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Sonntag, 4. November 2018

Trident Juncture 2018: Gebirgsaufklärer und der Fennek hinter den feindlichen Linien

Das kleine Städtchen Füssen liegt am Fuße des Bergzuges, auf dem das malerische Schloss Neuschwanstein erbaut ist. Eine reizvolle Gegend, aber touristisch überlaufen. So hatten die Soldaten vom Gebirgsaufklärerbataillon 230 beim NATO-Manöver Trident Juncture in Norwegen zumindest ein optisches Heimspiel. Allein die Massen an Touristen fehlten.

Trident Juncture 2018 #TRJE2018 Gebirgsaufklärerbataillon 230 Füssen Norwegen
Trident Juncture 2018 - Gebirgsaufklärerbataillon 230 aus Füssen in Norwegen - getarnter Fennek vor einem in Falunrot gestrichenen Haus
Mein Tagesauftrag bestand in einer Begleitung des Aufklärer-Spießes an die vorderste Front. Er sollte seinen Leuten Essen, Medikamente und weitere schöne Dinge bringen. Anschließend sollte er mich an die Gebirgspioniere aus Ingolstadt übergeben.

Wer sich Orte und Strecken in Norwegen auf Google-Maps anschaut, unterschätzt die Entfernungen und die Besiedlung von Ortschaften. Der hintere Gefechtsstand mit einem großen Zeltlager befand sich in Haltdalen, etwa 100 km südlich von Trondheim. Von hier aus hatten die Truppen der Gruppe Rot vor einigen Tagen den Angriff nach Süden gegen die Gruppe Blau gestartet. Inzwischen waren sie mehr als zwei Autostunden nach Süden vorgedrungen. Diese Strecke mussten wir ihnen jetzt hinterherfahren.

Trident Juncture 2018 #TRJE2018 Gebirgsaufklärerbataillon 230 Füssen Norwegen
Trident Juncture 2018 - Gebirgsaufklärerbataillon 230 aus Füssen in Norwegen - Freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen Bewohnern und Manöver-Teilnehmern
In Haltdalen war angeregt über einen Fennek diskutiert worden. In diesem Falle ging es nicht um den kleinen weißen Wüstenfuchs (Vulpes zerda), sondern ein grünes zotteliges Panzerfahrzeug. Laut meiner Begleiter vom Fach ein perfektes Auto für verdeckte Aufklärungsaktionen. Die Form des Fenneks ist untypisch und daher nicht sofort identifizierbar. Mit Tarnnetzen, Nadelgehölz und herumhängenden Fransen kann die Form weiter verschleiert werden. Der kleine Fennek kann auch rückwärts sehr schnell fahren. Er kann laut oder leise und bietet Schutz gegen Beschuss mit Sturmgewehren.

Der kleine Fennek, der in Haltdalen beredet worden war, hatte drei Mann Besatzung und war inmitten einer britischen Einheit der Gruppe Blau abgetaucht. Er war mit der Aufklärung der feindlichen Pläne beschäftigt gewesen und sah sich plötzlich von den Gegnern umzingelt. Er stand in einer Bodenvertiefung, so dass sein flaches Dach weitestgehend unsichtbar war. Man machte sich Sorgen um die Besatzung. Wenn sie entdeckt würden, hatten sie keine Chance.

Trident Juncture 2018 #TRJE2018 Gebirgsaufklärerbataillon 230 Füssen Norwegen
Trident Juncture 2018 - Gebirgsaufklärerbataillon 230 aus Füssen in Norwegen - Fahren durch die Winterlandschaft
Warten. Warten und ruhig verhalten. Bei solchen Aktionen spielen auch Witterung, Temperaturen und Untergrund eine große Rolle. Schmilzt das Eis und macht den Boden zu Matsch, ist eine größere Anstrengung zur Änderung der Position notwendig. Größere Anstrengung heißt auffälliges Motorgeräusch. So mussten die Aufklärer warten, bis der Boden an einem Morgen genau die richtige Konsistenz für ein lautloses Fortgleiten bot.

In der Ungewissheit des Wohlergehens von Fennek und Besatzung fuhren wir die Landstraße 30 Richtung Süden. Uns folgte ein kleiner LKW mit Wasser und Nahrungsmitteln. Die Soldaten vor Ort hatten seit Beginn der Übung mit ihren eigenen Vorräten haushalten müssen. Sie schliefen bei teilweise -20°C unter einer getarnten Plane auf Feldbetten. Das schon bei Dschingis Khan bekannte Trockenessen konnte mit heißem Wasser aufgegossen und als durchaus schmackhafter Brei verzehrt werden. Nun kam aber endlich der Spieß und damit das normale Essen: Ciabatta mit Frikadelle.

Trident Juncture 2018 #TRJE2018 Gebirgsaufklärerbataillon 230 Füssen Norwegen
Trident Juncture 2018 - Gebirgsaufklärerbataillon 230 aus Füssen in Norwegen - Feldbetten und Schlafsäcke unter Plane und Tarnnetz
Die Aufklärer hatten ihr Lager im Schutz eines kleinen Gehöftes aufgeschlagen. Die Norweger waren sehr interessiert am Manöver und unterstützten, wo sie nur konnten. Ganze Familien kamen aus den Häusern, als Gefechte tobten und freuten sich, dass endlich mal was los war. Einige Einheiten durften sogar Stuben und warme Duschen benutzen. Ganz abgesehen von den Stromanschlüssen zum Nachladen der Handys. Apropos Handys. Das Mobilfunknetz ist in Norwegen so gut ausgebaut, dass man selbst in entlegenen Bergregionen besten Empfang hat.

Trident Juncture 2018 #TRJE2018 Gebirgsaufklärerbataillon 230 Füssen Norwegen
Trident Juncture 2018 - Gebirgsaufklärerbataillon 230 aus Füssen in Norwegen - Tarnung mit unterschiedlichem Sichtschutz
Hinter großen weißen Strohballen hatte man den Kommandopanzer versteckt, ein Fennek stand neben einem in Falunrot gestrichenen Haus. Von wegen Schwedenrot - in Norwegen sind etwa 70% aller Häuser in Falunrot gestrichen und haben weiß abgesetzte Fenster, Türen und Terrassen. Die Plane für die Unterkunft war ebenfalls hinter weißen Strohballen aufgespannt und zusätzlich mit einem Tarnnetz gesichert. Von außen war da kaum etwas zu entdecken.

Trident Juncture 2018 #TRJE2018 Gebirgsaufklärerbataillon 230 Füssen Norwegen
Trident Juncture 2018 - Gebirgsaufklärerbataillon 230 aus Füssen in Norwegen - Fennek nach dem erfolgreichen Verlassen des gegenrischen Kessels
Der kommandierende Major kam auf mich zu und erklärte einige Details zum Aufenthaltsort und den Gerätschaften. Hinter uns parkte ein zweiter Fennek. Der Fennek! Er trug eine rote Fahne und war gut belaubt. Am Bauch hingen Fransen und oben waren ein Maschinengewehr und diverse Sichtgeräte aufgeschraubt. Die drei Aufklärer waren erleichtert über den morgendlichen Ausbruch aus dem feindlichen Kessel. Die britische Einheit hatte bis zum Schluss nichts bemerkt. Vielleicht waren sie gedanklich mit dem bevorstehenden Ausbruch aus der EU beschäftigt. Überhaupt war immer wieder zu erfahren, dass die Briten sehr unkonzentriert kämpften und einen taktischen Fehler nach dem anderen begingen.

Trident Juncture 2018 #TRJE2018 Gebirgsaufklärerbataillon 230 Füssen Norwegen
Trident Juncture 2018 - Gebirgsaufklärerbataillon 230 aus Füssen in Norwegen - getarnte Fahrzeuge in skandinavischer Landschaft, rechts der entkommene Fennek und links unser VW-Bus (Widder) mit dem weißen Kreuz für nicht am Gefecht beteiligte Versorger
Wer einen Hang zum Arbeiten im kleinen Team oder als Einzelkämpfer hat, ist bei den Gebirgsaufklärern genau richtig. Bewaffnet mit modernster Technik, Gewehr G36, Pistole P8 und robusten Fahrzeugen wie dem Fennek schleichen sie sich hinter die Frontlinie, ermitteln die wichtigsten Informationen über den Gegner, kalkulieren dessen mögliche Strategie und liefern diese wertvollen Daten an die eigentlichen Kämpfer. Erst wenn die Aufklärer fertig sind, geht das Gefecht los. Da sich die Positionen der Gegner regelmäßig verschieben, werden die Aufklärer permanent eingesetzt. Nervenkitzel pur für Männer und Frauen.

Aufklärer kämpfen nur, wenn sie sich selbst verteidigen müssen. Ihr Auftrag besteht in der Gewinnung von Informationen und nicht im Kampf. Ausnahme ist die opportune Begegnung mit einem Hochwert-Ziel, das nur genau zu dieser Zeit an diesem Ort mit wenig Aufwand vernichtet werden kann. Der Erfolg muss sicher sein, ansonsten Finger weg und die Sache den richtigen Kämpfern überlassen. Ein umsichtiger Kämpfer bewegt sich immer erst nach vorheriger Aufklärung der Feindlage.

Trident Juncture 2018 #TRJE2018 Gebirgsaufklärerbataillon 230 Füssen Norwegen
Trident Juncture 2018 - Gebirgsaufklärerbataillon 230 aus Füssen in Norwegen - Aufklärungspanzer Fennek vor einem Haus in Falunrot - Das rote Kreuz markiert die Gruppe Rot aus dem Norden.
Inzwischen schien die Sonne und bot ein perfektes Licht für Fotos in der skandinavischen Natur: hier ein Wüstenfuchs und dort ein Strohballen und da noch ein ... Huch, das sollte ich nicht fotografieren. Gelöscht!

Wir stiegen in unseren VW-Bus und fuhren wieder auf die Landstraße. Schneebedeckte Nadelbäume, kein Mensch weit und breit, kein Auto weit und breit und dann - ein Biber am Wegesrand. Aber das ist eine andere Geschichte.

Video:
Begleitung der Gebirgsaufklärer beim NATO-Manöver Trident Juncture 2018

Autor: Matthias Baumann