbreitet. 1/3 der Männer und 2/3 der Frauen können nicht lesen und schreiben. Hinzu kommt ein überdurchschnittlicher Opium-Konsum. Die Kolonialmacht Frankreich hatte seit 1899 Opium kontrolliert angebaut und unter staatliche Obhut gestellt. Laotisches Opium diente zur Finanzierung diverser Kampfhandlungen in der Region, bei denen sich insbesondere Frankreich und die USA als clevere Verwerter dieser Ressource bedient hatten.

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg konnte Laos die französische Vorherrschaft abschütteln und war bald einer nordamerikanischen Nutzung gegen den regionalen Kommunismus ausgeliefert. Während des Vietnam-Krieges wurde auch Laos bombardiert und gilt heute als eines der am schwersten bombardierten Länder der Welt. Etwa 2,5 Tonnen Sprengsätze pro Kopf - nochmal: pro Kopf - wurden auf Laos abgeworfen. Reparationen wurden nicht gezahlt.

Botschafter akkreditiert Demokratische Volksrepublik Laos - Phomma Boutthavong
Botschafter akkreditiert - Demokratische Volksrepublik Laos - Phomma Boutthavong - Niederholen der Flagge
Laos hat als einer von wenigen Staaten das Ende der sozialistischen Ära überlebt. Auch heute noch wird das Land von nur einer Partei regiert, der Laotischen Revolutionären Volkspartei LRVP. Über Meinungsfreiheit und die Position auf dem Korruptionsindex muss dann wohl kaum noch etwas gesagt werden. Wenig kann auch über den neuen Botschafter Phomma Boutthavong gesagt werden. Entweder sind die bei Google angebotenen Webseiten nicht mehr erreichbar oder vermitteln die Info, dass er vor über 10 Jahren bereits Botschaftssekretär in Deutschland war. So müssen wir uns heute mit einem optischen Eindruck des Mannes aus Ostasien begnügen.

Botschafter akkreditiert Staat Kuwait - Najeeb Al-Bader
Botschafter akkreditiert - Staat Kuwait - Najeeb Al-Bader
Etwas näher liegt Kuwait. Die Flagge Kuwaits besteht aus den regional üblichen Farben Schwarz, Weiß, Grün und Rot. Kuwait liegt am Persischen Golf und hat etwas mehr Einwohner als Berlin. Im Gegensatz zu Berlin ist Kuwait nicht "arm aber sexy", sondern reich und islamisch. Der Islam ist Staatsreligion. Dieser gehören 90% der Bevölkerung an. Nicht ganz ungefährlich ist die interne Verteilung von 2:1 Sunniten auf Schiiten.

Wäre Kuwait NATO-Mitglied, würde Donald Trump jubeln. Kuwait gibt 5,8% seines BIP für die Verteidigung aus und hat damit den weltweit höchsten Wehr-Etat. Da Kuwait kein NATO-Mitglied ist, dient es lediglich als ernstzunehmender Gegner oder Kunde für Rüstungsexporte. Geschichtlich war Kuwait immer umkämpft. Ob Perser, Mongolen, Türken oder Briten - alle wollten die geostrategische Lage des Landes für ihre Zwecke nutzen. Inzwischen ist auch noch das Öl hinzugekommen, so dass Kuwait auch wirtschaftlich interessant ist.

Botschafter akkreditiert Staat Kuwait - Najeeb Al-Bader
Botschafter akkreditiert - Staat Kuwait - Najeeb Al-Bader
Kuwait ist eine konstitutionelle Erbmonarchie. Der Emir kann das Parlament einsetzen und auflösen, wie es gerade ins Konzept passt. Auf dem Demokratie-Index rangiert Kuwait auf den letzten Plätzen. Wer sich die Namen der Regierenden in Kuwait einprägen möchte, muss sich nur al-Sabah merken. Ein Mann mit dem Namen al-Sabah am Ende einer gigantischen Aufzählung von Titeln und Vornamen wird immer korrekt sein. Das ist so ähnlich wie mit dem Familiennamen Sall in Senegal.

Botschafter akkreditiert Staat Kuwait - Najeeb Al-Bader
Botschafter akkreditiert - Staat Kuwait - Najeeb Al-Bader - Niederholen der Flagge
Der neue kuwaitische Botschafter, der heute vor das Portal des Schlosses Bellevue chauffiert wurde, hieß nicht al-Sabah, sondern Najeeb Al-Bader. Das klingt schon fast nach süddeutschen Wurzeln. Wie bei Botschaftern üblich, wird auch Najeeb Al-Bader quer um den Globus versetzt. Zuvor war er Botschafter in Australien.

Botschafter akkreditiert Königreich Belgien - Baron Willem van de Voorde
Botschafter akkreditiert - Königreich Belgien - Baron Willem van de Voorde
Noch näher als Kuwait liegt Belgien. Mit Baron Willem van de Voorde sendet das Land einen aristokratischen Vertreter der belgischen Krone. Belgien ist wie Kuwait eine Erbmonarchie, allerdings eine föderale. Staatsoberhaupt ist König Philippe und der Name des Premierministers, Charles Michel, sollte in Deutschland weitestgehend unbekannt sein.

Botschafter akkreditiert Königreich Belgien - Baron Willem van de Voorde
Botschafter akkreditiert - Königreich Belgien - Baron Willem van de Voorde - Beglaubigungsschreiben des Botschafters in den Händes des Protokoll-Chefs des Auswärtigen Amtes
Dass die Flagge Belgiens die gleichen Farben wie die deutsche Flagge in einer anderen Richtung und Reihenfolge hat, ist wohl eher bekannt. Belgien hat mit 11 Millionen Einwohnern eine ähnliche Bevölkerungsanzahl wie Tschechien. Dafür beherbergen die Belgier in Brüssel die Europäische Kommission und haben eine Autobahn, die fast auf der gesamten Länge nachts beleuchtet ist. Leider gibt es dort ein Tempolimit.

Baron Willem van de Voorde war zuvor vier Jahre als Botschafter in Wien tätig. Er hatte sich dort besonders im kulturellen Bereich engagiert und die Beziehungen zur Region Tirol intensiviert.

Botschafter akkreditiert Königreich Belgien - Baron Willem van de Voorde
Botschafter akkreditiert - Königreich Belgien - Baron Willem van de Voorde - Niederholen der Flagge
Mit dem Niederholen der belgischen Flagge ging die heutige Botschafter-Akkreditierung beim Bundespräsidenten zu Ende. 90 Minuten, drei Vorfahrten, drei Gästebucheinträge, drei Schreiben überreicht, drei Gespräche mit dem Bundespräsidenten und den zuständigen Staatssekretären des Auswärtigen Amtes, drei Flaggen gehisst und niedergeholt. Bereits morgen steht der nächste ausländische Besuch auf dem Programm: der tschechische Präsident Miloš Zeman.

Video:
Botschafter von Laos, Kuwait und Belgien beim Bundespräsidenten akkreditiert

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 28. August 2018

Botschafter aus Fidschi, Swasiland, Senegal und der Schweiz beim Bundespräsidenten im Schloss Bellevue akkreditiert

Ein breites Grinsen ging über das Gesicht des Offiziers, der mir die nächste Botschafter-Akkreditierung ankündigte: Fidschi, Swasiland, Senegal und - die Schweiz. Inzwischen ist ja hinreichend bekannt, dass das Protokoll keine Unterschiede zwischen großen und kleinen Staaten macht und die begleitenden Zeremonien semper talis - immer gleich - ablaufen. Davon konnten wir uns auch heute wieder im Schloss Bellevue überzeugen.

Botschafter im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Ehrenzug und Fahrzeuge des Bundespräsidenten vor dem Haupteingang des Schlosses
Es sollten heute vier Botschafter in folgender Reihenfolge ihre Beglaubigungsschreiben beim Bundespräsidenten abgeben:

Republik Fidschi - Deo Saran
Königreichs Eswatini (ehemals Swasiland) - Sibusisiwe Mngomezulu
Republik Senegal - Cheikh Tidiane Sall
Schweizerischen Eidgenossenschaft - Dr. Paul Seger

Die Botschafter und ihre Delegationen fuhren wie üblich ab zehn Uhr im Halbstundentakt vor.

Botschafter akkreditiert - Republik Fidschi - Deo Saran
Botschafter akkreditiert - Republik Fidschi - Deo Saran (links)
Zuerst erschien Deo Saran von der Republik Fidschi. Die Fidschi-Inseln liegen in Ozeanien - noch weiter weg als Australien. Auch Fidschi hat den Union Jack oben links in der Flagge - umgeben von ganz viel Hellblau. Das soll wohl ein Symbol für das viele Wasser sein. 1774 hatte James Cook die Inseln besucht und nur wenige Jahre später siedelten sich Europäer dort an und bestimmten bald die Politik und die Wirtschaft. Im Zweiten Weltkrieg dienten die Inseln als strategischer Stützpunkt der Alliierten. 1970 wurde Fidschi unabhängig und schloss sich dem Commonwealth an. Unabhängigkeit nach britischen Vorstellungen. Damit gehören sie nun zu den Hoffnungsträgern des Brexits. Wenn die EU-Verträge ab April 2019 nicht mehr nutzbar sind, muss eben innerhalb des Commonwealth gehandelt werden.

Botschafter akkreditiert - Republik Fidschi - Deo Saran
Botschafter akkreditiert - Republik Fidschi - Deo Saran - Eintrag ins Gästebuch des Schlosses Bellevue
Fidschi hat ein recht hohes Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Wichtige Faktoren dafür sind Goldvorkommen und der Tourismus.

Etwa die Hälfte der heutigen Bevölkerung besteht aus den fidschianischen Ureinwohnern. Diese müssen vor etwa 3.000 Jahren aus Südostasien auf die Inseln verschlagen haben. Ende des 19. Jahrhunderts wurden Gastarbeiter aus Indien geholt, die fortan auch die gesellschaftlichen Strukturen prägten. Fidschi hat insgesamt weniger als eine Million Einwohner. Etwa die Hälfte bezeichnet sich als evangelisch, ein Viertel sind Hindus und der Rest teilt sich auf römisch-katholisch und andere Zugehörigkeiten auf.

Botschafter akkreditiert - Republik Fidschi - Deo Saran
Botschafter akkreditiert - Republik Fidschi - Deo Saran - Flaggenparade
Entsprechend klein war auch die Delegation des Botschafters, Deo Saran. Deo Saran kommt aus der Wirtschaft. Seine Karriere begann er nach einschlägigen Studiengängen bei Price Waterhouse und stieg dann als CEO in diverse Unternehmen ein. Er saß in verschiedenen Vorständen und Beratungskreisen in Fidschi, Australien und Europa. Er ist begeisterter Golfer und interessiert sich auch privat für Wirtschaft und Regierungsthemen.

Botschafter akkreditiert Swasiland Königreich Eswatini Sibusisiwe Mngomezulu
Botschafter akkreditiert - Königreich Eswatini (ehemals Swasiland) - Sibusisiwe Mngomezulu (links)
Swasiland wurde im April in Königreich Eswatini umbenannt. Kritisch ist das, wenn die richtige Fahne aus dem Flaggenkeller des Schlosses Bellevue geholt werden soll und diese mit einem anderen Namen beschriftet ist. Wer kennt schon Eswatini und würde die Fahne bei S wie Swasiland suchen?

Eswatini hat etwa 1,5 Millionen Einwohner und liegt wie Lesotho als Enklave inmitten von Südafrika. Ein Drittel sind Protestanten und ein Drittel afrikanische Christen, die keiner klassischen europäischen Denomination zuzurechnen sind. Knapp 40% der Bevölkerung sind HIV-positiv und Eswatini ist damit weltweit Spitzenreiter. Im Gegensatz dazu zählt das Land bei der Pressefreiheit zu den globalen Schlusslichtern.

Botschafter akkreditiert Swasiland Königreich Eswatini Sibusisiwe Mngomezulu
Botschafter akkreditiert - Königreich Eswatini (ehemals Swasiland) - Sibusisiwe Mngomezulu - Flaggenparade
Über den Botschafter Sibusisiwe Mngomezulu ist bekannt, dass er 1973 in Swasiland geboren wurde, verheiratet ist und zwei Kinder hat. Er hatte zunächst Sozialwissenschaften studiert und war dann auf Unternehmensführung und Projekt-Management umgeschwenkt. Seine Abschlüsse hatte er in Südafrika und den USA gemacht. Anschließend war er in verschiedenen Wirtschaftsbranchen tätig, ging dann im Regierungsauftrag nach Malaysia und im Mai 2017 nach Brüssel, wo er sein Land bei der EU und diversen europäischen Ländern inklusive Vatikan vertritt.

Botschafter akkreditiert Republik Senegal - Cheikh Tidiane Sall
Botschafter akkreditiert - Republik Senegal - Cheikh Tidiane Sall (links)
Senegal liegt an der Westküste Afrikas und grenzt im Osten an Mali. Senegal hat die typischen afrikanischen Nationalfarben: Grün, Gelb, Rot. Mit 15 Millionen hat es das zehnfache der Einwohner Swasilands. Vor 60 Jahren waren es noch drei Millionen Einwohner. Über 90% der Bevölkerung bekennen sich zum sunnitischen Islam. 1960 erlangte Senegal zusammen mit Mali seine Unabhängigkeit von Frankreich.

Botschafter akkreditiert Republik Senegal - Cheikh Tidiane Sall
Botschafter akkreditiert - Republik Senegal - Cheikh Tidiane Sall - Flaggenparade
Während Swasiland von Südafrika umschlossen wird, umschließt Senegal das Land Gambia. Gambia hat aber Zugang zum Atlantik und beherrscht den Gambia, einen der Hauptströme Westafrikas. Als Ersatz hat Senegal noch den Senegalstrom im Norden.

Botschafter Cheikh Tidiane Sall war zuvor Protokollchef im Senegal und betreibt diverse Social-Media-Kanäle.

Botschafter akkreditiert Schweiz Paul Seger
Botschafter akkreditiert - Schweizerische Eidgenossenschaft - Paul Seger
Und noch ein Land mit S: Schweiz. Wo die Schweiz liegt, dass sie etwa 8 Millionen Einwohner hat und kein Mitglied der EU ist, sollte bekannt sein. Nicht so bekannt ist vielleicht, dass die Flagge der Schweiz quadratisch ist - im Gegensatz zu sämtlichen Fahnen, die im Flaggenkeller des Schlosses Bellevue lagern. Die Schweiz ist übrigens froh über die Umbenennung von Swasiland. Wurde das doch im Internet ständig mit Switzerland verwechselt.

Botschafter akkreditiert Schweiz Paul Seger
Botschafter akkreditiert - Schweizerische Eidgenossenschaft - Paul Seger - quadratische Fahne
Dr. Paul Seger, der neue Botschafter der Schweizerischen Eidgenossenschaft, zieht nun in das Haus neben dem Bundeskanzleramt. Er ist promivierter Jurist. Paul Seger war zwischen 2010 und 2015 Leiter der Schweizer UNO-Mission in New York und Direktor für Völkerrecht. Seine Erkennungszeichen sind ein verschmitztes Lächeln und die Fliege.

Video:
Akkredierung der Botschafter von Fidschi, Swasiland, Senegal und der Schweiz im Schloss Bellevue

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 19. Juli 2018

Botschafter von Kosovo, Mali, Liberia, Honduras und Chile beim Bundespräsidenten akkreditiert

Sommerzeit ist Wechselzeit bei Botschaftern und deren Mitarbeitern. Manch ein Botschafter wird diametral über den Globus versetzt und muss mit dem neuen Umfeld klarkommen. Wer nicht gerne umzieht, sollte nicht in den diplomatischen Dienst gehen.

Heute stand wieder ein bunter Mix an Akkreditierungen auf dem Programm: zwei Amerikaner, zwei Afrikaner und ein Europäer gaben sich die Klinke im Schloss Bellevue in die Hand. Besser gesagt, hatten sie ihre Beglaubigungsschreiben in der Hand und reichten diese an den Bundespräsidenten weiter, der sie wiederum einem Mitarbeiter zur Verwahrung übergab. Die Schreiben werden entweder in Umschlägen mit Golddruck oder in Ledermappen mit Golddruck überreicht.

Den neuen Botschaftern steht eine Fahrt im Wagen des Bundespräsidenten zu. Dazu werden die schwarzen Limos des Fahrdienstes oder des BKA mit Standarten des Bundespräsidenten versehen, so dass der Eindruck entsteht, es handele sich tatsächlich um den Wagen des Präsidenten. Clever! Je nach Wichtigkeit und Sicherheitsbedürfnis reicht die Fahrzeugpalette vom älteren Audi A8 bis zu gepanzerten BMW 7er-Fahrzeugen mit Rundumleuchte.

Im Halbstunden-Takt rollten heute folgende Botschafter auf den Vorhof des Schlosses: 

Kosovo - Beqë Cufaj
Mali - Oumou Sall-Seck
Liberia - Youngor Telewoda
Honduras - Christa Castro Varela 
Chile - Cecilia Mackenna Echaurren

Botschafter akkreditiert Kosovo Beqë Cufaj
Botschafter der Republik Kosovo akkreditiert: Beqë Cufaj
Auch wenn die Presse kaum noch über den Kosovo berichtet, ist die Lage dort weiterhin fragil. Die KFOR ist weiterhin aktiv und Spezialkräfte der Bundeswehr kontrollieren regelmäßig die Lagerung von toxischen Materialien. Kosovo hat weniger als zwei Millionen Einwohner. Von diesen ist mehr als die Hälfte unter 25 Jahren alt. Rentner gibt es so gut wie gar nicht. 95% der Bevölkerung zählen sich zum sunnitischen Islam. Der Rest teilt sich in serbisch-orthodox und römisch-katholisch auf.

Botschafter akkreditiert Kosovo Beqë Cufaj
Botschafter der Republik Kosovo akkreditiert: Beqë Cufaj
Botschafter Beqë Cufaj ist mit seinen 47 Jahren vergleichsweise alt. Sein Alter kann mit Weisheit gleichgesetzt werden. Immerhin hat er Sprach- und Literaturwissenschaften studiert. Beqë Cufaj ist Buchautor und freier Mitarbeiter bei namhaften Blättern wie der FAZ oder der Neuen Zürcher Zeitung.

Botschafter akkreditiert Mali Oumou Sall-Seck
Botschafterin der Republik Mail akkreditiert: Oumou Sall-Seck
Ein ebenfalls muslimisch dominiertes Land ist Mali. 90% der über 18 Millionen Einwohner bekennt sich zum sunnitischen Islam. Auch Mali ist durch das Engagement der Bundeswehr in die Wahrnehmung der Öffentlichkeit gekommen. Obwohl die Frauen Malis im Durchschnitt mehr als sechs Kinder zur Welt bringen, ist die Lebenserwartung doch sehr gering und die Altersstruktur noch niedriger als im Kosovo.

Botschafter akkreditiert Mali Oumou Sall-Seck
Botschaftein der Republik Mali akkreditiert: Oumou Sall-Seck
Botschafterin Oumou Sall-Seck war in der Region Timbuktu als Bürgermeisterin tätig. Als Frau musste sie sich im islamischen Umfeld durchsetzen, wurde aber aufgrund ihrer Kompetenz mehrfach in regionale Verantwortungen gewählt. Sie ist Mitglied in diversen Gremien zur Befriedung Nordafrikas und der Sahelzone. Oumou Sall-Seck löst ihren männlichen Vorgänger in Berlin ab. Dieser ist nun in Paris eingesetzt.

Botschafter akkreditiert Liberia Youngor Telewoda
Botschafterin der Republik Liberia akkreditiert: Youngor Telewoda
Einige Kilometer südwestlich von Mali liegt Liberia. Liberia hat etwa so viele Einwohner wie Berlin, die sich zu 85% als christlich bezeichnen. Das Durchschnittsalter liegt bei 18 Jahren. Der Name Youngor Telewoda suggeriert eine entsprechende Jugend. Aber weit gefehlt. Frau Youngor Telewoda ist 65 Jahre alt und hat schon viele diplomatische Stationen durchlaufen, darunter Japan, Neu Seeland und Singapur.

Botschafter akkreditiert Liberia Youngor Telewoda
Botschafterin der Republik Liberia akkreditiert: Youngor Telewoda
Die Fahne von Liberia ist ein Mix aus USA und Chile. Eine besondere Herausforderung an das Flaggenkommando des Wachbataillons, das immer die richtige Fahne aus dem Flaggenkeller des Schlosses holen muss. Wenigstens sind inzwischen die Ränder der Flaggen mit schwarzem Edding beschriftet. Vor einigen Jahren hätte es fast einen Fauxpas mit der Verwechslung der Fahnen zweier rivalisierender Staaten gegeben. Danach wurden die Ränder beschriftet.

Botschafter akkreditiert Honduras Christa Castro Varela
Botschafterin der Republik Honduras akkreditiert: Christa Castro Varela
Wer von Liberia aus über den Atlantik segelt und dabei leicht nach Norden abdriftet, könnte nach Passieren des Karibischen Meeres in Honduras landen. Von dort kommt Christa Castro Varela. Sie vertritt etwa 9 Millionen Menschen, deren Durchschnittsalter bei 19 liegt. Also nur ein Jahr älter als die Menschen in Liberia. Auch in Honduras fühlen sich über 80% der Bevölkerung einer der christlichen Denominationen zugehörig. Honduras hat so einiges durchgemacht mit Diktaturen und schwierigen Demokratisierungsprozessen.

Botschafter akkreditiert Honduras Christa Castro Varela
Botschafterin der Republik Honduras akkreditiert: Christa Castro Varela
Christa Castro Varela war im Energie-Ministerium von Honduras beschäftigt und kümmerte sich unter anderem um Klima- und Umwelt-Themen sowie erneuerbare Energien. Seit 2017 war sie im Präsidialumfeld als Ministerin für Kommunikation und Strategie tätig. Als Botschafterin sitzt sie in Berlin. Von hier aus vertritt sie Honduras auch gegenüber Österreich, Polen, Tschechien, Türkei, Georgien, Ungarn und Albanien.

Botschafter akkreditiert Chile Cecilia Mackenna Echaurren
Botschafterin der Republik Chile akkreditiert: Cecilia Mackenna Echaurren
Den Abschluss der heutigen Botschafter-Akkreditierung bildete Cecilia Mackenna Echaurren aus Chile. Chile liegt südwestlich von Honduras und hat - wie Mali - um die 18 Millionen Einwohner. Viele davon sind römisch-katholisch. Über die Hälfte der Bevölkerung ist jünger als 35 Jahre.

Botschafter akkreditiert Chile Cecilia Mackenna Echaurren
Botschafterin der Republik Chile akkreditiert: Cecilia Mackenna Echaurren
Cecilia Mackenna Echaurren hatte in Chile Philosophie studiert und noch ein Studium in Politikwissenschaften angehängt - in Heidelberg. Im chilenischen Außenministerium war sie für Planung, Nord-Amerika und Umwelt zuständig. Interessante Kombination.

Botschafter akkreditiert Chile Cecilia Mackenna Echaurren
Botschafterin der Republik Chile akkreditiert: Cecilia Mackenna Echaurren, ihre Delegation und die Bezugspersonen des Auswärtigen Amtes
Als ihre Exzellenz Cecilia Mackenna Echaurren mit der Limo und der Standarte des Bundespräsidenten vom Hof rollte, waren fünf neue Botschafter akkreditiert. Diese reihen sich nun ganz hinten in die Defilee-Listen ein: first come - first serve. Last come - last serve. Der Diplomat nennt das Anciennität.

Video:
Akkreditierung der Botschafter von Kosovo, Mali, Liberia, Honduras und Chile

Autor: Matthias Baumann

Montag, 9. Juli 2018

Li Keqiang erscheint zu den 5. Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin

Heute war vieles anders: Es begann mit der Umstellung des üblichen protokollarischen Ablaufs. So fuhr der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang um elf mit einem Maybach vor, wurde von der Kanzlerin begrüßt und verschwand mit ihr im Kanzleramt. Dann wurden wir auf dem Ehrenhof Zeugen des Ausrollens der roten Teppiche. Einer davon für die Delegationen und drei Teppiche für die große Eins zum Abschreiten der Ehrenformation. Gegen zwölf schlenderten die Delegationen auf den Hof, gefolgt von Angela Merkel und Li Keqiang. Hände schütteln, Nationalhymnen, Abschreiten der Ehrenkompanie und dann wieder Verschwinden im Kanzleramt.

Li Keqiang 5. Deutsch-Chinesische Regierungskonsultationen
Li Keqiang und Angela Merkel zum Auftakt der 5. Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen
Normalerweise gibt es die militärischen Ehren nur beim Antrittsbesuch. Li Keqiang ist seit 2013 im Amt und wurde am 18. März 2018 mit 2.964 Für- und zwei Gegenstimmen als Ministerpräsident bestätigt. Vor einer Woche konnte er seinen 63. Geburtstag feiern und hat damit noch für acht Tage das gleiche Alter wie die Kanzlerin. Nur, dass er vermutlich auf diesem Posten seine Amtskollegin überdauern wird.

Die letzten Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen* fanden vor zwei Jahren statt. Diesmal wurde an die partnerschaftlich gewachsenen Beziehungen angeknüpft. Demonstrativ wurden diverse Vereinbarungen abgeschlossen. Beide Staaten bekannten sich zum "Primat der regelbasierten Ordnung". Ein klarer Seitenhieb gegen die impulsbasierte Ordnung der Vereinigten Staaten.

Ein halbes A4-Blatt der 22-seitigen Presseerklärung beschäftigt sich mit Menschenrechten. Sieben Mal taucht das Wort Menschenrechte in diesem Absatz auf. China scheint damit keine Probleme zu haben. Ganz anders die Demonstranten nordöstlich des Kanzleramtes. Sie forderten mit blauen Halbmondfahnen die Unterstützung der Kanzlerin für Usbeken und andere Volksgruppen. Zwischen Paul-Löbe-Haus und Ehrenhof waren China-Fahnen aufgereiht. Diese gehörten offensichtlich zum Freundeskreis des Ministerpräsidenten. Jedenfalls winkte er mehrfach in diese Richtung.

Die Bezeichnung einer "Strategischen Partnerschaft"* wurde bemerkenswert oft seitens der Bundesregierung verwendet. So war es kein Wunder, dass der rote Teppich für die Delegationen heute besonders lang war. Die Bundesregierung wartete mit sämtlichen Ministern von Peter Altmaier bis Julia Klöckner auf. Nur Ursula von der Leyen und Horst Seehofer fehlten. Dafür repräsentierte Brigadegeneral Andreas Henne die Bundeswehr.

Li Keqiang 5. Deutsch-Chinesische Regierungskonsultationen
Li Keqiang und Angela Merkel begrüßen die Delegationen der 5. Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen
Die "Strategische Partnerschaft" bezieht sich jedoch nicht nur auf Deutschland, sondern auch die gesamte EU. Dazu gibt es die "Strategie China-EU 2020", was letztlich auch OBOR (One Belt One Road) tangiert und damit massiv die Interessen Chinas stärkt. Gleiches gilt für die "Interkonnektivität zwischen Asien und Europa".

Zusätzlich gibt es den "Strategischen Außen- und Sicherheitspolitischen Dialog". In diesem Zusammenhang ist interessant, dass es weltweit nur fünf deutsche Botschaften gibt, deren Militär-Attaché-Stäbe von einem Brigadegeneral geleitet werden. Der Normalfall ist ein Oberst - also eine Stufe darunter. Bisher hatten die ehemaligen Alliierten Russland, Frankreich, Großbritannien und USA dieses Privileg. Neuerdings aber auch China. China hat signalisiert, dass es Deutschland bei der Wahl in den UN-Sicherheitsrat unterstützt.

Handel ist für die EU und China sehr wichtig. Offene Wirtschaft, Liberalisierung und Erleichterung des Handels sowie Marktbedingungen ohne Diskriminierung stehen in der gemeinsamen Erklärung. Dem Abschluss eines "ambitionierten EU-China Investitionsabkommens" komme zentrale Bedeutung bei. Das Niveau bei Normierung und Qualitätssicherung soll angeglichen werden. Es gibt sogar einen Deutsch-Chinesischen Hochrangigen Finanzdialog, der sich mir Währungsstabilität und fiskalischen Themen beschäftigt.

Auch bei der Bekämpfung von Cyber-Kriminalität wollen Deutschland und China zusammenarbeiten. Bei einer Veranstaltung am Rande der TOA mit Fokus auf Investitionen in Hong Kong berichteten Betroffene, dass die Netzwerke in China sehr gut gegen fremde Inhalte abgeschirmt seien. Nur in wenigen Regionen sei der Zugriff auf YouTube möglich, WhatsApp sei kaum noch nutzbar und auch Skype unterliege einer starken Restriktion.

Bei Technologie und Innovation wolle man mit China ebenfalls viel erreichen. Es geht beispielsweise um Bioökonomie, sauberes Wasser oder Polarforschung. Damit harmonieren auch die gemeinsamen Bemühungen um den Klimaschutz, erneuerbare Energien, Elektromobilität, Reduzierung des Plastikmülls, Verbesserung der Gesundheitsversorgung und eine intelligente Urbanisierung.

Am Schluss standen sieben Absichtserklärungen zwischen mehreren Ministerien, ein Rahmenplan und zwei weitere Abkommen. Wie bereits die Abwesenden am roten Teppich signalisiert hatten, gab es keine Abkommen mit dem Innenministerium und dem Verteidigungsministerium.

Video:
Beginn der 5. Deutsch-Chinesische Regierungskonsultationen im Bundeskanzleramt

Autor: Matthias Baumann

*) Die Großschrift bei "Strategisch" oder "Deutsch-Chinesisch" entspricht der durchgängigen Schreibweise in der Presseerklärung der Bundesregierung.

Samstag, 7. Juli 2018

Brexit - ohne Plan zum Exit

Die Zeit wird knapp: Nur noch neun Monate bis zum Exit durch Brexit. Neun Monate, die noch eine lange Sommerpause enthalten. Da niemand in London mit dem Brexit gerechnet hatte, war man auch schlecht vorbereitet auf diese Situation. Daran hat sich bisher kaum etwas geändert.

Bei einer Bildungsreise der Bundeswehr nach London trafen wir hochkarätige Gesprächspartner: Angehörige des deutschen Militär-Attaché-Stabes, Presse-, Wirtschafts-, Rechts- und Kulturreferenten der deutschen Botschaft, Earl Howe (Staatsminister im House of Lords) und mehrere Briten aus dem Foreign & Commonwealth Office oder dem Ministry of Defense sowie einen Mix aus Kompetenzen des IISS (The International Institute for Strategic Studies).

Bei aller Divergenz der Funktionen, Positionen und Sichtweisen waren sich doch alle einig:
Großbritannien ist nicht auf den Brexit vorbereitet.


Brexit London Bildungsreise Seminar Bundeswehr
Brexit - Nur noch 9 Monate bis zum Verlassen der EU - Schild an der Ausfahrt des Parlaments
Dabei klingt Separatismus so einfach: Raus aus der EU und Alles wird gut! Durch England fuhren damals knallrote Busse mit der Aufschrift, dass wöchentlich 350 Millionen Pfund an die EU überwiesen werden. Das klingt sehr viel und sollte laut der Leave-Fraktion (Leave = Verlassen) ins NHS (National Health System = Nationales Gesundheitswesen) investiert werden.

Das leuchtete so manch einem Kreuzchen-Setzer beim Referendum ein. Da aber die Folgen eines Brexits nicht bedacht worden waren, werden diese 350 Millionen Pfund ab April 2019 nicht ins NHS fließen, sondern 1:1 in die Verwaltungskosten für das britische Zollwesen. Die europäische Zollunion geht dann nämlich nur noch bis ans Nordseeufer und an die 499 km lange Grenze zu Nordirland.

Die Iren haben schon angekündigt, dass sie keine Grenzstationen oder Zäune oder Kameras dulden werden: "We will blow them off". Und das ist nur die Spitze des Eisberges.

In London hatte man sich vorgestellt, die europäischen Verträge einfach zu kopieren, per Massenänderung die Begriffe Europäische Union durch Großbritannien zu ersetzen und dann in aller Welt zur Unterschrift vorzulegen. Warum das Korsett der EU beim weltweiten Handel tragen, wenn man auch selbst mit allen Staaten verhandeln könne?

Brexit London Bildungsreise Seminar Bundeswehr
Brexit - Nur noch 9 Monate bis zum Verlassen der EU - Auch die Tiere im Hyde Park entscheiden sich für unterschiedliche Richtungen.
So hofiert die britische Regierung in Zusammenarbeit mit der Queen die Staaten des Commonwealth. Ohne dabei zu beachten, dass mit dem Commonwealth weniger als 9% Handelsvolumen erwirtschaftet werden. In Japan war Theresa May wie von einer Lotusblüte abgetropft, als sie mit ihrer Ein-Staat-Handelsmacht und kopierten Verträgen um ein Abkommen ersuchen wollte.

Das Volumen passt nicht und die Herkunft eines Endproduktes kann nicht mehr klar als britisch deklariert werden. Selbst ein traditionsreiches Fahrzeug wie der MINI wird nur noch zu 15% in Großbritannien bearbeitet. Der Rest kommt aus Europa.

Europäische Normen und europäische Verträge können Ende März 2019 den gesamten Waren- und Flugverkehr mit und über Großbritannien lahmlegen. Es gibt bisher keine Abkommen für Start, Landung und Überflug britischer Gesellschaften wie Iberia oder British Airways. Innerhalb der EU war das kein Problem, aber nach dem Brexit sind UK und dessen Fluggesellschaften raus. Britische Waren müssen dann erst einmal in Europa zugelassen werden. Durch Wartezeiten an den Grenzen werden Lieferketten unterbrochen. Bestimmte Güter können gar nicht mehr gehandelt werden, da sie bei längerer Zoll-Abfertigung verderben. Davon sind insbesondere Medikamente betroffen.

Das ließe sich fortsetzen bei den Motoren von Rolls Royce, bei Tragflächen von Airbus und bei Schutzlacken auf Fahrzeugen. Das simultane Austreten aus europäischen Rahmenverträgen zieht einen gigantischen Komplex von Neuverhandlungen, Neuverträgen und Nachnormierungen hinter sich her. Eine Aufgabe, die mit den eingesparten Mitgliedsbeiträgen niemals zu finanzieren ist.

Brexit London Bildungsreise Seminar Bundeswehr
Brexit - Nur noch 9 Monate bis zum Verlassen der EU - Banken und Versicherungen verlegen ihre Standorte weg von London.
Apropos Finanzierung: Kapital sei ein scheues Reh, stellte einst Karl Marx fest. So haben bereits über 20 Banken und Versicherungsgesellschaften ihre Aktivitäten nach Frankfurt am Main verlagert. Weitere werden folgen. Der Immobilienmarkt wird bisher nicht tangiert: In London liegen die Kaufpreise weiterhin stark über Wert. So kostet ein kleines Häuschen im Hinterhof der deutschen Botschaft schnell mal 15 Millionen Pfund. Der britische Traum vom zu Lebzeiten finanzierten Haus ist nicht mehr realisierbar.

Sicherheitspolitisch ist der Brexit auch relevant. Erstens schwächt er die Einheit Europas. Zweitens müssen bestimmte inner-europäische Verteidigungskonstellationen nachverhandelt werden. Besonders bitter ist das getätigte Investment der Briten im Satelliten-System Galileo, das per Vertrag ein EU-Projekt ist. Viele Verträge laufen jedoch auf NATO-Ebene oder bilateral, so dass der Brexit dort nur eine bedingte Auswirkung hat. Der Brexit könnte jedoch zu einem straffen Sparkurs der Regierung bezüglich des Verteidigungshaushaltes führen.

Fazit: Separatismus ist unklug und sollte vorab gut durchkalkuliert werden. Aber wer beschäftigt sich schon so differenziert mit dem Thema?

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 14. Juni 2018

#SMAU - Start-ups vernetzen sich auf Italienisch

Beinahe wäre ich zu früh in der Italienischen Botschaft erschienen. 18:00 Uhr hatte ich mir eingeprägt und dann doch noch einmal auf das Ticket geschaut. Punkt sieben stellte ich den Wagen vor dem rosa Gebäude am Tiergarten ab. Am Eingang standen dekorative Carabinieri und zeigten den Weg zu den Damen mit den Teilnehmerlisten. Keine bekannten Gesichter. Kein Deutsch. Dafür aber eine anmutige weiße Mädchen-Skulptur, die in vielen bunten Tüchern versank. Die Garderobe?

#SMAU Italy Restarts Up Italienische Botschaft
SMAU | Italy Restarts Up - Networking Cocktail in der italienischen Botschaft
Die Pressefrau von SMAU sprach mich an und wir tauschten die Visitenkarten aus. Konversation auf Englisch. Gab es hier nur Italiener? Sollte das nicht ein Vernetzungsabend mit deutschen Start-ups werden? Ich schlenderte durch das Obergeschoss, schaute in das römische Atrium. Alles stilecht und liebevoll gepflegt. Hier eine abgebrochene Säule, dort eine spanische Wand und in einem Nebengelass sehr gemütliche Sitzecken: gelbes Leder und Glasplatten auf antikem Gestein. Wer hier wartet, kann in edlen Bildbänden von Maserati blättern.

Gegen halb acht entdeckte ich den ersten Deutschen: Staatssekretär Rickerts. Im großen Saal setzte er sich direkt vor mich neben ein A4-Blatt mit der Aufschrift "S.E." - die Abkürzung für "Seine Exzellenz". Damit war der Botschafter Italiens, Pietro Benassi, gemeint. Dieser eröffnete den Abend mit einer äußerst blumigen Rede. Ich blickte mich um. Nur Staatssekretär Rickerts und ich schienen die Simultanübersetzung zu nutzen. Leidenschaftliche Worte klangen durch den Kopfhörer. Synapsen, Disruption und das einheitliche Wirken in einem europäischen Hirn wurde mit so viel Sprezzatura vorgetragen, dass man schon fast die deutsche Nüchternheit vergaß.

#SMAU Italy Restarts Up Italienische Botschaft
SMAU | Italy Restarts Up - Reden vor stilechter Kulisse in der italienischen Botschaft
Es folgten weitere Reden, deren Inhalte weitestgehend vorhersehbar waren: Zahlen und Fakten und Fakten und Zahlen und immer wieder Big Data, Industrie 4.0 und Digitalisierung. Großes Erstaunen herrschte jedoch darüber, dass sogar Banken neuerdings beweglich seien und auf die Bedürfnisse von Start-ups eingingen. Die Zuhörer lernten zudem, dass Italien viele kleine, aber schlagkräftige Produktionsunternehmen habe. Dass das Investitionsklima gut und die staatliche Förderung beispielhaft sei. Letzteres wurde durch die Präsenz regionaler Wirtschafts-Organisationen deutlich.

Ein starker Fokus lag auf Talenten: Talente, Talente, Talente! Talente finden, Talente fördern, Talente verbinden. So sei eine homogene Atmosphäre mit geistiger Dürre gleichzusetzen. Innovation könne nur in einem heterogenen Rahmen entstehen, der Raum zum Ausprobieren, Raum für Fehler und Raum für unterschiedliche Sichtweisen lasse. Der letzte Redner, der sich selbst als letzte Bremse vor dem Networking-Cocktail bezeichnete, berichtete aus seiner Praxis des Vermarktens von Start-ups. So sei seine Organisation durch das Land gereist, habe sich die sämtlichen Produkte von Start-ups angesehen und bewirbt diese nun in den Sozialen Medien und im Fernsehen.

Dass Start-ups und Marketing nicht immer harmonieren, stellte sich auch in den Gesprächen bei Rotwein und italienischem Buffet heraus. So seien Start-ups angereist, die gar nichts mit dem Thema Networking anfangen können und auf ein Networking durch ihre offiziellen Regionalvertreter hofften. Ab und zu begegnete ich tatsächlich Gästen, die Deutsch sprachen. Das war an ihrem Akzent bei der Konversation auf Englisch zu erkennen. Es handelte sich weitestgehend um App-Firmen aus dem FinTech- oder Fahrzeug-Umfeld: Jung, Brille, Hipster-Style.

#SMAU Italy Restarts Up Italienische Botschaft
SMAU | Italy Restarts Up - Hieronymus schaut zu beim Networking-Cocktail in der italienischen Botschaft
Beim Verspeisen des Tiramisus schaute Hieronymus von einem Ölgemälde aus zu. Hieronymus hatte um 400 die Bibel auf Latein übersetzt. Diese Übersetzung ist als Vulgata bekannt. Beim Verlassen der Botschaft lief ich an einem Sims vorbei: "SPERA IN DEO ET FAC BONITATEM" - "Vertraue auf Gott und tue Gutes". SMAU verfolgt einen guten und altruistischen Ansatz. Es geht hier nicht um das egoistische Einbehalten von Know-how, sondern den Austausch, die Vernetzung. Ganz im Stil des Silicon Valleys, wo innovative Köpfe gemeinsam sinnieren, auch wenn sie eigentlich Wettbewerber sind.

"SMAU | Italy Restarts Up" wird heute fortgesetzt im Palazzo Italia: Unter den Linden 10. Dort präsentieren sich die italienischen Start-ups. Sie diskutieren über Wettbewerb, Verkehrskonzepte, virtuelle Realität, Mode, Finanz-Technologien, innovative Ökosysteme und weitere Themen. SMAU findet nun schon das vierte Mal in Berlin statt.

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 26. Mai 2018

Deutsch-Israelische Gesellschaft feiert drei Tage lang in der Station am Gleisdreieck - Eintritt frei

"Seitdem ich 70 bin, lasse ich mich gerne mit einem jungen Mann sehen. Zumindest auf dem Foto", sagte die Frau mit den kurzen grauen Haaren und posierte mit einem Jüngling im Anzug. Die 70 war ihr nicht anzusehen: schlank, sportlich, attraktiv. 70 ist eben die neue 60.

Ähnlich verhält es sich mit Israel: "Lieber junger Jubilar, liebes Israel!" Claudia Roth von den Grünen war so begeistert, dass sie am Rednerpult jegliche Etikette vergaß, wild mit den Armen fuchtelte und eine überaus leidenschaftliche Rede über die Staatsgründung Israels vor 70 Jahren und ihre persönliche Freundschaft zu diesem Land hielt.

Festival 70 Jahre Israel Deutsch-Israelische Gesellschaft
Festival 70 Jahre Israel der Deutsch-Israelischen Gesellschaft - Orangen am Beachplatz
Die Staatsgründung habe den Menschen jüdischen Glaubens endlich wieder eine Stimme verliehen, ja sogar eine eigene Sprache. Tatsächlich hatte Ben Jehuda das Althebräische als Ivrith wiederbelebt. Begriffe wie Flugzeug, Auto und CD-Player werden kontinuierlich neu in die Sprache übertragen. Mit Claudia Roth von den Grünen hatte ich mich bisher kaum beschäftigt, obwohl ich ein 3-Liter-Auto fahre: Diesel, 3 Liter Hubraum. Gestern glänzte sie als glühende Rhetorikerin.

Neben Claudia Roth waren auch noch Yehiel Hilik Bar, Vizepräsident der Knesset, und der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff anwesend. Michelle Müntefering vertrat das Auswärtige Amt und hielt ebenfalls eine glühende Rede. Darin postulierte sie, dass Deutschland für die Existenz und die Sicherheit Israels stehe. Letzteres zeigen auch die guten Beziehungen der Bundeswehr zu Israel. Stellt sich nur die Frage: Wer lernt von wem?

Festival 70 Jahre Israel Deutsch-Israelische Gesellschaft
Festival 70 Jahre Israel - KKL und die Aufforstung von Israel
Yehiel Hilik Bar sprach Englisch. Offensichtlich verstanden das alle Anwesenden. Der Traum der Israelis sei simpel. Es sei der Traum, in einem eigenen Land zu leben. So simpel, wie sich der Traum formulieren lässt, ist auch die Frage, die der Vizepräsident seinen Gesprächspartnern im Nahen Osten stellt: "Do you want to live next to us or do you want to live instead of us?" ("Möchtet ihr neben uns leben oder anstelle von uns?").

Im Nahen Osten wird wohl kaum jemand mit "next to" antworten. Wer mit "next to" antwortet, könnte sich einer effizienten Kooperation sicher sein. "Instead of" bedeutet Konfrontation. Israel als die einzige Demokratie der Region kennt sich aus mit dem Adjektiv "wehrhaft".

Botschafter Issacharoff hat einschlägige Erfahrungen mit Sicherheits-Themen. In den letzten neun Monaten hat er schon viele Freundschaften geschlossen. Die Freundschaften ziehen sich durch ein breites politisches Spektrum und gehen von Rosa-Rot-Grün bis FDP-Gelb. Der FDP-Politiker Hellmut Königshaus ist Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Er war in die Kritik geraten, weil er den Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem unterstützt hatte. Hellmut Königshaus war bis 2015 Wehrbeauftragter des Bundestages. Wehrbeauftragte werden immer zeitversetzt zur sonstigen Wahlperiode eingesetzt. Sein Nachfolger in diesem Amt ist Hans-Peter Bartels.

Das Festival 70 Jahre Israel findet seit gestern in der Station am Gleisdreieck statt. Es geht bis Sonntag. Der Eintritt ist frei. Taschen müssen abgegeben werden. Es erfolgen die an Flughäfen üblichen Personenkontrollen. Für den Ernstfall halten sich Polizisten mit Maschinenpistolen bereit.

Festival 70 Jahre Israel Deutsch-Israelische Gesellschaft
Festival 70 Jahre Israel - Logo der Deutsch-Israelischen Gesellschaft
Auf dem Programm stehen Workshops zur Aufforstung von Israel, zum Schreiben des eigenen Namens auf Hebräisch oder zur Zubereitung von Hummus. Auf dem Beachplatz kann typischen Strandspielen oder wilden Tanzaktionen nachgegangen werden. Heute ab 16:00 Uhr fliegen Gegner der Krav-Maga-Kampfsportler in den Sand. Und immer wieder Tanz und Beachparty.

In einer Kinderecke gibt es eine Hüpfburg, die gestern noch vom Personenschutz bewacht wurde. Es gibt eine Zaubershow, Ballon-Tiere und Buchlesungen für die Kleinen. Auf der großen und der kleinen Bühne gibt es Podiumsdiskussionen mit Politikern, Wissenschaftlern und Journalisten. Die Themen reichen von witzig über informativ bis ernst.

Der Stand der israelischen Botschaft wartet mit reichlich Infomaterial auf. Dazu Aufkleber und Fähnchen. Neben den bekannten blau-weißen Israel-Fahnen stehen etwa 50% bunte Israel-Fahnen in den Eimern. Auf Nachfrage wurde mir mitgeteilt, dass diese Fahnen im Vorfeld des Christopher Street Days immer gut ankämen. Immerhin sei Israel für seine große Homo-Szene bekannt.

Festival 70 Jahre Israel Deutsch-Israelische Gesellschaft
Kontraste mit Davidstern - Festival 70 Jahre Israel der Deutsch-Israelischen Gesellschaft
In unmittelbarer Nähe warteten zwei Männer vor einer Regenbogenfahne auf interessierte Besucher. Ich lief vorbei und widmete mich den Ständen mit Studienangeboten in Jerusalem und Israel-Bonds ab 100 Euro. Nachrichtenagenturen stellten ihre Konzepte "ehrlicher" Berichterstattung vor und Verlage präsentierten die neuesten Werke israelischer Schriftsteller.

Sammler von Kugelschreibern, Tassen und Jutebeuteln werden wohl kein großes Volumen nach Hause tragen. Es sei denn, sie nehmen den reichlich angebotenen Lesestoff mit. Während der Grußworte zur Eröffnung erfuhren wir, dass das Festival zum Teil vom Auswärtigen Amt sowie dem Ressort von Kulturstaatsministerin Monika Grütters finanziert wurde.

Nach meiner Einschätzung ist der angemietete Platz sehr großzügig bemessen. Bei der Eröffnung waren etwa 200 Personen anwesend. Diese saßen schon fast verloren vor der großen Bühne. Es hätte Raum für deutlich mehr israelische Anbieter gegeben. Aber vielleicht ist dieser Freiraum nötig für die vielen Gäste, die heute und morgen noch in die Hallen der Station am Gleisdreieck strömen.


Autor: Matthias Baumann