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Montag, 1. März 2021

Bericht der Wehrbeauftragten zur aktuellen Situation in den Streitkräften

Es ist schon beeindruckend, wenn Pressekollegen bereits während der Vorstellung eines Berichtes detaillierte Fragen zu dessen Inhalt stellen. Der Jahresbericht 2020 der Wehrbeauftragten, Eva Högl, umfasst 150 eng bedruckte A4-Seiten. Der Bericht ist keine einfache Lektüre, die man schnell mal nebenbei durchliest. Ein Selbsttest hat ergeben, dass bei begleitendem Tagesgeschäft gut eine Woche zum Lesen eingeplant werden sollte. Vermutlich hatten die schnellen Journalisten nach den Reizthemen gesucht und die betreffenden Passagen quergelesen.

Der Bericht ist sehr vielschichtig und enthält durchaus positive Aspekte. Er beschäftigt sich mit Corona, der Inneren Führung, der finanziellen Ausstattung, mit Personal und der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, mit Material, Infrastruktur, Digitalisierung, Einsätzen, Rechtsverstößen sowie der Fürsorge mit ihren reichhaltigen Facetten von Beschädigtenversorgung bis Militärseelsorge.

Bericht 2020 der Wehrbeauftragten Eva Högl zur aktuellen Situation in der Bundeswehr
Bericht 2020 der Wehrbeauftragten, Eva Högl, zur aktuellen Situation in der Bundeswehr - Vorstellung des Berichtes am 23. Februar 2021 in der Bundespressekonferenz

Die Wehrbeauftragte wird vom Bundestag für fünf Jahre gewählt. Damit überspannt sie den Zeitraum einer normalen Legislaturperiode. Das verschafft ihrem Sonderstatus eine entsprechende Geltung und fraktionspolitische Unabhängigkeit. Sie berichtet an den Verteidigungsausschuss des Bundestages, ist diesem aber administrativ nicht unterstellt. Der Bundestag und dessen Verteidigungsausschuss können der Wehrbeauftragten aber Weisungen erteilen. Darüber hinaus ist sie von Weisungen frei. Sie selbst darf Truppenbesuche ohne Voranmeldung durchführen. Dabei sind ihr alle gewünschten Unterlagen vorzulegen oder die entsprechenden Zugänge zu gewähren. Bei besonders geheimen Einrichtungen kann ihr nur durch Beschluss der Ministerin der Zugang verweigert werden. Das schafft ein Höchstmaß an Transparenz und Klärungsmöglichkeiten.

2020 wurden 3.907 Fälle bearbeitet, die sich entweder per Eingabe, durch meldepflichtige Ereignisse, bei Gesprächen am Rande von Truppenbesuchen oder durch Presseberichte ergeben hatten. Der größte Teil stammte aus persönlichen Eingaben, die vorrangig von Unteroffizieren und Mannschaftssoldaten eingereicht wurden. Es gab auch 35 anonyme Eingaben, die per Gesetz (WBeauftrG § 8) nicht bearbeitet, aber durchaus zur Kenntnis genommen werden. Gemäß Dienstvorschrift A-2600/2 dürfen Soldaten, die eine solche Eingabe machen, keine Benachteiligungen entstehen. Wer sich an die Wehrbeauftragte wendet, kann das direkt tun - ohne Einhaltung eines Dienstweges. Damit fungiert die Wehrbeauftragte als Petitionsausschuss für Soldaten. Ganz pfiffige Petenten richten ihr Anliegen zusätzlich an den Petitionsausschuss des Bundestages. Hier besteht aber ein reger Austausch, so dass die Vorgänge letztlich doch bei der Wehrbeauftragten landen und dort bearbeitet werden.

Wer den Bericht liest, wird immer wieder über dieselben Knackpunkte stolpern: Kommunikation, Bürokratie, widersprüchliche Rechtsgrundlagen und mangelnde Flexibilität. Wo Kummunikation und Flexibilität klappen, funktioniere es laut Eva Högl auch sehr gut mit der Teamarbeit, der Berufszufriedenheit und der bravourösen Erledigung von Aufträgen. Geldmangel ist inzwischen kein Thema mehr. Dafür aber die genannten Defizite in Struktur und Denkmustern. Gerade in den haarsträubenden Passagen zur Personalentwicklung, der Materialausstattung, der Digitalisierung und den Liegenschaften steht sich die Bundeswehr oft selbst im Weg oder wird durch Referenzbehörden der zuständigen Bundesländer blockiert.

Bericht 2020 der Wehrbeauftragten Eva Högl zur aktuellen Situation in der Bundeswehr
Bericht 2020 der Wehrbeauftragten Eva Högl zur aktuellen Situation in der Bundeswehr - Besonders traurig sieht es für Piloten und Fallschirmspringer aus. - Archivfoto 9/2020

Beispielsweise verlieren Piloten ihre Lizenzen oder Fallschirmspringer erleiden vermehrt Unfälle, weil keine Fluggeräte verfügbar sind oder kein Personal, das diese Geräte wartet oder bewegt. Damit fehlen die notwendigen Flugstunden oder Pflichtsprünge. Hinzu kommen ausgelaufene Wartungsverträge wegen Überalterung von Technik. Die Luftwaffe und luftmobilen Heereseinheiten befinden sich deshalb in einer sich technisch und personell gegenseitig befruchtenden Abwärtsspirale. Das sorgt für berechtigte Frustration bei hoch qualifiziertem Personal und Bereitschaftslücken bei der Landes- und Bündnisverteidigung.

Wenn es um qualifiziertes Personal geht, hat die Wirtschaft immer noch die Nase vorn: Wer sich nachhaltig in der freien Wirtschaft behauptet hat und nun mal etwas anderes machen möchte, wird durch Papierkrieg, elend lange Bearbeitungszeiten, praxisferne Einstellungstests, lustlose Kommunikation und unflexible Regeln für den Einstiegsdienstgrad und die Vergütung abgeschreckt. Gelingt solch ein Seiteneinstieg doch einmal, muss sich der neue Kamerad mit dem Neid der Bestandskameraden auseinandersetzen, die sich über Jahre hinweg hochgedient haben. Auch auf diese Befindlichkeiten geht der Bericht ein und zeigt damit, wie umfänglich die Themen betrachtet werden.

Überhaupt ist zwischen den Zeilen zu lesen, wie hoch die Wertschätzung der Wehrbeauftragten gegenüber den Soldaten und ihrem Dienst ist. Defizite werden nüchtern beim Namen genannt, Ursachen werden ermittelt und durchgeführte Maßnahmen lobend erwähnt. Es erfolgt keine parteipolitische Polemik über Sinn und Zweck der Bundeswehr, sondern eine professionelle Auseinandersetzung mit den oben genannten Themenkomplexen von Corona bis Fürsorge.

Eva Högls Vergangenheit als Juristin schwingt im gesamten Jahresbericht mit. Mehrfach geht sie auf juristische Widersprüche oder überholte Regeln ein, die dringend überarbeitet werden müssen. Ablesen lässt sich ferner die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium. Bis auf wenige Meinungsverschiedenheiten scheint sie ein gutes Verhältnis zu den dortigen Entscheidungsträgern aufgebaut zu haben, ohne sich jedoch deren Einfluss zu unterwerfen. Sind wir also gespannt, wie viel von ihrem ehrlichen - und an vielen Stellen schonungslosen - Bericht in der näheren Zukunft umgesetzt wird. Immerhin liefert das Papier auch jede Menge Lösungsvorschläge.

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 27. Februar 2021

Überraschungsbesuch von AKK in Afghanistan

Überraschungsbesuche sind normalerweise ein Markenzeichen des Generalinspekteurs (GI) oder ein Privileg der Wehrbeauftragten. In der Truppe werden sie liebevoll als "Ü-Ei-Besuche" bezeichnet. Es kann praktisch jeden in jeder Situation treffen. Wenn beispielsweise die Vorzimmerdame beim Kommandeur anruft und sagt "Der GI ist ist da.", sollte sich der Kommandeur schon einmal von seinem Platz erheben, weil sich im nächsten Augenblick vier gelbe Sterne auf Flecktarn durch seine Tür bewegen.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK stattet der Truppe in Afghanistan einen Überraschungsbesuch ab
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK stattet der Truppe in Afghanistan einen Überraschungsbesuch ab. - Baustelle des neuen Hangars für die Drohne Heron TP im Camp Marmal -  Foto: Bundeswehr / Sabine Oelbeck

Gestern nutzte auch die Verteidigungsministerin dieses Ü-Ei-Format und reiste nach Afghanistan. Der Überraschungsbesuch war so überraschend, dass sich selbst die Ministerin von dieser Spontanität überrascht zeigte. Sie war nämlich direkt nach der Verlängerung des Resolute-Support-Mandates bis Januar 2022 ins Einsatzgebiet aufgebrochen.

Die USA hatten zwar mit den Taliban verhandelt und ein Abkommen für die Zeit nach dem Abzug der internationalen Truppen geschlossen. Aber - wie in Sure 9 des Koran vorgesehen - muss sich ein Taliban nicht an Abmachungen mit Ungläubigen halten. Vertragsschlüsse dienen demnach lediglich als taktisches Mittel, so lange man den ungläubigen Gegner nicht gleich zu vernichten vermag. Dass die Taliban diese theologischen Grundlagen ernst nehmen, zeigt die aktuelle Situation in Afghanistan.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK stattet der Truppe in Afghanistan einen Überraschungsbesuch ab
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK stattet der Truppe in Afghanistan einen Überraschungsbesuch ab. - Vorführung der Drohnenabwehrwaffe HP 47+ -  Foto: Bundeswehr / Sabine Oelbeck

Die Ministerin dankte den Soldaten ausdrücklich für ihren Dienst unter diesen besonderen Umständen und meinte damit die Mehrfachbelastung von Klima, Bedrohungslage und Corona-Maßnahmen. Sie erwarte ein Ansteigen der Gewalt und wollte sich deshalb selbst ein Bild von der Situation vor Ort verschaffen. Dazu bewegte sie sich weit in die Truppe hinein und sprach mit Führungspersonal, Mannschaftssoldaten und Militärseelsorgern. So gewann sie einen differenzierten Eindruck, wie es den Soldaten geht und welcher konkrete Bedarf zu stillen ist.

Dass ein Ad-Hoc-Abzug wenig sinnvoll ist, haben verschiedene Einsätze der jüngeren Vergangenheit gezeigt. Das dadurch entstehende Machtvakuum wird in jedem Fall ausgefüllt. Die Frage ist nur: Durch wen? Oftmals sind es kriminelle Kräfte, die das Land und die angrenzende Region in ein noch größeres Chaos stürzen. Einsatzerfolge wie Brückenbau, Bildungskampagnen, Brunnenbohrungen, Training einheimischer Sicherheitskräfte und Aufbau demokratischer Strukturen könnten dann innerhalb kürzester Zeit wieder zunichte gemacht werden.

Die Bundeswehr ist nun schon seit Dezember 2001 in Afghanistan. Nach dem Anschlag auf das Wold Trade Center in New York hatten die USA den Bündnisfall nach Artikel 5 des NATO-Vertrages ausgerufen und sich auf Afghanistan als Steuerungsort der Angreifer konzentriert. Sinnhaftigkeit und Aufwand dieses fast 20-jährigen Einsatzes sind den Soldaten, der Zivilgesellschaft und dem Bundestag kaum noch zu vermitteln. Dennoch steht Deutschland in der Verantwortung, das Land nicht durch einen zu schnellen Abzug seinem Schicksal zu überlassen.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK stattet der Truppe in Afghanistan einen Überraschungsbesuch ab
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK stattet der Truppe in Afghanistan einen Überraschungsbesuch ab. - Gespräch mit Soldaten im Camp Marmal -  Foto: Bundeswehr / Sabine Oelbeck

Man habe deshalb bei der Verlängerung des Mandates die Obergrenzen ausgereizt und eine möglichst hohe Flexibilität eingebaut. Damit kann die Bundeswehr auf die neue Qualität des immer "robuster" werdenden Einsatzes reagieren. Hilfreich wäre, wenn sich die mutigen Kräfte vor Ort der Akzeptanz und Wertschätzung der bundesdeutschen Gesellschaft bewusst sein könnten.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 26. Februar 2021

Angelobung bei der Garde in der Maria-Theresien-Kaserne in Wien

Die Garde in Österreich ist das Gegenstück zum Wachbataillon in Deutschland. Letzteres bezeichnet sich nur noch intern als Garde und blickt damit auf eine etwa 200-jährige Geschichte zurück. Das damalige Erste Garderegiment zu Fuß war fest am preußischen Hof etabliert und spielte am 3. Juli 1866 eine wichtige Rolle in der Schlacht bei Königgrätz (heute: Hradec Králové). In dieser Schlacht konnte sich Preußen nachhaltig gegen eine österreichische Übermacht durchsetzen. Als Ergebnis entstand der Königgrätzer Marsch. Diesen spielt das Musikkorps der Bundeswehr bei jedem seiner Einmärsche zu militärischen Ehren oder Gelöbnissen.

Garde Bundesheer Österreich Wien Maria-Theresien-Kaserne Angelobung am 25.02.2021
Angelobung bei der Garde in der Maria-Theresien-Kaserne in Wien - Die Fahnenabordnung tritt vor. - Foto: Nick Rainer / Bundesheer
Königgrätz ist heute kein Thema mehr, das die Stimmung zwischen der österreichischen Garde und ihrem deutschen Partnerbataillon verderben würde. In der Wiener Maria-Theresien-Kaserne gibt es sogar einen Raum, der üppig mit Uniformen, Urkunden und anderen Geschenken des Wachbataillons ausgestattet ist. Die größte Schnittmenge zwischen den Garden besteht in deren Aufgaben: Repräsentation und Sicherung. Uniformen, protokollarische Bewegungsabläufe und Kommandos weisen schon gewisse Unterschiede auf:

Die Fahnenabordnung und der kommandierende Kompaniechef stehen mit gezücktem Säbel auf dem Platz. Man sieht Reiterhosen und hohe Stiefel. Die Stiefel haben keine Nagelsohle, so dass der Sound auf dem Pflaster etwas blass wirkt. Zudem entfällt die aufwendige Gewehrperformance mit dem einheitlichen Klack beim "Gewehr ab!". Die Garde tritt nämlich mit modernen Sturmgewehren an. Wer bei der Garde anfangen möchte, muss mindestens 176 cm groß sein, muss volle Tauglichkeit haben und darf nicht vorbestraft sein. Das sind die gleichen Anforderungen wie beim Wachbataillon. Gleich ist auch, dass die Garde Barett trägt - knalliges Scharlachrot - ähnlich der deutschen Logistik-Baretts. Da die Garde nur aus Jägern besteht, gibt es dort keine Marine- oder Luftwaffenkompanie. Als Binnenland kann man das schon so machen. Das erleichtert vieles bei der Entscheidungsfindung, welche Teilstreitkraft einen nachgeordneten Staatsgast - wie die Bundeskanzlerin oder einen Premierminister - begrüßen soll.

Garde Bundesheer Österreich Wien Maria-Theresien-Kaserne Angelobung am 25.02.2021
Angelobung bei der Garde in der Maria-Theresien-Kaserne in Wien - Ausmarsch der Ehrenformation - Foto: Nick Rainer / Bundesheer

Das Protokoll BMVg denkt immer noch mit Schrecken an einen Fauxpas, bei dem der zuständige Protokolloffizier für den Gast aus Österreich eine Ehrenkompanie in Marineuniform befohlen hatte. Der Gast zeigte sich amüsiert - nicht so die Kanzlerin. Seitdem geht man in Berlin sehr sparsam mit Ehrenkompanien in Marineuniform um, selbst bei Australien, Neuseeland, Island oder Irland. Präsentation und protokollarische Anlässe sind auch für die Garde ein Alleinstellungsmerkmal. Es wird jedoch klar kommuniziert, dass der Protokolldienst "nur eine Zusatzaufgabe" neben der eigentlichen infanteristischen Aufgabe darstellt. Das ist zwar beim Wachbataillon auch so, aber die Öffentlichkeit nimmt in Deutschland wie in Österreich nur die öffentlichen Auftritte wahr und geht davon aus, dass die Gardeangehörigen gar nicht kämpfen können.

Die Wiener sind in der komfortablen Lage, dass sie im Rahmen der Wehrpflicht ständig Nachschub bekommen. Gestern legten knapp 200 Rekruten ihr Gelöbnis ab. In Österreich nennt sich das "Angelobung" und weist doch so einige Unterschiede zum deutschen Gelöbnis auf. Der Text ist in §41 Absatz 7 des Wehrgesetzes von 2001 festgelegt und lautet: "Ich gelobe, mein Vaterland, die Republik Österreich, und sein Volk zu schützen und mit der Waffe zu verteidigen. Ich gelobe, den Gesetzen und den gesetzmäßigen Behörden Treue und Gehorsam zu leisten, alle Befehle meiner Vorgesetzten pünktlich und genau zu befolgen und mit allen meinen Kräften der Republik Österreich und dem österreichischen Volke zu dienen." Die Rekruten haben den Text voller Inbrunst mitgesprochen - man könnte schon fast sagen: durch die Mund-Nase-Bedeckungen gebrüllt. Als Deutscher hätte man sicher ein Problem mit der Befehlspassage. Auch fehlt das "So wahr mir Gott helfe." Das wäre gerade in Österreich zu erwarten gewesen, wurde aber durch ein Gebet während der Angelobung kompensiert.

Garde Bundesheer Österreich Wien Maria-Theresien-Kaserne Angelobung am 25.02.2021
Angelobung bei der Garde in der Maria-Theresien-Kaserne in Wien - Rekruten - Foto: Magdalena Hofer / Bundesheer
Österreich hat knapp 8,9 Millionen Einwohner und etwa 22.000 aktive Soldaten. Das Land verfügt über eine bemerkenswert große Reserve von 125.600 Personen. Der Wehrdienst dauert sechs Monate. Die aktuellen Rekruten waren am 11. Januar 2021 in der Kaserne erschienen und mussten sich erst einmal den Corona-Tests unterziehen. Dann ging es in die BAk (Basisausbildung kurz). Diese Ausbildung dauert vier Wochen, ist für alle Soldaten zu absolvieren und beinhaltet auch schon den scharfen Schuss mit dem Sturmgewehr. Ab der fünften Woche trennen sich die Wege und die Soldaten werden an ihre Spezialrichtungen herangeführt: Lehrgänge für Sicherungsaufgaben, Katastrophenhilfe, Führerscheine, Gefechtsdienst und erweiterte Schießausbildung. Das nennt sich Basisausbildung 1 (BA1) und geht für alle bis in die elfte Woche. Die Angelobung erfolgt in der Regel zwischen der fünften und der siebten Woche. Ab der zwölften Woche sind die Soldaten in ihrer Zieleinheit eingesetzt und bauen dort weitere Spezialfähigkeiten auf.

Garde Bundesheer Österreich Wien Maria-Theresien-Kaserne Angelobung am 25.02.2021
Angelobung bei der Garde in der Maria-Theresien-Kaserne in Wien - Ehrenformation der Garde - Foto: Nick Rainer / Bundesheer

Wer in der Garde eingesetzt ist, beginnt in der fünften Woche mit dem "Protten". Was in Deutschland Protokoll-Grundausbildung (ProtGA) heißt, nennt sich in Österreich Paradegrundausbildung für den Paradeexerzierdienst (PExD). Die Exerzierausbildung dauert idealerweise ebenfalls um die 40 Tage, kann aber situationsbedingt auf ein Mindestmaß von 30 Tagen verkürzt werden. Dann gibt es - wie in Berlin - eine Zielüberprüfung Paradeexerzierdienst (ZÜP PExD).

Die Garde besteht aus acht Kompanien: Die 1. bis 5. Kompanie sind Jägerkompanien mit dem Zusatzauftrag der Repräsentation. Diese Kompanien bestehen aus jeweils etwa 100 Soldaten plus der dazugehörigen Berufssoldaten. Darüber hinaus gibt es eine Stabskompanie und eine Kaderpräsenzkompanie (KPE). Die KPE besteht aus Berufssoldaten mit einer Laufzeit von drei bis 15 Jahren und wird nur selten zu Protokolleinsätzen herangezogen. Diese Kompanie ist eine Art Schnelle Einsatztruppe, die flexibel auf Sicherungsbedarf im Regierungsviertel oder in Auslandseinsätzen reagieren kann. Eine Besonderheit und damit auch ein großer Unterschied zum Wachbataillon ist die Eingliederung der Gardemusik als Gardekompanie. Wegen der besonderen Anforderungen verpflichten sich die Musiker zu mindestens 13 Monaten Wehrdienst, die die Ausbildungsetappen des 6-monatigen Grundwehrdienstes beinhalten.

Garde Bundesheer Österreich Wien Maria-Theresien-Kaserne Angelobung am 25.02.2021
Angelobung bei der Garde in der Maria-Theresien-Kaserne in Wien - Gardemusiker stellen eine der acht Kompanien der Garde. - Foto: Magdalena Hofer / Bundesheer

Die preußischen Urahnen des Wachbataillons waren auch für das Testen neuer Waffensysteme und neuer Taktiken zuständig. Diese Aufgabe ist in Berlin komplett weggefallen. In Wien hingegen ist die Garde bis heute für die Aufstellung, Ausbildung und Einsatzvorbereitung von bis zu 2.500 Milizsoldaten zuständig. Milizsoldaten könnten mit unseren Reservisten oder besser noch mit der norwegischen Home Guard verglichen werden. Es sind Zivilisten, die bei Bedarf abgerufen werden können und in Summe das österreichische Bundesheer fast auf den personellen Umfang der Bundeswehr aufstocken können.

Autor: Matthias Baumann

Video: Angelobung bei der Garde in der Maria-Theresien-Kaserne in Wien

Donnerstag, 25. Februar 2021

IISS stellt die #MilitaryBalance 2021 vor

Die Military Balance ist ein über 500 Seiten starkes Werk, das das IISS (International Institute for Strategic Studies) in jedem Frühjahr herausbringt. Es enthält zu über 170 Staaten sicherheitspolitisch relevante Eckdaten wie Bruttoinlandsprodukt, Verteidigungshaushalt, Bevölkerungsstruktur, militärisches Gerät, Anzahl der Soldaten und jede Menge Analysen zur regionalen Rüstungsindustrie, zu Innovationen, tatsächlichen Fähigkeiten, Absichten und Entwicklungen. Die in der Military Balance gelieferten Daten gelten als zuverlässig.

Normalerweise findet die Vorstellung des neuen Buches am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) statt. So wie die MSC versteht sich auch das IISS als Think Tank. Think Tank ist der neudeutsche Begriff für Denkfabrik. Es bündelt also verschiedene Kräfte aus verschiedenen Bereichen, die durch ihre facettenreiche Herangehensweise ein möglichst objektives und optimales Ergebnis erzeugen.

Während Medien, Mittelstand und Privatpersonen mit Corona beschäftigt sind, geht der Aufwärtstrend bei den Verteidigungsausgaben unvermindert weiter. Besonders signifikant war das im Berichtszeitraum in Europa und in China. Europa kämpft sich der 2%-Verpflichtung gegenüber der NATO entgegen und hat inzwischen schon den durchschnittlichen Wert von 1,64% erreicht. Das dürfte den reaktivierten Partner westlich des Atlantik freuen und zu einer umso engeren Zusammenarbeit bewegen.

IISS stellt die #MilitaryBalance 2021 vor
IISS stellt die #MilitaryBalance 2021 vor - Die 15 Länder mit den höchsten Verteidigungshaushalten - Grafik (C) IISS 2021

Die USA geben 738 Milliarden USD und stehen damit ungebrochen an Platz 1. Dieser Betrag entspricht 40,3% der weltweiten Verteidigungsausgaben. Es folgt China mit nahezu bescheiden anmutenden 193,3 Milliarden USD für seinen Haushalt. Nach einer weiteren großen Lücke schließen sich Indien mit 64,1 Milliarden USD, Großbritannien mit 61,5 Milliarden USD, Russland mit 60,6 Milliarden USD, Frankreich mit 55 Milliarden USD und Deutschland mit 51,3 Milliarden USD an. Deutschland ist damit Teil der Top 7. Erst danach kommen Japan, Saudi Arabien und Südkorea.

China arbeitet konsequent auf sein Ziel hin, bald wieder "Kriege gewinnen" zu können. So baut das Land weiter seine Präsenz im Südchinesischen Meer aus und agiert dort mit paramilitärischen Kräften. China schafft ein Schiff nach dem anderen an. Die Zahl der chinesischen Korvetten hat sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Verdoppelt haben sich auch die großen Anlandungsschiffe. Weitere Anlandungs- und Kampfschiffe sind bestellt. Damit diese Schiffe möglichst ungestört durch die Meere kreuzen können, hat China auch intensiv bezüglich der U-Boot-Bekämpfung aufgerüstet. Damit aber nicht genug: Auch der Flottensupport wurde seit 2015 nahezu verdoppelt und ebenso der schwere Lufttransport. Corona war ein willkommener Anlass, die logistischen Fähigkeiten der chinesischen Streitkräfte zu testen - und keiner hat es gemerkt - außer dem IISS.

Klar, dass die asiatischen Nachbarn unruhig werden und sich über Papiere wie die Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung freuen. Großbritannien entsendet demnächst einen Flugzeugträger in die Region. Allerdings kann auch dieser nur in Kooperation mit multinationalen Partnern etwas ausrichten - und sei es die verzögernde Abschreckung. Ob und wann Deutschland die versprochene Fregatte entsendet, ist noch unklar. Ein Konflikt im Indischen Ozean würde Deutschland aufgrund seiner Handelsstärke sehr empfindlich treffen. Weichen müssen jetzt gestellt werden, da China nicht auf den einvernehmlichen Abschluss der Debatten um das G36 oder die Bewaffnung von Drohnen warten wird.

Auf einer Skala der weltweiten Bedrohungen steht China ganz oben. Es folgt Russland mit seinem stark modernisierten Raketenprogramm. Das größte Problem stellen die Überschallraketen dar, denen Europa und die NATO keine wirklichen Abwehrtechnologien entgegenzusetzen haben. Man kann dann nur hoffen, dass die Rakete nicht im eigenen Büro einschlägt. Zumindest verschafft es Russland eine nützliche Position zum Erstschlag. Deshalb muss die NATO eine glaubhafte Abschreckung mit Hinweis auf einen Zweitschlag aufbauen. So dreht sich die Eskalationsschraube weiter nach oben. Die USA hatten Russland bislang immer als Störer wahrgenommen und benannt. Barack Obama hatte mit seiner Äußerung, dass Russland nur noch eine Regionalmacht sei, wohl an der russischen Ehre gekratzt und deren Aggressivität herausgefordert. Laut Wolfgang Ischinger, dem Leiter der MSC, war es "nicht hilfreich, das öffentlich so zu formulieren." Russland agiert also wie das bockige Kind, das in seiner Wut überdimensionale Kräfte entwickelt, die es normalerweise gar nicht hat.

Als drittgrößte Bedrohung nach China und Russland wurde der Iran mit seinem Nuklearprogramm genannt. Hier tut sich aber gerade wieder etwas seit dem Präsidentenwechsel in den USA. Immer spannender wird das Gebiet der hybriden Bedrohungen. Der ganze Verteidigungshaushalt nützt nichts, wenn die Gesellschaften von innen demontiert werden, wenn Infrastruktur angegriffen wird oder in großem Stil Desinformationen eingespeist werden. Hier ist gesamtgesellschaftliche Resilienz gefordert. In Nordosteuropa ist man in dieser Hinsicht schon sehr weit. Auch die NATO und die EU in Brüssel beschäftigen sich damit. In Deutschland scheint das Thema nur in sicherheitspolitisch interessierten Kreisen angekommen zu sein und wird deshalb in der Praxis kaum angegangen.

Die heutige Vorstellung der Military Balance 2021 erfolgte in mehrfacher Hinsicht Corona-gerecht: Die Diskussionsteilnehmer saßen entweder in separaten Büros oder waren in ihrem Londoner Konferenzsaal durch Glasscheiben getrennt. Zur Stärkung gab es für sie Wasser, Muffins und Croissant. Wer per Zoom zugeschaltet war, konnte Fragen an die Experten des IISS stellen. Viele der Fragen kamen von britischen Zeitungen, aber auch aus Berlin.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 23. Februar 2021

Wehrbeauftragte Eva Högl stellt ihren Bericht für 2020 vor

Die Art und Weise, wie Eva Högl im Mai 2020 in ihr Amt als Wehrbeauftragte gehievt wurde, hatte ihr keine gute Startposition verschafft. Ihr Vorgänger, Hans-Peter Bartels, galt als fachkundig und geschätzt bei der Truppe. Eva Högl war in Sachen Bundeswehr und Verteidigung ein unbeschriebenes Blatt. Vielleicht war das der Grund, warum der bekennende Pazifist und SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich gerade Eva Högl auf diesen Posten setzen wollte. Eva Högl hatte immer einen großen Respekt vor diesem Amt, aber nie darauf spekuliert. Ganz im Gegenteil, sie war im Mai 2020 gar nicht auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Als Rolf Mützenich fragte, fühlte sie sich geehrt und sagte zu.

Wehrbeauftragte Eva Högl stellt ihren Bericht für 2020 in der Bundespressekonferenz #BPK vor
Wehrbeauftragte Eva Högl stellt ihren Bericht für 2020 in der Bundespressekonferenz vor.

Inzwischen liegen 30 Truppenbesuche unter Corona-Bedingungen hinter ihr und die Erstellung eines Berichtes mit knapp 150 Seiten. Erstmalig trat sie heute als Wehrbeauftragte vor die Presse und stellte den Jahresbericht 2020 vor. Es war eine beachtliche Zahl an Fotografen erschienen. Die Wortpresse konnte an zwei Händen abgezählt werden. Wer aber dabei war, konnte ihr unvorbereitet auf den Zahn fühlen. Das Ergebnis war beeindruckend:

Eva Högl beantwortete alle Fragen mit viel Sachverstand. Sie wirkte gut informiert und wich keiner Frage aus. Sie meisterte die Pressekonferenz völlig souverän und ohne eine verunsicherte Delegation an ihre anwesenden Mitarbeiter. Ein weiterer unerwarteter Pluspunkt war die Feststellung, dass Eva Högl von der Meinung ihrer Parteiführung abweicht und klar Partei für die Soldaten ergreift. So will sie den Soldaten Antworten zu Afghanistan liefern, setzt sich für bewaffnete Drohnen ein und hat in ihrem Bericht nicht nur Mängel aufgeführt, sondern auch Dinge benannt, die gut funktionieren. Sie zeigte sich beeindruckt von dem, was die Bundeswehr kann und leistet.

Die Amtshilfe während Corona sei ganz nett gewesen, aber es seien dadurch Themen wie die Auswahlkonferenz für Feldwebel auf der Strecke geblieben. Corona habe auch ihren Wirkungsradius eingeschränkt, so dass sie die Truppen im Auslandseinsatz erst nach dem Lockdown besuchen wird. Der Eindruck vor Ort und das persönliche Gespräch sind ihr sehr wichtig. Das klingt schon fast nach Militärbischof. Am Rande der Pressekonferenz war zu erleben, dass das keine Sprüche sind. Den Kollegen Thomas Wiegold von "Augen geradeaus!" begrüßte sie mit "Hallo Herr Wiegold, ... ich lese Sie öfter als ich Sie sehe."

Dass Eva Högl eine gute Arbeit leistet war auch schon aus der Truppe zu hören. Die heutige Pressekonferenz und das persönliche Erleben der neuen Wehrbeauftragten konnten das bestätigen.

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 20. Februar 2021

#MSC2021 - Klimawandel beschäftigt jetzt auch alte weiße Männer

"Das sagt doch Greta Thunberg schon lange." - "Ja, nur wer hört auf ein kleines schwedisches Mädchen?" Die gestrige virtuelle Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) hat neben Corona und der stark verbesserten Qualität der transatlantischen Beziehungen einen spürbaren Fokus auf den Klimawandel gelegt. Vor zwei Jahren war das Thema bereits im Hauptsaal der MSC diskutiert worden - am Samstag, dem wichtigsten Tag der Konferenz. Eingeleitet wurde die Podiumsdiskussion damals durch einen Vortrag von Prof. Schellnhuber. Prof. Schellnhuber ist Direktor des Potsdam Institute for Climate Impact Research (Institut für Klima-Folgen-Forschung in Potsdam).

Seine Folien wurden leider nicht mitgefilmt und sind zurzeit auch nicht für die Veröffentlichung gedacht. Sie behandeln verschiedene Szenarien der Erderwärmung je nach konkretem Anstieg der Temperaturen. Sicher sei jedoch, dass einige Gebiete in Äquatornähe bald nicht mehr bewohnbar sein werden. Das betrifft große Teile Brasiliens und Länder wie Ghana, Nigeria und die Elfenbeinküste. Indonesien würde wie das sagenumwobene Atlantis in die Geschichte eingehen. Gefolgt von den Inseln der Karibik und den Malediven.

#MSC2021 Klimawandel Bill Gates
#MSC2021 - Bill Gates zur Bekämpfung der Pandemie und zum Umgang mit dem Klimawandel - Foto (C) MSC Special Edition 2021, Munich, 19/02/2021

Nur, was interessiert uns hier im Norden, was auf den Malediven passiert? NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach es gestern aus: Klima ist ein sicherheitspolitisches Thema. So wie die Pandemie nicht an Grenzen halt macht, so werden auch die Flüchtlinge aus den klimatisch unbewohnbaren Regionen in den Norden strömen. Ein großer Teil wird sich in den zumeist fragilen Staatsgebilden erst einmal gegenseitig töten. Ethnische Minderheiten werden davon besonders betroffen sein. Wer das überlebt, wird sich auf den langen Weg nach Norden machen.

Bill Gates, der eigentlich wegen der Corona-Bekämpfung dabei war, sprach davon, dass durch den Klimawandel und dessen Folgen wie Missernten fünf Mal mehr Menschen pro Jahr sterben werden als durch Pandemien. Dieses Statement wurde so nüchtern und abgeklärt vorgetragen, dass an dieser Aussage kaum Zweifel aufkommt. Ein Young Leader (MSC-Nachwuchs) aus Bangladesch sprach von bis zu 30 Millionen Menschen, die sich in Bewegung setzen würden, wenn sein Land im Golf von Bengalen versinkt. Der ehemalige US-Außenminister John Kerry ist unter Joe Biden für den Klimaschutz zuständig. Bei genauem Zuhören war festzustellen, dass der buchstäbliche Untergang vieler Inseln und Küstenregionen gar nicht mehr in Frage steht. Es geht jetzt vielmehr darum: Was passiert mit den vielen Leuten, die dort jetzt noch wohnen?

#MSC2021 Klimawandel John Kerry
#MSC2021 - John Kerry zum Klimawandel - Foto (C) MSC Special Edition 2021, Munich, 19/02/2021

Joe Biden, der übrigens seine allererste außenpolitische Rede hier auf der virtuellen #MSC2021 gehalten hat, war mit einer seiner ersten Amtshandlungen zum Pariser Klimaabkommen zurückgekehrt. Klimawandel betreffe uns alle. Sehr dankbar zeigte er sich über die "Führungsstärke Europas" in dieser Sache. Seine "gute Freundin Angela Merkel" sprach nach ihm und möchte "durch Taten überzeugen". Auch Emmanuel Macron erwähnte das Klima am Rande seiner sehr kurzen Ausführungen.

John Kerry hatte entsprechend seines Ressorts kein anderes Thema. Er plädiert für Null CO2 bis 2050 und setzt sich dafür ein, dass das bisherige Ziel für 2030 deutlich nachgebessert werde. Sei das Ökosystem erst einmal nachhaltig geschädigt, könne man es nicht wie nach einer Pandemie wiederherstellen. John Kerry ist ein großer Freund der CO2-Bepreisung. Private und staatliche Akteure sollten massiv zur Kasse gebeten werden, um die Situation noch in eine erträgliche Bahn zu lenken. Als 77-Jähriger könnte ihm das Klima eigentlich egal sein. Aber er sorgt sich um die nachrückenden Generationen. Um diesem altruistischen Ansatz weitere Geltung zu verschaffen, lädt er zu den Klimakonferenzen nicht nur die Industrienationen des Nordens ein, sondern auch Betroffene aus den Regionen, die bald nicht mehr bewohnbar sein werden.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 16. Februar 2021

Gebirgsjägerregiment 231 und die herausfordernde Winter-Idylle

Während in Berlin die Homeoffice-Mama* mit dem Kleinkind den Kreuzberg hinabrodelt und der Hipster* im Landwehrkanal einbricht, stapfen die Gebirgsjäger aus Bad Reichenhall durch 80 cm Neuschnee. Auf der Reiteralpe führen die Reichenhaller Jager - mit A ohne Umlaut - eine Weiterbildung für ihr Führungspersonal durch. Dabei haben sie ganz andere Aspekte im Blick als der gemeine Wintertourist. Freut sich nämlich der Skifahrer über ausgefahrene Strecken, muss der Jager möglichst spurlos durch den Schnee kommen.

Gebirgsjägerbataillon 231 Führerweiterbildung auf der Reiteralpe - Reichenhaller Jager - Bad Reichenhall
Gebirgsjägerbataillon 231 - Reichenhaller Jager bei der Führerweiterbildung auf der Reiteralpe - Foto: Bundeswehr / Gebirgsjägerbataillon 231

Auch muss er Positionen im Gelände finden, von denen aus er alles gut im Blick hat, ohne selbst gesehen zu werden. Siedelt er sich zu tief an, sieht er zu wenig. Steigt er zu hoch, werden seine Spuren schneller entdeckt. Ganz abgesehen von der Gefahr, während der Bewegung durch die winterliche Idylle bemerkt zu werden. Dabei ist die weiß-schwarz gefleckte Tarnkleidung schon sehr hilfreich. Besonders pfiffige Soldaten kleben auch ihre Gewehre mit weißen Mustern ab.

Eine weise Auswahl der Position führt zu dem Ergebnis, dass der Jager erst einmal nicht gesehen wird und dennoch seinen Auftrag ausführen kann. Bei der aktuellen Übung geht es um die Verteidigung eines Gebietes. Hier kommen gleich die nächsten Herausforderungen ins Spiel: Welche Waffen verlieren in diesem Ambiente vielleicht ihre Wirkung? Die Granatmaschinenwaffe von Heckler & Koch oder ein Mörser müssen gar nicht mitgeschleppt werden. Durch den tiefen Schnee entfaltet deren Munition keine Wirkung. Gut für den Gegner und gut zu wissen. Es bleibt also eher bei den klassischen und leicht transportierbaren Waffen wie MG4, MG5 oder G36.

Gebirgsjägerbataillon 231 Führerweiterbildung auf der Reiteralpe - Reichenhaller Jager - Bad Reichenhall
Gebirgsjägerbataillon 231 - Reichenhaller Jager bei der Führerweiterbildung auf der Reiteralpe - Foto: Bundeswehr / Gebirgsjägerbataillon 231

Die Jager wurden in dieser Trainingseinheit auf das Gesamtgebilde des winterlichen Gebirgskampfes sensibilisiert: Welche Wege? Welcher nächste Standort? Welche Waffen? Das Wichtigste jedoch ist die Vermeidung unnötiger Bewegungen im Gelände - also kurze Wege und immer die nächste Deckung im Blick. Während die Homeoffice-Mama mit Kleinkind und Schlitten in Berlin dem warmen Kakao entgegenspaziert und der Hipster von der Feuerwehr aus dem Landwehrkanal gezogen wird, haben die Soldaten des Gebirgsjägerregimentes 231 die erste Etappe gemeistert. Für sie geht es weiter mit dem Bau von Stellungen und ergänzenden Lehreinheiten im Winterwunderland von Bad Reichenhall.

Autor: Matthias Baumann

* Homeoffice-Mama und Hipster sind fiktive Personen mit realistischem Bezug zur Zeitgeschichte


Mittwoch, 10. Februar 2021

Klare Worte im Positionspapier von AKK und Generalinspekteur zur Bundeswehr der Zukunft

Vor 2014 hätte sich solch ein Positionspapier wohl eher Gedanken über die "Zukunft der Bundeswehr" gemacht, als über die "Bundeswehr der Zukunft". Vor 2014 war noch alles gut. Es gab keine 2%-Verpflichtung und Russland galt als gemäßigter Nachbar, der seine innenpolitischen Themen bearbeitet. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet und auch in Berlin gibt es ein leises Erwachen, dass nicht mehr alle Player nach den gewünschten Regeln spielen. Während sich noch weite Teile des Parlaments und der Parteienlandschaft in sicherheitspolitischer Schläfrigkeit rekeln, haben sich der Generalinspekteur (GI) und seine Chefin "Gedanken zur Bundeswehr der Zukunft" gemacht.

Positionspapier von AKK und Generalinspekteur zur Bundeswehr der Zukunft
Positionspapier von AKK und Generalinspekteur zur Bundeswehr der Zukunft - Archivfoto

Das gestern veröffentlichte Positionspapier ist ungewöhnlich klar und scharf formuliert. Es benennt die geostrategischen Herausforderungen und deren Akteure. Die seit Beginn gehegte Vermutung, dass die Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung eine deutliche Antwort auf die Ambitionen Chinas darstellen, wollte das Auswärtige Amt nicht bestätigen. Das Positionspapier ist da offener: "Die Dynamiken im Indo-Pazifik weisen zunehmend in Richtung Machtrivalität und wachsender Konflikte. Das besorgt auch unsere Wertepartner in der Region." Dieser Wertepartner gibt es viele. Insbesondere die, deren Gebiete an das Südchinesische Meer grenzen. Die Liste ähnelt der, die der damalige US-Verteidigungsminister Mark T. Esper im Juli 2020 aufgezählt hatte.

Auch Russland wird gleich auf Seite 1 genannt: "Russland definiert sich als Gegenmacht zum Westen. ... Russland wendete in den vergangenen Jahren in seiner Nachbarschaft militärische Gewalt an und rüstet massiv konventionell und nuklear auf." Soweit für viele Entscheidungsträger noch kein Grund zur Beunruhigung. Wenn denn der Abschnitt nicht folgendermaßen weitergehen würde: "Aus dieser Lage ergeben sich sehr konkrete Bedrohungen für Deutschland und seine Bürgerinnen und Bürger, denen wir begegnen müssen." Beim Begegnen geht es nicht um ein Treffen mit den Bürgern, sondern die Behandlung der konkreten Bedrohungslage. Es folgt eine Aufzählung, die von Desinformationskampagnen bis zur regelmäßigen Verletzung des NATO-Luftraumes durch russische Flugzeuge ohne Transpondersignal reicht. Generalleutnant Jörg Vollmer hatte vor einem Jahr bereits bei der Übergabe des Kommandos über das Heer auf diese Lage hingewiesen.

Positionspapier von AKK und Generalinspekteur zur Bundeswehr der Zukunft
Positionspapier von AKK und Generalinspekteur zur Bundeswehr der Zukunft - Archivfoto

Der Ministerin und ihrem Generalinspekteur ist bewusst, dass die Landesverteidigung zukünftig nur gesamtgesellschaftlich zu bewerkstelligen ist. Viel zu eng sind Militär und Zivilgesellschaft in den Szenarien hybrider Konflikte miteinander verflochten. Was die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) seit einigen Monaten fordert, wurde nun auch von den Entscheidern im Bendlerblock aufgegriffen: Deutschland muss Verantwortung übernehmen und "mutig in Führung" gehen. Es gelte, eigene Interessen zu definieren und zu formulieren. Um eine "glaubwürdige militärische Abschreckung und Verteidigungsfähigkeit" aufzubauen, bringe es nichts, die Bundeswehr einfach wieder personell aufzupumpen. Stattdessen müssen Kräfte, Fähigkeiten und Strukturen den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen angepasst werden. Dafür ist natürlich jede Menge Geld notwendig. Sinke das Budget unter ein bestimmtes Level ab, werde es für Fixkosten wie Besoldung, Betrieb und Liegenschaften aufgezehrt. Investitionen sind dann kaum möglich.

Das Positionspapier ist aber nicht als Bettelbrief formuliert, sondern enthält kurz und auf den Punkt gebracht viele nützliche Lösungsvorschläge. So soll der Bundessicherheitsrat (BSR) zu einem Nationalen Sicherheitsrat weiterentwickelt werden. Zudem soll es einen "Bundesbeirat Sicherheit" geben, der militärische und zivile Experten zusammenbringt und den hybriden Bedrohungen mit hybriden Denkmustern begegnet. Um den Bundestag an das Thema Sicherheitspolitik heranzuführen, soll eine Sicherheitswoche - ähnlich der Haushaltswoche - eingeführt werden. Das ist insofern wichtig, weil es einige Parteien gibt, die lieber heute als morgen mit einem Silbertablett und den Schlüsseln zur Bundesrepublik nach Moskau reisen würden.

AKK und der GI scheuen auch keinen tiefen Blick in die eigenen Strukturen. Hier müsse einiges geschehen: Die Schließung von Lücken in Ausstattung und Ausrüstung stehen ganz weit oben. Neue Technologien sollen eingeführt werden und am Markt verfügbare Systeme sollen teuren Neuentwicklungen vorgezogen werden. Die Stabslastigkeit soll reduziert und Verantwortung sinnvoll verteilt werden. Führungsprozesse sollen gestrafft werden. Man könnte das wie folgt zusammenfassen: Wachstum der Fähigkeiten bei gleichzeitiger Verschlankung der Strukturen, Effizienz bei der Beschaffung und Förderung praxisrelevanter Innovationen.

Bei so viel Offenheit und klarer Benennung der Bedrohungslage könnte man meinen, dass dieses Papier schnell unter die Leute gebracht werden soll. Weit gefehlt: Wie aus dem Ministerium zu erfahren war, ist die nächste Pressekonferenz mit der Ministerin erst in einigen Wochen geplant. Scheint also doch alles nicht so dringend zu sein. Oder steht sich die Behörde mal wieder selbst im Weg?

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 2. Februar 2021

Türkischer Verteidigungsminister Hulusi Akar in Berlin empfangen

Antrittsbesuche finden während Corona entweder virtuell statt oder in einer protokollarisch stark reduzierten Form. Bezüglich des türkischen Verteidigungsministers hatte sich AKK für die zweite Variante entschieden. Die Ehrenformation fehlte. Das rote Podest fehlte. Der obligatorische Kranz wurde im Schneeregen am Ehrenmal der Bundeswehr niedergelegt. Die Programmpunkte Hymnen und Begrüßung der Delegationen waren ins warme Gästekasino verlegt worden.

Diplomaten wissen, dass ein persönliches Treffen deutlich ergebnisreicher verläuft als eine Zoom-Konferenz. Deshalb hatte Heiko Maas nach dem ersten Lockdown wieder sehr schnell mit Präsenztreffen angefangen. AKK hatte einige "schwierige Themen" wie den Ägäis-Konflikt anzusprechen. "Ich sehe Deutschland hier in einer Mittlerrolle", gab sie zu Protokoll. Beide Seiten seien sich der geostrategischen Position der Türkei an der Südost-Flanke der NATO bewusst.

Türkischer Verteidigungsminister Hulusi Akar von #AKK in Berlin empfangen
Türkischer Verteidigungsminister Hulusi Akar von #AKK in Berlin empfangen - Foto: Bundeswehr / Kraatz

Verteidigungsminister Hulusi Akar ist ein Mann vom Fach. Vor fast 50 Jahren startete er seine Karriere beim türkischen Heer und arbeitete sich bis zum 4-Sterne-General hoch und hatte letztlich eine dem Generalinspekteur vergleichbare Stellung inne. Seit Juli 2018 ist er Verteidigungsminister der Türkei. In der Türkei gibt es einen Nationalen Sicherheitsrat. In Deutschland tut man sich mit dem BSR, dem Bundessicherheitsrat, noch etwas schwer. Sicherheitspolitische Thinktanks fordern diesen auch für Deutschland, weil er die Koordinationsfähigkeit zwischen den relevanten Ressorts verbessert und die Entscheidungsprozesse verkürzt.

Die Türkei hat über 80 Millionen Einwohner und über 350.000 Militärangehörige. Das Land besitzt nur unwesentlich weniger Kampfpanzer als Russland. Die NATO war nicht sehr erfreut darüber, dass die Türkei S-400-Raketenabwehrsysteme aus Russland eingekauft hat, statt die westlichen Patriot-Systeme zu bestellen. Im Gegenzug stoppten die USA das Liefer- und Ausbildungsprogramm für F-35-Kampfflugzeuge. Überhaupt hatten die türkischen Streitkräfte einen spürbaren Aderlass erfahren, weil im Rahmen des vermeintlichen Putsches 2016 viele gut ausgebildete und kompetente Offiziere entlassen worden waren. Inzwischen kontrolliert Präsident Erdogan auch die Rüstungsindustrie seines Landes.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 1. Februar 2021

Eiskristall: Gebirgsjäger trainieren in Norwegen den Kampf unter arktischen Bedingungen

Gebirgsjäger, die in Norwegen nicht selbst zum Eiskristall werden möchten, sollten sich an einige Regeln halten: trockene Kleidung, keine Metalllöffel und Teamarbeit. Aktuell kommen noch Regeln dazu, wie Corona-Schnelltests, Kohortenbildung und Abstand zu anderen Übungsgruppen. Die etwa 200 Soldaten, die mehrere Wochen im hohen Norden Norwegens unterwegs sind, kommen vorrangig aus Mittenwald bei Schloss Neuschwanstein. Ergänzt werden sie durch die Gebirgspioniere aus Ingolstadt.

Eiskristall: Gebirgsjäger trainieren in Norwegen den Kampf unter arktischen Bedingungen
Ausbildungs- und Übungsreihe "Eiskristall": Gebirgsjäger trainieren in Norwegen den Kampf unter arktischen Bedingungen. Das Foto zeigt das Ausbildungslager in Overbygd/Ratavn. Foto: Bundeswehr / Oberstabsgefreiter Kevin Skramec

Ortskampf, Waldkampf und Winterkampf können die Gebirgsjäger schon. Jetzt kommt noch die Komponente der widrigen Wetterlage hinzu. Die Kälte in Norwegen ist trocken und der Wind ist schnell. Bei diesen Bedingungen fühlen sich minus 20 Grad wie minus 50 Grad an. Skandinavische Sauna und ein warmes Hotel sind nicht vorgesehen. Stattdessen tagelang Zelt oder freier Himmel. Wer seine Sachen nicht trocken hält, wird klug durch Erfahrung. Deshalb steht auch ein Eiswasser-Training auf dem Programm. Dazu wird ein Loch in die Eisdecke eines Sees gebohrt und die Übungsteilnehmer springen ins Wasser. Kälteschock und Herausklettern werden überwacht. Auch in diesem Fall keine Sauna, sondern das eigenhändige Entfachen eines Feuers und anschließende Trocknen der Kleidung.

Nach den Lehreinheiten gibt es noch eine dreitägige Übung. Hier kommen die Pioniere ins Spiel. Was in Deutschland nicht so gut zu simulieren ist, kann in Norwegen nach Herzenslust trainiert werden. Die Pioniere sollen das Gefecht verzögern und den Gegner zu einem großen Umweg zwingen. Dazu sprengen sie die Eisfläche eines Sees.

In Norwegen finden viele Übungen von NATO-Partnern statt. Die Logistik scheint hervorragend zu funktionieren. Wenn die Übenden eintreffen, sind Fahrzeuge und Gerätschaften in der Regel schon per Bahn vor Ort. Die Norweger zeigen sich äußerst kooperativ, stellen Grundstücke für ein realitätsnahes Training zur Verfügung oder geben Aufklärungstrupps Deckung in ihren Gehöften. Skandinavien nimmt die Aufrüstung an der Nordostflanke Europas sehr ernst und hat deshalb ein starkes Eigeninteresse daran, dass die NATO ihre Fähigkeiten im arktischen Raum perfektioniert.

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 30. Januar 2021

Resilienz und die hybride Behandlung hybrider Herausforderungen

Wenn Regierungsvertreter in Pressekonferenzen nach dem Aufbau von Resilienz gefragt werden, erwecken sie den Eindruck, noch nie etwas von diesem Begriff gehört zu haben. Elegant gehen sie dann auf schmückende Worte der Frage ein und umschiffen so die eigentliche Antwort. Nur Innen- und Verteidigungsministerium wissen etwas mit dem Begriff anzufangen. Seit einiger Zeit betreiben sie die ressortübergreifende Arbeitsgruppe "hybride Bedrohungen".

Hybride Bedrohungen sind eine neue Spielart zum Austragen kleiner und großer Konflikte. Die Möglichkeiten für spürbare Effekte bei niedrigem Aufwand haben sich durch Globalisierung und Internet potenziert. Angreifer können faktisch in jedem Lebensbereich ansetzen: Energie, Gesundheit, Transport, Finanzen, Medien, Kommunikation, Wasser- und Lebensmittelversorgung, Chemie- und Nuklearindustrie, Forschung, Weltraum, Rechtssicherheit oder öffentliche Sicherheit. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Metis Studie "Resilienz denken" und die Wirkungsebenen von Resilienz
Resilienz ist ein gesamtgesellschaftliches Thema. Das Archivfoto zeigt das Eintreffen des Bundespräsidenten auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2020.

Resilienz ist eine Buttom-up-Eigenschaft, die tatsächlich beim Individuum beginnt. In der Psychologie beschreibt Resilienz die Fähigkeit, sich von einem traumatischen Ereignis zu erholen. Eine resiliente Person ist dann noch in der Lage, ihren Alltag zu meistern, einen früheren Zustand der Stabilität zurückzugewinnen oder sogar gestärkt aus dem Trauma hervorzugehen. Diese Wirkungsweise von Resilienz unterscheidet übrigens auch einen Betroffenen von einem Opfer. Opfer sind zwar auch Betroffene, aber nicht jeder Betroffene ist ein Opfer. Opfer können sich nicht mehr selbst aufrappeln und einen früheren gesunden Zustand erreichen. Das Opfer ist also die Steigerungsstufe eines Betroffenen ohne Resilienz.

Impfungen können Teil der Resilienz sein, aber nicht die Resilienz selbst. Impfungen wirken gegen ein klar definiertes Szenario - also Grippeschutz gegen Grippe oder Gelbfieberimpfung gegen Gelbfieber. Resilienz ist breiter angelegt und kann mit "multidimensionalen Herausforderungen" umgehen. Die Vierfachimpfung ist ein kleiner Ansatz in diese Richtung, aber weit davon entfernt, eine flächendeckende Resilienz für die Gesundheit aufzubauen. Resilienz muss so fundamental eingepflanzt sein, dass sie gegen eine Vielzahl von Bedrohungen und Verletzungen wirken kann. Als eine Art robustes Betriebssystem, das den Rest der darauf werkelnden Programme im Blick hat und bei Bedarf korrigierend eingreift.

Der chinesische Militärstratege Sun Tzu gab die dringende Empfehlung, nicht davon auszugehen, dass der Feind gar nicht kommt, sondern diesem - egal, ob und wann er kommt - vorbereitet entgegentreten zu können. Wer wachen Auges durch den Alltag geht, wird Risiken und Bedrohungen wahrnehmen und überlegen, wie diese minimiert oder abgewehrt werden können. Beim Kampfsport werden Reflexe antrainiert, die auch in Angriffsszenarien abrufbar sind, die vorher nicht geübt wurden. Diese Reflexe wirken dann universell und sind sogar auf andere Bereiche des täglichen Lebens übertragbar.

Sun Tzu gab ferner den Ratschlag, die Energie des Gegners zu nutzen. Das machte auch der Boxer Mohammed Ali. Seinen Durchbruch feierte er 1974 im Kampf gegen George Foreman. Dieser war lange Zeit ungeschlagen und war dem älteren Mohammed Ali konditionell überlegen. Allerdings bediente sich Mohammed Ali eines Tricks. Er ließ sich in die Seile drängen und kompensierte die Schläge seines Gegners über die Elastizität der Seile. Nachdem George Foreman sich dann ordentlich verausgabt hatte, schlug Mohammed Ali zurück und wurde Sieger.

Metis Studie "Resilienz denken" und die Wirkungsebenen von Resilienz
Resilienz kann mit mehrdimensionalen Herausforderungen umgehen und beschränkt sich nicht auf ein spzifisches Bedrohungsszenario. Resilienz reagiert in hybrider Form auf hybride Angriffe. (Archivfoto aus Juni 2020)

Während die EU über Resilienz zur nachträglichen Behandlung von Katastrophen im Zusammenhang mit Energie, Ernährung, Wasser, Umwelt oder Gesundheit diskutiert, beschäftigt sich die NATO mit der abschreckenden Wirkung von Resilienz. "Täter suchen Opfer - keine Gegner" lautet ein alter Polizeispruch. Deshalb sei ein "Show of Resilience" (Resilienz zeigen) schon fast mit "Show of Force" (Gewaltpotenzial zeigen) vergleichbar. Wenn ein Gegner beispielsweise mit seiner Desinformationskampagne nicht mehr landet, hat er sich umsonst angestrengt und muss andere Wege suchen. Der Gegner soll möglichst schon vor dem ersten Angriff davon überzeugt werden, dass das Unterfangen zwecklos ist und lediglich vermeidbare Kosten verursacht.

Privatpersonen können durch Horizonterweiterung, einen wachen Blick für die Umgebung, freundschaftliche Beziehungen, Flexibilität, Ausdauertrainings und gelegentliche Stresstests ihre Resilienz stärken. Auf der politischen Ebene läuft das ähnlich - nur in einem größeren Maßstab. Waren Individuum und Staat bisher oft voneinander abgekoppelt, macht der Aufbau effektiver Resilienz eine Verschmelzung von Bürger und Staat notwendig. Bei der Abwehr von Cyberangriffen und Desinformation klappt das in Ländern wie Finnland und Estland schon sehr gut. Wohl aus der akuten Bedrohungslage heraus. Diese Bedrohung empfinden in Deutschland bisher nur sicherheitspolitisch interessierte Personen.

So gibt es in Deutschland keine Standards zum Aufbau einer gesamtstaatlichen Resilienz. Nötig wäre eine Verbesserung des Informationsaustauschs zwischen Bürgern und Behörden, eine Harmonisierung der Monitoring- und Einsatzführungssysteme, eine permanente Beobachtung und Auswertung des Lagebildes und ein Ausbau der zivil-militärischen Zusammenarbeit. Letzteres passiert gerade in Form der Amtshilfe in Gesundheitsämtern und Impfzentren. Nicht zu vergessen seien Einrichtungen für die Frühwarnung. Das neu eingerichtete Kompetenzzentrum Krisenfrüherkennung sammelt Experten um sich und berechnet das mögliche Auftreten und den Verlauf von Krisen. Als Ergebnis werden Strategien zur Abwehr oder Behandlung der Krise erarbeitet. Diese stehen dann den Verantwortlichen in Berlin für die Entscheidungsfindung zur Verfügung. Unsere parlamentarische Demokratie bringt es mit sich, dass Entscheider zuweilen nach Bauchgefühl oder eigener Meinung entscheiden, so dass gesamtgesellschaftliche Resilienz letztlich mit demokratischen Entscheidungsprozessen steht oder fällt.

Autor: Matthias Baumann

P.S.: Die Anregung zu diesem Artikel kam von der Metis Studie Nummer 21 aus November 2020.

Freitag, 22. Januar 2021

Gebirgsjägerbrigade 23 bekommt einen General

Die Gebirgsjägerbrigade 23 untersteht der 10. Panzerdivision. Das scheint gar nicht zu passen. Bei Panzer fallen einem der Leopard 2 oder der Puma ein. Aber Skiausrüstung, Edelweiß und Tragtiere? Die 10. Panzerdivision ist in mehrere Brigaden und Bataillone untergliedert. Da gibt es das Unterstützungsbataillon, das Pionierbataillon, zwei Artilleriebataillone, die Deutsch-Französische Brigade, die Panzergrenadierbrigade, die Gebirgsjägerbrigade und eine Panzerbrigade. Die Panzerbrigade hat 4.500 Soldaten und die Gebirgsjägerbrigade hat 5.300 Soldaten. Grund genug, dass diese Brigade auch endlich von einem General geführt wird.

Kommandeur der Gebirgsjägerbrigade 23, Maik Keller, zum Brigadegeneral befördert
Kommandeur der Gebirgsjägerbrigade 23, Maik Keller, zum Brigadegeneral befördert - Foto: Bundeswehr / Sonja Draeger

Der bisherige Kommandeur war Oberst Maik Keller. Maik Keller ist 48 Jahre alt. Wie bundesweit übliche bei Offizieren oberhalb des Dienstgrades Major, ist er verheiratet und hat zwei Kinder. Vor knapp 20 Jahren startete er als Wehrpflichtiger bei den Luftlandepionieren in Koblenz. Schon ein Jahr später war er in Somalia eingesetzt. Somalia liegt an der Nordostecke von Afrika. In den dortigen Einsätzen geht es vorrangig um die Bekämpfung von Piraten. Das muss ihn so begeistert haben, dass er kurz darauf vom Wehrpflichtigen zum Offiziersanwärter wurde.

Bis 2006 war er in verschiedenen Pioniereinheiten eingesetzt. Dann ging es zum Generalstabslehrgang nach Hamburg und anschließend durch verschiedene Büros im BMVg - unter anderem bei Katrin Suder und Benedikt Zimmer. Wer Truppe, Natur und Getöse liebt, empfindet die Zeit im BMVg zuweilen als ermüdend und sehnt sich nach schlammigen Stiefeln, physischen Grenzen und durchnässter Kleidung zurück. Das BMVg ist jedoch eine wichtige Station auf der Karriereleiter. Wie Maik Keller seine Zeit in Berlin empfunden hat, ist nicht bekannt. Bekannt ist aber, dass er im April 2020 wieder in die Natur entlassen wurde - als Kommandeur der Gebirgsjägerbrigade 23 in Bad Reichenhall.

Bad Reichenhall liegt schon fast in Österreich. Nicht nur Touristen aus Amerika können sich stundenlang an der Umgebung sattsehen. Ein Blick nur verrät, dass das keine Gegend für Leopard 2 & Co. ist. Hier sind noch Handarbeit, Kletterkunst und tierische Mithilfe gefragt. In Bergregionen kommen maximal die skandinavischen Hägglunds zum Einsatz. Alles andere wird mit Seil, Ski und Kampfstiefeln erledigt.

Kommandeur der Gebirgsjägerbrigade 23, Maik Keller, zum Brigadegeneral befördert
Kommandeur der Gebirgsjägerbrigade 23, Maik Keller, zum Brigadegeneral befördert - Nach erfolgreich bestandenem Härtetest schreitet BG Keller das Spalier seines Brigadestabes ab. - Foto: Bundeswehr / Achim Keßler

Die Gebirgsjägerbrigade 23 besteht aus dem Ausbildungszentrum für Tragtierwesen und sechs Bataillonen: ein Pionierbataillon, ein Aufklärungsbataillon, ein Unterstützungsbataillon und drei kämpfende Bataillone mit Gebirgsjägern. Klettern und widrige Klimabedingungen machen eine Verwendung bei den Gebirgsjägern besonders herausfordernd. Dass er dem gewachsen ist, musste Maik Keller heute auf dem Kasernengelände beweisen. Er hat wohl bestanden.

Hintergrund dieses Testes war, dass die Gebirgsjägerbrigade 23 zukünftig von einem Brigadegeneral geleitet werden soll. Dazu gab es nicht etwa einen Kommandowechsel, sondern Maik Keller wurde befördert. Außerhalb von Corona erfolgen diese Beförderungen abseits der Berichterstattung in kleinem Kreise im BMVg. Heute war der Generalinspekteur angereist, um Maik Keller die Urkunde der Ministerin zu überreichen und die neuen Klappen auf die Schulter zu schlagen. Wer mit 48 Jahren schon General wird, hat nicht mehr so viel Luft nach oben. Nur noch drei Stufen bis Generalinspekteur oder NATO-Commander innerhalb der nächsten 24 Jahre und zum Abschluss ein Großer Zapfenstreich. Es sei denn, Maik Keller folgt Benedikt Zimmer und wird Staatssekretär.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 21. Dezember 2020

Kirche setzt sich mit Rüstungsexporten auseinander

Es war eine dieser Pressekonferenzen, in der sich die Protagonisten darauf konzentrierten, einen Katalog von Forderungen vorzutragen. Die Prälaten Dutzmann und Jüsten waren persönlich erschienen und Dr. Simone Wisotzki war per Skype zugeschaltet. In der GKKE, der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung, sind evangelische und katholische Amtsträger zusammengeschlossen und versuchen, am sicherheitspolitischen Diskurs des Bundestages teilzunehmen. Als eine Art ethische Lobby und weitere Stimme in der Meinungsvielfalt des Parlaments.

Zum "Hinschauen, wo es weh tut" werden die Gläubigen regelmäßig von der Kanzel aus ermutigt. Langjährige Predigthörer wissen natürlich, in welche Richtung zu schauen ist, damit es möglichst nur bei anderen weh tut. Die GKKE hat sich für das Hinschauen den Prügelknaben der Nation ausgesucht: die Bundeswehr und im weiteren Sinne die Rüstungsindustrie. Akribisch wurden 100 Seiten mit statistischen Daten zu Rüstungsgenehmigungen und tatsächlichen Exporten zusammengestellt und mit entsprechenden Forderungstexten versehen. Hinzu kamen Klagelieder über die Differenz zwischen "politischer Rhetorik" und dem Handeln der Bundesregierung. Die GKKE selbst ist fein raus, da sie nur analysiert, beobachtet, kritisiert und fordert. Umsetzen muss sie nichts. Kein Wunder, dass das für Rüstung zuständige Wirtschaftsministerium seit 2018 den Dialog auf Eis gelegt hat.

GKKE Rüstungsexportbericht 2020
GKKE stellt ihren Rüstungsexportbericht 2020 vor - Das Archivfoto aus 3/2019 zeigt ein Maschinengewehr MG3 und dessen Munition. Kann der Nachschub an Munition gestoppt werden, endet bald auch der Konflikt.

Der 100-seitige Bericht und die Aussagen in der Pressekonferenz vermittelten den Eindruck, dass die Fachgruppe im Lagebild des Jahres 2000 lebt. Auf dieser Basis scheint sie die Zusammenhänge von Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik zu bewerten. Flankiert wird das mit der Definition eines ethischen Sollzustandes, der eine allseits praktizierte, regelbasierte Konfliktlösung voraussetzt. Das verschafft der GKKE eine Anschlussfähigkeit bei DIE LINKE und den Grünen. Terrorismus, Krim, Corona und Desinformation spielen als Bedrohungsszenarien eine untergeordnete Rolle. Über bewaffnete Drohnen fange man gerade an, sich eine Meinung zu bilden. Zumindest hat die GKKE das zeitlose Problemfeld der Kleinwaffen im Blick und weiß, dass ein Ende der Munitionslieferung auch ein Ende der Nutzung der Waffen bedeutet.

Während sich die praktizierende Christin Annegret Kramp-Karrenbauer über die Möglichkeiten des neuen Europäischen Verteidigungsfonds freut, wird dieser von der GKKE scharf kritisiert. Dass Deutschland und Europa seitens der USA zunehmend in die Eigenverantwortung entlassen werden, scheint außerhalb der Wahrnehmung dieser kirchlichen Fachgruppe zu liegen. Die Strategie der Hilfe zur Selbsthilfe ist ihnen wohl ebenfalls neu. So habe die Gruppe "wiederholt auf die Problematik der Ertüchtigung von Polizei und Sicherheitskräften in Drittstaaten hingewiesen". Nach allgemeinem Verständnis arbeiten Ausbilder von Polizei und Bundeswehr in fragilen Staaten, um ein gewisses Maß an Stabilität zu erreichen, bauen mit regionalen Kräften erste tragfähige Strukturen auf und haben das erklärte Ziel, entbehrlich zu werden. In einigen Ländern gelingt das und in anderen Ländern wie Mali stellt sich die Ausbildung regionaler Kräfte eher als Zeitverschwendung heraus. Hilfe zur Selbsthilfe stellt Hilfsbedürftige auf eigene Füße und entlastet damit die Helfenden.

Die GKKE heftet sich die Lorbeeren für eine Verbesserung der Transparenz bei Kriegswaffenausfuhren an und betont, dass sie Gerichtsverfahren gegen Heckler & Koch oder Sig Sauer beobachte. Diese sollen Kleinwaffen an problematische Empfänger geliefert haben. Sie schauen aber auch hin bei Waffenlieferungen an Staaten, die am Jemen-Konflikt beteiligt sind. Ein ganz schwieriges strategisches Thema, das die Außen- und Sicherheitspolitik von NATO-Partnern, Erdölabnehmern und Exportnationen in ein Dilemma führt. Als Lösung schlägt die GKKE ein Rüstungsexportkontrollgesetz vor. Auch möchte sie eine umfangreiche Kontrollinstanz für Rüstungsexporte und mögliche Weiterverkäufe von Waffen in deutschen Behörden etabliert sehen.

Politik in Deutschland wird mit Kompromissen gestaltet. Parteien, Ausschüsse, Arbeitskreise, Lobbyisten, Minister, Hinterbänkler und Journalisten bringen ihre Meinung ein. Dann wird debattiert. Einige Themen lösen sich zuweilen zwischenzeitlich von selbst. Und zum Schluss gibt es einen Konsens der stärksten Kräfte. In diesem Potpourri mischt auch die GKKE mit.

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 20. Dezember 2020

Ein Jahr Staatsvertrag zur jüdischen Militärseelsorge und gleichbleibend hoher Gegenwind

Der Oberst im Generalstab Sven Lange ist ein langgedienter Soldat. Er ist im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) für den Aufbau einer Jüdischen Militärseelsorge verantwortlich: Grundlage für die in der Öffentlichkeit genannte Zahl von 300 jüdischen Soldaten und Soldatinnen in der Bundeswehr sei tatsächlich eine Schätzung auf Grundlage von Daten, die das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in  einer wissenschaftlichen Untersuchung erhoben habe, sagt er. Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland habe im Antragsverfahren und in der Öffentlichkeit eine gleichlautende Zahl genannt. Dennoch, „die Zahlen muss man mit einer Prise Salz nehmen“, äußerst er sich auf einen Beitrag der Tageszeitung (TAZ) vom 30.11.2020 hin. Dass die Autoren der TAZ, Kersten Augustin und Yossi Bartal, die Zahlen „ein Militärgeheimnis“ nennen, sogar in den Raum stellen, es könne sich auch nur um 50 Soldaten handeln, zeugt allerdings von Unkenntnis der Materie.

Denn bei 200.000 angenommenen in Deutschland lebenden jüdischen Staatsbürgern, die Hälfte davon sind als Gemeindemitglieder in Kultusgemeinden verbürgt, lassen sich leicht statistisch etwa 300 jüdische Soldaten und Soldatinnen hochrechen. Dafür sind bis zu 10 Rabbiner oder Rabbinerinnen vorgesehen.

Ein Jahr Staatsvertrag zur jüdischen Militärseelsorge #AKK und Zentralrat der Juden
Stolz präsentieren Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (2. von links) und der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster (2. von rechts), am 20.12.2019 den gerade unterzeichneten Staatsvertrag zur jüdischen Militärseelsorge.

Im Grunde seien die Zahlen aber unerheblich für die Bundeswehr, erläutert Lange, denn diese orientiere ihren Bedarf an Seelsorgern an der Gesamtzahl der Soldaten und Soldatinnen und das sind aktuell. 184.000, die alle ein Anrecht auf Seelsorge hätten. Bekanntlich sind alle Militärgeistlichen im für alle Soldaten verpflichtenden Lebenskundlichen Unterricht eingesetzt und nehmen an Auslandseinsätzen teil. „Seelsorge nimmt sich Zeit zum Gespräch“, sagte der promovierte Historiker. Zudem habe auch die Überlegung eine Rolle gespielt, dass jüdische Seelsorger das Wissen um den jüdischen Glauben und dessen Kultur in der Bundeswehr verstärken könnten. „Es geht auch um den Effekt politischer Bildung“, sagte Lange.

Schon anlässlich der Unterzeichnung des Staatsvertrages zwischen der Bundesregierung und dem Zentralrat mit seinem Präsidenten Josef Schuster am 20. Dezember 2019 hatte der damalige evangelische Militärbischof Sigurd Rink von einem starken politischen Signal gesprochen. Der Staat setze damit auch ein Zeichen, dass Antisemitismus in den Streitkräften keinen Platz habe. In der Folge hatte dann am 28. Mai 2020 der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Jüdischen Seelsorge in der Bundeswehr einstimmig beschlossen. Eine eher seltene parlamentarische Einigkeit.

Ein Sprecher des Presse-Infostabs nannte auf Anfrage die Erweiterung der Militärseelsorge einen wichtigen Schritt der Wertschätzung gegenüber den Soldatinnen und Soldaten jüdischen Glaubens: „Es verdeutlicht die Glaubensvielfalt, die in der Bundeswehr herrscht. Für die Errichtung einer jüdischen Militärseelsorge war und ist dabei die Anzahl der in der Bundeswehr geschätzt dienenden Soldatinnen und Soldaten jüdischen Glaubens allein nicht ausschlaggebend“, so der Sprecher.

Ein Gesicht für das jüdische Leben in den Streitkräften ist der Oberst der Reserve Walter Homolka. Der Rektor des Potsdamer Abraham Geiger Kollegs und Rabbiner gehört der Bundeswehr schon seit den Jahren an, als Rudolf Scharping bis 2002 noch Verteidigungsminister war. „Die Herleitung ist sauber“, sagt er zu den Zahlen jüdischer Soldaten. Seine Beobachtung sei, viele wollten kein „coming out“ betreiben. Eine Stabsärztin in Berlin habe ihm gesagt: Ich möchte in meiner dienstlichen Verwendung nicht Vorzeige-Jüdin in der Bundeswehr sein. „Die Pluralisierung der Seelsorge ist eine Kohabitation von Staat und Religionsgemeinschaften. Auf die Organisationsstruktur haben die Kirchen doch gedrungen.“ Für ihn stehe im Mittelpunkt, dass die Seelsorger „Rabbiner zum Anfassen“ sein könnten. Liberal oder orthodox.

Wie die Planung für ein Amt Jüdische Militärseelsorge vorangeht, hängt von kommenden Entscheidungen ab: In den ersten Monaten des Jahres 2021 erwartet Oberst i.G. Lange die Benennung eines Militärbundesrabbiners, der dann von der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und vom Bundeskabinett bestätigt werden müsse. In der Folge müsse eine Leiterin oder ein Leiter des Militärrabbinats ernannt werden. Noch sei nicht klar, wo in Berlin eine Liegenschaft für die Bundesbehörde gefunden werden könne. Es könnte aber durchaus im Umfeld des Sitzes des Zentralrats der Juden in Deutschland sein. Das Bundesamt werde bis zu 50 Mitarbeiter haben. Erwartet werden Kosten in Höhe von 4,67 Millionen Euro jährlich sowie einmalig bis zu 900.000 Euro.

Erst nach diesen Entscheidungen könne die Suche nach Militärrabbinern für einzelne Standorte der Bundeswehr beginnen. Zur Überlegung, eine Oberbehörde für alle Religionen zu schaffen, zeigte sich Lange skeptisch. „Das gegen den Willen der Religionsgemeinschaften durchzusetzen, halte ich für unrealistisch.“ Und tatsächlich geben eine solche Lösung die Militärseelsorgeverträge mit den Kirchen in Deutschland kaum her.

Autor: Roger Töpelmann

Roger Töpelmann war bis Sommer 2020 Pressereferent des damaligen Evangelischen Militärbischofs Dr. Sigurd Rink und hat den Prozess zur Einführung der jüdischen Militärseelsorge begleitet.

Samstag, 19. Dezember 2020

Die Spanische Grippe von 1918 und die verblüffenden Parallelen zu #COVID19

Parallel zur Spanischen Grippe tobte der Erste Weltkrieg. Es wurden rund 80.000 Bücher über diesen Krieg verfasst und nur etwa 400 Bücher über die Spanische Grippe. Dabei hat die Spanische Grippe mehr Todesopfer gefordert, als der Erste und der Zweite Weltkrieg zusammen. Im Ersten starben etwa 17 Millionen Menschen und im Zweiten etwa 60 Millionen. Nach heutigen Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass die Spanische Grippe bis zu 100 Millionen Menschen dahingerafft hat. Dass das so schnell in Vergessenheit geraten war, liegt wohl auch daran, dass es bei einer Pandemie keine Sieger gibt und sich die Tragödien auf einer sehr privaten Ebene abspielen.

Die Zeiten ändern sich: Damals hatte der Krieg die Pandemie überdeckt. Heute überdeckt die Pandemie den Krieg. Afrika hat während Corona eine Verdoppelung der Einzelkonflikte auf über 150 erlebt. Die Kämpfer nutzten die allgemeine Ablenkung und fragile Strukturen. Wie verletzlich soziale und staatliche Systeme sind, brachte das Virus schonungslos zu Tage. Deshalb spricht die MSC (Münchner Sicherheitskonferenz) auch von einer Polypandemie.

Die Spanische Grippe von 1918 und die verblüffenden Parallelen zu #COVID19 - Pale Rider by Laura Spinney
Die Spanische Grippe von 1918 - Pale Rider von Laura Spinney

Wäre die Spanische Grippe stärker im Bewusstsein der Historiker gewesen, hätte man daraus viel für Corona lernen können. Aber wer rechnet schon damit, dass es nach 100 Jahren mal wieder eine globale Virusinfektion gibt. 1918 gab es übrigens drei Wellen. Die erste war ähnlich schwach wie Corona in Deutschland. Die zweite Welle war verheerend und machte auch vor berühmten Personen und deren Angehörigen nicht Halt. So ist davon auszugehen, dass nicht alle literarischen Werke oder Malereien der Nachkriegszeit auf den Krieg zu beziehen sind, sondern dem geistigen Zustand der eigenen Virusinfektion entspringen oder der Aufarbeitung des Verlustes der Familie durch diese Krankheit dienen. Die Intensität der dritten Welle bewegte sich zwischen den vorherigen Wellen. Der erste Fall war am 4. März 1918 registriert worden und der letzte Fall im März 1920. Die Pandemie lief also weltweit um die zwei Jahre.

Eine normale Grippe zeichnet sich demografisch durch ein U aus: Links stehen die ganz kleinen Kinder und rechts die Senioren. Die Spanische Grippe kam mit einer W-Kurve daher. Besonders waren schwangere Frauen, deren Kinder, Senioren sowie Menschen mittleren Alters betroffen. Das Durchschnittsalter lag bei 29 Jahren. Viele Infizierte waren zunächst symptomfrei und kippten dann teilweise von einem zum anderen Moment um. Auch die "rechte Hand" Lenins, Jakow Swerdlow, fiel der Grippe zum Opfer und war nach nur einer Woche tot. Über diesen Weg wurden diverse geopolitische Weichen gestellt. Der nach Amerika ausgewanderte Frederick Trump starb im Mai 1918 an der Spanischen Grippe und hinterließ ein Vermögen, das seine Kinder in Immobilien anlegten. Sein Enkel heißt Donald.

1918 konnte man Viren noch nicht sehen. Diese sind um das 20-fache kleiner als Bakterien. Deshalb unterzogen sich die Ärzte riskanten Selbsttests mit dem Blut infizierter Personen und tasteten sich an die Erkenntnis heran, dass es einen unsichtbaren Erreger geben müsse, den man lediglich an seiner Wirkung erkennen könne. 1943 wurden unter einem neu entwickelten Elektronenmikroskop erstmals Viren entdeckt. Inzwischen kennt man deren RNA (Ribonukleinsäure) und damit deren Erbfolge. RNA sind deutlich kürzer als unsere DNA (Desoxyribonukleinsäure). Tückisch an der RNA ist, dass sich diese während der Pandemie ändern kann. Das hat Auswirkungen auf die Gegenmaßnahmen und auf die möglichen Überträger: vorzugsweise Menschen, Schweine und Vögel. Vögel sind Hauptträger von Viren, werden von diesen aber in Ruhe gelassen.

Es ist sehr schwer, den Ausgangspunkt zu ermitteln. Bei Corona lässt sich das für die ersten zwei Monate präzise nach China verorten. Bei der Spanischen Grippe könnte es China, Kansas in den USA oder Étaples in Frankreich gewesen sein. Dass sich die Pandemie nun als Spanische Grippe etabliert hat, liegt am bekannten Thema Desinformation. Sämtliche Kriegsparteien hatten 1918 ihre Presse zensiert. Deshalb durfte diese nichts über die Grippe schreiben. Spanien war neutral. Deshalb durfte die Presse dort frei über die Grippe informieren.

Desinformation ist nicht die einzige Parallele zur aktuellen Corona-Pandemie. Es gab Impfgegner, gewalttätige Proteste, fehlende Akzeptanz gegenüber Quarantäne, Priorisierung nach politischen Interessen, Argwohn gegenüber weniger infizierten Personengruppen und eine Intensivierung religiöser Handlungen. Wer sich in der Bibel auskannte, verglich das mit dem 6. Kapitel der Offenbarung. Im achten Vers erscheint der vierte der apokalyptischen Reiter auf einem fahlen Pferd - der Tod. Überhaupt wird in der Offenbarung - dem letzten Buch der Bibel - viel über Kriege, Seuchen und Naturkatastrophen berichtet, die als Mahnung und Gericht über die Erde ziehen.

Ein aufstrebender Bischof in Spanien lud deshalb die ganze Stadt zu Gottesdiensten ein. Es wurde Mundkommunion (Oblate aus der Hand des Priesters in den Mund des Gläubigen) und reichliches Küssen der Heiligenstatuen praktiziert. Als plötzlich viele Gläubige und eigenes Personal erkrankten, wurde das als Gericht und Prüfung Gottes interpretiert. Den Totenprozessionen folgten die noch gesunden Einwohner. Nach dem Küssen der Leichen wurden sie dann auch krank.

Einige Hafenstädte kamen recht gut durch die Pandemie, weil sie ausgereifte Quarantänekonzepte hatten. Schon damals war klar, dass nur eine Kontaktunterbrechung wirkungsvoll die Ausbreitung des Virus stoppen kann. Island blockierte einfach die eine Straße in den Norden und schützte so einen Teil des Landes. Der Hafen im Süden wurde durch Quarantäne geschützt. In Alaska war man nicht so gut vorbereitet. Dort starben 40% der Bevölkerung. In Südafrika starben etwa 10% der Bevölkerung und in Indien über 6%. Australien kam wegen seiner Quarantäne-Regeln gut durch die Spanische Grippe. Neuseeland und die Philippinen erwischte es hart, weil dort keine Maßnahmen ergriffen wurden.

Zeitverzögerte Symptome und milde Verläufe hatten 1918 vielen Kontaktpersonen das Leben gekostet. Auch damals wusste man nicht, wen es als nächstes erwischt und welche Langzeitfolgen es hat. Angst und Verzweiflung gingen um. Die Spanische Grippe hat wohl einen ähnlich hohen Einfluss auf die geopolitische Entwicklung gehabt, wie es sich nun bei Corona abzeichnet.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 18. Dezember 2020

Bundeswehr will bis 2027 auf 203.000 Soldaten und knapp 70.000 zivile Mitarbeiter anwachsen

Wer möchte nicht während Corona ein gesichertes Einkommen haben? Ärzte, Pfleger, Telefonanbieter und Beschäftigte im Öffentlichen Dienst genießen diese Sicherheit. Besonders innovativ wirbt die Bundeswehr um beruflichen Nachwuchs. Deren Social-Media-Kanäle stellen alle anderen Behördenkanäle in den Schatten. Es gibt Kampagnen wie DIE REKRUTINNEN oder andere Maßnahmen wie die freie Fahrt per Bahn - vorausgesetzt man trägt seine werbewirksame Uniform. Nach eigenen Angaben gilt die Bundeswehr bei Schülern als einer der beliebtesten Arbeitgeber.

In ihrer Mittelfristigen Personalplanung (MPP) hat sich die Bundeswehr nun auf eine Zahl von 203.000 Soldaten bis 2027 festgelegt. Das sind 10% mehr als jetzt. Das zivile Personal soll um etwa 2.000 Stellen auf knapp 70.000 anwachsen. Damit sollen ehemalige Einrichtungen wiederbelebt, ein Militärrabbinat etabliert, der Militärische Abschirmdienst (MAD) ausgebaut und die Kommandostruktur der NATO gestärkt werden.

Bundeswehr will bis 2027 auf 203.000 Soldaten und knapp 70.000 zivile Mitarbeiter anwachsen
Bundeswehr will bis 2027 auf 203.000 Soldaten und knapp 70.000 zivile Mitarbeiter anwachsen

Fachkräfte aus der freien Wirtschaft beklagen, dass die Einstiegstests nicht auf Berufserfahrene angepasst seien. So werde in den Tests Abiturwissen abgefragt, das schon lange als redundant aus dem Langzeitgedächtnis gestrichen wurde. Das schafft Raum für Schulabgänger, die dann von Grund auf bei der Bundeswehr ausgebildet werden. Die hartnäckig verbreitete Erzählung vom Fachkräftemangel offenbart sich auch bei anderen Behörden als weniger dringlich. Hat sich nämlich eine Fachkraft entschieden, den Gewinn von Sicherheit mit einem finanziellen Abstieg zu bezahlen, ist da noch die Hürde des Scheins. Der Nachweis über eine theoretische Befähigung spielt in der Regel eine größere Rolle als Berufserfahrung und Führungsqualität. Länder wie Griechenland zeigen ohnehin, dass eine zu hohe Anzahl Beschäftigter im öffentlichen Dienst zu einer finanzpolitischen Schieflage führt.

Personalstärke ist nicht alles. Vieles kann heute automatisiert werden - auch bei der Bundeswehr. Eine Reaktivierung der Wehrpflicht ist nicht geplant. Die MPP 2027 geht wohl außerdem von einer gleichbleibenden Bedrohungslage nach Corona aus. Experten aus sicherheitspolitischen Denkfabriken sehen das anders. Die Pandemie hat jetzt schon Weichen gestellt. Fragt sich nur, wie weitsichtig, schnell und flexibel der Bundestag mit seinem letzten Wort darauf reagieren kann und will.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 15. Dezember 2020

Indo-Pazifik-Leitlinien: Japan als 3. Station der virtuellen Asienreise von AKK

Es gehe nicht darum, sich gegen jemanden zu positionieren, war eine der ersten Aussagen der Ministerin bei ihrem heutigen virtuellen Besuch in Japan. Man trete für Wohlstand und eine regelbasierte Ordnung ein. Nicht das Recht des Stärkeren solle dabei zur Geltung kommen, sondern friedliche, regelbasierte, diplomatische Lösungen. Was aber, wenn nicht alle bei diesen Spielregeln mitmachen? So sei inzwischen eine "Konkurrenz zu spüren".

Indo-Pazifik-Leitlinien: Japan als 3. Station der virtuellen Asienreise von AKK
Japan als 3. Station der virtuellen Asienreise von AKK zu den Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung - Japans Verteidigungsminister Nobuo Kishi hatte sein Büro mit einem stilechten Buddy-Bären dekoriert. Sein Staatssekretär hatte ein T-Shirt des FC Augsburg und ein Plakat zur "Sendung mit der Maus" im Hintergrund aufgehängt.

Auch Japan zeigte sich in der heutigen Videokonferenz sehr erfreut über die Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung, setzt aber auch hohe Erwartungen in deren Umsetzung. Insbesondere die Ankündigung "maritimer Präsenz" weckt große Hoffnungen bei Japans Verteidigungsminister Nobuo Kishi. So begrüßte er die angekündigte Entsendung deutscher Marineschiffe in die Region. Welche Art Schiffe in welcher Anzahl das sein werden, ist allerdings noch offen. In der Videokonferenz mit Singapurs Verteidigungsminister war die Rede von einer Entsendung in 2021. Als Dämpfung der Euphorie könnte gewertet werden, dass AKK heute nur von Marineoffizieren redete, die bei Partnern in der Region mitfahren. Auch könne Deutschland nur ein "Zeichen der Verbundenheit" geben. Immerhin habe man noch verschiedene andere Verpflichtungen im Rahmen der NATO zu erfüllen.

Zurzeit schauen viele Regionen der Erde auf Europa und warten sehnsüchtig darauf, dass Deutschland endlich seine Führungsrolle übernimmt. Das "Zeichen der Verbundenheit" könnte wieder zur Enttäuschung für Partner werden. Deutschland wird zunehmend Unentschlossenheit und ein weites Zurückbleiben hinter seinem Potenzial attestiert. AKK sprach von dem Spagat, den Deutschland machen müsse, um mit China einerseits als strategischem Partner und andererseits als systemischem Rivalen umgehen zu müssen. Die bisherige Strategie deutscher Außen- und Sicherheitspolitik war eher von Harmoniebedürfnis geprägt - eine Strategie von "guter Bulle" und "schlechter Bulle". Mit robusten Aufgaben konnten sich die Briten, Franzosen oder Amerikaner unbeliebt machen, während Deutschland dann als Aufbauender mit viel Geld hinterherkam. Zur Entlastung sei gesagt, dass Briten, Franzosen und Amerikaner ganz andere Entscheidungswege haben: Wenn dort der Präsident oder Premierminister etwas entscheidet, wird es eben umgesetzt. In Deutschland muss es erst einmal durch den Bundestag und kommt letztlich als weichgespülte Kompromisslösung zur Anwendung.

Indo-Pazifik-Leitlinien: Japan als 3. Station der virtuellen Asienreise von AKK
Japan als 3. Station der virtuellen Asienreise von AKK zu den Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung - In Deutschland war die Videokonferenz um 9 Uhr gestartet. In Japan war es in demselben Moment bereits 17 Uhr. Diese Videokonferenzen haben den Vorteil, dass die Reisekosten entfallen und dass mehr Personen daran teilnehmen können.

Japan hatte auch sehr genau die NATO-Übung US Defender im Frühjahr 2020 beobachtet. Man wollte sehen, wie die Interaktion zwischen US-Streitkräften und Europäern funktioniert. US Defender hatte durch Corona ein jähes Ende erfahren. Das Manöver hatte jedoch so gut funktioniert, dass diverse Übungseinheiten komplett abgeschlossen werden konnten. Kürzlich hatte Japan sein eigenes multinationales Manöver - das Seemanöver Malabar unter Beteiligung von Indien, Australien, der USA und Japan. Indien ist mit seinen 1,45 Millionen Militärangehörigen ein wichtiger sicherheitspolitischer Player in der Region. Es verfügt über einen Flugzeugträger, 17 U-Boote, 13 Zerstörer, 13 Fregatten und 66.100 Marinesoldaten. Die Malabar-Übung fand weitestgehend außerhalb der Beachtung deutscher Medien statt. Die Berichterstattung wurde deshalb vom russischen Kreativjournalismus übernommen.

Damit wären wir auch schon bei den weiteren Schwerpunkten japanischer Sicherheitspolitik: Desinformation, Cyber, Radarstörungen und Weltraum. Bezüglich Desinformation wird auch China eine hohe Kompetenz nachgesagt. Allerdings kann es sich derzeit noch gut hinter Russland verstecken. In Sachen Radar, Cyber und Weltraum hat China die Nase vorn und ist schon jetzt ein ernst zu nehmender Wettbewerber des Westens. Das Zittern vor Chinas Quantentechnologie ist schon seit einiger Zeit zu spüren. Diese würde sämtliche bisherigen Verschlüsselungs- und Zugriffsmechanismen in die Historie der Informationstechnik katapultieren. Ein Problem, das sich bis zur Oma durchschleift, die während Corona gelernt hat, virtuell mit dem Enkel zu kommunizieren.

Weil Außen- und Sicherheitspolitik eng miteinander verknüpft sind, wurde am Ende der Videokonferenz vorgeschlagen, so bald wie möglich ein Präsenztreffen der Außen- und Verteidigungsminister zu veranstalten. Frau Kramp-Karrenbauer nahm diesen Vorschlag gerne an und wird das an ihren Kollegen vom Auswärtigen Amt weitergeben.

Autor: Matthias Baumann