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Montag, 21. Dezember 2020

Kirche setzt sich mit Rüstungsexporten auseinander

Es war eine dieser Pressekonferenzen, in der sich die Protagonisten darauf konzentrierten, einen Katalog von Forderungen vorzutragen. Die Prälaten Dutzmann und Jüsten waren persönlich erschienen und Dr. Simone Wisotzki war per Skype zugeschaltet. In der GKKE, der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung, sind evangelische und katholische Amtsträger zusammengeschlossen und versuchen, am sicherheitspolitischen Diskurs des Bundestages teilzunehmen. Als eine Art ethische Lobby und weitere Stimme in der Meinungsvielfalt des Parlaments.

Zum "Hinschauen, wo es weh tut" werden die Gläubigen regelmäßig von der Kanzel aus ermutigt. Langjährige Predigthörer wissen natürlich, in welche Richtung zu schauen ist, damit es möglichst nur bei anderen weh tut. Die GKKE hat sich für das Hinschauen den Prügelknaben der Nation ausgesucht: die Bundeswehr und im weiteren Sinne die Rüstungsindustrie. Akribisch wurden 100 Seiten mit statistischen Daten zu Rüstungsgenehmigungen und tatsächlichen Exporten zusammengestellt und mit entsprechenden Forderungstexten versehen. Hinzu kamen Klagelieder über die Differenz zwischen "politischer Rhetorik" und dem Handeln der Bundesregierung. Die GKKE selbst ist fein raus, da sie nur analysiert, beobachtet, kritisiert und fordert. Umsetzen muss sie nichts. Kein Wunder, dass das für Rüstung zuständige Wirtschaftsministerium seit 2018 den Dialog auf Eis gelegt hat.

GKKE Rüstungsexportbericht 2020
GKKE stellt ihren Rüstungsexportbericht 2020 vor - Das Archivfoto aus 3/2019 zeigt ein Maschinengewehr MG3 und dessen Munition. Kann der Nachschub an Munition gestoppt werden, endet bald auch der Konflikt.

Der 100-seitige Bericht und die Aussagen in der Pressekonferenz vermittelten den Eindruck, dass die Fachgruppe im Lagebild des Jahres 2000 lebt. Auf dieser Basis scheint sie die Zusammenhänge von Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik zu bewerten. Flankiert wird das mit der Definition eines ethischen Sollzustandes, der eine allseits praktizierte, regelbasierte Konfliktlösung voraussetzt. Das verschafft der GKKE eine Anschlussfähigkeit bei DIE LINKE und den Grünen. Terrorismus, Krim, Corona und Desinformation spielen als Bedrohungsszenarien eine untergeordnete Rolle. Über bewaffnete Drohnen fange man gerade an, sich eine Meinung zu bilden. Zumindest hat die GKKE das zeitlose Problemfeld der Kleinwaffen im Blick und weiß, dass ein Ende der Munitionslieferung auch ein Ende der Nutzung der Waffen bedeutet.

Während sich die praktizierende Christin Annegret Kramp-Karrenbauer über die Möglichkeiten des neuen Europäischen Verteidigungsfonds freut, wird dieser von der GKKE scharf kritisiert. Dass Deutschland und Europa seitens der USA zunehmend in die Eigenverantwortung entlassen werden, scheint außerhalb der Wahrnehmung dieser kirchlichen Fachgruppe zu liegen. Die Strategie der Hilfe zur Selbsthilfe ist ihnen wohl ebenfalls neu. So habe die Gruppe "wiederholt auf die Problematik der Ertüchtigung von Polizei und Sicherheitskräften in Drittstaaten hingewiesen". Nach allgemeinem Verständnis arbeiten Ausbilder von Polizei und Bundeswehr in fragilen Staaten, um ein gewisses Maß an Stabilität zu erreichen, bauen mit regionalen Kräften erste tragfähige Strukturen auf und haben das erklärte Ziel, entbehrlich zu werden. In einigen Ländern gelingt das und in anderen Ländern wie Mali stellt sich die Ausbildung regionaler Kräfte eher als Zeitverschwendung heraus. Hilfe zur Selbsthilfe stellt Hilfsbedürftige auf eigene Füße und entlastet damit die Helfenden.

Die GKKE heftet sich die Lorbeeren für eine Verbesserung der Transparenz bei Kriegswaffenausfuhren an und betont, dass sie Gerichtsverfahren gegen Heckler & Koch oder Sig Sauer beobachte. Diese sollen Kleinwaffen an problematische Empfänger geliefert haben. Sie schauen aber auch hin bei Waffenlieferungen an Staaten, die am Jemen-Konflikt beteiligt sind. Ein ganz schwieriges strategisches Thema, das die Außen- und Sicherheitspolitik von NATO-Partnern, Erdölabnehmern und Exportnationen in ein Dilemma führt. Als Lösung schlägt die GKKE ein Rüstungsexportkontrollgesetz vor. Auch möchte sie eine umfangreiche Kontrollinstanz für Rüstungsexporte und mögliche Weiterverkäufe von Waffen in deutschen Behörden etabliert sehen.

Politik in Deutschland wird mit Kompromissen gestaltet. Parteien, Ausschüsse, Arbeitskreise, Lobbyisten, Minister, Hinterbänkler und Journalisten bringen ihre Meinung ein. Dann wird debattiert. Einige Themen lösen sich zuweilen zwischenzeitlich von selbst. Und zum Schluss gibt es einen Konsens der stärksten Kräfte. In diesem Potpourri mischt auch die GKKE mit.

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 20. Dezember 2020

Ein Jahr Staatsvertrag zur jüdischen Militärseelsorge und gleichbleibend hoher Gegenwind

Der Oberst im Generalstab Sven Lange ist ein langgedienter Soldat. Er ist im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) für den Aufbau einer Jüdischen Militärseelsorge verantwortlich: Grundlage für die in der Öffentlichkeit genannte Zahl von 300 jüdischen Soldaten und Soldatinnen in der Bundeswehr sei tatsächlich eine Schätzung auf Grundlage von Daten, die das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in  einer wissenschaftlichen Untersuchung erhoben habe, sagt er. Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland habe im Antragsverfahren und in der Öffentlichkeit eine gleichlautende Zahl genannt. Dennoch, „die Zahlen muss man mit einer Prise Salz nehmen“, äußerst er sich auf einen Beitrag der Tageszeitung (TAZ) vom 30.11.2020 hin. Dass die Autoren der TAZ, Kersten Augustin und Yossi Bartal, die Zahlen „ein Militärgeheimnis“ nennen, sogar in den Raum stellen, es könne sich auch nur um 50 Soldaten handeln, zeugt allerdings von Unkenntnis der Materie.

Denn bei 200.000 angenommenen in Deutschland lebenden jüdischen Staatsbürgern, die Hälfte davon sind als Gemeindemitglieder in Kultusgemeinden verbürgt, lassen sich leicht statistisch etwa 300 jüdische Soldaten und Soldatinnen hochrechen. Dafür sind bis zu 10 Rabbiner oder Rabbinerinnen vorgesehen.

Ein Jahr Staatsvertrag zur jüdischen Militärseelsorge #AKK und Zentralrat der Juden
Stolz präsentieren Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (2. von links) und der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster (2. von rechts), am 20.12.2019 den gerade unterzeichneten Staatsvertrag zur jüdischen Militärseelsorge.

Im Grunde seien die Zahlen aber unerheblich für die Bundeswehr, erläutert Lange, denn diese orientiere ihren Bedarf an Seelsorgern an der Gesamtzahl der Soldaten und Soldatinnen und das sind aktuell. 184.000, die alle ein Anrecht auf Seelsorge hätten. Bekanntlich sind alle Militärgeistlichen im für alle Soldaten verpflichtenden Lebenskundlichen Unterricht eingesetzt und nehmen an Auslandseinsätzen teil. „Seelsorge nimmt sich Zeit zum Gespräch“, sagte der promovierte Historiker. Zudem habe auch die Überlegung eine Rolle gespielt, dass jüdische Seelsorger das Wissen um den jüdischen Glauben und dessen Kultur in der Bundeswehr verstärken könnten. „Es geht auch um den Effekt politischer Bildung“, sagte Lange.

Schon anlässlich der Unterzeichnung des Staatsvertrages zwischen der Bundesregierung und dem Zentralrat mit seinem Präsidenten Josef Schuster am 20. Dezember 2019 hatte der damalige evangelische Militärbischof Sigurd Rink von einem starken politischen Signal gesprochen. Der Staat setze damit auch ein Zeichen, dass Antisemitismus in den Streitkräften keinen Platz habe. In der Folge hatte dann am 28. Mai 2020 der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Jüdischen Seelsorge in der Bundeswehr einstimmig beschlossen. Eine eher seltene parlamentarische Einigkeit.

Ein Sprecher des Presse-Infostabs nannte auf Anfrage die Erweiterung der Militärseelsorge einen wichtigen Schritt der Wertschätzung gegenüber den Soldatinnen und Soldaten jüdischen Glaubens: „Es verdeutlicht die Glaubensvielfalt, die in der Bundeswehr herrscht. Für die Errichtung einer jüdischen Militärseelsorge war und ist dabei die Anzahl der in der Bundeswehr geschätzt dienenden Soldatinnen und Soldaten jüdischen Glaubens allein nicht ausschlaggebend“, so der Sprecher.

Ein Gesicht für das jüdische Leben in den Streitkräften ist der Oberst der Reserve Walter Homolka. Der Rektor des Potsdamer Abraham Geiger Kollegs und Rabbiner gehört der Bundeswehr schon seit den Jahren an, als Rudolf Scharping bis 2002 noch Verteidigungsminister war. „Die Herleitung ist sauber“, sagt er zu den Zahlen jüdischer Soldaten. Seine Beobachtung sei, viele wollten kein „coming out“ betreiben. Eine Stabsärztin in Berlin habe ihm gesagt: Ich möchte in meiner dienstlichen Verwendung nicht Vorzeige-Jüdin in der Bundeswehr sein. „Die Pluralisierung der Seelsorge ist eine Kohabitation von Staat und Religionsgemeinschaften. Auf die Organisationsstruktur haben die Kirchen doch gedrungen.“ Für ihn stehe im Mittelpunkt, dass die Seelsorger „Rabbiner zum Anfassen“ sein könnten. Liberal oder orthodox.

Wie die Planung für ein Amt Jüdische Militärseelsorge vorangeht, hängt von kommenden Entscheidungen ab: In den ersten Monaten des Jahres 2021 erwartet Oberst i.G. Lange die Benennung eines Militärbundesrabbiners, der dann von der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und vom Bundeskabinett bestätigt werden müsse. In der Folge müsse eine Leiterin oder ein Leiter des Militärrabbinats ernannt werden. Noch sei nicht klar, wo in Berlin eine Liegenschaft für die Bundesbehörde gefunden werden könne. Es könnte aber durchaus im Umfeld des Sitzes des Zentralrats der Juden in Deutschland sein. Das Bundesamt werde bis zu 50 Mitarbeiter haben. Erwartet werden Kosten in Höhe von 4,67 Millionen Euro jährlich sowie einmalig bis zu 900.000 Euro.

Erst nach diesen Entscheidungen könne die Suche nach Militärrabbinern für einzelne Standorte der Bundeswehr beginnen. Zur Überlegung, eine Oberbehörde für alle Religionen zu schaffen, zeigte sich Lange skeptisch. „Das gegen den Willen der Religionsgemeinschaften durchzusetzen, halte ich für unrealistisch.“ Und tatsächlich geben eine solche Lösung die Militärseelsorgeverträge mit den Kirchen in Deutschland kaum her.

Autor: Roger Töpelmann

Roger Töpelmann war bis Sommer 2020 Pressereferent des damaligen Evangelischen Militärbischofs Dr. Sigurd Rink und hat den Prozess zur Einführung der jüdischen Militärseelsorge begleitet.

Freitag, 18. Dezember 2020

Bundeswehr will bis 2027 auf 203.000 Soldaten und knapp 70.000 zivile Mitarbeiter anwachsen

Wer möchte nicht während Corona ein gesichertes Einkommen haben? Ärzte, Pfleger, Telefonanbieter und Beschäftigte im Öffentlichen Dienst genießen diese Sicherheit. Besonders innovativ wirbt die Bundeswehr um beruflichen Nachwuchs. Deren Social-Media-Kanäle stellen alle anderen Behördenkanäle in den Schatten. Es gibt Kampagnen wie DIE REKRUTINNEN oder andere Maßnahmen wie die freie Fahrt per Bahn - vorausgesetzt man trägt seine werbewirksame Uniform. Nach eigenen Angaben gilt die Bundeswehr bei Schülern als einer der beliebtesten Arbeitgeber.

In ihrer Mittelfristigen Personalplanung (MPP) hat sich die Bundeswehr nun auf eine Zahl von 203.000 Soldaten bis 2027 festgelegt. Das sind 10% mehr als jetzt. Das zivile Personal soll um etwa 2.000 Stellen auf knapp 70.000 anwachsen. Damit sollen ehemalige Einrichtungen wiederbelebt, ein Militärrabbinat etabliert, der Militärische Abschirmdienst (MAD) ausgebaut und die Kommandostruktur der NATO gestärkt werden.

Bundeswehr will bis 2027 auf 203.000 Soldaten und knapp 70.000 zivile Mitarbeiter anwachsen
Bundeswehr will bis 2027 auf 203.000 Soldaten und knapp 70.000 zivile Mitarbeiter anwachsen

Fachkräfte aus der freien Wirtschaft beklagen, dass die Einstiegstests nicht auf Berufserfahrene angepasst seien. So werde in den Tests Abiturwissen abgefragt, das schon lange als redundant aus dem Langzeitgedächtnis gestrichen wurde. Das schafft Raum für Schulabgänger, die dann von Grund auf bei der Bundeswehr ausgebildet werden. Die hartnäckig verbreitete Erzählung vom Fachkräftemangel offenbart sich auch bei anderen Behörden als weniger dringlich. Hat sich nämlich eine Fachkraft entschieden, den Gewinn von Sicherheit mit einem finanziellen Abstieg zu bezahlen, ist da noch die Hürde des Scheins. Der Nachweis über eine theoretische Befähigung spielt in der Regel eine größere Rolle als Berufserfahrung und Führungsqualität. Länder wie Griechenland zeigen ohnehin, dass eine zu hohe Anzahl Beschäftigter im öffentlichen Dienst zu einer finanzpolitischen Schieflage führt.

Personalstärke ist nicht alles. Vieles kann heute automatisiert werden - auch bei der Bundeswehr. Eine Reaktivierung der Wehrpflicht ist nicht geplant. Die MPP 2027 geht wohl außerdem von einer gleichbleibenden Bedrohungslage nach Corona aus. Experten aus sicherheitspolitischen Denkfabriken sehen das anders. Die Pandemie hat jetzt schon Weichen gestellt. Fragt sich nur, wie weitsichtig, schnell und flexibel der Bundestag mit seinem letzten Wort darauf reagieren kann und will.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 15. Dezember 2020

Indo-Pazifik-Leitlinien: Japan als 3. Station der virtuellen Asienreise von AKK

Es gehe nicht darum, sich gegen jemanden zu positionieren, war eine der ersten Aussagen der Ministerin bei ihrem heutigen virtuellen Besuch in Japan. Man trete für Wohlstand und eine regelbasierte Ordnung ein. Nicht das Recht des Stärkeren solle dabei zur Geltung kommen, sondern friedliche, regelbasierte, diplomatische Lösungen. Was aber, wenn nicht alle bei diesen Spielregeln mitmachen? So sei inzwischen eine "Konkurrenz zu spüren".

Indo-Pazifik-Leitlinien: Japan als 3. Station der virtuellen Asienreise von AKK
Japan als 3. Station der virtuellen Asienreise von AKK zu den Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung - Japans Verteidigungsminister Nobuo Kishi hatte sein Büro mit einem stilechten Buddy-Bären dekoriert. Sein Staatssekretär hatte ein T-Shirt des FC Augsburg und ein Plakat zur "Sendung mit der Maus" im Hintergrund aufgehängt.

Auch Japan zeigte sich in der heutigen Videokonferenz sehr erfreut über die Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung, setzt aber auch hohe Erwartungen in deren Umsetzung. Insbesondere die Ankündigung "maritimer Präsenz" weckt große Hoffnungen bei Japans Verteidigungsminister Nobuo Kishi. So begrüßte er die angekündigte Entsendung deutscher Marineschiffe in die Region. Welche Art Schiffe in welcher Anzahl das sein werden, ist allerdings noch offen. In der Videokonferenz mit Singapurs Verteidigungsminister war die Rede von einer Entsendung in 2021. Als Dämpfung der Euphorie könnte gewertet werden, dass AKK heute nur von Marineoffizieren redete, die bei Partnern in der Region mitfahren. Auch könne Deutschland nur ein "Zeichen der Verbundenheit" geben. Immerhin habe man noch verschiedene andere Verpflichtungen im Rahmen der NATO zu erfüllen.

Zurzeit schauen viele Regionen der Erde auf Europa und warten sehnsüchtig darauf, dass Deutschland endlich seine Führungsrolle übernimmt. Das "Zeichen der Verbundenheit" könnte wieder zur Enttäuschung für Partner werden. Deutschland wird zunehmend Unentschlossenheit und ein weites Zurückbleiben hinter seinem Potenzial attestiert. AKK sprach von dem Spagat, den Deutschland machen müsse, um mit China einerseits als strategischem Partner und andererseits als systemischem Rivalen umgehen zu müssen. Die bisherige Strategie deutscher Außen- und Sicherheitspolitik war eher von Harmoniebedürfnis geprägt - eine Strategie von "guter Bulle" und "schlechter Bulle". Mit robusten Aufgaben konnten sich die Briten, Franzosen oder Amerikaner unbeliebt machen, während Deutschland dann als Aufbauender mit viel Geld hinterherkam. Zur Entlastung sei gesagt, dass Briten, Franzosen und Amerikaner ganz andere Entscheidungswege haben: Wenn dort der Präsident oder Premierminister etwas entscheidet, wird es eben umgesetzt. In Deutschland muss es erst einmal durch den Bundestag und kommt letztlich als weichgespülte Kompromisslösung zur Anwendung.

Indo-Pazifik-Leitlinien: Japan als 3. Station der virtuellen Asienreise von AKK
Japan als 3. Station der virtuellen Asienreise von AKK zu den Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung - In Deutschland war die Videokonferenz um 9 Uhr gestartet. In Japan war es in demselben Moment bereits 17 Uhr. Diese Videokonferenzen haben den Vorteil, dass die Reisekosten entfallen und dass mehr Personen daran teilnehmen können.

Japan hatte auch sehr genau die NATO-Übung US Defender im Frühjahr 2020 beobachtet. Man wollte sehen, wie die Interaktion zwischen US-Streitkräften und Europäern funktioniert. US Defender hatte durch Corona ein jähes Ende erfahren. Das Manöver hatte jedoch so gut funktioniert, dass diverse Übungseinheiten komplett abgeschlossen werden konnten. Kürzlich hatte Japan sein eigenes multinationales Manöver - das Seemanöver Malabar unter Beteiligung von Indien, Australien, der USA und Japan. Indien ist mit seinen 1,45 Millionen Militärangehörigen ein wichtiger sicherheitspolitischer Player in der Region. Es verfügt über einen Flugzeugträger, 17 U-Boote, 13 Zerstörer, 13 Fregatten und 66.100 Marinesoldaten. Die Malabar-Übung fand weitestgehend außerhalb der Beachtung deutscher Medien statt. Die Berichterstattung wurde deshalb vom russischen Kreativjournalismus übernommen.

Damit wären wir auch schon bei den weiteren Schwerpunkten japanischer Sicherheitspolitik: Desinformation, Cyber, Radarstörungen und Weltraum. Bezüglich Desinformation wird auch China eine hohe Kompetenz nachgesagt. Allerdings kann es sich derzeit noch gut hinter Russland verstecken. In Sachen Radar, Cyber und Weltraum hat China die Nase vorn und ist schon jetzt ein ernst zu nehmender Wettbewerber des Westens. Das Zittern vor Chinas Quantentechnologie ist schon seit einiger Zeit zu spüren. Diese würde sämtliche bisherigen Verschlüsselungs- und Zugriffsmechanismen in die Historie der Informationstechnik katapultieren. Ein Problem, das sich bis zur Oma durchschleift, die während Corona gelernt hat, virtuell mit dem Enkel zu kommunizieren.

Weil Außen- und Sicherheitspolitik eng miteinander verknüpft sind, wurde am Ende der Videokonferenz vorgeschlagen, so bald wie möglich ein Präsenztreffen der Außen- und Verteidigungsminister zu veranstalten. Frau Kramp-Karrenbauer nahm diesen Vorschlag gerne an und wird das an ihren Kollegen vom Auswärtigen Amt weitergeben.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 4. Dezember 2020

IISS Manama Dialogue in Bahrain #IISSMD20

Heute begann in Bahrain der dreitägige Manama Dialog des IISS (International Institute for Strategic Studies). Das IISS mit seinem Hauptsitz in London ist ähnlich gut vernetzt wie die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) und bringt entsprechend wichtige Entscheidungsträger aufs Podium. Das IISS bringt seit vielen Jahren die Military Balance heraus, ein Buch mit inzwischen über 500 Seiten und detaillierten Informationen zur militärischen Stärke von über 170 Staaten der Welt. Die Zahlen im Buch gelten in Sicherheitskreisen als zuverlässig.

Der Manama Dialog ist der wichtigste sicherheitspolitische Gipfel im Nahen und Mittleren Osten. Deshalb sind neben dem britischen Generalstabschef und dem Generalsekretär des GCC (Gulf Cooperation Council) eine beachtliche Zahl von Außenministern persönlich nach Bahrain gereist. Die Eröffnungsrede hielt der noch amtierend Außenminister der USA, Mike Pompeo - virtuell. Virtuell waren auch die israelische Außenministerin Gabi Ashkenazi und der kanadische Verteidigungsminister Hajrit Sajjan dabei.

#IISSMD20 IISS Manama Dialogue in Bahrain
#IISSMD20 IISS Manama Dialogue in Bahrain - viele Außenminister vor Ort - hohe Hygienestandards wegen Corona - Liveübertragung für virtuelle Teilnehmer

Mike Pompeo hatte drei Hauptthemen auf seiner Agenda: Iran, China und Israel. Das größte Problem in der Region stelle nicht der israelisch-palästinensische Konflikt dar, sondern der Iran mit seinen vielfältigen Bedrohungsmustern. Das Atom-Programm sei nur ein Teil davon. Es gehe weiter mit konventionellen Raketen und der Vernetzung iranischer Kräfte im gesamten Nahen Osten. Letztere beeinflussen, untergraben und destabilisieren ganze Staaten der Region. Wenn die Staaten dann komplett am Boden liegen, überlassen sie deren Bevölkerung ihrem Schicksal. Bezüglich Israel referenzierte Mike Pompeo mehrfach auf die Bibel und führte die positive Entwicklung im Zusammenhang mit den Abraham Accords an. Das sind kürzlich abgeschlossene Friedensverträge zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie zwischen Israel und Bahrain. "Let's keep pressing Iran", war das, was er dem Nahen Osten zum Ende seiner Amtszeit noch mitgeben wollte. Auf Deutsch: "Lasst uns weiter Druck machen gegen den Iran."

In Blick auf China ging der Außenminister noch einmal auf die eigene Fehleinschätzung ein, dass eine Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation (WTO) automatisch zu einer Demokratisierung der Gesellschaft führe. Es gehe nicht um einen Konflikt zwischen USA und China, sondern um "Freiheit versus Tyrannei". Dann erläuterte er noch, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei Corona versagt habe und dass die USA gerne an einer weltweiten Pandemiebekämpfung teilnehmen würden - ohne das "politisierte" Instrument der WHO. Sehr deutliche Worte fand er auch bei "America's security first". Das mache jede Nation so. Ohne das im Detail auszuführen, war das eine starke Botschaft in Richtung NATO-Partner, die sich nach wie vor auf den Fähigkeiten der USA ausruhen - auch in der Golf-Region.

Am Samstag diskutieren unter anderem die Außenminister von Saudi Arabien, Südkorea, Oman, Bahrain, Jordanien und Irak in verschiedenen Panels über die Sicherheit im Nahen Osten im globalen Kontext, globale Führungsrollen im Angesicht von Corona und mögliche Lösungen für den Konflikt im Nahen Osten. Wer daran denkt, dass die Uhren in Bahrain schon zwei Stunden weiter sind als in Deutschland, kann online dabei sein. Die Zeitverschiebung trifft den kanadischen Verteidigungsminister Harjit Singh Sajjan besonders hart: Sein Statement steht zwischen 3 und 5 Uhr in der Nacht auf dem Programm.

Das Königreich Bahrain ist ein Inselstaat im Persischen Golf und wesentlich kleiner als Rügen. Eine etwa zehn Kilometer lange Brücke verbindet die Insel mit dem saudischen Festland. Bahrain wird "Bachrejn" ausgesprochen und die Hauptstadt heißt Manama. Bahrain hat 1,4 Millionen Einwohner und ein geostrategisches Problem. Es liegt nämlich zwischen den Kontrahenten Saudi-Arabien und Iran. Das Königreich wird von Saudi-Arabien und den USA unterstützt. Im Gegenzug beherbergt es das Hauptquartier der 5. U.S.-Flotte. Seit 2018 sind auch wieder britische Soldaten auf der Insel stationiert. Die Streitkräfte Bahrains umfassen nur 8.200 Berufssoldaten. Diese gelten aber als gut trainiert und haben ihre Kompetenz bereits in verschiedenen Kommandoaktionen und bei der Abwehr von Piraten unter Beweis gestellt. Diese Leistungsfähigkeit hat ihnen auch entsprechende Führungsrollen verschafft. Bahrain ist Mitglied des GCC.

Wegen des hohen Interesses an der Sicherheit in der Region arbeitet das Land schon seit vielen Jahren konstruktiv mit dem IISS zusammen. Die dreitägige IISS-Konferenz erfreut sich deshalb einer großzügigen Unterstützung des Königshauses. Da Sicherheit auch die persönliche Gesundheit betrifft, wurden umfangreiche Hygienemaßnahmen vor Ort ergriffen und virtuelle Räume für ferngebliebene Teilnehmer geschaffen.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 3. Dezember 2020

Weihnachtsgeschenke für die Bundeswehr: Wie sieht es mit der Compliance aus?

Kurz vor dem 1. Advent traf eine Mail der Pressestelle der Gebirgsjägerbrigade 23 ein. Es war ein Foto dabei, um dessen Veröffentlichung gebeten wurde. Das Foto stellt Landrat Bernhard Kern dar, der einen Präsentkorb an den Kommandeur der Brigade, Oberst Maik Keller, überreicht. Eine freundliche Geste! Die Pralinen und geräucherten Schinkenstücke sollten zeitnah zu den Gebirgsjägern nach Gao in Mali weitergeleitet werden.

Im familiären Umfeld oder in der freien Wirtschaft sind Weihnachtsgeschenke ganz normal. Besonders ambitionierte Einkäufer gehen auch mal mit zum Kofferraum des Handelsvertreters, falls dieser nicht so viel ins Büro des Kunden tragen konnte. Deshalb erzeugte gleich der erste Blick auf das Foto die Frage: Wie sieht es eigentlich mit der Compliance bei der Bundeswehr aus? Wer darf wem in welchem Umfang ein Geschenk machen? Werden Landräte anders bewertet als Unternehmer? Immerhin geht das Geschenk dort ja von einer Behörde zur nächsten.

Weihnachtsgeschenke für die Bundeswehr: Landrat überreicht einen Geschenkkorb an den Brigadekommandeur.
Weihnachtsgeschenke für die Bundeswehr: Landrat Bernhard Kern überreicht einen Geschenkkorb an Brigadekommandeur Oberst Maik Keller. Foto: Bundeswehr / Gebirgsjägerbrigade 23

Ein Handelsvertreter kann Geschenke im Wert von 35 Euro pro Kunde pro Jahr als Kosten von der Steuer absetzen. Haben die Geschenke einen höheren Wert, verfällt der steuerliche Vorteil komplett und der Schenkende bleibt auf den Kosten sitzen - sehr unpraktisch. Wer kreativ ist, kann aber auch schon mit 35 Euro eine positive Stimmung erzeugen und sich damit einen nächsten Auftrag sichern. Bei Behörden wie der Bundeswehr gelten andere Regeln. Wer will schon in den Ruf der Bestechlichkeit geraten?

Der Umgang mit Belohnungen und Geschenke ist in der ZDV A-2100/2 geregelt. Belohnungen und Geschenke sind demnach Zuwendungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht und die dem Beschenkten einen materiellen oder immateriellen Vorteil verschaffen. Die Vorschrift ist so eng gefasst, dass auch Angehörige, Bekannte oder der Sportverein des Beschenkten in diesen Vorteil eingeschlossen sind. Als geringfügig gelten Zuwendungen bis 25 Euro Verkehrswert. Wenn beispielsweise ein Einzelhändler einen Präsentkorb verschenkt, der ihn selbst nur 20 Euro gekostet hat, überschreitet er dennoch die Grenze der Geringfügigkeit, wenn der Präsentkorb im Laden normalerweise für 39 Euro angeboten wird. Es gilt also immer der reguläre Verkaufspreis.

Es ist auch egal, wer das Geschenk macht: Landrat, Dienstleister, die Oma eines Rekruten. Die Annahme aller Geschenke ab 10 Euro ist anzuzeigen. Die Anzeigepflicht entfällt nur dann, wenn die Aufmerksamkeit den Wert von 10 Euro nicht überschreitet. Der Schenkende kann sich allerdings eines Tricks bedienen: Nehmen wir an, es soll ein eleganter Dresdner Stollen im Verkaufswert von 35 Euro verschenkt werden. Diesen könnte ein Unternehmer gerade noch so als Kosten von der Steuer absetzen. Wenn er diesen Stollen an den Chef einer Kompanie mit 100 Soldaten übergibt, wird der Wert des Stollens durch die Anzahl der Beschenkten geteilt. Damit erhält jeder der Soldaten eine Zuwendung im Wert von 0,35 Euro und kann sich den Stollen schmecken lassen, ohne dass die Aufmerksamkeit angezeigt werden muss. Genau dieses Prinzip kam auch beim Geschenkkorb des Landrates zur Anwendung.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 27. November 2020

Haushaltsgesetz 2021 und die Frage nach dem einen Haushalt für 3 Ressorts im Umfang von 3% des BIP

Vier Stunden mit Maske in der Bundespressekonferenz zu sitzen, ist schon herausfordernd. Das ist aber gar nichts gegenüber dem, was die Vertreter der Bundestagsfraktionen geleistet haben: Mehr als 17 Stunden lang hatten sie von gestern 11:08 Uhr bis heute 4:37 Uhr um die finale Fassung des Haushaltsgesetzes 2021 gerungen. Nach einer kurzen Verschnaufpause saßen sie der Presse gegenüber. Dafür sahen die Damen und Herren aber noch erstaunlich frisch aus.

Corona ist wohl der größte Einflussfaktor für das Haushaltsgesetz 2021. Selbst die Opposition kommt zu dem Ergebnis, dass eine Aufstockung des Haushalts dafür richtig sei. Sie bemängelt lediglich die Art der Finanzierung und wirft Olaf Scholz vor, einen "Wahlkampfhaushalt" zusammengebaut zu haben. Und dann kommen auch schon die Differenzen innerhalb der Nichtregierungsparteien: Die Linke will die Schuldenbremse abschaffen und die FDP möchte diese strikter anwenden. Die Linke spricht sich für einen Lastenausgleich in Form von Sonderabgaben für Vermögende aus, während die FDP genau diese Personengruppe entlasten möchte, um ein gutes Investitionsklima zu schaffen. Die Grünen fordern ökologische Auflagen für bezuschusste Großunternehmen und die AfD möchte die Asylrücklagen zugunsten der Refinanzierung auflösen. AfD (459) und FDP (527) hatten mehr als die Hälfte der über 1.800 Änderungsanträge in die Bereinigungssitzung eingebracht.

#MSC #MSR Haushaltsgesetz 2021 und die Frage nach dem einen Haushalt für 3 Ressorts im Umfang von 3% des BIP
Haushaltsgesetz 2021 und die Frage nach dem einen Haushalt für drei Ressorts (Verteidigung, Diplomatie und Entwicklung) im Umfang von 3% des BIP

Nach der Opposition durften sich auch die Regierungsparteien zum Haushaltsgesetz 2021 äußern. Die CDU/CSU beklagte sich darüber, dass sich die Länder auf Kosten des Bundes ausruhten, obwohl diese nach aktuellen Erkenntnissen ähnliche Einnahmen wie 2019 hätten. Anders sehe das beim Bund aus. Die Union plädiert wie die AfD für die Auflösung von "Ausgaberesten". Es habe sich eine Mentalität des Ansparens etabliert, die vorhandene Gelder blockiere. Die SPD erläuterte die 35 Mrd. Euro für Corona: 15 Mrd. Euro seien verplant und 20 Mrd. Euro stehen als Reserve bereit, sind aber zu diesem Zweck vorerst gesperrt. Es war auch die SPD, die auf den weiter gewachsenen Verteidigungshaushalt in Höhe von 46,93 Mrd. Euro einging. In Relation zum gesunkenen BIP ist der Haushalt den 1,5% sehr nahe und steuert damit weiter auf die 2%-Verpflichtung gegenüber der NATO zu.

Da heute die haushaltspolitischen Sprecher sämtlicher Fraktionen zugegen waren, bot sich die Frage an, was sie denn vom jüngsten haushaltspolitischen Vorschlag der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) halten. Deren Vorsitzender, Wolfgang Ischinger, hatte vor wenigen Tagen in einer Videokonferenz noch einmal Folgendes bekräftigt: Das Ressort Verteidigung (BMVg), Diplomatie (Auswärtiges Amt) und Entwicklung (BMZ) sollten einen gemeinsamen Haushalt bekommen. Dieser solle einen Umfang von 3% des BIP haben. Das entspricht etwa 100 Mrd. Euro. Ziel sei es, die außen- und sicherheitspolitischen Aktivitäten der Bundesregierung optimal aufeinander abzustimmen und ressortübergreifende Konzepte umzusetzen. Komplexe geopolitische Entwicklungen erfordern ein konzertiertes Handeln.

Die AfD hatte von diesem Vorschlag noch nichts gehört. Es sei undenkbar, dass man so starke Ministerien unter einen Hut bringen könne. Überhaupt seien 3% des BIP viel zu hoch. Man bedenke zudem den bürokratischen Aufwand bei der Zusammenlegung der Ressorts.

Grüne und Linke haben eine sehr ähnliche Meinung zu diesem Thema: Militärisches und Ziviles müssten getrennt sein. Die 2%-Verpflichtung gegenüber der NATO sei völlig falsch. Die Grünen können sich allerdings eine inländische Krisenprävention in Zusammenarbeit mit Innenministerium (BMI) und BMVg vorstellen. Auf ihrer Delegiertenkonferenz hatten sich die Grünen vor wenigen Tagen auf ihre Linie bei der Außen- und Verteidigungspolitik festgelegt: Abrüstung, Rüstungskontrolle, Verbot von ABC-Waffen, Ende der nuklearen Teilhabe und eine Einbeziehung von China in die Abrüstungsbemühungen. Das würde funktionieren, wenn alle mitmachen. Das sieht "da draußen" aber seit mindestens sechs Jahren ganz anders aus.

Die FDP freute sich über die Frage und warf ein, dass sie ja diese Idee gehabt habe. Es gehe um die 3D: Defense, Diplomacy und Developement - also Verteidigung, Diplomatie und Entwicklung. Die FDP findet eine Kombination dieser Ressorts und damit den Vorschlag der MSC sehr sinnvoll.

Die CDU/CSU zuckte bei den 3% zusammen. Eckehardt Rehberg rechnete auf die Schnelle die Eurobeträge aus. Derzeit stehen für die 3D 64 Mrd. Euro zur Verfügung. 3% des BIP wären mit Dämpfungsfaktor Corona gut 100 Mrd. Euro. Nein, das sei "keine gute Idee". Es sei "nicht realistisch" und die mit einer Ressortkombination einhergehende "Bürokratie zu hoch".

Die SPD setzte auf der Argumentation von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer auf und bemerkte, dass das BIP zu variabel sei, als dass man es mit Prozentwerten auf den Haushalt adaptieren könne. SPD-Sprecher Dennis Rohde plädierte für einen Haushalt, der in einem sinnvollen Umfang die notwendigen Mittel für den Aufbau und den Erhalt der Fähigkeiten bereitstelle. Eine Kombination der Ressorts konnte er sich auch nicht vorstellen.

So bleibt festzuhalten, dass die FDP die höchste Zustimmung zu dem einen Haushalt für drei Ressorts mitbringt und offensichtlich den höheren Sinn hinter dieser Idee erkannt hat. Linke, Grüne und AfD stehen dem skeptisch und ablehnend gegenüber, während die beiden Regierungsparteien SPD und CDU/CSU weiter ihre Agenda durchziehen und erst einmal so langsam das 2%-Ziel der NATO anpeilen.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 17. November 2020

2. Grundsatzrede von AKK: Bekenntnis zu NATO, USA und Eigenverantwortung

Während sich die Bevölkerung in Deutschland uneins darüber ist, ob es Corona überhaupt gibt, verschiebt sich außerhalb des Schengen-Raums bereits das Machtgefüge. Diesem ist es egal, was hierzulande diskutiert und geglaubt wird. Es passiert einfach. Wenigstens hat die Verteidigungsministerin noch einen Blick für die "strategische Gesamtlage". Diesen Blick teilen im Bundestag nur wenige Kollegen mit ihr.

So bemerkte sie in ihrer heutigen zweiten Grundsatzrede, dass sich das Parlament wegen der Historie befangen fühle und deshalb so zaghaft auf die weltweit geforderte deutsche Führungsrolle blicke. Das wirke sich auch auf die Geschwindigkeit von Entscheidungsprozessen aus. Deutschland trete deshalb schnell als Unterstützer auf, scheue sich aber vor Robustheit. Robustheit bedeutet: Kampfeinsätze mit direktem Feindkontakt. Auch Soldaten beklagen, dass sie als Kämpfer in die Bundeswehr eingestiegen waren, in der Öffentlichkeit aber immer nur als Brunnenbohrer und Helfer im Gesundheitsamt wahrgenommen werden. Wenn es nach AKK ginge, würde sich das ändern. Das letzte Wort hat jedoch der demokratische Diskurs.

2. Grundsatzrede von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK vor Studenten der Universität der Bundeswehr in Hamburg
2. Grundsatzrede von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK vor Studenten der Universität der Bundeswehr in Hamburg - Die Rede wurde über den Twitter-Account des BMVg übertragen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was sie bis zur nächsten Wahl noch bewegen kann. Ihre 3-Punkte-Agenda bietet jede Menge Ansatzpunkte zur parlamentarischen Auseinandersetzung. Erstens möchte sie die Fähigkeiten bei der Verteidigung ausbauen und weitere Finanzen trotz Corona akquirieren. Zweitens bekennt sie sich klar zur NATO und den durch Deutschland unterzeichneten Verpflichtungen. Drittens sieht sie die EU an der Seite der USA, wenn es um die China-Politik geht. Gerade das ist eine Gratwanderung, weil sich Deutschland gegenüber China nicht so weit aus dem Fenster lehnen kann.

Taktisch setzt die Ministerin auf "Verteidigungsdiplomatie" und darauf, Flagge zu zeigen für unsere Werte, Interessen und Partner. Die Interessen sind relativ neu im Sprachgebrauch unserer Spitzenpolitiker, aber ein wichtiger Schritt in Richtung Führungsrolle. Da die USA offensichtlich nicht mehr führen wollen - auch unter Joe Biden nicht - möchte AKK die Eigenverantwortung stärken und vom "hilfsbedürftigen Schützling" der USA zu deren Partner werden. Sie sieht darin keinen Widerspruch zur herben Kritik des französischen Präsidenten Macron. Dieser hat schon eine starke europäische Armee vor Augen, während AKK die nüchterne Bilanz zieht, dass für einen Verzicht auf die USA einige Jahrzehnte und sehr viel mehr Geld investiert werden müssten. Hier scheidet sich wohl der Optimist Macron von der Realistin Kramp-Karrenbauer.

Zur Untermauerung zählte die Ministerin dann noch die Fähigkeiten der US-Streitkräfte auf, die wir bislang so selbstverständlich mitbenutzen: 70% der "strategic enabler" (strategische Möglichmacher) wie Aufklärung, Hubschrauber, Luftbetankung und Satellitenkommunikation. Sie stellen fast 100% der Abwehr gegenüber ballistischen Raketen sowie einen Großteil der nuklearen Abschreckung. Hinzu kommen 76.000 US-Soldaten in Europa und eine enorme Zahl von Reservekräften. Damit realisieren die USA etwa 75% der gesamten NATO-Fähigkeiten.

Was die Fähigkeiten der Bundeswehr betrifft, wird die Ministerin keine Großprojekte mehr genehmigen, wenn nicht gleichzeitig die Grundausstattung der Soldaten gesichert ist. Mit diesem Thema war schon ihre Vorgängerin bei Truppenbesuchen konfrontiert worden. AKK obliegt es nun, das auch umzusetzen.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 13. November 2020

AKK forciert die Umsetzung der Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung

Dass ein Politiker kaum in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, heißt nicht, dass er nichts tut. So war über die neue Wehrbeauftragte Eva Högl zu erfahren, dass bisher jeder ihrer Truppenbesuche seitens der Soldaten äußerst positiv aufgenommen wurde. Auch Annegret Kramp-Karrenbauer zieht konsequent ihre Agenda durch - in der häuslichen Quarantäne oder im Ministerinnenbüro. Der Teil-Lockdown verkürzt die Reisezeiten und ermöglicht eine Vergrößerung der Teilnehmerzahlen - per Webkonferenz.

Während die Sichtbarmachung der Bundeswehr durch mehr und größere Gelöbnisse, das Bahnfahren in Uniform und virale Werbekampagnen auf dem "Parallelgleis" durch das Land rauscht, betreibt AKK Multitasking und trifft sich virtuell mit ihren Kollegen aus dem Indo-Pazifik-Raum. Heute stand Dr. Ng Eng Hen aus Singapur in ihrem Terminkalender. Das Treffen war von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und der S. Rajaratnam School of International Studies (RSiS) organisiert worden.

Indo-Pazifik-Leitlinien Verteidigungsminister AKK Ng Eng Hen Singapur KAS RSiS
Singapurs Verteidigungsminister Ng Eng Hen (oben links) und seine Kollegin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK (oben rechts) diskutieren die Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung in einer Webkonferenz der KAS und der RSiS

Der Berliner würde sagen: Singapur ist klein, aber Oho! Singapur hat nur sechs Millionen Einwohner und eine Grundfläche, die kleiner als Berlin ist. Singapur liegt aber an einer Stelle, die das Südchinesische Meer mit dem Indischen Ozean verbindet. Das macht diesen Stadtstaat seit vielen Jahren sehr reich. Pro Kopf erwirtschaftet Singapur etwa 64.000 USD pro Jahr und liegt damit fast auf dem Niveau von Katar.

Singapur gilt als das militärisch am besten ausgestattete Land der Region. Über 4% des BIP werden in die Verteidigung investiert. Besonderes Augenmerkt gilt der Luft- und Seeverteidigung. Singapur besitzt 4 U-Boote, 6 Fregatten, 11 Korvetten und 105 Kampfflugzeuge. Letztere zum Großteil aus amerikanischer Produktion. Die Anschaffung weiterer F-35-Maschinen ist geplant. Fragt sich, wo dieses ganze Gerät auf dem kleinen Territorium untergebracht wird?

So wie Deutschland ist auch Singapur an offenen Seewegen interessiert. Beim regelbasierten Welthandel decken sich ebenfalls die Interessen. Minister Ng Eng Hen besucht seit 2012 die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) und traf dort im Februar 2020 erstmalig seine Kollegin Kramp-Karrenbauer. Der Minister betonte mehrfach, dass Deutschland endlich eine sichtbare Verantwortung für den Erhalt der globalen Ordnung einnehmen solle. Deutschland und die EU sollten Gestalter der Weltordnung sein. Er drückte es in Neudeutsch mit "shapen the global order" aus. Denn nur wer mit am Tisch sitze, habe auch Einfluss auf die Speisekarte. Während innerhalb Deutschlands regelmäßig über die Regierung hergezogen wird, blicken viele Staaten von außen auf die Bundesrepublik und erwarten, dass sie endlich ihre Leitungsrolle wahrnimmt.

Wie Theorie in Praxis umgesetzt wird, zeigten die Antworten von AKK: Deutschland wolle nicht mehr reden, sondern praktische Präsenz zeigen. Zur "maritimen Präsenz" in den Indo-Pazifik-Leitlinien sagte die Ministerin, dass im nächsten Jahr Schiffe in die Region entsandt werden und sich deutsche Soldaten an Übungen und Einsätzen beteiligen werden. Sie klang entschlossen, den Bundestag für entsprechende Mandate zu gewinnen.

Die Indo-Pazifik-Leitlinien haben noch einen anderen Nutzen. Da sich die USA auch unter Joe Biden auf Asien fokussieren, könnte der Indo-Pazifik nun zur gemeinsamen Schnittmenge werden. Die Beziehung zu den USA wird dann also über die andere Himmelsrichtung aufgezogen: nicht mehr atlantisch, sondern indo-pazifisch.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 5. November 2020

Australien zeigt sich begeistert über die Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung

Bei Staatsbesuchen aus Afrika kommt zuweilen die Frage auf, warum der Gast noch seinen Pyjama trägt. Dem heutigen Gipfeltreffen zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer und ihrer Amtskollegin Linda Reynolds konnten Zuschauer dank Corona auch im Schlafanzug beiwohnen. Linda Reynolds saß in Canberra und freute sich wohl schon auf das Abendessen, während AKK vermutlich gerade erst gefrühstückt hatte. Zehn Stunden Zeitunterschied und 16.000 Kilometer Distanz liegen zwischen Deutschland und Australien.

Indo-Pazifik-Leitlinien Australien Verteidigungsministerinnen Linda Reynolds und #AKK Annegret Kramp-Karrenbauer
Videokonferenz der Verteidigungsministerinnen von Australien und Deutschland, Linda Reynolds (oben) und Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK (unten rechts), über die Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung

In den Gründungspapieren der Bundeswehr wurde festgeschrieben, dass Verteidigungsminister in der Hauptsache Politiker sein sollen. Ihre Aufgabe bestehe in der Verbindung zwischen Bundeswehr und dem Parlament. Für die militärische Expertise seien Staatssekretäre und der Generalinspekteur zuständig. Diese Kombination begegnet uns in vielen Ländern wie beispielsweise Indien, Norwegen oder Frankreich. Die Niederlande oder Australien bilden eine Ausnahme. Linda Reynolds blickt auf eine 30-jährige militärische Vergangenheit zurück und war die erste Frau Australiens, die zum Brigadegeneral befördert wurde. Sie ist seit Mai 2019 im Amt und traf ihre Kollegin erstmals im Februar 2020 auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Damals hatte Frau Kramp-Karrenbauer einen regelrechten Minister-Marathon in den Nebengelassen des Bayerischen Hofs hingelegt. Einen Monat später waren Treffen von Angesicht zu Angesicht wegen Corona nicht mehr möglich.

Auch das heutige Treffen hätte normalerweise persönlich stattfinden sollen. Annegret Kramp-Karrenbauer hält sich jedoch in präventiver Quarantäne zu Hause auf. Deshalb hatten das ASPI (Australian Strategic Policy Intitute) und die KAS (Konrad Adenauer Stiftung) ein virtuelles Treffen organisiert. Es sollte um die neuen Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung gehen. Mehrfach betonte Linda Reynolds, dass die Leitlinien von den Australiern "very much warmly welcomed" seien. Auf Deutsch heißt das, dass die Australier die Leitlinien überaus herzlich begrüßen. Es wirkte nicht wie die Floskel politischer Korrektheit.

Australien ist neben Neuseeland das Land in der Region, das am stärksten unsere Werte, Interessen und Regeln teilt. Aber es ist auch direkt von den rapiden Entwicklungen in Südostasien betroffen. Für die USA und für Europa stellt Australien die Südostflanke unserer westlichen Wertegemeinschaft dar. Mit Sorge betrachtet man die chinesischen Aktivitäten im Südchinesischen Meer. China baut dort Inseln aus und richtet Militärbasen ein - für Raketen, Schiffe, Truppen und Abhöreinrichtungen. Da China offen über seine Ziele redet, nämlich 2049 wieder Kriege gewinnen zu können, fühlen sich Vietnam, die Philippinen, Japan und andere Staaten direkt bedroht. Von Australien ist das zwar viele Kilometer entfernt, ein Abschneiden der Seewege durch das Südchinesische Meer würde jedoch die gesamte Weltwirtschaft treffen. Deshalb zeigen die USA dort Präsenz. Auch in den Indo-Pazifik-Leitlinien ist von "maritimer Präsenz" die Rede. Diese wird sich für Deutschland aber vermutlich auf ein paar Soldaten beschränken, die auf Schiffen der regionalen Partner mitfahren.

Indo-Pazifik-Leitlinien Australien Verteidigungsministerinnen Linda Reynolds und #AKK Annegret Kramp-Karrenbauer
Videokonferenz der Verteidigungsministerinnen von Australien und Deutschland, Linda Reynolds (unten rechts) und Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK (oben), über die Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung

Stellt sich also die Frage, ob die australische Euphorie über die Leitlinien begründet ist? Immerhin wurde auch das Weißbuch zur deutschen Sicherheitspolitik von 2016 im Ausland mit Begeisterung aufgenommen, während es im Inland eher als Makulatur betrachtet wird - vorausgesetzt, es wird überhaupt betrachtet.

Sicherheit und freie Seewege waren für Deutschland bisher immer billig zu haben: Amerika macht schon. Die Franzosen machen das schon. Die Briten machen das schon. Wir schauen erstmal, diskutieren das im Bundestag und helfen dann beim Aufbau. Die Zeit der billigen Sicherheit ist vorbei. Amerika lässt sich nicht mehr ausnutzen und hat seinen Fokus direkt auf China gelenkt - weg von Europa. Deutschland und Europa müssen nun selbst sehen, wie sie mit dem Problem in Südostasien umgehen. Ganz abgesehen von den europäischen Problemen an der Nord-, der Ost-, der Südost- und der Südflanke. Der deutschen Verteidigungsministerin ist bewusst, dass moderne Konflikte auf sämtlichen Ebenen von konventionell, über atomar bis hin zu hybrid ausgetragen werden. Man müsse daher die eigenen Fähigkeiten auf diese Bedrohungslage anpassen. Das geht aber nur, wenn sie ihre Parlamentskollegen davon überzeugen kann.

Bezüglich China steckt Deutschland in einem Dilemma: Einerseits gibt es starke wirtschaftliche Abhängigkeiten. Andererseits stellt China eine "systemische Herausforderung" dar. Die USA hatten China damals in die WTO (Welthandelsorganisation) verholfen, weil man davon ausgegangen war, dass westliche Werte durch eine Integration in die WTO automatisch auf China übergreifen werden. Diese Rechnung ging nicht auf. China hat die Vorteile der WTO optimal ausgereizt und dabei seine Machtposition aufgebaut. China nimmt keine Rücksicht auf anerkannte Spielregeln oder Dritte. Die USA fühlen sich durch die Chinesen ausgenutzt und reagieren wohl deshalb so empfindlich. Inzwischen ist China so stark und technologisch innovativ, dass es die Weltpolitik mitbestimmen kann. Etwas praxisfern wirkte deshalb, als AKK in der Webkonferenz davon sprach, dass Firmen, die in 5G involviert sind, entsprechende Sicherheitsstandards und Regeln einhalten sollen. Um gegen chinesisches Mitlesen resistent zu sein, entwickeln einige Nationen bereits Alternativen zu 5G.

Der Idealfall wäre eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit China. Diese müsse aber regelbasiert sein und einen fairen Wettbewerb ermöglichen. Australien hält an dieser Sicht fest. Deutschland auch. China akzeptiert diese Sicht, macht aber klar, dass es nach eigenen Regeln agiert. Ein Konsens ist also nicht zu erwarten. Deshalb sehen sich Deutschland und Australien in einer Partnerschaft der "geteilten Herausforderungen". Man müsse Lieferketten verkürzen - so sich das bei 16.000 Kilometern machen lässt - und man müsse Resilienz aufbauen. Resilienz und Sustainability waren dann auch die zusammenfassenden Schlagworte des virtuellen Treffens. Sustainability bedeutet Nachhaltigkeit - also eine Partnerschaft, die Werte von Bestand schafft und für das Überleben westlicher Werte sorgt. Resilienz ist die Fähigkeit der natürlichen Abwehr destruktiver Einflüsse und des souveränen Bestehens in kritischen Situationen.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 29. Oktober 2020

Kommandowechsel an der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt

Mit einer Kutsche verließ Brigadegeneral André Denk den Paradeplatz der Logistikschule in Garlstedt. Die Mitarbeiter der Schule denken sich zum Abschied immer etwas Besonderes aus. Diesmal betraf es das Hobby der Familie Denk: Pferde. Da starke Männer oft auch eine starke Frau hinter sich haben, wurde nicht etwa nur ein Pferd herbeigeschafft, sondern eine Kutsche, in der für das Ehepaar Platz war. Schon fast aristokratisch wirkte das anschließende Abfahren der Paradeaufstellung. Mit der Hand am Barett drückte der scheidende Schulkommandeur noch einmal seine Wertschätzung gegenüber den Menschen aus, die ihn in den letzten 22 Monaten begleitet hatten.

#LogSBw Kommandowechsel an der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt von Brigadegeneral André Denk zu Brigadegeneral Boris Nannt
Kommandowechsel an der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt von Brigadegeneral André Denk zu Brigadegeneral Boris Nannt - Ehepaar Denk wird mit einer Kutsche vom Paradeplatz gefahren.

Wertschätzung war das Attribut, das die Reden und den gesamten Übergabeappell bestimmt hat. Bemerkenswert war die Abschiedsrede von General Denk. In der Regel werden die Zuhörer zu Beginn so lange mit Gästeaufzählungen ermüdet, dass sie den eigentlichen Inhalt nur noch peripher wahrnehmen. André Denk wählte ein anderes Stilmittel. Er bettete die zu erwähnenden Personen Segment für Segment in seine Rede ein, wechselte auf Englisch und dann wieder auf Deutsch. Für jede der erwähnten Personen hatte er ein persönliches Wort der Anerkennung und Erinnerung.

Obwohl er nur 22 Monate, nämlich vom 10. Januar 2019 bis 29. Oktober 2020, an der Logistikschule gewirkt hatte, war in dieser Zeit viel passiert: Besuch des Bundespräsidenten, mehrere Besuche des Generalinspekteurs, 2.000 US-Soldaten während US Defender Europe und vieles mehr. Allein unser Redaktionsteam war seit Januar 2019 sechs Mal in Garlstedt. Bei seinen Mitarbeitern war André Denk sehr beliebt. Er konnte sich auf ein motiviertes Team verlassen. Vor seinem Büro hing ein großes Foto mit seinen engsten Stabsmitarbeitern. Modernes Führen durch Freisetzen, Fördern, Wertschätzung und Nahbarkeit.

Wenn André Denk nun als Director Logistics an den EU-Militärstab in Brüssel geht, nimmt er diese entspannte und professionelle Art mit. Auch Ursula von der Leyen wollte ihn schon in ihr Team einbinden. Das harmonierte aber nicht mit den beruflichen Vorstellungen des Brigadegenerals. Durch die geänderten Prioritäten der USA wird die EU-eigene Verteidigung immer wichtiger. Deshalb ist es gut, wenn fähige Kräfte entscheidende Positionen besetzen. Er soll Konzepte erstellen, logistische Einsätze planen, den Militärstab um General Claudio Graziano unterstützen und für das Personalwesen verantwortlich zeichnen. Sein bisheriger Chef, Generalmajor Thomas, ist überzeugt davon, dass die Stelle in Brüssel passend besetzt wird.

#LogSBw Kommandowechsel an der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt von Brigadegeneral André Denk zu Brigadegeneral Boris Nannt
Kommandowechsel an der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt von Brigadegeneral André Denk (links) zu Brigadegeneral Boris Nannt (rechts) - mittig mit Fahne: Generalmajor Thomas, Kommandeur des Logistikkommandos

Sein Nachfolger an der Logistikschule wurde Brigadegeneral Boris Nannt. Boris Nannt hat jede Menge Schulerfahrung. Seit 2017 war er Direktor an der Führungsakademie in Hamburg. Davor hatte er dort seinen Generalstabslehrgang absolviert und drei Jahre lang im Fachbereich Führungslehre gearbeitet. Laut seinem neuen Chef, Generalmajor Thomas, liegt ihm das "moderne Führen". Er hat auch einschlägige Presseerfahrung: Als Teil des Presse- und Infostabes am BMVg musste er sich mehrere Jahre den kritischen Fragen der Hauptstadtpresse stellen. Ein undankbarer Job, bei dem ein unbedachtes Wort oder eine mehrdeutige Geste ungewollte Wellen gegen die Bundeswehr schlagen kann.

Nun stand er hier auf dem Paradeplatz und übernahm mit fester Befehlsstimme das Kommando über die Logistikschule. General Thomas überreichte ihm die Truppenfahne, die inzwischen reich mit Fahnenbändern dekoriert ist. Es könnten während seiner Zeit noch weitere Fahnenbänder hinzukommen. Beispielsweise während der Austragung des NATO-Manövers "Steadfast Jupiter Jackal". Es wird also nicht langweilig in Garlstedt - trotz Corona.

Ach ja, Corona: Bis zum letzten Tag war nicht mit Sicherheit zu sagen, wie denn der Übergabeappell stattfinden werde. Letztlich musste auf Elemente wie den Einmarsch der Paradeaufstellung und der Ehrenformation verzichtet werden. Alle trugen eine Maske. Bei der Nationalhymne durfte nicht mitgesungen werden. Die Gästezahl war stark reduziert und es gab auch keinen Empfang. So konnte General Denk gleich von der Kutsche aus ins Auto umsteigen und nach Hause fahren. Ab Montag geht es für ihn bereits in Brüssel los.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 27. Oktober 2020

Auf dem Weg zur islamischen Militärseelsorge

Als im Dezember 2019 der Staatsvertrag zur jüdischen Militärseelsorge unterschrieben wurde, kam auch die Frage nach einer islamischen Militärseelsorge auf. Militär-Imame gibt es zwar in einigen westlichen Armeen, allerdings ohne den Wirkungsbereich der Seelsorge. Wenn ein Imam in eine "außergewöhnliche Situation" von Leid oder Verlust gerufen wird, hat er bisher nur einen Trost dabei: "Allah wollte das so." Das harmoniert nicht mit dem, was man sich bei der Bundeswehr unter Seelsorge vorstellt.

Islamkolleg Deutschland IKD gegründet islamische Militärseelsorge
Islamkolleg Deutschland e.V. (IKD) gegründet - Foto: Archiv 10/2014

Im November 2019 wurde der Islamkolleg Deutschland e.V. (IKD) gegründet. Das Innenministerium (BMI) stellt Fördergelder für die nächsten fünf Jahre bereit, redet aber inhaltlich nicht herein, so Prof. Dr. Bülent Ucar, der wissenschaftliche Direktor des Kollegs. Offensichtlich ist das BMI vom Konzept der neuen Bildungsstätte überzeugt: Es werde nur auf Deutsch gelehrt und die Ausbildungsinhalte seien konform zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO) gestaltet. Der Stundenplan bediene sieben Themenkomplexe inklusive Religionspädagogik und Seelsorge. Wer nach zwei Jahren das IKD verlasse, könne als Imam, Religionspädagoge oder Seelsorger arbeiten. Der Vorsitzende, Dr. Esnaf Begic, betonte in der heutigen Pressekonferenz die weibliche Berufsbezeichnung. Man bilde auch Frauen aus, gehe aber von möglichen Schwierigkeiten bei der anschließenden Jobfindung aus. Hinzu komme der Umstand, dass die Bezahlung von Imamen "miserabel" sei.

Frauen, FDGO, deutsche Sprache und Seelsorge treffen in islamischen Kreisen auf deutliche Skepsis. Kein Wunder also, dass die von der Türkei aus gesteuerten Dachverbände das Projekt nicht unterstützen. Das IKD wirkt wie eine emanzipierte Gruppe Gläubiger, die um der Alltagsrelevanz willen die große Muttergemeinschaft verlassen - ähnlich der Reformation um 1500 in Deutschland. Dr. Esnaf Begic ist selbst Imam und stammt aus Bosnien. In Deutschland hatte er ein Schlüsselerlebnis: Sein Sohn kam aus einer Freitagspredigt und meinte zu ihm, dass er gar nichts verstanden habe. Deshalb fing man in einigen Moscheen an, auf Deutsch zu predigen.

Der Innovationen nicht genug, stellte Dr. Esnaf Begic selbstkritisch fest, dass ein "Allah wollte es so" nur bedingt hilfreich für Betroffene ist. So schaute er sich die christliche Seelsorge an und nahm sie als Vorbild für die Konzeption einer islamischen Seelsorge. Das Christentum sei hier "meilenweit voraus". Letztlich gehe es auch nicht um einen Sonderweg zur Linderung von Schmerz, sondern um eine vergleichbare Wirkung in einem anderen "theologischen Kontext". Mit ausgebildeten Religionspädagogen und Seelsorgern sowie dem Bekenntnis zur FDGO sind wichtige Schritte in Richtung islamischer Militärseelsorge getan. Jetzt fehlt es noch an einem zentralen und allseits akzeptierten Dachverband, mit dem der Militärseelsorge-Staatsvertrag abgeschlossen werden könnte.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 22. Oktober 2020

Erste offizielle Landung und eine Nachtschicht am Regierungsterminal des BER

Stellen Sie sich vor, Sie stehen während Corona nach Toilettenpapier an und es drängelt sich einfach jemand vor. So in etwa könnte man die Situation bei der Einweihung des Regierungsterminals am BER beschreiben. Nach dem Abflug des irakischen Ministerpräsidenten Mustafa al-Kadhimi hatte der militärische Teil des Flughafens Tegel am Dienstag Abend seinen Betrieb eingestellt. Am Mittwoch bestätigte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes, dass der BER ab sofort für Regierungsflüge und Staatsbesuche genutzt werde. Der scharfe Betrieb hat tatsächlich begonnen. Aber nicht wie geplant:

BER Regierungsterminal StS Thomas Silberhorn BMVg Flugbereitschaft
BER Regierungsterminal - Staatssekretär Thomas Silberhorn landet am 22. Oktober 2020 um 2:45 Uhr mit einer Bombardier Global 6000 der Flugbereitschaft BMVg am BER und wird anschließend für ein Statement verkabelt.

In der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag sollte Staatssekretär Thomas Silberhorn offiziell einfliegen und unter dem Blitzlichtgewitter der Hauptstadtpresse ein Statement zur Eröffnung des Regierungsterminals abgeben. So der Plan der für die Flugbereitschaft des BMVg zuständigen Luftwaffe.

Deshalb staunte man nicht schlecht, als am Mittwoch gegen 9 Uhr plötzlich eine kleine Maschine mit Bundesministerin Julia Klöckner in Schönefeld eintraf. Sie hatte das Ende ihres Meetings am Dienstag überzogen und durfte wegen des Nachtflugverbotes in Tegel nicht mehr landen. So verschob sie den Flug auf Mittwoch und war damit die erste - aber ungeplante - Regierungsangehörige, die am BER landete. In Ermangelung der Presse machte einer ihrer mitreisenden Mitarbeiter das historische Foto: gelber Mantel, schwarze Maske. Drei Stunden später saß sie in der Bundespressekonferenz und berichtete über die Ergebnisse des EU-Agrarrates in Luxemburg. Dessen Timing hatte ihr die ungeplante Ehre der ersten Landung eingebracht.

BER Regierungsterminal StS Thomas Silberhorn BMVg Flugbereitschaft
BER Regierungsterminal - Der Bundesadler wurde wenige Stunden zuvor enthüllt.

Das Auswärtige Amt informierte in der darauf folgenden Pressekonferenz lediglich über den Umstand, dass Frau Klöckner die Erste gewesen sei. Dann übernahm der Sprecher des BMVg und suchte die Hauptstadtpresse für den nächtlichen Anflug seines Staatssekretärs Silberhorn zu begeistern. Um ein Uhr lande dieser am BER und man habe ein Presseprogramm vorgesehen. Wie müde regionale Journalisten auf den BER reagieren, hatte sich kürzlich bei der Begegnung mit BER-Chef Lütke Daldrup gezeigt. So gipfelte auch der Termin mit Thomas Silberhorn in einer Exklusivberichterstattung.

BER Regierungsterminal StS Thomas Silberhorn BMVg Flugbereitschaft
BER Regierungsterminal - Blick nach Westen: rechts das Regierungsterminal und links die Bombardier Global 6000 der Flugbereitschaft BMVg kurz vor dem Weiterflug nach Köln/Bonn

Die Ankunft wurde zunächst von ein Uhr auf 3:50 Uhr verlegt und dann noch einmal auf 2:35 Uhr korrigiert. Letztendlich setzten die Räder seiner Bombardier Global 6000 um 2:45 Uhr in Schönefeld auf. Der Staatssekretär hatte in drei Tagen drei Länder der Sahel-Zone bereist: Mali, Burkina Faso und Mauretanien. Neben militärischen Ansprechpartnern hatte er auch die Präsidenten dieser Länder getroffen. Bei den deutschen Soldaten hatte er sich auf die Kontingentführer konzentriert. Er wollte die mühsam eingehaltenen Corona-Regeln der Isolation nicht einfach so durch einen spontanen Truppenbesuch aushebeln. Der Rückflug in der neuen Global 6000 sei "exzellent" und "ausgesprochen angenehm" gewesen. Er wirkte entspannt und gab zu nächtlicher Stunde gerne noch ein kurzes Statement zum Regierungsterminal. Dann rauschte er mit einem BMW 7er in Tansanitblau II metallic davon.

BER Regierungsterminal StS Thomas Silberhorn BMVg Flugbereitschaft
BER Regierungsterminal - Auch wer mit der Flugbereitschaft BMVg unterwegs ist, muss durch die Sicherheitskontrolle - hier mit neuester Personenscanner-Technik.

Am Regierungsterminal sind noch kleinere kosmetische Arbeiten zu erledigen. Konferenzräume müssen fertig eingerichtet, Schranktüren angeschraubt oder Kleiderständer und Tischlampen in die Aufenthaltsräume verteilt werden. Ansonsten ist das Terminal komplett einsatzfähig. Besonders elegant der jüngst enthüllte Bundesadler neben dem Eingang zum metallisch wirkenden Haus. Das Terminal hat einen schlichten, funktionalen Charme und ist definitiv geräumiger als der Flachbau auf dem militärischen Teil des Flughafens Tegel. Es sollen noch weitere Gebäude hinzukommen. Sobald diese stehen, werden wohl auch die in Köln/Bonn geparkten Regierungsflugzeuge und die Hubschrauber aus Tegel zum BER umziehen.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 12. Oktober 2020

Viel Wind um das Sturmgewehr G36

2010 fand in Afghanistan das legendäre Karfreitagsgefecht statt. Damals waren deutsche Fallschirmjäger in einen Hinterhalt der Taliban geraten und mit einer Verkettung ungünstiger Umstände konfrontiert worden. Das Gefecht dauerte mehr als acht Stunden und kostete drei Soldaten das Leben. Im Laufe des Gefechtes wurden um die 25.000 Schuss abgegeben. Das entspricht 52 Schuss pro Minute. Neben wenigen Maschinengewehren (MG3) kamen hauptsächlich die Sturmgewehre G36 aus dem Hause Heckler & Koch zum Einsatz.

Das G36 kann mit Einzelfeuer, Feuerstoß oder Dauerfeuer geschossen werden. Das übliche Magazin fasst 30 Patronen. Hollywood erweckt den Eindruck, ein Sturmgewehr werde immer im Dauerfeuer genutzt. Das ist nicht richtig. Wird ein G36 mit Dauerfeuer betrieben, müsste schon nach drei Sekunden das Magazin gewechselt werden. Das ist sehr lästig und hat auch mit "Feuerzucht" nichts zu tun. Feuerzucht ist der Begriff für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen - also den Patronen - insbesondere, wenn man in einem Hinterhalt nicht damit rechnen kann, Nachschub an Munition zu bekommen.

Deshalb wird Dauerfeuer nur kurzzeitig genutzt, beispielsweise um den Gegner während des eigenen Positionswechsels in dessen Deckung zu zwingen. Bevorzugt wird für diesen Zweck ein Maschinengewehr eingesetzt, so eines vorhanden ist. Maschinengewehre wie MG3, MG4 oder MG5 können gar nicht per Einzelfeuer geschossen werden. Die Alternative beim MG ist der Feuerstoß mit einer Folge von etwa drei Schüssen. Dadurch lassen sich konkrete Ziele bekämpfen, während das Dauerfeuer eher eine Streuung erzeugt, die ohne langes und präzises Zielen in Richtung Gegner abgesetzt wird. Feuerstöße und Dauerfeuer werden auch im Ortskampf eingesetzt, wenn beispielsweise ein Gebäude gestürmt wird oder wenn Personen aus dem Gebäude die nahende Übermacht der Angreifer aufhalten möchten.

G36 MG3 Dauerfeuer
Das MG3 (oben) ist für Dauerfeuer konzipiert und dient dem Niederhalten des Gegners. Das G36 (unten liegend) ist eher zur Bekämpfung präziser Ziele per Feuerstoß oder Einzelschuss vorgesehen. Foto: Archiv 03/2019

Der geübte G36-Nutzer kann aber auch im E-Modus (Einzelschuss) schnelle Schussfolgen abgeben, ohne insgesamt zu viel Munition zu verbrauchen. Wie Auswertungen der Helmkameras zeigen, wurde wohl am Karfreitag 2010 mit den G36 hauptsächlich Dauerfeuer geschossen. Dadurch kam es zu einer Überhitzung der Rohre. Das wirkte sich auf die Treffsicherheit aus. MGs haben trotz ihrer Konzeption für Dauerfeuer ebenfalls mit überhitzten Rohren zu tun. Dafür ist jedem MG ein Ersatzrohr beigelegt. Das wird beispielsweise nach 150 Schuss gewechselt. Nach den nächsten 150 Schuss ist das erste Rohr abgekühlt und kann wieder gewechselt werden. Beim G36 geht das nicht. Es ist nämlich gar nicht für solch eine Dauerbelastung konzipiert.

Letzteres war auch das Ergebnis des anschließenden Streites zwischen BMVg und Hersteller Heckler & Koch. Heckler & Koch konnte nachweisen, dass das G36 genau den Anforderungen der damaligen Bestellung entsprach. Mitte 1995 gab es den Zuschlag für die Lieferung und Ende 1997 waren die ersten Exemplare übergeben worden. Niemand ahnte zu der Zeit, dass sich nur vier Jahre später die Anforderungen dramatisch ändern würden. Man war - wenn überhaupt - von einem konventionellen Konflikt in heimischen Gefilden ausgegangen. Ein Einsatz bei über 40°C oder im Sandsturm bewegte sich fernab jeglicher Vorstellungskraft.

Viele Teile des G36 bestehen aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Dadurch wiegt es sogar mit Magazin weniger als vier Kilogramm. Die Hitze des Mittleren Ostens und Kunststoff vertragen sich nicht so gut. Kommt dann noch eine Dauerbelastung durch Deckungsfeuer hinzu, kann das Gewehr möglicherweise seinen Dienst quittieren. Das liegt aber nicht daran, dass das Gewehr fehlerhaft ist, sondern daran, dass dessen Konzeption der damaligen geopolitischen Lage angepasst war.

HK G36 versus Haenel MK556
Das G36 ist auch für ungeübte Schützen so leicht zu bedienen, dass diese auf 100 bis 250 Meter Trefferquoten von über 90% erzielen. Foto: Logistikschule der Bundeswehr / Reiter

In der Truppe wird das G36 bis heute geschätzt. Es ist leicht, treffsicher und einfach zu handhaben. Im Tragegriff ist ein Zielfernrohr mit Fadenkreuz integriert und darüber eine weitere Optik mit rotem Punkt. Diese erlaubt es, während des Zielens beide Augen offen zu halten. Der rote Punkt ist dann an der Stelle im Gelände sichtbar, wohin das Gewehr gerade zielt. Als "Kampfwertsteigerung" wünschen sich Soldaten ein Holosight Visier. Dieses würde den roten Punkt nicht nur im Auge des Schützen darstellen, sondern auch direkt auf dem Ziel. Bei aller Zufriedenheit sollte bemerkt werden, dass das G36 nun doch schon 25 Jahre alt ist. Zeit für einen Generationswechsel.

Der Medienrummel um das G36 konzentrierte sich auf die Schwächen beim Karfreitagsgefecht. Die taktischen Ursachen für diese Schwächen wurden kaum erwähnt. Hatte man doch endlich wieder eine Panne bei der Bundeswehr entdeckt, die man bei Bedarf aus der Schublade holen konnte. Neben Befragungen zum Einsatz von Beratern, Engpässen bei der Ausrüstung und der Dauerbaustelle Gorch Fock wollte man beim BMVg deshalb auch das leidige Thema G36 vom Tisch bekommen.

So wurden neue Anforderungen für das Sturmgewehr definiert und ein Vergabeverfahren eingeleitet. Am 15. September 2020 wurde der Sieger der Ausschreibung verkündet: die Firma C.G. Haenel GmbH aus Suhl. Es ist wohl eine Ironie des Schicksals, dass die Firma Haenel zur Merkel-Gruppe gehört und einen Geschäftsführer hat, der Olaf Sauer heißt. Der Nachfolger des G36 sollte das MK556 werden. Das MK556 hat bei weniger Kunststoff ein ähnliches Gewicht wie das G36.

Aber aus dem Deal wurde nichts: Am 30. September ging ein Nachprüfungsantrag von Heckler & Koch beim Bundeskartellamt ein. Demnach konnte "erstmalig nachprüfbar von einer möglichen Patentrechtsverletzung" gesprochen werden. Konkret geht es dabei um ein Patent für die Verschlusstechnik des G36. Diese ermöglicht eine Nutzung des Gewehrs auch nach dem Untertauchen im Wasser. Am 9. Oktober informierte das BMVg darüber, dass der Zuschlag an Haenel aufgehoben wurde. Nun müssen die vorliegenden Angebote neu gesichtet werden. Das Auftragsvolumen beläuft sich auf 120.000 Stück zu insgesamt 250 Millionen Euro. Ab einer Investitionssumme von 25 Millionen Euro muss der Bundestag gefragt werden. Liegt also irgendwann eine neue Entscheidung zum G36-Nachfolger vor, muss diese noch vom Parlament bestätigt werden.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 8. Oktober 2020

#MSC2021 Zeitenwende und Münchner Konsens

Was bitte ist nun schon wieder der "Münchner Konsens"? Der "Münchner Konsens" geht auf das Frühjahr 2014 zurück. Auf der damaligen Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) hatten der damalige Bundespräsident Joachim Gauck, der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier und die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen drei bemerkenswerte Reden gehalten. Diese Reden hatten einen gemeinsamen Nenner, der später als "Münchner Konsens" bezeichnet wurde:

Deutschland solle "früher, entschiedener und substanzieller" handeln.

Und das aus dem Munde des ehemaligen Pfarrers Joachim Gauck, des friedliebenden Frank-Walter Steinmeier und einer Verteidigungsministerin, die bis heute als "Ungediente" verspottet wird. Die drei haben sich in den letzten sechs Jahren weiterentwickelt: Joachim Gauck genießt jetzt den Ruhestand, Frank-Walter Steinmeier das Amt des Bundespräsidenten und Ursula von der Leyen ihren Spitzenposten bei der EU. Nur Deutschland zeigt sich als "eine Gestaltungsmacht im Wartestand".

#MSC2021 MSR Munich Security Report, Zeitenwende | Wendezeiten, Münchner Konsens
Munich Security Report MSR "Zeitenwende | Wendezeiten" und der "Münchner Konsens"

Dieser "Wartestand" gefällt unseren potenziellen Partnern gar nicht. Einige bezeichnen Deutschland bereits als "Drückeberger oder Trittbrettfahrer". Deutschland wolle von der internationalen Ordnung profitieren, sich jedoch "nicht selbst die Hände schmutzig" machen. Die Diplomaten des Auswärtigen Amtes sind in der Welt sehr geschätzt, aber deren Expertise im friedlichen Dialog sei zu wenig mit militärischer Stärke untermauert. Hier geht es mehr um Abschreckung, also ein "Show of Force" - ein Zeigen, dass man könnte, wenn man müsste. Als Schritt in die richtige Richtung wird deshalb die deutsche Führungsverantwortung in den diversen NATO-Projekten an der Ostflanke gewertet. In den letzten Jahren ist die Bundeswehr verschiedene europäische Kooperationen eingegangen und hat Verbände mit Soldaten aus Polen, den Niederlanden oder Frankreich gegründet. Kritiker sind dennoch der Meinung, dass Deutschland weit "hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt".

"Münchner Konsens" oder "Anhängsel Eurasiens"

Die Initiativen wurden weitestgehend vom Verteidigungsministerium vorangetrieben. Im Bundestag fehlt es an einer konstruktiven Auseinandersetzung mit der möglichen Abkehr der USA von Europa und der NATO. Es ist nämlich nicht nur die militärische Stärke, sondern auch die nachrichtendienstliche Kompetenz der USA, auf die man sich bisher verlassen hatte. Um einen Wegfall amerikanischer Fähigkeiten zu kompensieren, bräuchte Europa etwa 20 Jahre und sehr viel mehr Geld. Momentan sei Europa ohne die Amerikaner "blind, taub und stumm". Deshalb bleiben die "transatlantischen Beziehungen der Plan A" für Deutschland. Einen "realistischen Plan B" gibt es derzeit nicht. Dieser muss noch gemeinsam mit den europäischen Nachbarn entwickelt werden.

Wird der "Münchner Konsens" also weiterhin nur von wenigen Akteuren umgesetzt, könnte Deutschland sehr bald von der "Zeitenwende" überholt werden. Deutschland muss sich spätestens jetzt überlegen, ob es diese Zeitenwende als "enabling power" (Möglich-Macher-Macht) mitgestalten oder sich zukünftig als "Anhängsel Eurasiens" der Dominanz des Ostens unterordnen möchte. Die Durchsetzung dieser Dominanz erfolgt - entgegen dem "deutschen Mantra" allseits friedlicher Lösungen zum Trotz - bei Bedarf auch militärisch. Der amerikanische Verteidigungsexperte Eldridge Colby wird den Eindruck nicht los, dass viele Deutsche ein "instinktives Unbehagen" empfinden, sobald auch nur der "Beigeschmack von Realpolitik" auftrete.

Dabei haben Umfragen ergeben, dass sich weit mehr Bürger für Sicherheitspolitik interessieren, als landläufig angenommen. Es gebe sogar breite Zustimmung für Bundeswehreinsätze, die der Solidarität gegenüber Bündnispartnern dienen - Kameradschaft. Während CDU und CSU traditionell für militärische Lösungen aufgeschlossen sind, wechseln vermehrt auch Grüne auf diese Seite. Wähler des roten Parteienspektrums und der AfD lehnen einen konsequenten Umgang mit Staaten wie Russland ab.

Wirtschaftskraft und Führungskompetenz

Deutschland hat die wirtschaftliche Kraft und den Einfluss in der Welt. Es muss aber endlich das Selbstbewusstsein zum Ausleben des "Münchner Konsenses" aufbringen. Ausländische Diplomaten attestieren Deutschland einen sehr professionellen und honorigen Umgang mit der eigenen Geschichte. Kaum eine andere Nation kenne solch eine selbstkritische Auseinandersetzung. Das verleihe Deutschland eine ehrliche und reife Führungskompetenz. Wenn Staaten an der Peripherie der EU in nichtdemokratische Ambitionen abgleiten, kann das auch an der zögerlichen Wahrnehmung der Leitungsrolle Deutschlands liegen. Die Sehnsucht nach Führung treibt diese Staaten dann lieber in Richtung Russland oder China, wo es zumindest bezüglich der Leitung klare Verhältnisse gibt. Dass jemand, der seine Freiheit zugunsten von Sicherheit aufgibt, letztlich beides verliert, spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

Beim Zerbröckeln der EU wäre Deutschland der "größte Nettoverlierer". Wie kein anderer Mitgliedsstaat profitieren wir von Binnenmarkt, Zollunion, Schengen-Abkommen und dem Euro. Laut IfW (Institut für Weltwirtschaft) würde bei einem Zerfall der EU das deutsche BIP um 173 Milliarden Euro abstürzen. Irgendwann folgen Frankreich mit 87 und die Niederlande mit 85 Milliarden Euro. Visegrád-Staaten wie Polen, Ungarn oder Tschechien würden herbe Verluste bei Subventionen und eben auch dem Binnenmarkt einfahren. Deutschland ist also auf seine europäischen Partner angewiesen. Würde es selbstbewusster mit Russland umgehen, könnte es auch die Videgrád-Staaten gewinnen. Die ehemalige spanische Außenministerin Ana Palacio unterstreicht die Führungsqualitäten Deutschlands. Halte sich Deutschland aber irgendwo zurück, erzeuge das "eine ausgeprägte Richtungslosigkeit".

Die 3% und der Bundessicherheitsrat

Die Münchner Sicherheitskonferenz fordert neben der beherzten Umsetzung des "Münchner Konsenses" und dem Mut zur Führung zwei weitere kurzfristig umsetzbare Dinge: Da wäre erstens die Einführung des Bundessicherheitsrates (BSR). Der BSR solle ähnlich des aktuellen Corona-Kabinetts aufgestellt sein. Das Corona-Kabinett zeichnet sich durch seine personelle Schlankheit sowie die "flachen Hierarchien und schnellen Eskalationsstufen" aus. Der BSR sollte ressortübergreifend strukturiert sein, so dass die Wege zwischen Verteidigungsministerium (BMVg), Innenministerium (BMI), Auswärtigem Amt und Entwicklungsministerium (BMZ) sehr kurz gehalten werden. In Großbritannien wird das bereits erfolgreich praktiziert. Dort gibt es den Nationalen Sicherheitsrat (National Security Council - NSC), der sich wöchentlich unter rotierendem Vorsitz trifft. Der BSR soll dann auch als "strategischer Impulsgeber" für Bundestag und Bundesregierung fungieren.

Der zweite Punkt ist eine Zusammenfassung der Haushalte für Verteidigung, Diplomatie und Entwicklungshilfe. Dieser 3er-Haushalt soll 3% des BIP entsprechen. Um eine gut koordinierte geostrategische Arbeit leisten zu können, sollten zunächst 2% in die Verteidigung fließen, 0,3% ans Auswärtige Amt und 0,7% ans BMZ. Das wären jährlich über 100 Milliarden Euro für diesen Außen- und Sicherheitskomplex. Die 3% wären auch eine geeignete Argumentationshilfe gegenüber den USA und unseren regionalen Partnern.

Auf Nachfrage in der gestrigen Regierungspressekonferenz wurde bestätigt, dass der Munich Security Report "Zeitenwende | Wendezeiten" bereits auf dem Schreibtisch der Bundesregierung liege, aber noch nicht im Detail ausgewertet wurde. Auch das Auswärtige Amt hatte sich bis gestern noch keine offizielle Meinung dazu gebildet.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 30. September 2020

Serenade zur Verabschiedung des ehemaligen Wehrbeauftragten Dr. Hans-Peter Bartels

Die Verabschiedung des Wehrbeauftragten Dr. Hans-Peter Bartels fand gestern Abend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dabei waren der Präsident des Bundestages, die Ministerin, sämtliche Staatssekretäre und die komplette militärische Führung zur Serenade im Bendlerblock erschienen. Während sich die Gäste auf dem Paradeplatz drängten, waren die Hauptstadtmedien mit Hinweis auf Corona und eine Feier im kleinen Kreise ausgeladen worden.

Serenade zur Verabschiedung des Wehrbeauftragten Bartels
Ellenbogen-Begrüßung zur Verabschiedung des Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels (links) - Foto: Bundeswehr / BMVg

So konnte die Presse nachempfinden, wie sich Hans-Peter Bartels gefühlt haben musste, als er von der eigenen Partei (SPD) gegen eine unerfahrene Frau ausgetauscht wurde. Der Volksmund redet von "abgesägt". Der ebenfalls durch eigene Leute der EKD "abgesägte" Militärbischof hatte Hans-Peter Bartels noch zu seinem Abschiedsgottesdienst in die Julius-Leber-Kaserne eingeladen. Dort bekam er von der Ministerin und den Anwesenden den Applaus, den ihm die eigene Partei verwehrt hatte. Hans-Peter Bartels war beliebt und geschätzt bei der Truppe und der Generalität. Er hatte Missstände in der Bundeswehr ungeschminkt und sachlich in seinen Berichten dargelegt.

Der Generalinspekteur schätzte diese Ehrlichkeit sehr, auch wenn sie gelegentlich geschmerzt hatte. Ehrlichkeit zeichnet ein realistisches Lagebild, welches mit geeigneten Maßnahmen "bereinigt" werden kann. So ermutigt der Generalinspekteur auch immer wieder Rekruten, Teilnehmer der Generalsstabslehrgänge und andere zu Authentizität und Ehrlichkeit. Es ist jedoch zu beobachten, dass je höher die Dienstgrade, umso vorsichtiger der Umgang mit der eigenen Meinung - auch wenn diese durch fachliche Expertise unterfüttert ist. 2018 war beispielsweise der Inspekteur der Luftwaffe, Karl Müllner, vorzeitig in den Ruhestand entlassen worden, weil er sich für den amerikanische F-35 statt für den Eurofighter eingesetzt hatte.

Serenade zur Verabschiedung des Wehrbeauftragten Bartels
Serenade zur Verabschiedung des ehemaligen Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels auf dem Paradeplatz des Bendlerblocks - Foto: Bundeswehr / BMVg

Hans-Peter Bartels ist 59 Jahre alt. Der gebürtige Düsseldorfer absolvierte sein Studium in Kiel und wurde ein Wahl-Schleswig-Holsteiner. Das gipfelte letztlich in einer Heirat der Kieler Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke. Kein Wunder also, dass als erstes Wunschstück der Serenade "Gruß an Kiel" von Friedrich Spohr auf dem Programm stand. Passend zum Ort seines Wirkens als Wehrbeauftragter wurde anschließend "Berliner Luft" von Paul Lincke gespielt. Er bleib geografisch, so dass als drittes Stück die Europahymne erklang.

Das Stabsmusikkorps war als Protokollaufstellung mit Spielmannszug erschienen. Dieser konnte die "Berliner Luft" mit einer "Locke" einleiten. Die Musiker hatten diesmal auch keine Notenpulte im Einsatz, sondern höchstens Marschgabeln, falls jemand die Stücke nicht auswendig spielen konnte. Flankiert wurde das Musikkorps durch 30 Fackelträger des Wachbataillons. Eine würdige Veranstaltung zum Abschied von einem kompetenten und ehrlichen Freund der Bundeswehr.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 25. September 2020

AKK auf Truppenbesuch bei den Heeresfliegern in Faßberg

Truppenbesuche mit Annegret Kramp-Karrenbauer haben den Charme, dass auch Action dabei ist. Bei ihrer Vorgängerin konnte man kilometerweit durch das Land reisen, um letztlich nur eine statische Vorführung vor die Linse zu bekommen. Statische Vorführung heißt, dass eine Kanone, ein Panzer, ein Container, ein Zelt, ein Bildschirm irgendwo hingestellt werden und die Protagonisten des Termins das erklärt bekommen. Alles ohne Knall und Peng. Auch in diesem Bereich setzt AKK neue Akzente. Im Programm für den Truppenbesuch in Faßberg stand "Vorstellung Waffensystem NH90" - wie langweilig, wenn es denn als Static Display (statische Vorführung) stattgefunden hätte. Vor Ort erfuhren wir, dass tatsächlich ein Szenario mit fliegenden Hubschraubern vorbereitet worden war.

AKK Truppenbesuch Heeresflieger Transporthubschrauberregiment 10 Fliegerhorst Faßberg
AKK zum Truppenbesuch bei den Heeresfliegern: Transporthubschrauberregiment 10 auf dem Fliegerhorst Faßberg - Sicherungshubschrauber mit Besatzung

Stichwort "fliegende Hubschrauber": Bereits im letzten Jahr war eine groß angelegte Hubschrauber-Übung (Green Griffin) im Großraum Uelzen durchgeführt worden - ganz in der Nähe des heutigen Schauplatzes. Über die zwei Wochen Green Griffin gab es so gut wie keine Ausfälle. Auch die Interaktion zwischen deutschen und niederländischen Soldaten hatte hervorragend funktioniert. "Luftbewegliche Truppen" wie Fallschirmjäger gehören nicht etwa zur Luftwaffe, sondern zum Heer. Ihre Besonderheit besteht in der Art, wie sie einen Weg von A nach B zurücklegen. Deshalb unterhält auch das Heer eigene Flugzeuge und Hubschrauber. Heeresflieger sind gelegentlich dem Neid und Spott ihrer bodenbehafteten Kameraden ausgesetzt. Das stört auf dem Fliegerhorst Faßberg aber niemanden. Dort leben sie in konstruktiver Gemeinschaft mit einem Ausbildungszentrum der Luftwaffe zusammen.

In Faßberg ist ein komplettes Regiment der Heeresflieger stationiert: das Transporthubschrauberregiment 10 - kurz TrspHubschrRgt 10. Ein Regiment gleicht von der Mannschaftsstärke und der Aufteilung in Kompanien durchaus einem Bataillon. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass ein Regiment alle Fähigkeiten besitzt, um selbständig und ohne externe Kräfte agieren zu können. Ein Bataillon ist immer noch auf externe Ergänzungen angewiesen.

AKK Truppenbesuch Heeresflieger Transporthubschrauberregiment 10 Fliegerhorst Faßberg
AKK zum Truppenbesuch bei den Heeresfliegern: Transporthubschrauberregiment 10 auf dem Fliegerhorst Faßberg - Die Ministerin blickt durch einen NH90 - im Vordergrund eines der beiden Maschinengewehre 12,7 mm

Die Ministerin kam heute nicht mit dem üblichen Hubschrauber Cougar, sondern mit einer kleinen Düsenmaschine aus der Global-Baureihe von Bombardier eingeflogen. Auf dem Rollfeld wurde sie von den zuständigen Offizieren und einigen Politikern begrüßt. Der Kontakt zu regionalen Entscheidungsträgern ist wichtig für das Klima zwischen Bundeswehr und Anwohnern.

Nach einem kurzen Gespräch mit dem stellvertretenden Kommandeur des Regimentes ging es auch schon los: Zwei Hubschrauber NH90 donnerten über das Rollfeld. Der erste Hubschrauber sicherte das Areal aus der dritten Dimension (Luft) mit Präsenz und zwei schweren Bordmaschinengewehren 12,7 mm. Der zweite NH90 war für die Aufnahme eines Verletzten zuständig. Er landete und wurde am Boden von Besatzungsmitgliedern mit G36 gesichert. Nach 40 Sekunden schloss sich die Klappe hinter dem Verletzten und der NH90 konnte wieder abheben. Flankiert durch den Sicherungshubschrauber flog er zu einer geeigneten Stelle, an der er den Patienten an den Sanitätsdienst übergeben konnte. Dieses Szenario wird oft geübt, weil es dem Alltag in Mali und Afghanistan entspricht.

AKK Truppenbesuch Heeresflieger Transporthubschrauberregiment 10 Fliegerhorst Faßberg
AKK zum Truppenbesuch bei den Heeresfliegern: Transporthubschrauberregiment 10 auf dem Fliegerhorst Faßberg - Statement zum Truppenbesuch vor einem NH90

So interessierte sich die Ministerin in den anschließenden Gesprächen sehr für die persönliche Betroffenheit der Soldaten im Auslandseinsatz. Auch fragte sie nach der Zufriedenheit mit Material und Flugstunden. Sie bekam darauf ehrliche Antworten und das Hausaufgabenheft füllte sich. In ihrem Statement dankte sie den Soldaten und freute sich über gewisse Teilerfolge, die bei der Ausrüstung schon erzielt wurden. Auch für 2021 konnte der Verteidigungshaushalt nominell gesteigert werden. Der NH90 wird in der Kabinettsvorlage explizit erwähnt - allerdings als Marinehubschrauber. Im Fokus des neuen Haushaltes stehen Rüstungsbeschaffung und Digitalisierung. Annegret Kramp-Karrenbauer wird nicht müde, dieses Thema ins Bewusstsein ihrer Politikkollegen zu bringen.

Autor: Matthias Baumann

Video: Truppenbesuch beim TrspHubschrRgt 10 (Heeresflieger) auf dem Fliegerhorst Faßberg