Donnerstag, 19. Juli 2018

Botschafter von Kosovo, Mali, Liberia, Honduras und Chile beim Bundespräsidenten akkreditiert

Sommerzeit ist Wechselzeit bei Botschaftern und deren Mitarbeitern. Manch ein Botschafter wird diametral über den Globus versetzt und muss mit dem neuen Umfeld klarkommen. Wer nicht gerne umzieht, sollte nicht in den diplomatischen Dienst gehen.

Heute stand wieder ein bunter Mix an Akkreditierungen auf dem Programm: zwei Amerikaner, zwei Afrikaner und ein Europäer gaben sich die Klinke im Schloss Bellevue in die Hand. Besser gesagt, hatten sie ihre Beglaubigungsschreiben in der Hand und reichten diese an den Bundespräsidenten weiter, der sie wiederum einem Mitarbeiter zur Verwahrung übergab. Die Schreiben werden entweder in Umschlägen mit Golddruck oder in Ledermappen mit Golddruck überreicht.

Den neuen Botschaftern steht eine Fahrt im Wagen des Bundespräsidenten zu. Dazu werden die schwarzen Limos des Fahrdienstes oder des BKA mit Standarten des Bundespräsidenten versehen, so dass der Eindruck entsteht, es handele sich tatsächlich um den Wagen des Präsidenten. Clever! Je nach Wichtigkeit und Sicherheitsbedürfnis reicht die Fahrzeugpalette vom älteren Audi A8 bis zu gepanzerten BMW 7er-Fahrzeugen mit Rundumleuchte.

Im Halbstunden-Takt rollten heute folgende Botschafter auf den Vorhof des Schlosses: 

Kosovo - Beqë Cufaj
Mali - Oumou Sall-Seck
Liberia - Youngor Telewoda
Honduras - Christa Castro Varela 
Chile - Cecilia Mackenna Echaurren

Botschafter akkreditiert Kosovo Beqë Cufaj
Botschafter der Republik Kosovo akkreditiert: Beqë Cufaj
Auch wenn die Presse kaum noch über den Kosovo berichtet, ist die Lage dort weiterhin fragil. Die KFOR ist weiterhin aktiv und Spezialkräfte der Bundeswehr kontrollieren regelmäßig die Lagerung von toxischen Materialien. Kosovo hat weniger als zwei Millionen Einwohner. Von diesen ist mehr als die Hälfte unter 25 Jahren alt. Rentner gibt es so gut wie gar nicht. 95% der Bevölkerung zählen sich zum sunnitischen Islam. Der Rest teilt sich in serbisch-orthodox und römisch-katholisch auf.

Botschafter akkreditiert Kosovo Beqë Cufaj
Botschafter der Republik Kosovo akkreditiert: Beqë Cufaj
Botschafter Beqë Cufaj ist mit seinen 47 Jahren vergleichsweise alt. Sein Alter kann mit Weisheit gleichgesetzt werden. Immerhin hat er Sprach- und Literaturwissenschaften studiert. Beqë Cufaj ist Buchautor und freier Mitarbeiter bei namhaften Blättern wie der FAZ oder der Neuen Zürcher Zeitung.

Botschafter akkreditiert Mali Oumou Sall-Seck
Botschafterin der Republik Mail akkreditiert: Oumou Sall-Seck
Ein ebenfalls muslimisch dominiertes Land ist Mali. 90% der über 18 Millionen Einwohner bekennt sich zum sunnitischen Islam. Auch Mali ist durch das Engagement der Bundeswehr in die Wahrnehmung der Öffentlichkeit gekommen. Obwohl die Frauen Malis im Durchschnitt mehr als sechs Kinder zur Welt bringen, ist die Lebenserwartung doch sehr gering und die Altersstruktur noch niedriger als im Kosovo.

Botschafter akkreditiert Mali Oumou Sall-Seck
Botschaftein der Republik Mali akkreditiert: Oumou Sall-Seck
Botschafterin Oumou Sall-Seck war in der Region Timbuktu als Bürgermeisterin tätig. Als Frau musste sie sich im islamischen Umfeld durchsetzen, wurde aber aufgrund ihrer Kompetenz mehrfach in regionale Verantwortungen gewählt. Sie ist Mitglied in diversen Gremien zur Befriedung Nordafrikas und der Sahelzone. Oumou Sall-Seck löst ihren männlichen Vorgänger in Berlin ab. Dieser ist nun in Paris eingesetzt.

Botschafter akkreditiert Liberia Youngor Telewoda
Botschafterin der Republik Liberia akkreditiert: Youngor Telewoda
Einige Kilometer südwestlich von Mali liegt Liberia. Liberia hat etwa so viele Einwohner wie Berlin, die sich zu 85% als christlich bezeichnen. Das Durchschnittsalter liegt bei 18 Jahren. Der Name Youngor Telewoda suggeriert eine entsprechende Jugend. Aber weit gefehlt. Frau Youngor Telewoda ist 65 Jahre alt und hat schon viele diplomatische Stationen durchlaufen, darunter Japan, Neu Seeland und Singapur.

Botschafter akkreditiert Liberia Youngor Telewoda
Botschafterin der Republik Liberia akkreditiert: Youngor Telewoda
Die Fahne von Liberia ist ein Mix aus USA und Chile. Eine besondere Herausforderung an das Flaggenkommando des Wachbataillons, das immer die richtige Fahne aus dem Flaggenkeller des Schlosses holen muss. Wenigstens sind inzwischen die Ränder der Flaggen mit schwarzem Edding beschriftet. Vor einigen Jahren hätte es fast einen Fauxpas mit der Verwechslung der Fahnen zweier rivalisierender Staaten gegeben. Danach wurden die Ränder beschriftet.

Botschafter akkreditiert Honduras Christa Castro Varela
Botschafterin der Republik Honduras akkreditiert: Christa Castro Varela
Wer von Liberia aus über den Atlantik segelt und dabei leicht nach Norden abdriftet, könnte nach Passieren des Karibischen Meeres in Honduras landen. Von dort kommt Christa Castro Varela. Sie vertritt etwa 9 Millionen Menschen, deren Durchschnittsalter bei 19 liegt. Also nur ein Jahr älter als die Menschen in Liberia. Auch in Honduras fühlen sich über 80% der Bevölkerung einer der christlichen Denominationen zugehörig. Honduras hat so einiges durchgemacht mit Diktaturen und schwierigen Demokratisierungsprozessen.

Botschafter akkreditiert Honduras Christa Castro Varela
Botschafterin der Republik Honduras akkreditiert: Christa Castro Varela
Christa Castro Varela war im Energie-Ministerium von Honduras beschäftigt und kümmerte sich unter anderem um Klima- und Umwelt-Themen sowie erneuerbare Energien. Seit 2017 war sie im Präsidialumfeld als Ministerin für Kommunikation und Strategie tätig. Als Botschafterin sitzt sie in Berlin. Von hier aus vertritt sie Honduras auch gegenüber Österreich, Polen, Tschechien, Türkei, Georgien, Ungarn und Albanien.

Botschafter akkreditiert Chile Cecilia Mackenna Echaurren
Botschafterin der Republik Chile akkreditiert: Cecilia Mackenna Echaurren
Den Abschluss der heutigen Botschafter-Akkreditierung bildete Cecilia Mackenna Echaurren aus Chile. Chile liegt südwestlich von Honduras und hat - wie Mali - um die 18 Millionen Einwohner. Viele davon sind römisch-katholisch. Über die Hälfte der Bevölkerung ist jünger als 35 Jahre.

Botschafter akkreditiert Chile Cecilia Mackenna Echaurren
Botschafterin der Republik Chile akkreditiert: Cecilia Mackenna Echaurren
Cecilia Mackenna Echaurren hatte in Chile Philosophie studiert und noch ein Studium in Politikwissenschaften angehängt - in Heidelberg. Im chilenischen Außenministerium war sie für Planung, Nord-Amerika und Umwelt zuständig. Interessante Kombination.

Botschafter akkreditiert Chile Cecilia Mackenna Echaurren
Botschafterin der Republik Chile akkreditiert: Cecilia Mackenna Echaurren, ihre Delegation und die Bezugspersonen des Auswärtigen Amtes
Als ihre Exzellenz Cecilia Mackenna Echaurren mit der Limo und der Standarte des Bundespräsidenten vom Hof rollte, waren fünf neue Botschafter akkreditiert. Diese reihen sich nun ganz hinten in die Defilee-Listen ein: first come - first serve. Last come - last serve. Der Diplomat nennt das Anciennität.

Video:
Akkreditierung der Botschafter von Kosovo, Mali, Liberia, Honduras und Chile

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 18. Juli 2018

NATO-General Heinrich Brauß mit einem Großen Zapfenstreich in den Ruhestand verabschiedet

Am späten Abend wurde heute Generalleutnant Heinrich Brauß in den Ruhestand verabschiedet. Das passierte stil- und formgerecht mit einem Großen Zapfenstreich im Ehrenhof des Bendlerblocks. Da es zum Großen Zapfenstreich dunkel sein muss, war der Termin zu 22:00 Uhr angesetzt.

Großer Zapfenstreich GenLt Heinrich Brauß
Großer Zapfenstreich für Generalleutnant Heinrich Brauß
Etwa 200 Gäste waren anwesend und - wie üblich - nur wenige Pressevertreter. Letztere waren wohl wegen der Urlaubszeit und des medialen Desinteresses an Sicherheitspolitik fern geblieben. Dabei war Heinrich Brauß in seinen jüngsten Verwendungen mehr Politiker als Soldat. Bereits 2004 war er nach Brüssel gekommen und dort zunächst als Assistant Chief of Staff im Militärstab der Europäischen Union eingesetzt. 2005 ist er Direktor der neu gegründeten Civil-Military-Cell und des EU Operations Centre geworden. Seit 2007 ist er bei der NATO in den Bereichen Verteidigungspolitik und Streitkräfteplanung tätig gewesen.

Sechs Jahre später - also 2013 - wurde er zum Generalleutnant befördert. Das ist ein General mit drei goldenen Sternen auf jeder Schulter. Gleichzeitig übernahm er das Amt des Assistant General for Defense Policy and Planning bei der NATO. Übersetzt heißt das, dass er für Verteidigungspolitik und Planung verantwortlich zeichnete. Im Prinzip das, was er schon seit 2007 in kleinerem Maßstab zu machen hatte. 11 Jahre Kontinuität, die bei Dienstgraden mit Laub auf der Schulter nicht selbstverständlich ist.

Großer Zapfenstreich GenLt Heinrich Brauß
Großer Zapfenstreich für Generalleutnant Heinrich Brauß
Heinrich Brauß ist 65 Jahre alt, verheiratet und hat drei Söhne. In die Bundeswehr war er 1972 eingetreten, hatte dort vier Jahre Erziehungswissenschaften und Neuere Geschichte studierte, hatte in Artillerie- und Panzerbataillonen gedient und das übliche Hin- und Her der Verwendungen eines Offiziers der Bundeswehr erlebt. Erste Auslandserfahrungen hatte er bei SFOR in Bosnien und Herzegowina gesammelt.

Nach 46 Dienstjahren ging Heinrich Brauß heute in den Ruhestand. Zur Serenade des Großen Zapfenstreiches hatte er sich folgende Stücke gewünscht:

1) "Des großen Kurfürsten Reitermarsch" von Cuno Graf von Moltke
2) "NATO - Hymne" von André Reichling
3) "Nun danket alle Gott" von Martin Rinckart, Arrg. Roland Kernen

Video:
Großer Zapfenstreich für Generalleutnant Heinrich Brauß

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 10. Juli 2018

Chilcot: The Good Operation und die konstruktive Behandlung eines Lagebildes

Das Erfrischende an sicherheitspolitischen Begegnungen ist die Auseinandersetzung mit der Realität und der ehrliche Umgang zwischen den Akteuren. In dieser Klarheit war das bisher weder in wirtschaftlichen noch in politischen Kontexten zu erleben. Immerhin geht es bei der Sicherheit schnell mal um Leben und Tod. Das lässt keinen Raum für Machtspielchen und planlose Experimente. Eigentlich...

Nach der gescheiterten Mission im Irak fragten sich die Briten, wo denn die Ursachen lagen. Zunächst einmal war die Mission unter dem Lack politisch gewollter Mythen initiiert worden. Ein angebliches Waffenarsenal Saddam Husseins sollte neutralisiert und die Diktatur entfernt werden. Themen wie Machtvakuum, regionale Kräfte, kulturelle Eigenheiten und geografische Herausforderungen spielten in der Vorbereitung kaum eine Rolle.

Um es zukünftig besser zu machen, beauftragte man Sir John Chilcot mit einer Untersuchung des Irak-Krieges zwischen 2001 und 2009. Er und sein Team verfassten dazu 13 dicke Bücher, die im Juli 2016 veröffentlicht wurden. Es war also sehr detailliert geforscht worden.

Ein Extrakt der Lehren aus diesen 13 Bänden findet sich im Handbuch "The Good Operation" wieder. Dieses Handbuch ist wie eine Checkliste aufgebaut. Es ist in die einzelnen Phasen des Einsatzes von der Planung bis zur Nachbereitung eingeteilt. Immer wieder wird empfohlen, auch ein Nichtstun in Erwägung zu ziehen.

Chilcot The Good Operation
Sir John Chilcot und Team - The Good Operation ist ein Handbuch für Entscheider in Operationen, die gelingen sollen.
Das Handbuch mit seinen knapp 60 Seiten lässt sich innerhalb einer Stunde durchlesen. Es sensibilisiert den Leser, in der richtigen Situation die richtigen Fragen zu stellen. Die Antworten sollten dann nach Möglichkeit zu den richtigen Entscheidungen führen.

Egal, mit wem man in London redet - ob deutsche Botschaft, Außenministerium oder Ministry of Defense - Chilcot ist in aller Munde. Bedient Chilcot doch die eingangs erwähnte nüchterne Betrachtung des Lagebildes und gewährt Raum für kreative Lösungen.

Ein wichtiger Punkt in der Einleitung zu "The Good Operation" ist die Feststellung homogener Denkstrukturen, die gar keinen Platz für eine objektive Betrachtung des Lagebildes bieten. Dabei unterscheiden sich gewisse Ansichten sogar schon zwischen europäischen Nachbarn diametral voneinander. So sei der Brite durch Kampf und Einsätze zu einem längeren Dienst in der Armee zu motivieren. Auch wolle der Brite seine Leitkultur in die Welt tragen und dort nachhaltig etabliert wissen. In Deutschland wird eher mit Studien-Optionen, Gehalt und familienfreundlichen Arbeitsbedingungen gelockt.

Dieses kleine Beispiel zeigt, wie unterschiedlich die Betrachtung und Wahrnehmung ein und desselben Themas sein kann. Deshalb spricht sich Chilcot für Diversität aus, für konträre Gedanken, für differenzierte Sichtweisen und ein konstruktives Zusammenführen der unterschiedlichen Impulse zu einem realitätsnahen Lagebild. Darauf wird dann mit einem heterogenen Team die Lösung aufgebaut. Die Lösung kann letztlich auch Nichtstun heißen.

In einer ähnlichen Herangehensweise wurde der neue Traditionserlass der Bundeswehr erarbeitet. In den vier Workshops hatten sehr unterschiedliche Kompetenzen zusammengesessen und sich offen, konstruktiv und respektvoll ausgetauscht.

Dennoch berichten Insider, dass im Bendlerblock bestimmte Gedanken gar nicht gedacht werden dürfen. Wer auch immer von dieser Regel abweiche, müsse mit seiner vorzeitigen Zurruhesetzung rechnen. Jüngstes Beispiel ist Karl Müllner, der seine fachliche Expertise gegen volkswirtschaftliche Ambitionen artikulierte.

Da General ein eher politischer Status ist, kann ein General (oder auch Admiral) durch die Verteidigungsministerin ernannt, befördert und entlassen werden. Die Angst um den Posten kann zu Verschiebungen bei der Wahrnehmung und öffentlichen Bewertung von Lagebildern führen. Das ist aber mit sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen vergleichbar, die als hierarchische Konstrukte aufgebaut sind.

Dass Chilcot bei den Briten in aller Munde ist, setzt schon mal die richtigen Akzente. Überhaupt scheinen die Ministerien auf der Insel deutlich besser zusammenzuarbeiten als in Deutschland. So verlässt man das Foreign & Commonwealth Office (Außenministerium) und betritt wenige Meter weiter das Verteidigungsministerium. Die Strukturen sind so gut vernetzt, dass Entscheidungen im engen Einklang getroffen werden. In Berlin legt man die Strecke vom Bendlerblock zum Auswärtigen Amt in etwa 30 Minuten zu Fuß zurück.

Es gibt also viel zu lernen von Chilcot und der empfohlenen Herangehensweise: Ehrlichkeit, Einbeziehung von Querdenkern und Beratern, Offenheit, Mut zur Veränderung sind nur einige Stichworte, die uns Chilcot vermittelt. Damit ist Chilcot keine reine Militär-Angelegenheit, sondern lässt sich auf sämtliche Lebensbereiche adaptieren.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 9. Juli 2018

Li Keqiang erscheint zu den 5. Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin

Heute war vieles anders: Es begann mit der Umstellung des üblichen protokollarischen Ablaufs. So fuhr der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang um elf mit einem Maybach vor, wurde von der Kanzlerin begrüßt und verschwand mit ihr im Kanzleramt. Dann wurden wir auf dem Ehrenhof Zeugen des Ausrollens der roten Teppiche. Einer davon für die Delegationen und drei Teppiche für die große Eins zum Abschreiten der Ehrenformation. Gegen zwölf schlenderten die Delegationen auf den Hof, gefolgt von Angela Merkel und Li Keqiang. Hände schütteln, Nationalhymnen, Abschreiten der Ehrenkompanie und dann wieder Verschwinden im Kanzleramt.

Li Keqiang 5. Deutsch-Chinesische Regierungskonsultationen
Li Keqiang und Angela Merkel zum Auftakt der 5. Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen
Normalerweise gibt es die militärischen Ehren nur beim Antrittsbesuch. Li Keqiang ist seit 2013 im Amt und wurde am 18. März 2018 mit 2.964 Für- und zwei Gegenstimmen als Ministerpräsident bestätigt. Vor einer Woche konnte er seinen 63. Geburtstag feiern und hat damit noch für acht Tage das gleiche Alter wie die Kanzlerin. Nur, dass er vermutlich auf diesem Posten seine Amtskollegin überdauern wird.

Die letzten Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen* fanden vor zwei Jahren statt. Diesmal wurde an die partnerschaftlich gewachsenen Beziehungen angeknüpft. Demonstrativ wurden diverse Vereinbarungen abgeschlossen. Beide Staaten bekannten sich zum "Primat der regelbasierten Ordnung". Ein klarer Seitenhieb gegen die impulsbasierte Ordnung der Vereinigten Staaten.

Ein halbes A4-Blatt der 22-seitigen Presseerklärung beschäftigt sich mit Menschenrechten. Sieben Mal taucht das Wort Menschenrechte in diesem Absatz auf. China scheint damit keine Probleme zu haben. Ganz anders die Demonstranten nordöstlich des Kanzleramtes. Sie forderten mit blauen Halbmondfahnen die Unterstützung der Kanzlerin für Usbeken und andere Volksgruppen. Zwischen Paul-Löbe-Haus und Ehrenhof waren China-Fahnen aufgereiht. Diese gehörten offensichtlich zum Freundeskreis des Ministerpräsidenten. Jedenfalls winkte er mehrfach in diese Richtung.

Die Bezeichnung einer "Strategischen Partnerschaft"* wurde bemerkenswert oft seitens der Bundesregierung verwendet. So war es kein Wunder, dass der rote Teppich für die Delegationen heute besonders lang war. Die Bundesregierung wartete mit sämtlichen Ministern von Peter Altmaier bis Julia Klöckner auf. Nur Ursula von der Leyen und Horst Seehofer fehlten. Dafür repräsentierte Brigadegeneral Andreas Henne die Bundeswehr.

Li Keqiang 5. Deutsch-Chinesische Regierungskonsultationen
Li Keqiang und Angela Merkel begrüßen die Delegationen der 5. Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen
Die "Strategische Partnerschaft" bezieht sich jedoch nicht nur auf Deutschland, sondern auch die gesamte EU. Dazu gibt es die "Strategie China-EU 2020", was letztlich auch OBOR (One Belt One Road) tangiert und damit massiv die Interessen Chinas stärkt. Gleiches gilt für die "Interkonnektivität zwischen Asien und Europa".

Zusätzlich gibt es den "Strategischen Außen- und Sicherheitspolitischen Dialog". In diesem Zusammenhang ist interessant, dass es weltweit nur fünf deutsche Botschaften gibt, deren Militär-Attaché-Stäbe von einem Brigadegeneral geleitet werden. Der Normalfall ist ein Oberst - also eine Stufe darunter. Bisher hatten die ehemaligen Alliierten Russland, Frankreich, Großbritannien und USA dieses Privileg. Neuerdings aber auch China. China hat signalisiert, dass es Deutschland bei der Wahl in den UN-Sicherheitsrat unterstützt.

Handel ist für die EU und China sehr wichtig. Offene Wirtschaft, Liberalisierung und Erleichterung des Handels sowie Marktbedingungen ohne Diskriminierung stehen in der gemeinsamen Erklärung. Dem Abschluss eines "ambitionierten EU-China Investitionsabkommens" komme zentrale Bedeutung bei. Das Niveau bei Normierung und Qualitätssicherung soll angeglichen werden. Es gibt sogar einen Deutsch-Chinesischen Hochrangigen Finanzdialog, der sich mir Währungsstabilität und fiskalischen Themen beschäftigt.

Auch bei der Bekämpfung von Cyber-Kriminalität wollen Deutschland und China zusammenarbeiten. Bei einer Veranstaltung am Rande der TOA mit Fokus auf Investitionen in Hong Kong berichteten Betroffene, dass die Netzwerke in China sehr gut gegen fremde Inhalte abgeschirmt seien. Nur in wenigen Regionen sei der Zugriff auf YouTube möglich, WhatsApp sei kaum noch nutzbar und auch Skype unterliege einer starken Restriktion.

Bei Technologie und Innovation wolle man mit China ebenfalls viel erreichen. Es geht beispielsweise um Bioökonomie, sauberes Wasser oder Polarforschung. Damit harmonieren auch die gemeinsamen Bemühungen um den Klimaschutz, erneuerbare Energien, Elektromobilität, Reduzierung des Plastikmülls, Verbesserung der Gesundheitsversorgung und eine intelligente Urbanisierung.

Am Schluss standen sieben Absichtserklärungen zwischen mehreren Ministerien, ein Rahmenplan und zwei weitere Abkommen. Wie bereits die Abwesenden am roten Teppich signalisiert hatten, gab es keine Abkommen mit dem Innenministerium und dem Verteidigungsministerium.

Video:
Beginn der 5. Deutsch-Chinesische Regierungskonsultationen im Bundeskanzleramt

Autor: Matthias Baumann

*) Die Großschrift bei "Strategisch" oder "Deutsch-Chinesisch" entspricht der durchgängigen Schreibweise in der Presseerklärung der Bundesregierung.

Samstag, 7. Juli 2018

Brexit - ohne Plan zum Exit

Die Zeit wird knapp: Nur noch neun Monate bis zum Exit durch Brexit. Neun Monate, die noch eine lange Sommerpause enthalten. Da niemand in London mit dem Brexit gerechnet hatte, war man auch schlecht vorbereitet auf diese Situation. Daran hat sich bisher kaum etwas geändert.

Bei einer Bildungsreise der Bundeswehr nach London trafen wir hochkarätige Gesprächspartner: Angehörige des deutschen Militär-Attaché-Stabes, Presse-, Wirtschafts-, Rechts- und Kulturreferenten der deutschen Botschaft, Earl Howe (Staatsminister im House of Lords) und mehrere Briten aus dem Foreign & Commonwealth Office oder dem Ministry of Defense sowie einen Mix aus Kompetenzen des IISS (The International Institute for Strategic Studies).

Bei aller Divergenz der Funktionen, Positionen und Sichtweisen waren sich doch alle einig:
Großbritannien ist nicht auf den Brexit vorbereitet.


Brexit London Bildungsreise Seminar Bundeswehr
Brexit - Nur noch 9 Monate bis zum Verlassen der EU - Schild an der Ausfahrt des Parlaments
Dabei klingt Separatismus so einfach: Raus aus der EU und Alles wird gut! Durch England fuhren damals knallrote Busse mit der Aufschrift, dass wöchentlich 350 Millionen Pfund an die EU überwiesen werden. Das klingt sehr viel und sollte laut der Leave-Fraktion (Leave = Verlassen) ins NHS (National Health System = Nationales Gesundheitswesen) investiert werden.

Das leuchtete so manch einem Kreuzchen-Setzer beim Referendum ein. Da aber die Folgen eines Brexits nicht bedacht worden waren, werden diese 350 Millionen Pfund ab April 2019 nicht ins NHS fließen, sondern 1:1 in die Verwaltungskosten für das britische Zollwesen. Die europäische Zollunion geht dann nämlich nur noch bis ans Nordseeufer und an die 499 km lange Grenze zu Nordirland.

Die Iren haben schon angekündigt, dass sie keine Grenzstationen oder Zäune oder Kameras dulden werden: "We will blow them off". Und das ist nur die Spitze des Eisberges.

In London hatte man sich vorgestellt, die europäischen Verträge einfach zu kopieren, per Massenänderung die Begriffe Europäische Union durch Großbritannien zu ersetzen und dann in aller Welt zur Unterschrift vorzulegen. Warum das Korsett der EU beim weltweiten Handel tragen, wenn man auch selbst mit allen Staaten verhandeln könne?

Brexit London Bildungsreise Seminar Bundeswehr
Brexit - Nur noch 9 Monate bis zum Verlassen der EU - Auch die Tiere im Hyde Park entscheiden sich für unterschiedliche Richtungen.
So hofiert die britische Regierung in Zusammenarbeit mit der Queen die Staaten des Commonwealth. Ohne dabei zu beachten, dass mit dem Commonwealth weniger als 9% Handelsvolumen erwirtschaftet werden. In Japan war Theresa May wie von einer Lotusblüte abgetropft, als sie mit ihrer Ein-Staat-Handelsmacht und kopierten Verträgen um ein Abkommen ersuchen wollte.

Das Volumen passt nicht und die Herkunft eines Endproduktes kann nicht mehr klar als britisch deklariert werden. Selbst ein traditionsreiches Fahrzeug wie der MINI wird nur noch zu 15% in Großbritannien bearbeitet. Der Rest kommt aus Europa.

Europäische Normen und europäische Verträge können Ende März 2019 den gesamten Waren- und Flugverkehr mit und über Großbritannien lahmlegen. Es gibt bisher keine Abkommen für Start, Landung und Überflug britischer Gesellschaften wie Iberia oder British Airways. Innerhalb der EU war das kein Problem, aber nach dem Brexit sind UK und dessen Fluggesellschaften raus. Britische Waren müssen dann erst einmal in Europa zugelassen werden. Durch Wartezeiten an den Grenzen werden Lieferketten unterbrochen. Bestimmte Güter können gar nicht mehr gehandelt werden, da sie bei längerer Zoll-Abfertigung verderben. Davon sind insbesondere Medikamente betroffen.

Das ließe sich fortsetzen bei den Motoren von Rolls Royce, bei Tragflächen von Airbus und bei Schutzlacken auf Fahrzeugen. Das simultane Austreten aus europäischen Rahmenverträgen zieht einen gigantischen Komplex von Neuverhandlungen, Neuverträgen und Nachnormierungen hinter sich her. Eine Aufgabe, die mit den eingesparten Mitgliedsbeiträgen niemals zu finanzieren ist.

Brexit London Bildungsreise Seminar Bundeswehr
Brexit - Nur noch 9 Monate bis zum Verlassen der EU - Banken und Versicherungen verlegen ihre Standorte weg von London.
Apropos Finanzierung: Kapital sei ein scheues Reh, stellte einst Karl Marx fest. So haben bereits über 20 Banken und Versicherungsgesellschaften ihre Aktivitäten nach Frankfurt am Main verlagert. Weitere werden folgen. Der Immobilienmarkt wird bisher nicht tangiert: In London liegen die Kaufpreise weiterhin stark über Wert. So kostet ein kleines Häuschen im Hinterhof der deutschen Botschaft schnell mal 15 Millionen Pfund. Der britische Traum vom zu Lebzeiten finanzierten Haus ist nicht mehr realisierbar.

Sicherheitspolitisch ist der Brexit auch relevant. Erstens schwächt er die Einheit Europas. Zweitens müssen bestimmte inner-europäische Verteidigungskonstellationen nachverhandelt werden. Besonders bitter ist das getätigte Investment der Briten im Satelliten-System Galileo, das per Vertrag ein EU-Projekt ist. Viele Verträge laufen jedoch auf NATO-Ebene oder bilateral, so dass der Brexit dort nur eine bedingte Auswirkung hat. Der Brexit könnte jedoch zu einem straffen Sparkurs der Regierung bezüglich des Verteidigungshaushaltes führen.

Fazit: Separatismus ist unklug und sollte vorab gut durchkalkuliert werden. Aber wer beschäftigt sich schon so differenziert mit dem Thema?

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 30. Juni 2018

Tag der offenen Tür in der Julius-Leber-Kaserne

Was läuft da eigentlich hinter den Mauern der Julius-Leber-Kaserne ab? Überall Schilder, die auf militärisches Sperrgebiet hinweisen und Sichtschutz ringsherum. Auf dem Areal der Kaserne ist das Kommando Territoriale Aufgaben beheimatet. Der Chef der Julius-Leber-Kaserne heißt Andreas Henne und fungiert als General Standortaufgaben. Er ist Brigadegeneral und trägt goldene Knöpfe, eine goldene Gürtelschnalle und einen goldenen Stern auf jeder Schulter.

Julius-Leber-Kaserne Tag der offenen Tür Kommando Territoriale Aufgaben KdoTA
Tag der offenen Tür in der Julius-Leber-Kaserne: Brigadegeneral Andreas Henne (General Standortaufgaben) und Oberstleutnant Patrick Bernardy (Wachbataillon)
Andreas Henne begrüßte die Besucher zum Tag der offenen Tür. Heute konnten die Gerätschaften und Mitarbeiter des Kommandos Territoriale Aufgaben aus der Nähe betrachtet und angefasst werden. KdoTA ist die Abkürzung für den sperrigen militärischen Begriff. Unter dem Dach des KdoTA tummeln sich unter anderem Feldjäger, das Stabsmusikkorps und das Wachbataillon.

Julius-Leber-Kaserne Tag der offenen Tür Kommando Territoriale Aufgaben KdoTA
Tag der offenen Tür in der Julius-Leber-Kaserne: Motorradeskorte der Feldjäger
Die Feldjäger warteten heute mit einer Vorführung der Motorrad-Eskorte auf. Zunächst wurden Übungen wie Fahren in Kolonne im Sitzen, Fahren im Stehen, Fahren im Liegen und Hüpfen beim Fahren vorgeführt. Der Kommentator - Stabsfeldwebel Jäger - zeigte sich erfreut darüber, dass die Feldjäger seit vielen Jahren der Marke BMW treu bleiben durften. Die 1.200-ccm-Maschinen sind ausreichen motorisiert und bieten zugleich die nötige Laufruhe für protokollarische Anmut.

Julius-Leber-Kaserne Tag der offenen Tür Kommando Territoriale Aufgaben KdoTA
Tag der offenen Tür in der Julius-Leber-Kaserne: Motorradeskorte der Feldjäger
In einem zweiten Teil zeigten uns die Feldjäger, dass sie auch Slalom beherrschen und über eine Wippe fahren können. Gesteigert wurde das noch durch ein paarweises Absolvieren des Parcours. Dann wurde "verlegt auf Einsatz". Das heißt, die blauen Rundumleuchten der Motorräder wurden eingeschaltet und eine Eskorte simuliert. Ein Feindfabrikat - Audi - mit Feldjäger-Beschriftung führte die Eskorte an. Es folgten drei BMW-Motorräder, ein schwarzer BMW 5er (F10), ein weiteres Fremdfabrikat Audi mit Feldjägeraufschrift und ein versetzt fahrendes BMW-Motorrad. Nach zwei Runden mit Erklärung reihten sich weitere Motorräder in die Eskorte ein. Dabei lernten die Besucher die Handzeichen des Kommandeurs kennen. Fünf Motorräder werden bei Chefs von Teilstreitkräften eingesetzt und sieben Motorräder bei Verteidigungsministern.

Hinter einer Böschung waren sämtliche Fahrzeugtypen der Feldjäger aufgereiht, Kinder kletterten durch die gepanzerten Wagen und hantierten an den Knöpfen und Steuerknüppeln. Die üppige Ausstattung mit Monitoren war auffällig. Ein Soldat erklärte, dass die Kartuschen oberhalb der Fahrzeuge mit Nebelmunition gefüllt seien, damit die eigene Position verschleiert werden könne.

Julius-Leber-Kaserne Tag der offenen Tür Kommando Territoriale Aufgaben KdoTA
Tag der offenen Tür in der Julius-Leber-Kaserne: Feierliches Gelöbnis Ungedienter
Halb zwölf startete das Highlight des Tages: Feierliches Gelöbnis Ungedienter. 18 Männer und Frauen hatten neben ihren zivilen Berufen an mehreren Wochenenden eine militärische Grundausbildung absolviert und legten heute ihr Gelöbnis ab. Anschließend werden sie in die Reserve integriert. Organisiert wurde die Ausbildung vom Reservistenverband und der Bundeswehr.

Julius-Leber-Kaserne Tag der offenen Tür Kommando Territoriale Aufgaben KdoTA
Tag der offenen Tür in der Julius-Leber-Kaserne: Stabsmusikkorps dirigiert von Hauptmann Alexander Kalweit
Die Pausen zwischen den Programmpunkten waren nicht sehr groß, so dass der Weg zwischen den Hot Spots sehr schnell zurückgelegt werden musste. Ein Platzkonzert des Stabsmusikkorps stand auf dem Programm. Der neue Dirigent, Hauptmann Alexander Kalweit, machte sich bereit und startete passend zu seinem Vornamen mit dem Alexander-Marsch. Es folgten weitere Märsche inklusive "Des Großen Kurfürsten Reitermarsch". Zwischendurch wurde noch Oberfeldwebel Andreas Scholz interviewt. Er ist Trompeter und war schon oft bei protokollarischen Anlässen zu erleben.

Julius-Leber-Kaserne Tag der offenen Tür Kommando Territoriale Aufgaben KdoTA
Tag der offenen Tür in der Julius-Leber-Kaserne: Kanone von 1942 wird vom Salut-Zug des Wachbataillons genutzt
Sound mit deutlich weniger Melodie stellt das Salut-Schießen dar. Mit dem Karabiner 98k wird wohl gar kein Salut mehr geschossen - zumindest konnten die Soldaten an den Kanonen keinen Anlass für Salut mit Gewehr nennen. Die eingesetzten Haubitzen stammen aus dem Jahr 1942 und wurden mehrfach umgebaut und ergänzt. Die Salut-Munition ist zwar groß, wiegt aber nur die Hälfte der scharfen Munition.

Die Besucher bekamen eine detaillierte Einweisung in den Sinn und die Ausführung des Salut-Schießens. Aus sechs Kanonen werden insgesamt 21 Schüsse abgegeben. Das kommt daher, dass Schiffe früher 20 Bordkanonen hatten. Als Zeichen ihrer friedlichen Absicht, schossen sie vor dem Einlaufen in einen Hafen 20 Mal. Darauf antwortete der Hafen mit einem Bestätigungsschuss. In Summe 21 Schüsse. Salut am Flughafen Tegel gilt als die höchste protokollarische Ehre und wird einem Staatsoberhaupt nur beim ersten Betreten des deutschen Bodens zuteil. Das gilt auch für Monarchen.

Julius-Leber-Kaserne Tag der offenen Tür Kommando Territoriale Aufgaben KdoTA
Tag der offenen Tür in der Julius-Leber-Kaserne: Drillteam des Wachbataillons
Der Sound wurde mit techno-Klängen fortgesetzt. Diesmal bewegte sich das Drillteam des Wachbataillons dazu. Karabiner 98k wirbelten durch die Luft, knallten auf den Boden oder dienten als Instrumente, die die Akrobatik der Protter - interne Bezeichnung für Soldaten im Protokolldienst - unterstützten. Michael Jackson hätte seine Freude gehabt und hätte sich vielleicht sogar für den nächsten Durchgang des Gelöbnisses Ungedienter beworben.

Julius-Leber-Kaserne Tag der offenen Tür Kommando Territoriale Aufgaben KdoTA
Tag der offenen Tür in der Julius-Leber-Kaserne: Nachwuchswerbung für die 8. Kompanie des Wachbataillons (Reservekompanie)
Neben den Programmpunkten standen den Gästen zahlreiche weitere Angebote zur Verfügung. Gepanzerte Fahrzeuge konnten durchklettert werden. Die Schusswaffen des Wachbataillons konnten angeschaut werden. Es gab Fressbuden, Infostände und ein Karriere-Zentrum. Die lieben Kleinen konnten bei Hüpfburgen und anderen Attraktionen abgegeben werden. Für Jung und Alt war etwas dabei und so manch ein Besucher hielt sich mehr als vier Stunden auf dem Areal auf.

Am Ende warteten Shuttle-Busse auf die beinlahmen Zivilisten und brachten diese zurück zum Eingang der Kaserne. Sonne, Wolken und Wind waren so gut aufeinander abgestimmt, dass der Sonnenbrand erst zu Hause auffiel.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 26. Juni 2018

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez wirbt bei seinem Antrittsbesuch für Solidarität und Verantwortung innerhalb Europas

Pedro Sánchez wurde einen Tag nach seinem italienischen Kollegen Giuseppe Conte vereidigt. Während der Vereidigung auf die Verfassung demonstrierte er seine atheistische Haltung. Im katholisch geprägten Spanien ist es ein klares Signal, wenn weder Bibel noch Kreuz dabei sind. Der 46-jährige Pedro Sánchez fungiert zeitgleich als Generalsekretär der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE).

Der PSOE war er mit 21 beigetreten. Er studierte Politik und Wirtschaft an verschiedenen Universitäten und schloss das Studium um die Jahrtausendwende ab. 2012 promovierte er. 2014 wurde er Mitglied des spanischen Parlaments und konnte seinen Platz so mehr oder weniger behaupten.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez Antrittsbesuch Angela Merkel
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel in Berlin
Seit drei Wochen ist Pedro Sánchez als Ministerpräsident im Amt. Heute absolvierte er seinen Antrittsbesuch in Berlin. Angela Merkel begrüßte ihn mit militärischen Ehren. Dann verschwanden sie für etwa eine Stunde im Kanzleramt. Die Unterredungen liefen zunächst unter vier Augen und danach in der üblichen Delegationsrunde.

Es gab drei Themen während der Gespräche: Handel, Eurozone und Migration. Der Handel nahm den kleinsten Raum ein und beschäftigte sich mit den neuen Konstellationen in Bezug auf die USA. Bei Banken-Union und Kapitalmarkt-Union folgt Spanien den Beschlüssen des deutsch-französischen Ministertreffens von Meseberg am letzten Dienstag. Laut Kanzlerin haben Spanien und Deutschland ein Interesse daran, die "Eurozone krisenfest" zu machen.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez Antrittsbesuch Angela Merkel
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel in Berlin
Bei der Migration haben Deutschland und Spanien unterschiedliche Ausgangssituationen. In Spanien landen täglich Flüchtlinge mit Schiffen. Zuletzt die Aquarius, deren Abweisung durch Malta und Italien für gewisse Spannungen gesorgt hatte. Frankreich war medial ins Fettnäpfchen getreten und Spanien hatte die 629 Menschen in den Hafen von Valenzia eskortiert. Die Asylanträge wurden dann jedoch in Frankreich gestellt.

Spanien als Außengrenzland ist hauptsächlich mit der Ankunftsreduzierung beschäftigt. Deutschland hingegen hat mit der Sekundärmigration zu tun. Sekundärmigration bedeutet Weiterflucht. In der heutigen Pressekonferenz konnten viele neue Begriffe gelernt werden: Außengrenzland, Ankunftsreduzierung, Sekundärmigration und Weiterflucht. Viele der aktuell Schiffbrüchigen hätten wegen ihres Herkunftslandes ohnehin keine Bleibeperspektive in Europa und auch kaum eine Chance auf Anerkennung als Asylanten.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez Antrittsbesuch Angela Merkel
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel in Berlin
Pedro Sánchez bemerkte immer wieder, dass Spanien solidarisch und verantwortungsbewusst sei. Diese Eigenschaften erwarte er auch von anderen EU-Mitgliedsstaaten. Er setze sich - wie seine Amtskollegin - für eine europäische Lösung bei der Migration ein. Das beginne damit, dass die potenziellen Flüchtlinge in ihren eigenen Ländern gehalten werden oder die einschlägigen Transitländer gar nicht erst passieren können. Dazu sollte der gute Draht europäischer Staaten zu den jeweiligen Transit-Akteuren genutzt werden.

Gemeinsame Lösung, gemeinsame Antwort, Multilateralismus, Solidarität und Verantwortung waren die Worte, die zusammenfassend über das große Thema Migration zu stellen wären.

Angela Merkel trifft Pedro Sánchez recht oft. Am Sonntag hatte sie ihn in Brüssel gesehen. Heute hatte sie ihn im Kanzleramt begrüßt und am Donnerstag trifft sie ihn schon wieder beim Europäischen Rat.

Video:
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez mit militärischen Ehren zum Antrittsbesuch begrüßt

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 20. Juni 2018

#VJTF2019 - Schnelle Eingreiftruppe der NATO greift Schnöggersburg in der Altmark an

"Diese Schuhe werden staubig, sehr staubig", ein breites Grinsen lag auf dem Gesicht von  Presseoffizier Ingo Prieß. Zum gestrigen Termin in Gardelegen war ein Dresscode empfohlen, der bei protokollarischen Anlässen für Irritationen sorgen würde: "Wetterfeste Kleidung und festes Schuhwerk".

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO in Schnöggersburg - Teilnermer vor Rathaus und Fahnen: Deutschland, Niederlande, Norwegen, NATO (v.l.n.r.)
Der Aufenthaltsraum füllte sich mit Zivilisten: B.Z. BILD, augengeradeaus.de und diverse große Regionalsender trafen nach und nach ein. Mit Kameras, ohne Kameras, mit Plüschmikrofonen und Notizbüchern. Kaffee und Brötchen standen bereit, denn ohne Mampf kein Kampf. Zwei Reisebusse warteten vor dem Haus. Wir sollten uns anschnallen.

Kaum hatten die Busse die Tore der Altmark-Kaserne passiert, verließen sie auch die befestigten Wege. Staub umhüllte uns. Ab und zu waren Büsche, kleine Wäldchen und tief durchfurchte Wege aus Zuckersand zu erkennen. Als sich der gelbe Nebel etwas gelichtet hatte, kam ein markanter Hügel zum Vorschein. Drei Geländewagen parkten vor dem Zugang zum Berg. Der künstliche Berg ist eingezäunt und dient in diesem Übungsgelände als Beobachtungspunkt für den Kommandeur.

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO in Schnöggersburg - (v.l.n.r.) Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Jörg Vollmer, und designierter VJTF2019-Kommandeur, Brigadegeneral Ullrich Spannuth, bei den Presse-Statements
Wir sollten das Areal auf keinen Fall verlassen. Oben war wenig Platz. Einige Stative wurden wieder eingeklappt und beiseite geräumt. Der Inspekteur des Heeres, Jörg Vollmer, stand oben und begrüßte die Journalisten. Neben ihm der angehende Kommandeur der VJTF(L)2019, Brigadegeneral Ullrich Spannuth, und der Chef der 1. Panzerdivision, Brigadegeneral Jürgen-Joachim von Sandrart. Letzterer trug ein sandfarbenes Halstuch und das schwarze Barett der Panzertruppen.

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO in Schnöggersburg - Kommandeur der 1. Panzerdivision, Brigadegeneral Jürgen-Joachim von Sandrart, vor Teilnehmern der NATO-Übung
Wir drängten uns um die Fachkompetenz und wurden in die Bedeutung von VJTF und dieser Übung eingeführt. VJTF steht für Very High Readiness Joint Task Force und bedeutet soviel wie Schnelle Eingreiftruppe aus internationalen Kräften. Hinter VJTF wird gerne noch ein (L) wie Landstreitkräfte und eine Jahreszahl gesetzt. In diesem Falle 2019, also VJTF(L)2019. Die Zuständigkeit für die Schnelle Eingreiftruppe der NATO rotiert jährlich. Deutschland ist 2019 dran.

Schnell ist hier in dem Sinne gemeint, dass innerhalb von 48 Stunden Truppen und Materialien an jeden beliebigen Ort der Welt verlegt werden können. Das ist insbesondere deshalb wichtig, da Länder wie Russland das auch können. Die Very High Readiness wird stufenweise auf- und abgebaut. Im Vorjahr zu 2019 - also jetzt - werden die Stunden zu Tagen. Es reicht also ein Monat für die komplette Verfügbarkeit. Im Jahr danach gilt das Gleiche. Das ist aber so vorgesehen, denn in 2018 oder 2020 sind andere NATO-Staaten für die VJTF zuständig.

Der Verband umfasst 8.000 Soldaten aus 9 Nationen. Bei der heutigen Übung waren hauptsächlich Norweger, Niederländer und Deutsche dabei. Der Laie fragt sich natürlich, wie die 48 Stunden realisiert werden können. Jörg Vollmer erklärte dazu, dass dann alle Materialien konfektioniert bereit stehen und nur noch verladen werden müssten. Er ließ keinen Zweifel daran, dass die Materialausstattung zu 100% den Bedarf deckt. Der General wandte sich auch gegen den Mythos, dass jeder Soldat jedes Gerät gleichzeitig zur Verfügung haben müsse. So sei ein wechselseitiger Austausch von Materialien je nach Einsatz-Szenario normal.

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO auf dem Weg nach Schnöggersburg
Dann ging es los. Alle sollten ihre Ohrstöpsel einsetzen. Dumpf hörten wir den Befehl des Kommandeurs zum Angriff auf das Gelände um Schnöggersburg. Es war nicht nur ein Befehl, sondern viele Teilbefehle. Es dauerte einen Moment, bis er alle Einheiten zu Fahrtrichtung, Timing und gewünschtem Ergebnis instruiert hatte. Neben dem Beobachtungshügel positionierten sich kleine Spähwagen Fennek. Einige Soldaten stiegen aus und positionierten sich mit Panzerfäusten im Gelände. Nicht ganz ungefährlich bei der folgenden Verkehrslage.

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO im Gelände vor Schnöggersburg
Die Verkehrslage wurde unentwegt kommentiert, so dass wir in etwa wussten, was da genau passiert und bezweckt wird. Von links nach rechts zogen dichte Staubwolken. Darin waren jede Menge Leoparden und Marder verhüllt. Zusätzlich wurden Nebelgranaten als Sichtschutz vor Schnöggersburg abgeworfen. Marder und Leopard 2 fahren auf Ketten. Ein Leopard 2 hat 1.500 PS und schafft damit 68 km/h. Sein kleinerer Bruder heißt Marder, hat 600 PS und schafft 65 km/h. Der Kommandeur muss genau wissen, wann er welches Gerät von welcher Seite aus anrollen lässt. Er spielt seine Trümpfe zeitversetzt aus wie beim Skat. Die Reaktion des Gegners könnte ja konträr zu seinem Plan laufen.

Nachdem wir ordentlich eingestaubt waren, begaben wir uns zu den Bussen. Die drei Generäle wurden mit drei G-Klassen zum nächsten Standort gebracht. Die Busse folgten. Am Wegesrand standen Panzer. Einige umrahmt von verbrannter Erde. Teilweise brannte das Gras noch. Das weithin sichtbare gelbe Gebäude am Ortseingang von Schnöggersburg kam näher.

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Sakralbau Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO in Schnöggersburg - Touristenbusse parken vor dem Sakralbau von Schnöggersburg
Bus, Sand und Bebauungsplan von Schnöggersburg gaukelten einen Urlaubsort an der spanischen Meeresküste vor. Stilecht hielten die Busse auch direkt vor dem Sakralbau. Der Sakralbau sollte eigentlich ein Mix aus Kirche, Synagoge und Moschee sein - wegen der politischen Korrektheit. In der Praxis redet aber jeder hier von Moschee. Die Häuser befinden sich alle im Rohbau. Es gibt kaum ein Haus mit Wasser oder Stromanschluss. Es sind nur die zur Übung nötigen Elemente wie Wände, Türen, Fenster, Räume und Treppen vorhanden.

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO in Schnöggersburg - Ein Oberst kommentiert den gesamten Ablauf vom gegenüberliegenden Haus aus. Hier nach der Einnahme des Ortes durch die VJTF-Truppen.
Die Stadtreinigung machte heute Siesta: Patronenhülsen in allen Größen und Farben lagen auf der Straße herum. Wir wurden zu einem Platz geführt, wo bereits die G-Klassen der Generäle parkten. Ein Haus mit Dachterrasse war als Beobachtungspunkt vorgesehen. Von hier aus konnte der Bereich des Ortes eingesehen werden, der für den folgenden Angriff relevant sein solte. Vom gegenüberliegenden Dach aus bekamen wir noch einige Erklärungen zum Geschehen. Dann tauchte der Oberst dort ab.

Nun folgte der Kampf um Schnöggersburg. Das Kräfteverhältnis war sehr ungleich. Die NATO-Truppen griffen zeitversetzt von verschiedenen Richtungen aus an. Es gab direkt vor uns einen Verwundeten, der parallel zu den lauten Kampfszenen versorgt und aus dem Hotspot gebracht wurde. Die Dachterrasse gegenüber füllte sich mit Patronenhülsen. Knall, Peng, Puff und reichlich Staub und Qualm kennzeichneten die knappe halbe Stunde des Gefechtes um Schnöggersburg.

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Sakralbau Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO in Schnöggersburg - Die VJTF-Kräfte sichern die eroberten Positionen. Im Hintergrund der Sakralbau von Schnöggersdorf.
Die psychologische Anspannung beim Häuserkampf muss enorm sein. Deshalb beobachtet der Kommandeur sehr genau die Lage und muss schnell über Rückzug oder Verstärkung entscheiden können. Eine festgelegte Einsatzdauer für die kämpfenden Soldaten gibt es nicht. Deren Belastbarkeitsgrenzen müssen situativ eingeschätzt und behandelt werden. Erleidet ein Soldat PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung), ist eine rechtzeitige Erkennung notwendig. Dafür sind nicht die Sanitäter, sondern die Führungskräfte zuständig. Der Betroffene sollte zeitnah aus der Truppe genommen werden. Durch die geminderte Leistungsfähigkeit kann er zum Risiko für das gesamte Team werden. Problematisch wird es, wenn der Leiter selbst von PTBS betroffen ist.

Die NATO geht davon aus, dass sich zukünftige Konflikte zu 70% im urbanen Bereich abspielen werden. Deshalb sind hochmoderne Übungsorte wie Schnöggersburg so wichtig. Es können hier diverse Szenarien geübt werden. Die Realität ist jedoch wesentlich herausfordernder. Die Innenaufteilung des Hauses ist unbekannt. Wer wird einem im Haus begegnen? Wer von den fünf Personen vor dem Gewehrlauf ist nun der potenzielle Feind? Eine Patrone, fünf Patronen?

Drei bis vier Soldaten pro Tag kommen mit diesem extremen Entscheidungsdruck nicht klar und kehren mit PTBS aus den Einsätzen zurück. Je besser sie auf Grenzsituationen geschult sind, umso besser können sie in Bruchteilen von Sekunden die richtigen Entscheidungen treffen. Die Bundeswehr hat eine PTBS-App entwickelt und das Thema in die kompetenten Hände von Generalarzt Bernd Mattiesen delegiert. Aus der Militärseelsorge war zu erfahren, dass die Heilungs-Chancen bei PTBS sehr gut stehen.

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO in Schnöggersburg - Generalleutnant Jörg Vollmer im Gespräch mit der Presse
Den Abschluss des Ausflugs nach Schnöggersburg bildeten zwei Statements der Generäle Vollmer und Spannuth. Es konnten Fragen gestellt werden. Dabei schauten wir auf das Rathaus. Es war an der Kuppel und den vier Fahnen davor zu erkennen: Deutschland, Niederlande, Norwegen und NATO. Zum Rathaus hätten wir nicht durchdringen können, da sich die VJTF-Soldaten mit ihren Fahrzeugen in Hollywood-Pose davor aufgereiht hatten.

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO in Schnöggersburg - Teilnehmer aus den Niederlanden und im Hintergrund ein GTK Boxer unter der Leitung eines deutschen Sanitäts-Teams
Nach den Fragen verteilten sich die Anwesenden auf dem Platz, kletterten in die Panzer, redeten mit den Soldaten und nahmen O-Töne der Offiziere auf. Immer begleitet vom allgegenwärtigen Staub.

Irgendwann rollte der erste Panzer vom Platz. Das war das Signal zur Rückfahrt. Die Busse brachten uns wieder zur Altmark-Kaserne. Ein spannender Tag in der Natur ging zu Ende. An einer Baustellenampel wischte ich mir durchs Auge: gelber Sand.

Video:
VJTF2019 - Schnelle Eingreiftruppe der NATO nimmt die Übungsstadt Schnöggersburg ein

Autor: Matthias Baumann

Montag, 18. Juni 2018

Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte zum Antrittsbesuch in Berlin empfangen

Knapp zwei Wochen nach Amtsantritt stattete der italienische Ministerpräsident heute Abend seinen Antrittsbesuch im Kanzleramt ab. Die Regierungsbildung in Italien hatte etwa drei Monate gedauert und sich wegen der unterschiedlichen Ansichten der koalitionsfähigen Parteien schwierig gestaltet.

Italien Ministerpräsident Giuseppe Conte Antrittsbesuch Angela Merkel
Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel
Giuseppe Conte ist Rechtswissenschaftler und hatte 1988 in Rom sein Examen mit summa cum laude abgelegt - zu Deutsch: Eins plus. Sein Absolvieren von Universitäten in den USA 1992 hatte er so formuliert, das der Eindruck vermittelt worden war, er habe dort auch studiert. Die NYU New York University bestätigte jedoch, dass er an keiner der genannten Universitäten eingeschrieben war. Wie Conte darauf erklären ließ, habe er beim Besuch lediglich seine Sprachkenntnisse aufgebessert.

Giuseppe Conte gilt als Europa-Kritiker. Seine inländischen Hauptthemen sind der Schuldenabbau durch Wirtschaftswachstum und die Reduzierung der Einwanderung. Er fordert eine faire Umverteilung von Migranten innerhalb Europas.

Der 53-jährige Giuseppe Conte wurde mit militärischen Ehren empfangen. Heute gab es die seltene Situation, dass die Pressebegegnung vor den Gesprächen der Amtskollegen stattfand. Entsprechend ernüchternd fiel diese Begegnung aus. Angela Merkel nahm ihren Kritikern proaktiv den Wind aus den Segeln und sprach über eine Stärkung von Frontex, sichere Grenzen und einen Ausbau der Afrika-Hilfen, um einer Abwanderung nach Europa schon in den Herkunftsländern zu begegnen.

Italien Ministerpräsident Giuseppe Conte Antrittsbesuch Angela Merkel
Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel - Pressebegegnung
Giuseppe Conte ging in seinem Statement auf die beiden oben genannten Themen Migration und Wirtschaftswachstum ein. Statt über Wachstum zu reden, verwendete er einige Zeit auf Zahlen zur Armut in Italien, den Suppenküchen und Obdachlosigkeit. So gebe es in Italien etwa 100.000 Obdachlose.

Fragen der Redakteure waren diesmal nicht vorgesehen. Die Kanzlerin geleitete ihren Kollegen zu den Fahnen. Nach dem obligatorischen Handschlag entschwanden beide Spitzenpolitiker den Blicken der anwesenden Journalisten.

Video:
Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel empfangen

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 14. Juni 2018

#SMAU - Start-ups vernetzen sich auf Italienisch

Beinahe wäre ich zu früh in der Italienischen Botschaft erschienen. 18:00 Uhr hatte ich mir eingeprägt und dann doch noch einmal auf das Ticket geschaut. Punkt sieben stellte ich den Wagen vor dem rosa Gebäude am Tiergarten ab. Am Eingang standen dekorative Carabinieri und zeigten den Weg zu den Damen mit den Teilnehmerlisten. Keine bekannten Gesichter. Kein Deutsch. Dafür aber eine anmutige weiße Mädchen-Skulptur, die in vielen bunten Tüchern versank. Die Garderobe?

#SMAU Italy Restarts Up Italienische Botschaft
SMAU | Italy Restarts Up - Networking Cocktail in der italienischen Botschaft
Die Pressefrau von SMAU sprach mich an und wir tauschten die Visitenkarten aus. Konversation auf Englisch. Gab es hier nur Italiener? Sollte das nicht ein Vernetzungsabend mit deutschen Start-ups werden? Ich schlenderte durch das Obergeschoss, schaute in das römische Atrium. Alles stilecht und liebevoll gepflegt. Hier eine abgebrochene Säule, dort eine spanische Wand und in einem Nebengelass sehr gemütliche Sitzecken: gelbes Leder und Glasplatten auf antikem Gestein. Wer hier wartet, kann in edlen Bildbänden von Maserati blättern.

Gegen halb acht entdeckte ich den ersten Deutschen: Staatssekretär Rickerts. Im großen Saal setzte er sich direkt vor mich neben ein A4-Blatt mit der Aufschrift "S.E." - die Abkürzung für "Seine Exzellenz". Damit war der Botschafter Italiens, Pietro Benassi, gemeint. Dieser eröffnete den Abend mit einer äußerst blumigen Rede. Ich blickte mich um. Nur Staatssekretär Rickerts und ich schienen die Simultanübersetzung zu nutzen. Leidenschaftliche Worte klangen durch den Kopfhörer. Synapsen, Disruption und das einheitliche Wirken in einem europäischen Hirn wurde mit so viel Sprezzatura vorgetragen, dass man schon fast die deutsche Nüchternheit vergaß.

#SMAU Italy Restarts Up Italienische Botschaft
SMAU | Italy Restarts Up - Reden vor stilechter Kulisse in der italienischen Botschaft
Es folgten weitere Reden, deren Inhalte weitestgehend vorhersehbar waren: Zahlen und Fakten und Fakten und Zahlen und immer wieder Big Data, Industrie 4.0 und Digitalisierung. Großes Erstaunen herrschte jedoch darüber, dass sogar Banken neuerdings beweglich seien und auf die Bedürfnisse von Start-ups eingingen. Die Zuhörer lernten zudem, dass Italien viele kleine, aber schlagkräftige Produktionsunternehmen habe. Dass das Investitionsklima gut und die staatliche Förderung beispielhaft sei. Letzteres wurde durch die Präsenz regionaler Wirtschafts-Organisationen deutlich.

Ein starker Fokus lag auf Talenten: Talente, Talente, Talente! Talente finden, Talente fördern, Talente verbinden. So sei eine homogene Atmosphäre mit geistiger Dürre gleichzusetzen. Innovation könne nur in einem heterogenen Rahmen entstehen, der Raum zum Ausprobieren, Raum für Fehler und Raum für unterschiedliche Sichtweisen lasse. Der letzte Redner, der sich selbst als letzte Bremse vor dem Networking-Cocktail bezeichnete, berichtete aus seiner Praxis des Vermarktens von Start-ups. So sei seine Organisation durch das Land gereist, habe sich die sämtlichen Produkte von Start-ups angesehen und bewirbt diese nun in den Sozialen Medien und im Fernsehen.

Dass Start-ups und Marketing nicht immer harmonieren, stellte sich auch in den Gesprächen bei Rotwein und italienischem Buffet heraus. So seien Start-ups angereist, die gar nichts mit dem Thema Networking anfangen können und auf ein Networking durch ihre offiziellen Regionalvertreter hofften. Ab und zu begegnete ich tatsächlich Gästen, die Deutsch sprachen. Das war an ihrem Akzent bei der Konversation auf Englisch zu erkennen. Es handelte sich weitestgehend um App-Firmen aus dem FinTech- oder Fahrzeug-Umfeld: Jung, Brille, Hipster-Style.

#SMAU Italy Restarts Up Italienische Botschaft
SMAU | Italy Restarts Up - Hieronymus schaut zu beim Networking-Cocktail in der italienischen Botschaft
Beim Verspeisen des Tiramisus schaute Hieronymus von einem Ölgemälde aus zu. Hieronymus hatte um 400 die Bibel auf Latein übersetzt. Diese Übersetzung ist als Vulgata bekannt. Beim Verlassen der Botschaft lief ich an einem Sims vorbei: "SPERA IN DEO ET FAC BONITATEM" - "Vertraue auf Gott und tue Gutes". SMAU verfolgt einen guten und altruistischen Ansatz. Es geht hier nicht um das egoistische Einbehalten von Know-how, sondern den Austausch, die Vernetzung. Ganz im Stil des Silicon Valleys, wo innovative Köpfe gemeinsam sinnieren, auch wenn sie eigentlich Wettbewerber sind.

"SMAU | Italy Restarts Up" wird heute fortgesetzt im Palazzo Italia: Unter den Linden 10. Dort präsentieren sich die italienischen Start-ups. Sie diskutieren über Wettbewerb, Verkehrskonzepte, virtuelle Realität, Mode, Finanz-Technologien, innovative Ökosysteme und weitere Themen. SMAU findet nun schon das vierte Mal in Berlin statt.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 13. Juni 2018

Kroatischer Verteidigungsminister Damir Krstičević zum Antrittsbesuch im Bendlerblock empfangen

Damir Krstičević wollte schon immer Soldat werden. Der vor 49 Jahren im ehemaligen Jugoslawien geborene Junge machte seinen Traum wahr, indem er zunächst die Militärhochschule Sarajevo absolvierte und an der Militärakademie Belgrad seine Ausbildung fortsetzte. 1991 - nach dem Zerfall von Jugoslawien - trat er in die 4. Brigade der Kroatischen Nationalgarde ein und diente sich dort hoch.

Kroatischer Verteidigungsminister Damir Krstičević Antrittsbesuch Berlin
Kroatischer Verteidigungsminister Damir Krstičević zum Antrittsbesuch in Berlin - Militärische Ehren
In dieser Zeit gab es viel für ihn zu tun, da die Segmentierung Jugoslawiens nicht gerade friedlich verlaufen war. 1997 wurde er an das U.S. Army War College (USAWC) geschickt, um sich weiter qualifizieren zu lassen. Im Jahr 2000 war er Mitunterzeichner des sogenannten Zwölf-Generäle-Briefes. Dieser Brief kritisierte die Regierung und die Berichterstattung über Einsätze der kroatischen Streitkräfte.

Spätestens seit Karl Müllner ist bekannt, dass kritische Generäle gerne mal vorfristig in den Ruhestand versetzt werden. Damir Krstičević kam bereits im zarten Alter von 31 Jahren in diesen Genuss. "Geschafft", würde so manch ein Otto Normalbürger sagen. Damir Krstičević sah das anders und betätigte sich als Geschäftsführer in einem kroatischen Software-Unternehmen.

Die Leidenschaft für militärisches Abenteuer ließ ihn aber auch als Manager nicht los. So stürzte er 2007 mit einem Hubschrauber ab. Er überlebte und sicherte sich einen Platz in der Hall of Fame am USAWC. Bei den Parlamentswahlen 2016 gewann seine Partei. Dadurch wurde ihm der Weg geebnet, seinen Kindheitstraum als Verteidigungsminister zu leben.

Kroatischer Verteidigungsminister Damir Krstičević Antrittsbesuch Berlin
Kroatischer Verteidigungsminister Damir Krstičević zum Antrittsbesuch in Berlin - Anschließend fanden Gespräche im Bendlerblock statt. Im Hintergrund steht ein Teil der Delegation.
Damir Krstičević ist einer der wenigen Verteidigungsminister, die erstens männlich und zweitens vom Fach sind. Betrachtet man die Frauenquote der jüngsten Antrittsbesuche, so fallen Gäste wie Mario Kunasek (Österreich) oder eben Damir Krstičević (Kroatien) besonders auf.

Deutschland und Kroatien arbeiten enger zusammen, als landläufig wahrgenommen wird. Als EU- und NATO-Partner sichert Kroatien die Südostflanke Europas, kämpft an der Seite der Bundeswehr in Afghanistan und im Kosovo und zeigt in Litauen Präsenz. In den heutigen Gesprächen mit Ursula von der Leyen soll es - wie nicht anders zu erwarten - um Sicherheitspolitik und Fragen der EU gehen.

Video:
Begrüßung des Kroatischen Verteidigungsministers Damir Krstičević mit militärischen Ehren

Autor: Matthias Baumann

Montag, 11. Juni 2018

Raum der Information am Ehrenmal der Bundeswehr durch Ursula von der Leyen eröffnet

Ein Jahr kann sehr lang sein. Ein Jahr lang zierten OSB-Platten den Bereich zwischen dem Ehrenmal der Bundeswehr und der Zufahrt an der Hildebrandstraße. Ein Jahr lang musste die Ehrenformation einen Schlenker laufen. Auch Ministerbesuche und der Große Zapfenstreich waren davon betroffen. Staatsgäste stiegen neben dem Gitterzaun am Paradeplatz aus und die Presse stand auf einem Boden aus Holzlatten.

Und plötzlich war der OSB-Zaun weg. Nach einem Jahr hatte man sich schon so daran gewöhnt, dass das gerade Einmarschieren zum Großen Zapfenstreich für Karl Müllner für einen Aha-Effekt sorgte. Leider war es bei diesem Anlass zu dunkel, um dem verschwundenen Sichtschutz weiter nachzugehen. Es war auch keine architektonische Unregelmäßigkeit zu erkennen.

Raum der Information Ehrenmal der Bundeswehr
Raum der Information am Ehrenmal der Bundeswehr - Schlüsselübergabe durch Petra Wesseler vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (links) an Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (rechts)
Heute wurde das Geheimnis gelüftet: Der Raum der Information wurde mit einer symbolischen Schlüsselübergabe eröffnet. Schlichte Architektur auf 120 m². Das entspricht in etwa der Grundfläche einer 5-Zimmer-Wohnung in Berlin. Die Referenzen von TRU Architekten offenbaren, dass diese ihre Kreativität mit schlicht, eckig und modern entfalten. Damit waren sie genau die Richtigen zur Gestaltung eines Anbaus für das Ehrenmal der Bundeswehr.

Das Ehrenmal der Bundeswehr erinnert an die nunmehr 3.267 Männer und Frauen, die während ihres Dienstes ums Leben gekommen waren. Hier mischen sich Victima und Sacrificium: Victima betrifft Unglücksfälle, die beispielsweise auf fehlerhafte Bedienung von Geräten zurückzuführen sind oder auch in anderen Lebenssituationen hätten passieren können. Sacrificium ist beispielsweise der Tod von Tobias Lagenstein, der als Personenschützer stellvertretend für General Markus Kneip in Afghanistan gestorben war.

Markus Kneip war heute Abend nicht dabei. Dafür aber mehrere Generäle und Admiräle sowie Angehörige der Verstorbenen. Insgesamt nahmen etwa 200 Gäste an der feierlichen Eröffnung teil. Die erste Rede hielt die Ministerin. Danach sprach Jutta-Kathrin Pauli als Vertreterin der Hinterbliebenen. Den Abschluss inklusive Schlüsselübergabe bildete Petra Wesseler vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung.

Raum der Information Ehrenmal der Bundeswehr
Raum der Information am Ehrenmal der Bundeswehr - Zugang vom Paradeplatz aus - Eisernes Kreuz an den jeweiligen Außenseiten der massiven Türen (siehe geöffnete Tür zum Paradeplatz)
Der Raum der Information ergänzt - wie der Name schon sagt - das Ehrenmal der Bundeswehr um Hintergrundinformationen zu den verstorbenen Personen. Besucher können den Raum wechselseitig von der Hildebrandstraße oder vom Paradeplatz aus betreten. In Vitrinen sind Gegenstände zu sehen, die Angehörige im Ehrenmal liegen gelassen hatten.

Per Audio und Video werden die Gäste auf Deutsch und Englisch über die Umstände des Ablebens informiert. Die Bilder sind in Schwarz-Weiß gehalten und unterstreichen damit den Charakter des Themas.

In die massiven Eingangspforten ist ein Eisernes Kreuz - das Symbol der Bundeswehr - eingelassen. Der Raum der Information wird von der Südseite aus betreten. Zuerst nimmt der Besucher ein Schriftband mit Zitaten wahr. Dieses spiegelt sich in der Außenscheibe. Hinter einer Holzwand eröffnet sich ein Raum mit Sitzgelegenheiten. Dieser Bereich ist durch eine weitere Holzwand auf der Nordseite abgeteilt. Dahinter findet der Besucher Ruhe zum Nachdenken. Dabei schaut er in einen kleinen Lichthof mit einer dreistämmigen Hainbuche.

Raum der Information Ehrenmal der Bundeswehr
Raum der Information am Ehrenmal der Bundeswehr - Rundgang nach der Eröffnung mit Staatssekretär Peter Tauber, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Generalinspekteur Eberhard Zorn (v.l.n.r.)
Der Raum der Information fügt sich fast unmerklich in das Ensemble von Ehrenmal der Bundeswehr und Wachgebäude ein. Es bildet eine harmonische Einheit. Die Hinterbliebenen sind dankbar für diesen weiteren "Baustein" des Gedenkens.

Video:
Feierliche Eröffnung des Raumes der Information am Ehrenmal der Bundeswehr

Autor: Matthias Baumann