Samstag, 1. September 2018

Schrippenfest 2018 beim Wachbataillon in der Julius-Leber-Kaserne - Tradition seit 1820

"Weißt du, was 'ne Schrippe ist?", fragten wir unser Ferienkind aus Frankfurt. "Ich kann es mir denken. Bei uns heißen die Brötchen Wecken." Kleine Brötchen aus hellem Teig gibt es schon seit der Antike. Die alten Römer verspeisten bereits die Semmel (simila = Mehl). Nicht ganz so alt ist die Tradition des Schrippenfestes.

Schrippenfest 2018 Wachbataillon
Schrippenfest 2018 beim Wachbataillon in der Julius-Leber-Kaserne
1819 wurde das Infanterie-Lehrbataillon in Potsdam gegründet. Es war eine gewisse Zeit dem 1. Garderegiment unterstellt und hatte damit eine besondere Beziehung zum preußischen Königshaus. Damals hatte König Friedrich Wilhelm III. regiert. Dessen Reitergemälde ist noch heute im Treppenhaus von Schloss Belevue zu bestaunen. Er war der Enkel von Friedrich II.

1840 wurde Friedrich Wilhelm III. wegen seines Ablebens durch Friedrich Wilhelm IV. abgelöst. Im dritten Amtsjahr ging es Seiner Majestät nicht so gut. In der Zeitung war zu lesen, dass das Schrippenfest am 28. Mai 1843 wegen einem "seychten Unwohlseyn" bis auf Weiteres abgesagt ist. Das Ereignis wird dort als "Speisung des Infanterie-Lehrbataillons" beschrieben und als "Schrippenfest" benannt.

Schrippenfest 2018 Wachbataillon
Schrippenfest 2018 beim Wachbataillon - Schrippe und Steak
Der Name Schrippenfest muss unmittelbar nach Gründung des Lehrbataillons entstanden sein. Bei der Speisung der Offiziere und Soldaten seit 1820 wurde übermäßig viel Essen aufgetragen. Es gab lange Tafeln, an denen Sauerbraten, Milchreis, saure Gurken, Kartoffeln, Backpflaumen und Weißbrote in Schrippenform verzehrt wurden. Letztere waren wohl Namensgeber für das Schrippenfest.

Das Erscheinen des Regierungsoberhauptes war ein so wichtiger Programmpunkt, dass eher das Schrippenfest abgesagt wurde, als dass es ohne König oder Kaiser stattgefunden hätte.

Das Wachbataillon des BMVg sieht sich in der Tradition des 1. Garderegimentes zu Fuß und hat daher auch die Tradition des Schrippenfestes übernommen. Auch heute noch dient es dem gemeinsamen Essen von aktiven und pensionierten Bataillonsangehörigen. Alte Hasen reden über vergangene Zeiten und motivieren die gerade erst vereidigten Rekruten. Networking quer durch die Generationen, Dienstgrade und Familien. Auch Freunde, Förderer und Patenverbände sind bei diesem privat gehaltenen Fest dabei.

Schrippenfest 2018 Wachbataillon
Schrippenfest 2018 beim Wachbataillon - Kinder können einen Wassereimer mit dem Kran bewegen.
Das Essen ist jedoch nicht mehr die Hauptsache. An fünf Stationen wurde heute Wachbataillon zum Anfassen demonstriert. Von 10 bis 23 Uhr konnte das Drillteam bestaunt, Salutschüsse gehört, mit der Feuerwehr gefahren, mit Nachtsichtgeräten experimentiert und auf Zielscheiben geschossen werden.

Das Wachbataillon setzt sich aus acht Kompanien zusammen, von denen nur vier für den allseits bekannten Protokolldienst eingesetzt werden. Die anderen Kompanien halten sich für Sicherungsaufgaben bereit. Wie früher zu Zeiten der Könige und Kaiser, sind sie auch heute noch für den unmittelbaren Schutz der Regierung zuständig. Wenn über die Protokollsoldaten als Ballettgruppe des Staates gelästert wird, trifft das so gar nicht das tatsächliche Aufgabenprofil dieses Bataillons.

Schrippenfest 2018 Wachbataillon
Schrippenfest 2018 beim Wachbataillon - Der Salutzug bereitet sich mich Ohrschützern auf drei Schüsse vor.
Das wird schon bei der Waffenschau deutlich. Diese ist fester Bestandteil des Tages der offenen Tür und auch des Schrippenfestes. Neben den weitestgehend demilitarisierten Karabinern 98k sind dort auch das Sturmgewehr G36 und weitere moderne Schusswaffen aus dem Hause Heckler & Koch zu sehen. Hinzu kommen Panzerfäuste, Handgranaten und diverse gepanzerte Fahrzeuge.

Videos:
Militärische Ehren mit Erklärungen durch das Wachbataillon
Salutzug mit Erklärungen und drei echten Salut-Schüssen
Infanterie-Vorführung der Sicherungskompanien des Wachbataillons
Drillteam in Marineuniform

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 28. August 2018

Botschafter aus Fidschi, Swasiland, Senegal und der Schweiz beim Bundespräsidenten im Schloss Bellevue akkreditiert

Ein breites Grinsen ging über das Gesicht des Offiziers, der mir die nächste Botschafter-Akkreditierung ankündigte: Fidschi, Swasiland, Senegal und - die Schweiz. Inzwischen ist ja hinreichend bekannt, dass das Protokoll keine Unterschiede zwischen großen und kleinen Staaten macht und die begleitenden Zeremonien semper talis - immer gleich - ablaufen. Davon konnten wir uns auch heute wieder im Schloss Bellevue überzeugen.

Botschafter im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Ehrenzug und Fahrzeuge des Bundespräsidenten vor dem Haupteingang des Schlosses
Es sollten heute vier Botschafter in folgender Reihenfolge ihre Beglaubigungsschreiben beim Bundespräsidenten abgeben:

Republik Fidschi - Deo Saran
Königreichs Eswatini (ehemals Swasiland) - Sibusisiwe Mngomezulu
Republik Senegal - Cheikh Tidiane Sall
Schweizerischen Eidgenossenschaft - Dr. Paul Seger

Die Botschafter und ihre Delegationen fuhren wie üblich ab zehn Uhr im Halbstundentakt vor.

Botschafter akkreditiert - Republik Fidschi - Deo Saran
Botschafter akkreditiert - Republik Fidschi - Deo Saran (links)
Zuerst erschien Deo Saran von der Republik Fidschi. Die Fidschi-Inseln liegen in Ozeanien - noch weiter weg als Australien. Auch Fidschi hat den Union Jack oben links in der Flagge - umgeben von ganz viel Hellblau. Das soll wohl ein Symbol für das viele Wasser sein. 1774 hatte James Cook die Inseln besucht und nur wenige Jahre später siedelten sich Europäer dort an und bestimmten bald die Politik und die Wirtschaft. Im Zweiten Weltkrieg dienten die Inseln als strategischer Stützpunkt der Alliierten. 1970 wurde Fidschi unabhängig und schloss sich dem Commonwealth an. Unabhängigkeit nach britischen Vorstellungen. Damit gehören sie nun zu den Hoffnungsträgern des Brexits. Wenn die EU-Verträge ab April 2019 nicht mehr nutzbar sind, muss eben innerhalb des Commonwealth gehandelt werden.

Botschafter akkreditiert - Republik Fidschi - Deo Saran
Botschafter akkreditiert - Republik Fidschi - Deo Saran - Eintrag ins Gästebuch des Schlosses Bellevue
Fidschi hat ein recht hohes Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Wichtige Faktoren dafür sind Goldvorkommen und der Tourismus.

Etwa die Hälfte der heutigen Bevölkerung besteht aus den fidschianischen Ureinwohnern. Diese müssen vor etwa 3.000 Jahren aus Südostasien auf die Inseln verschlagen haben. Ende des 19. Jahrhunderts wurden Gastarbeiter aus Indien geholt, die fortan auch die gesellschaftlichen Strukturen prägten. Fidschi hat insgesamt weniger als eine Million Einwohner. Etwa die Hälfte bezeichnet sich als evangelisch, ein Viertel sind Hindus und der Rest teilt sich auf römisch-katholisch und andere Zugehörigkeiten auf.

Botschafter akkreditiert - Republik Fidschi - Deo Saran
Botschafter akkreditiert - Republik Fidschi - Deo Saran - Flaggenparade
Entsprechend klein war auch die Delegation des Botschafters, Deo Saran. Deo Saran kommt aus der Wirtschaft. Seine Karriere begann er nach einschlägigen Studiengängen bei Price Waterhouse und stieg dann als CEO in diverse Unternehmen ein. Er saß in verschiedenen Vorständen und Beratungskreisen in Fidschi, Australien und Europa. Er ist begeisterter Golfer und interessiert sich auch privat für Wirtschaft und Regierungsthemen.

Botschafter akkreditiert Swasiland Königreich Eswatini Sibusisiwe Mngomezulu
Botschafter akkreditiert - Königreich Eswatini (ehemals Swasiland) - Sibusisiwe Mngomezulu (links)
Swasiland wurde im April in Königreich Eswatini umbenannt. Kritisch ist das, wenn die richtige Fahne aus dem Flaggenkeller des Schlosses Bellevue geholt werden soll und diese mit einem anderen Namen beschriftet ist. Wer kennt schon Eswatini und würde die Fahne bei S wie Swasiland suchen?

Eswatini hat etwa 1,5 Millionen Einwohner und liegt wie Lesotho als Enklave inmitten von Südafrika. Ein Drittel sind Protestanten und ein Drittel afrikanische Christen, die keiner klassischen europäischen Denomination zuzurechnen sind. Knapp 40% der Bevölkerung sind HIV-positiv und Eswatini ist damit weltweit Spitzenreiter. Im Gegensatz dazu zählt das Land bei der Pressefreiheit zu den globalen Schlusslichtern.

Botschafter akkreditiert Swasiland Königreich Eswatini Sibusisiwe Mngomezulu
Botschafter akkreditiert - Königreich Eswatini (ehemals Swasiland) - Sibusisiwe Mngomezulu - Flaggenparade
Über den Botschafter Sibusisiwe Mngomezulu ist bekannt, dass er 1973 in Swasiland geboren wurde, verheiratet ist und zwei Kinder hat. Er hatte zunächst Sozialwissenschaften studiert und war dann auf Unternehmensführung und Projekt-Management umgeschwenkt. Seine Abschlüsse hatte er in Südafrika und den USA gemacht. Anschließend war er in verschiedenen Wirtschaftsbranchen tätig, ging dann im Regierungsauftrag nach Malaysia und im Mai 2017 nach Brüssel, wo er sein Land bei der EU und diversen europäischen Ländern inklusive Vatikan vertritt.

Botschafter akkreditiert Republik Senegal - Cheikh Tidiane Sall
Botschafter akkreditiert - Republik Senegal - Cheikh Tidiane Sall (links)
Senegal liegt an der Westküste Afrikas und grenzt im Osten an Mali. Senegal hat die typischen afrikanischen Nationalfarben: Grün, Gelb, Rot. Mit 15 Millionen hat es das zehnfache der Einwohner Swasilands. Vor 60 Jahren waren es noch drei Millionen Einwohner. Über 90% der Bevölkerung bekennen sich zum sunnitischen Islam. 1960 erlangte Senegal zusammen mit Mali seine Unabhängigkeit von Frankreich.

Botschafter akkreditiert Republik Senegal - Cheikh Tidiane Sall
Botschafter akkreditiert - Republik Senegal - Cheikh Tidiane Sall - Flaggenparade
Während Swasiland von Südafrika umschlossen wird, umschließt Senegal das Land Gambia. Gambia hat aber Zugang zum Atlantik und beherrscht den Gambia, einen der Hauptströme Westafrikas. Als Ersatz hat Senegal noch den Senegalstrom im Norden.

Botschafter Cheikh Tidiane Sall war zuvor Protokollchef im Senegal und betreibt diverse Social-Media-Kanäle.

Botschafter akkreditiert Schweiz Paul Seger
Botschafter akkreditiert - Schweizerische Eidgenossenschaft - Paul Seger
Und noch ein Land mit S: Schweiz. Wo die Schweiz liegt, dass sie etwa 8 Millionen Einwohner hat und kein Mitglied der EU ist, sollte bekannt sein. Nicht so bekannt ist vielleicht, dass die Flagge der Schweiz quadratisch ist - im Gegensatz zu sämtlichen Fahnen, die im Flaggenkeller des Schlosses Bellevue lagern. Die Schweiz ist übrigens froh über die Umbenennung von Swasiland. Wurde das doch im Internet ständig mit Switzerland verwechselt.

Botschafter akkreditiert Schweiz Paul Seger
Botschafter akkreditiert - Schweizerische Eidgenossenschaft - Paul Seger - quadratische Fahne
Dr. Paul Seger, der neue Botschafter der Schweizerischen Eidgenossenschaft, zieht nun in das Haus neben dem Bundeskanzleramt. Er ist promivierter Jurist. Paul Seger war zwischen 2010 und 2015 Leiter der Schweizer UNO-Mission in New York und Direktor für Völkerrecht. Seine Erkennungszeichen sind ein verschmitztes Lächeln und die Fliege.

Video:
Akkredierung der Botschafter von Fidschi, Swasiland, Senegal und der Schweiz im Schloss Bellevue

Autor: Matthias Baumann

Montag, 27. August 2018

Großer Zapfenstreich für SACT NATO-General Denis Mercier in Berlin-Gatow

General Mercier ist die Kurzform von NATO Supreme Allied Commander Transformation Général d'armée aérienne Denis Mercier. Denis Mercier ist Franzose. Wäre er Brite, hätte er sicher weitere Zusätze wie KCMG (Knight Commander of the Order of St Michael and St George) oder ähnliches. Eine Zumutung für den geneigten Leser. Deshalb einigen wir uns im Folgenden auf entsprechende Kurzformen.

Großer Zapfenstreich SACT NATO-General Denis Mercier in Berlin-Gatow
Großer Zapfenstreich für NATO Suprime Allied Commander Transformation (SACT) General Denis Mercier in Berlin-Gatow - Urkunde des Wachbataillons
General Mercier ist jetzt 58 und ein waschechter Luftwaffenoffizier. Er gehört zu den Glücklichen, die über 3.000 Stunden in der Luft zubringen konnten. Davon 182 Stunden über Bosnien und Herzegowina. Das waren echte Kampfeinsätze. Mit 20 trat er in die Luftwaffe ein und wurde bis 1983 zum Piloten ausgebildet. Seine bevorzugten Maschinen waren die Mirage F1C und die Mirage 2000C.

Ab 2001 zeichnete er auf dem Luftwaffenstützpunkt Reims für alle dort stationierten Einheiten verantwortlich und bereitete diese auf den Einsatz in Afghanistan vor. 2004 wechselte er ins Hauptquartier der französischen Luftstreitkräfte und war dort für die Finanzplanung zuständig. Vier Jahre später übernahm er Verantwortung für die Offiziersschule der französischen Luftwaffe. 2010 begann er als Berater des französischen Verteidigungsministers und besuchte sämtliche hochrangige NATO-Treffen. 2011 wurde er zum Chef der Luftwaffe und wirkte maßgeblich an der Einführung des Airbus A400M mit.

Großer Zapfenstreich SACT NATO-General Denis Mercier in Berlin-Gatow
Großer Zapfenstreich für NATO Suprime Allied Commander Transformation (SACT) General Denis Mercier in Berlin-Gatow - Ehrenspalier
2015 berief ihn die NATO als Supreme Allied Commander Transformation (SACT). Das Allied Command Transformation (ACT) sitzt in Norfolk. Norfolk liegt an der Atlantikküste von Virginia - 366 Meilen südlich von New York City. Das ACT gibt es schon seit 1952. Damals tobte noch der Kalte Krieg und die NATO wollte die Nordatlantik-Route zwischen USA und Europa gegen einen möglichen Keil der Sowjetunion aus Richtung Nordmeer absichern.

2002 wurde in Prag eine Verschlankung der NATO-Befehlsstrukturen beschlossen. Das sollte der geänderten Situation internationaler Krisenherde Rechnung tragen. So wurde das alte ACLANT (Allied Command Atlantik) in zwei neue Hauptquartiere umgestaltet: ACT und ACO. ACO bedeutet Allied Command Operations und ist für die konkreten Einsätze zuständig. Das ACT hingegen beschäftigt sich mit T wie Transformation der NATO.

2009 übernahm erstmals ein Franzose das Kommando des ACT: Stéfane Abrial. Dann kam wieder ein Franzose: Jean-Paul Palomeros. Dieser wurde 2015 vom Franzosen Denis Mercier abgelöst.

Großer Zapfenstreich SACT NATO-General Denis Mercier in Berlin-Gatow
Großer Zapfenstreich für NATO Suprime Allied Commander Transformation (SACT) General Denis Mercier in Berlin-Gatow - Pauken und Flugzeuge
Heute stand der 4-Sterne-General auf dem Gelände des Luftwaffenmuseums Gatow und wurde mit einem Großen Zapfenstreich in den Ruhestand verabschiedet. Recht früh mit 58 Jahren. Das hat wohl zwei Gründe: Erstens hatte es mit dem begehrten Posten im EU-Militärausschuss nicht geklappt und zweitens ist das Eintrittsalter für die Rente in Frankreich deutlich niedriger als in Deutschland. Ein 4-Sterne-General hat generell nur noch wenig Luft nach oben: Minister, Premierminister, Präsident.

Mit ihm auf dem Podest standen der Generalinspekteur Eberhard Zorn und der parlamentarische Staatssekretär Thomas Silberhorn. Letzteres lag nicht etwa daran, dass Mercier "nur" Franzose ist, sondern am Terminkalender der Ministerin. Der Große Zapfenstreich steht deutschen Generälen mit drei und vier Sternen zu sowie dem Bundespräsidenten, der Kanzlerin und der Verteidigungsministerin. Ausländische 4-Sterne-Generäle mit multinationaler Kommandoerfahrung können ebenfalls mit einem Großen Zapfenstreich geehrt werden. Denis Mercier waren als Chef des ACT deutsche Truppen direkt unterstellt. In Frankreich gilt er sogar als 5-Sterne-General. Dort ist die Zählung wohl anders. 5 Sterne gibt es in Deutschland nicht.

Es ist davon auszugehen, dass für den General auch in Frankreich ein entsprechendes Abschiedszeremoniell veranstaltet wird. Der Große Zapfenstreich in Gatow wurde jedenfalls mit der üblichen Performance durch das Wachbataillon und das Stabsmusikkorps durchgeführt - semper talis eben - immer gleiche Qualität.

Großer Zapfenstreich SACT NATO-General Denis Mercier in Berlin-Gatow
Großer Zapfenstreich für NATO Suprime Allied Commander Transformation (SACT) General Denis Mercier in Berlin-Gatow - Der Generalinspekteur Eberhard Zorn, General Denis Mercier und Staatssekretär Thomas Silberhorn (v.l.n.r.) schreiten durch das Ehrenspalier zum Podest - zu schnell für das Foto aber Symbol für die Vergänglichkeit des Amtes.
Deutschland ehrt ihn insbesondere für seine Verdienste bei der Vernetzung der nordatlantischen Allianz und die erhebliche Fachkompetenz in der dritten Dimension: Luft. Vor einem Jahr hatte es wegen ihm allerdings eine leichte deutsch-französische Verstimmung gegeben: Als der Chef-Posten beim EU-Militärausschuss turnusmäßig neu besetzt werden sollte, stand der deutsche 3-Sterne-General Erhard Bühler hoch im Kurs. Das wurde jedoch von französischer Seite verhindert, indem Denis Mercier ins Rennen geschickt wurde. Wenn zwei sich streiten, freut sich bekanntlich der Dritte, nämlich der Italiener Claudio Graziano. Egal, Erhard Bühler geht dann eben als Commander der Allied Joint Forces Command (JFC - der ACO unterstellt) nach Brunssum und Denis Mercier in den Ruhestand.

Der Nachfolger von Denis Mercier in Norfolk wird ein vierter Franzose in Folge: Luftwaffen-General André Lanata. Lanata ist zwar bisher nur 146 Kampfeinsätze geflogen, hat aber insgesamt 300 Flugstunden mehr als Mercier. Interessanter als der Umstand, dass er sich mit Mirage F1CR und Mirage 2000D auskennt, ist wohl, dass er bis 2025 den Finanzkurs bestimmen und sich um die Lufteinsatz-Systeme der NATO kümmern wird.

Der Ruheständler Mercier hatte neben seinem Dienst auch ein Privatleben: Seit etwa 30 Jahren ist er verheiratet und hat drei Kinder. Er malt und zeichnet gerne und ist ein leidenschaftlicher Ski-Fahrer. Die persönliche Note kommt regelmäßig bei der Serenade zum Tragen. Die Liste seiner Wunschlieder sah folgendermaßen aus:
  • Les chevaliers du ciel - Bernard Kesslair - arrangiert von Guido Rennert
  • The water is wide - traditionell - arrangiert von Guido Rennert
  • Star Wars - John Williams - arrangiert von John Glenesk Mortimer
Video:
Großer Zapfenstreich für NATO-General Denis Mercier


Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 22. August 2018

Angolas Staatspräsident João Manuel Gonçalves Lourenço besucht Angela Merkel und den Bundespräsidenten

Am 11.11.1975 erlangte Angola seine Unabhängigkeit von Portugal. Deshalb ist die Amtssprache bis heute Portugiesisch. Angola verzeichnet ein erhebliches Bevölkerungswachstum. Nach Schätzungen sollte inzwischen die 30-Millionen-Marke erreicht sein. In den nächsten 30 Jahren wird ein Anstieg auf 76 Millionen erwartet. Die Demografie-Kurve entspricht einem typischen Entwicklungsland. Das Durchschnittsalter liegt bei etwa 18 Jahren. Angola grenzt an die beiden Kongo-Staaten, an Sambia und an Namibia. Es liegt also südlich des Äquators auf der Höhe von Brasilien.

Angola Staatspräsident João Manuel Gonçalves Lourenço Berlin Angela Merkel
Angolas Staatspräsident João Manuel Gonçalves Lourenço zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel in Berlin
Die portugiesische Herrschaft in Angola begann 1483. Während Columbus Amerika entdeckte, Luther die 95 Thesen verfasste und die Malteser eine entscheidende Seeschlacht gegen die Osmanen gewannen, bauten Portugiesen einige Handelsposten an der Atlantikküste Angolas. Das Hinterland war zunächst uninteressant für die neuen Herren und wurde sukzessive bis 1920 erobert. 1974 kam es zu einem Umsturz in Portugal, bei dem die Militärdiktatur gestürzt und unmittelbar danach die Entkolonialisierung Angolas beschlossen wurde.

Das Machtvakuum wollte die USA nicht den Kommunisten überlassen und unterstützte von den Nachbarländern aus die konservativen Kräfte. Die ehemalige Sowjetunion und Kuba unterstützten die kommunistische MPLA (Movimento Popular de Libertação de Angola - Volksbewegung zur Befreiung Angolas). In Angola wurde dadurch ein Bürgerkrieg ausgelöst, in dessen Folge die MPLA die Oberhand gewann und 1975 in Luanda die Unabhängigkeit ausrief. Der Bürgerkrieg ging trotzdem weiter. Ruhe kehrte so langsam erst 2008 ein.

Die Vorherrschaft Kubas und der Sowjetunion bestimmten wohl auch das Symbol auf der schwarz-roten Fahne Angolas: Ein Stern, ein halber Zahnkranz und eine Machete formen das bekannte Sichel-Symbol kommunistischer Fahnen. Die MPLA ist immer noch stärkste Kraft in der Regierung. Wie in solchen Ländern üblich, war auch der letzte Präsident, José Eduardo dos Santos, von 1979 bis 2017 im Amt. Er schied durch nicht erfolgte Neukandidatur aus dem Amt.

Angola Staatspräsident João Manuel Gonçalves Lourenço Berlin Angela Merkel
Angolas Staatspräsident João Manuel Gonçalves Lourenço zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel in Berlin
Seit dem 26. September 2017 ist João Manuel Gonçalves Lourenço der Staatspräsident von Angola. Der 64-Jährige ist Sohn eines Krankenpflegers und einer Näherin. Schon als Jugendlicher trat er der MPLA bei. Seine Kampfausbildung erhielt er bei der Artillerie und fungierte anschließend als politischer Offizier. Ein Scharfmacher also, der von 1991 bis 1998 sogar als Sekretär des Politbüros arbeitete. Um die passende Wahrnehmung der Geschichte zu erlernen, erwarb er in der Sowjetunion ein Geschichts-Diplom. Die rote Linie in seinem Lebenslauf sorgte dafür, dass er General der angolanischen Streitkräfte wurde und 2008 in die Politik wechselte - natürlich unter dem Dach der MPLA.

Heute absolvierte er seinen Antrittsbesuch in Berlin. Die Bundeskanzlerin empfing ihn am Mittag mit militärischen Ehren. Weil er als Präsident der Erste im Staate ist, traten heute sogar alle drei Teilstreitkräfte im Kanzleramt für ihn an. Ein "kleines Ehrenbataillon", wie es intern bezeichnet wird.

Bei einem Arbeitsessen redeten die Spitzenpolitiker vorrangig über wirtschaftliche Themen. Angola ist der zweitgrößte Erdöl-Exporteur Afrikas und besitzt interessante Bodenschätze. João Lourenço warb um Investoren aus Deutschland, denen die Kanzlerin mit Hermesbürgschaften ein gewisses Maß an Sicherheit zusagte.

Der Präsident hat zwar eine lupenreine Politkarriere hinter sich, führt jedoch in seinem Land konsequent Reformen durch. Das macht ihn beliebt bei der Bevölkerung, zumal er auch die Korruption angeht und der Vetternwirtschaft seines Vorgängers den Nährboden entzieht. So werden aktuell mehrere Großprojekte neu ausgeschrieben und durchaus auch an Firmen vergeben, die nicht zu 35% in angolanischer Hand sind. IWF und Weltbank bewerten die Entwicklung in Angola sehr positiv.

Morgen Vormittag wird João Manuel Gonçalves Lourenço den Bundespräsidenten im Schloss Bellevue besuchen.

Video:
Angolas Staatspräsident João Manuel Gonçalves Lourenço zum Antrittsbesuch in Berlin

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 17. August 2018

Fortsetzung des Berlin-Prozesses mit Montenegros Ministerpräsidenten Duško Marković

Nach der Sommerpause geben sich die Protagonisten der Balkan-Region die Klinke in die Hand. Erst am Montag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Vorsitzenden des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić, empfangen. Heute stand der Ministerpräsident Montenegros auf dem roten Podest im Ehrenhof des Kanzleramtes.

Duško Marković hat gerade seinen 60. Geburtstag gefeiert. Er ist Jurist und hatte ab 2010 diverse Ministerposten belegt. Seit November 2016 fungiert er als Ministerpräsident Montenegros. Viel mehr ist nicht über ihn bekannt.

Montenegros Ministerpräsident Duško Marković Angela Merkel Berlin
Montenegros Ministerpräsident Duško Marković zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel in Berlin
Deshalb wird ihn wohl US-Präsident Trump beim NATO-Gipfel im Mai 2017 so bestimmt zur Seite geschoben haben. Immerhin hat die USA mit 660 Milliarden Dollar die weltweit höchsten Rüstungsausgaben. Warum also den Repräsentanten eines Landes mit nur 4,7 Milliarden Dollar Bruttoinlandsprodukt beim Gruppenfoto vor sich stehen lassen?

Duško Marković regiert eine Einwohnerzahl, die in etwa der Population Stuttgarts entspricht. Auch Montenegro setzt sich aus vielen Ethnien zusammen. Die stärkste Fraktion bilden mit 45% die Montenegriner. Es folgen mit 29% die Serben. Ein Großteil der Bevölkerung bezeichnet sich als serbisch-orthodox. Dadurch ist zumindest das religiöse Spannungspotenzial minimiert.

Spannungen gab es dennoch genug nach dem Zerfall Jugoslawiens. Insbesondere die starke Verquickung mit Serbien sorgte immer wieder für Interessenskonflikte und Koalitionen, die nicht von allen Bürgern Montenegros mitgetragen wurden. Mitte 2006 erlangte Montenegro nach dem sehr knappen Ergebnis einer Volksabstimmung seine Unabhängigkeit vom zwischenzeitlichen Verbund "Serbien und Montenegro". Seitdem bemüht sich Montenegro um eine EU-Mitgliedschaft. Die Europäische Kommission hält einen Beitritt bis 2025 für realistisch.

Montenegros Ministerpräsident Duško Marković Angela Merkel Berlin
Montenegros Ministerpräsident Duško Marković zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel in Berlin
Seit Juni 2017 ist Montenegro Mitglied der NATO. Das ging also etwas schneller als mit der EU. Zur Erfüllung der 2%-Richtlinie muss Montenegro 94 Millionen Euro in seinen Verteidigungshaushalt investieren. Davon knapp 19 Millionen Euro für Neuanschaffungen. Bereits 2011 hatten die Verteidigungsausgaben einen Stand von 1,9% des BIP erreicht. Die Bundeswehr engagiert sich bei der Ausbildung montenegrinischer Soldaten.

Die Aufnahme in die EU verläuft nicht ohne Grund deutlich zögerlicher. Montenegro bietet einen geeigneten Rückzugsort für die organisierte Kriminalität: illegaler Handel mit Drogen, Waffen, Zigaretten, Fahrzeugen und Menschen. Logische Folge ist ein überproportionales Maß an Korruption. Gelegentlich werden kritische Journalisten oder Polizei-Ermittler beseitigt.

Bei den heutigen Gesprächen im Bundeskanzleramt ging es unter anderem um den EU-Beitritt und die Befriedung der Region im Rahmen des Berlin-Prozesses. Angela Merkel bezeichnete die Unterredung als "Gespräch unter Freunden". Eine EU-Perspektive hätten die Länder des Westbalkan aber nur dann, wenn sie die Grenzen ihrer jeweiligen Nachbarn akzeptierten und die regionalen Konflikte beigelegt seien.

Duško Marković hat verinnerlicht, dass deutsche Investoren nur dann in größerem Maßstab ins Land kommen, wenn das Kriminalitätsproblem aktiv angegangen werde. So habe er heute um Unterstützung durch deutsche Experten gebeten, die ihm die Kanzlerin auch zugesagt habe.

Video:
Antrittsbesuch des Ministerpräsidenten von Montenegro, Duško Marković, in Berlin

Autor: Matthias Baumann

Montag, 13. August 2018

Vorsitzender des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić, leitet im Kanzleramt das Ende der Sommerpause ein

Viel ist über den Mann aus Bosnien und Herzegowina nicht bekannt. Denis Zvizdić wurde in Sarajevo geboren und ist 54 Jahre alt. 2007 hatte er an der Architektur-Fakultät der Universität seiner Heimatstadt promoviert und anschließend dort auch als Professor gearbeitet.

Seit März 2015 ist Denis Zvizdić Vorsitzender des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina. Der holperige Amtsbegriff entspricht einem Ministerpräsidenten und stellt ihn damit auf die gleiche administrative Stufe wie die Kanzlerin. Die Regierungsbildung hatte ein halbes Jahr gedauert. So etwas kennen wir neuerdings auch aus Deutschland.

Zudem hatte es über drei Jahre gedauert, bis Denis Zvizdić seinen Antrittsbesuch in Berlin absolvieren konnte. Damit ist seine Amtszeit schon fast wieder vorbei. Heute wurde er mit militärischen Ehren empfangen.

Vorsitzender des Ministerrates Bosnien Herzegowina Denis Zvizdić Angela Merkel Berlin
Vorsitzender des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić, bei Bundeskanzlerin Angela Merkel
Bosnien hat etwa so viele Einwohner wie Berlin, ist Beitrittskandidat der EU und seit acht Jahren offizieller Beitrittskandidat der NATO. Manche Dinge brauchen ihre Zeit. Bei einem Bruttoinlandsprodukt von 18 Milliarden Dollar wäre die Mitgliedschaft in der NATO gar nicht so teuer: 360 Millionen Euro wären für den Verteidigungshaushalt bereitzustellen. Als Friedens-Partner der NATO sind inzwischen über 50 Bosnier in Afghanistan (ISAF) eingesetzt. Bosnien und Herzegowina gilt als das am stärksten mit Landminen verunreinigte Gebiet Europas.

Bosnien und Herzegowina ist föderal und dezentral organisiert und grenzt an Serbien, Kroatien, Montenegro und die Adria. Der Ministerpräsident von Montenegro, Duško Marković, wird am Freitag im Kanzleramt erwartet. In Bosnien leben drei Volksgruppen, die sich ethnisch und religiös voneinander abgrenzen: 50% islamische Bosniaken, 31% orthodoxe Serben und 15% katholische Kroaten.

Vorsitzender des Ministerrates Bosnien Herzegowina Denis Zvizdić Angela Merkel Berlin
Vorsitzender des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić, bei Bundeskanzlerin Angela Merkel - Fahne von Bosnien und Herzegowina in der Mitte
Nach dem Zerfall Jugoslawiens wurde im März 1992 die Republik Bosnien und Herzegowina gegründet. Diese wurde im April 1992 international anerkannt. Dann folgte der Bosnienkrieg zwischen den oben erwähnten Ethnien. 1995 wurde in Dayton (USA) ein Friedensvertrag ausgehandelt und Ende 1995 in Paris unterschrieben.

Auch heute noch gehen die Ambitionen der Politiker der drei Ethnien weit auseinander: Die beherrschenden Bosnier möchten eine Zentralisierung, die Serben möchten eine Dezentralisierung und die Kroaten möchten ein neues Wahlrecht. Gelegentlich kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und der serbischen Drohung, sich von der Republik abzuspalten und damit das Staatsgebiet Serbiens zu vergrößern.

Vorsitzender des Ministerrates Bosnien Herzegowina Denis Zvizdić Angela Merkel Berlin
Vorsitzender des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić, bei Bundeskanzlerin Angela Merkel - Ehrenformation im Ehrenhof des Bundeskanzleramtes mit hartem Schlagschatten - Die Staatengemeinschaft kümmert sich um Stabilität in der Region.
Die Bevölkerung ärgert sich jedoch besonders über die anhaltend hohe Korruption im bosnischen Amtskörper. Wegen der anhaltenden Spannungen unter den Volksgruppen und der noch sehr fragilen Regierung liegt ein Teil der Staatsgewalt in den Händen des Hohen Repräsentanten. Dieser ist von der UNO eingesetzt. Seit neun Jahren bekleidet der Österreicher Valentin Inzko dieses Amt. Deutschland, Schweden und andere Staaten hatten in der Vergangenheit ebenfalls einen Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina gestellt.

Zusammen mit Großbritannien hat Deutschland 2014 ein Stabilisierungsprogramm für den Westbalkan auf den Weg gebracht - bekannt als Berlin-Prozess. So standen heute die allgemeine Stabilisierung der Region, das bosnische Wahlrecht, die Zusammenarbeit in der NATO und die EU-Beitrittsbemühungen auf dem Programm.

Besonders nachdrücklich forderte die Kanzlerin die Abschaffung rechtsfreier Räume und eine Abstellung der gravierenden Korruption. Das sei eine entscheidende Voraussetzung für deutsche Direkt-Investitionen. In wirtschaftlicher Hinsicht unterstützt Deutschland das Land bereits bei der dualen Ausbildung von Jugendlichen. Alles steht und fällt jedoch mit der positiven Veränderung der Situation bei Kriminalität und Terrorismusfinanzierung in Bosnien und Herzegowina.

Angesichts der ethnisch-religiösen Zusammensetzung des Landes und der Abspaltungstendenzen seitens der Serben verzeichnet Bosnien-Herzegowina momentan einen erhöhten Zustrom von serbischen Flüchtlingen. Auch die Kanzlerin zeigte sich überrascht und regte eine Untersuchung der Ursachen an.

Video:
Vorsitzender des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić, mit militärischen Ehren in Berlin empfangen

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 3. August 2018

2 Jahre Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und der Zukunft der Bundeswehr

Seit zwei Jahren steht das Weißbuch 2016 im Regal. Wie wird mit einem Buch der Bundesregierung umgegangen, das im A4-Format vorliegt und 142 Seiten hat? Ja, es wird gelegentlich durchgeblättert, das eine oder andere Foto betrachtet und dann wieder weggestellt. Zu wertig erscheint der geprägte weiße Einband, um das nur punktuell gelesene Werk dem Recyclingprozess zuzuführen.

Dank der medialen Sommerflaute wurde nun das Weißbuch aus dem Regal geholt und durchgelesen. Das war eine gute Idee. Erklärt sich daraus doch Vieles, was die Bundesregierung zurzeit formuliert und tut.

11. Weißbuch der Bundesregierung

Am 13. Juli 2016 wurde das jüngste Weißbuch verabschiedet. Es ist bereits das 11. Weißbuch der Bundesregierung "zur Sicherheitspolitik und der Zukunft der Bundeswehr". Das erste Weißbuch wurde 1969 herausgegeben. Damals war Gerhard Schröder noch Verteidigungsminister. Während des Kalten Krieges gab es eine erhöhte Weißbuch-Frequenz, bis schließlich im Jahr 2006 das vorletzte Weißbuch gedruckt wurde. Zehn Jahre also bis zum aktuellen Exemplar.

Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und der Zukunft der Bundeswehr
Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und der Zukunft der Bundeswehr
In den zehn Jahren zwischen 2006 und 2016 hatte sich sicherheitspolitisch Einiges verschoben. Insbesondere war eine neue Form der Kriegsführung hinzugekommen, die mit dem Attribut hybrid auf den Punkt gebracht wird. Hybrid bedeutet, dass die Grenze zwischen Krieg und Frieden verwischt und die Mittel zur Kriegsführung nicht mehr nur auf die drei Dimensionen Land, Wasser und Luft reduziert sind. Es kamen die zwei Dimensionen Weltraum und Cyber-Informationsraum hinzu.

Zwei neue Dimensionen

Wenn also von einem Angriff aus der fünften Dimension geredet wird, ist eine technisch versierte Attacke auf die Software- und Netzwerkarchitektur gemeint: Cyber. Ein Angriff aus der fünften Dimension könnten auch viral verbreitete Fake News sein: Informationsraum. Gerade Letztere stellen noch keine heiße Kriegshandlung dar, sorgen aber für Unsicherheit und destabilisieren Gesellschaften und Staaten.

Hilfe zur Selbsthilfe

Sebastian Kurz aus Österreich hätte seine Freude an diesem Weißbuch. Immerhin tangiert es ständig seinen Lieblingsbegriff Subsidiarität. Subsidiarität wird zwar als Wort nicht verwendet, aber das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe, also der Hilfe zur Übernahme von Eigenverantwortung wird mehrfach als Leitlinie deutschen Handelns festgeschrieben.

Deutschland setzt auf Ausbildung, Beratung und Ausrüstung, wobei materielle Hilfe nur zur Flankierung nachhaltiger Entwicklungsprozesse einzusetzen sei. Ganz wie es Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller kürzlich formulierte: "Weg von der Gießkanne ... Wir wollen Fortschritte sehen!"

Deutschland mit Führungsverantwortung und Gestaltungsanspruch

Mehrfach taucht auch der Begriff der Rahmennation auf. Eine Rahmennation übernimmt im internationalen Kontext Führungsverantwortung. Entgegen der an den Stammtischen kritisierten Duckmäuser-Politik sieht die Bundesregierung im Weißbuch 2016 einen klaren Führungs- und Gestaltungsanspruch Deutschlands vor. Allerdings in einer Qualität, die auf fairen Regeln basiert und auf eine Reduzierung von Konflikten ausgerichtet ist.

Dieser Führungsanspruch wird wohl einigen EU-Mitgliedern nicht passen. Insbesondere den Staaten, die sich gerne mit deutschem Geld sanieren, aber einer gemeinsamen Verantwortung reserviert gegenüber stehen. Rahmennationen müssen ihre Führungs- und Gestaltungskompetenz vorab unter Beweis gestellt haben. Es führt also nicht, wer gerade Lust auf Macht hat, sondern der, der führen kann.

Russland und weiteres Konfliktpotenzial

Das Weißbuch enthält keine Multi-Kulti-Floskeln. Es grenzt sehr deutlich die Werte-Partnerschaften EU und USA gegenüber anderen Kulturkreisen wie Fernost oder dem arabisch-afrikanischen Raum ab. Dialog sei zwar die erste Wahl, jedoch müsse parallel ein robustes Abschreckungspotenzial aufgebaut und notfalls eingesetzt werden - idealerweise mit einer Wirkungsüberlegenheit.

Mehrfach wird Russland herausgestellt, das seit 2008 seine Streitkräfte modernisiert und immer wieder an den Grenzen der EU- und NATO-Partner ein Kräftemessen provoziert. Russland ist für sein Wirken aus allen fünf Dimensionen bekannt.

Mit sogenannten Ad-hoc-Kooperationen sollen Regionen mithilfe von Partnern befriedet werden, mit denen es sonst keine Verflechtungen gibt. Ad-hoc-Kooperationen sind - wie der Name schon sagt - schnell etablierte und temporär angelegte Partnerschaften zur Lösung eines regionalen Problems, das perspektivisch auch in Europa oder Deutschland ankommen könnte.

Breiter Diskurs und die Praxis

Das vorliegende Weißbuch wurde erstmalig in einem offenen Diskurs unterschiedlicher Experten entwickelt. Soldaten, Politiker, Wissenschaftler, Wirtschaftsvertreter und internationale Experten diskutierten über die Richtlinien zur Sicherheitspolitik und der Zukunft der Bundeswehr. Diese Art des Dialogs wurde konsequent bei den Workshops zum neuen Traditionserlass fortgesetzt. Das Traditionsverständnis wird auf drei Seiten unter Punkt 8.4 im weißen Buch behandelt.

Vergleicht man die Texte im Weißbuch mit dem, was Gerd Müller (BMZ) mit seinem Marshallplan mit Afrika initiiert hat, wie die Kanzlerin mit den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas verhandelt und wie die Verteidigungsministerin um ihren Haushalt kämpft, so stellt man ein fokussiertes Handeln auf Grundlage des Weißbuches fest.

Was ist nun mit den 2%?

"Aufgabenspektrum und Ressourcenausstattung der Bundeswehr wieder in Einklang zu bringen", taucht mehrfach im Text auf und legt die Bundesregierung klar auf das Ziel von 2% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Verteidigungsausgaben fest. Davon sollen 20% in Rüstungsinvestitionen fließen. So hatte es der NATO-Gipfel von Wales bereits 2014 beschlossen.

Momentan stehen nur 13% des Budgets für die Beschaffung zur Verfügung. Es gibt also noch einiges nachzujustieren, aber die Trendwende ist eingeleitet.

Für 2018 wurden der Bundeswehr bereits 38,5 Milliarden Euro bewilligt. Hinzu kommen 430 Millionen Euro für Tarifsteigerungen. 2019 kommen weitere 4 Milliarden Euro hinzu, so dass sich eine nominelle Steigerung von 10% auf 42,9 Milliarden Euro ergibt.

Bei der Diskussion um die 2% muss immer auch der Eurowert betrachtet werden. So ergibt sich bei 2% aus dem deutschen BIP beispielsweise der 25-fache Eurobetrag gegenüber 2% aus dem ungarischen BIP.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 31. Juli 2018

Airbus A400M mit Intensivstation fliegt auch für nur einen Patienten

"Trinken Sie viel!", wurde uns als guter Rat auf den Weg mitgegeben. In der VIP-Lounge der Flugbereitschaft des BMVg, dem militärischen Bereich des Flughafens Tegel, standen Apfelsaft, Cola, Kaffee und Mineralwasser bereit. Der Asphalt um das Transportflugzeug A400M entwickle kurz über der Oberfläche eine Hitze, die der Lufttemperatur mal 1,5 entspreche.

Airbus A400M ICAE Intensivstation
Airbus A400M ICAE Intensivstation - Oberst Ludger Bette (links) ist Kommodore des LTG 62 Wunstorf.
Selbst Generalarzt Prof. Dr. Rafael Schick und Staatssekretär Benedikt Zimmer hatten sich auf kurzärmelige Hemden ohne Sakko verständigt. Nur Benedikt Zimmer trug Krawatte. Er hatte bis April 2018 in der Position eines Generalleutnants mit Katrin Suder zusammengearbeitet und diese dann abgelöst. Eine seltsame Rolle in Zivil mitten unter seinen alten Kameraden.

Airbus A400M ICAE Intensivstation
Airbus A400M ICAE Intensivstation auf dem militärischen Teil des Flughafens Tegel
Trotz der Hitze und des Beginns um halb neun waren über 40 Journalisten erschienen. Das Sommerloch lässt grüßen. 40 Journalisten und ein Zubringerbus. Das passte! Der Bus war klimatisiert und fuhr etwa 50 Meter weit. Dann durften wir wieder aussteigen. Zwischendurch schnappten wir nicht nur kühle Luft, sondern auch Insider-Informationen auf. So zum Beispiel über die aktuellen Wartungsarbeiten an der Cougar-Flotte der Flugbereitschaft.

Nach einer akustisch völlig unverständlichen Begrüßung durch die oben genannten Protagonisten schwemmten die Anwesenden ins Heck der Transportmaschine.

Airbus A400M ICAE Intensivstation
Airbus A400M ICAE Intensivstation - Oberstarzt Axel Hoepner erklärt Staatssekretär Benedikt Zimmer (rechts) die Details der Intensiv-Versorgung.
Die fliegende Intensivstation bietet Platz für sechs Patienten. Diese müssen transportfähig sein. Operiert wird im Flugzeug nicht - jedenfalls soweit es sich vermeiden lässt. Die Betten werden durch die Liegeflächen der Krankentragen ersetzt. Alles sehr funktional. Die sechs Tragen werden jeweils auf eine Art Kommode geschnallt. Diese verfügt über Sauerstoffvorräte, Spritzen, Verbandszeug und was sonst noch das Herz eines Mitarbeiters auf der Intensivstation erfreut.

Airbus A400M ICAE Intensivstation
Airbus A400M ICAE Intensivstation - Eines von sechs Krankenbetten für Intensiv-Patienten
Über Monitore können die Lebenszeichen überwacht werden. Ein als Arzt ausgebildeter Oberst kümmert sich um die Patienten, während ein Hauptmann die Maschine nach Hause steuert. Generalarzt Schick berichtete, dass der A400M auch für einen Patienten fliegt. Sechs Intensivpatienten seien die Obergrenze, aber kein Grund, erst einmal fünf Patienten warten zu lassen. Hier gehe Lebensrettung und Gesundheit vor kaufmännische Erwägungen.

Airbus A400M ICAE Intensivstation
Airbus A400M ICAE Intensivstation - Generalarzt Prof. Dr. Rafael Schick
Rafael Schick hat viele Hüte auf und ist regelmäßig im Bundesgebiet und im Ausland unterwegs. Er leitet unter anderem das Zentrum für Luft- und Raumfahrt der Bundeswehr in Köln. Geduldig und kompetent beantwortete der Generalarzt sämtliche Fragen der Journalisten. Dabei waren noch Spuren seiner süddeutschen Wurzeln zu hören.

Airbus A400M ICAE Intensivstation
Airbus A400M ICAE Intensivstation - REMOVE BEFORE FLIGHT an den Propellern
Fast zwei Stunden hatten wir Zeit, die Maschine und deren Innenleben zu erkunden. Dann wurden die roten Bänder "REMOVE BEFORE FLIGHT" von den Propellern entfernt. Die wenigen Meter bis zur Rasenkante fuhren wir diesmal nicht mit dem Bus. Hinter dem A400M rollte eine kleine weiße Maschine der Flugbereitschaft entlang. Beim A400M wurde das Heck geschlossen, die Seitentür hochgeklappt und die Propeller angelassen.

Airbus A400M ICAE Intensivstation
Airbus A400M ICAE Intensivstation - Hoch oben im Cockpit sitzen zwei Piloten und mehrere Besatzungsmitglieder.
Zuerst bewegten sich die äußeren Motoren. Danach die Inneren. Die optische Täuschung suggerierte eine gegenläufige Drehung. Es wurde immer lauter und die Propeller immer schneller. Vorab war Gehörschutz ausgeteilt worden. Der graue Airbus rollte los, drehte eine Runde für die Kameras und entschwand langsam den Blicken. Um 11:24 Uhr hob die Intensivstation ab - schnell, steil und direkt vor unserer Kameraposition.

Airbus A400M ICAE Intensivstation
Airbus A400M ICAE Intensivstation - LTG 62 - Lufttransportgeschwader 62 in Wunstorf
Ziel war das Lufttransportgeschwader 62 in Wunstorf - kurz LTG 62. An das LTG 62 wurden bisher 19 Airbus A400M geliefert. Mit der Konfiguration ICAE (Intensive Care Aeromedical Evacuation) verfügt das Geschwader nun auch über eine fliegende Intensivstation.

Airbus A400M ICAE Intensivstation
Airbus A400M ICAE Intensivstation - Start in Tegel mit dem Ziel LTG 62 in Wunstorf
Wegen der guten Versorgung mit Wasser - auch während der Flugzeug-Begehung - musste keiner der Anwesenden medizinisch betreut werden. Wohlbehalten liefen alle zurück in die VIP-Lounge und ließen bei eiskalter Cola und üppigen Currywurst/Pommes für 2,50 Euro den spannenden Vormittag ausklingen. Ein Arzt in weißer Uniform erkundigte sich dabei nach den Erkenntnissen aus dem A400M ICAE und stellte detaillierte Fragen, die nur Generalarzt Rafael Schick hätte beantworten können. Man kann ja schließlich nicht auf alles achten.

Video:
Generalarzt Prof. Dr. Rafael Schick und Kommodore des Lufttransportgeschwaders 62, Oberst Ludger Bette, stellen Staatssekretär Benedikt Zimmer den Airbus A400M mit Intensivstation vor.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 27. Juli 2018

Heinrich VIII. und seine Perle - Entdeckungen im Ministry of Defense

Vorab: Heinrich der VIII. ist nicht zu verwechseln mit Heinrich IV. - Heinrich IV. war Franzose und lebte von 1553 bis 1610 und fungiert bis heute als Trendsetter für Männer, die sich mit ihrer Bart-Mode um Jahrzehnte älter machen möchten. Der Bartschnitt nennt sich nach dem König "Henriquatre" - zu Deutsch "Ongrikattre".

Heinrich der VIII. war Engländer und lebte von 1491 bis 1547. Er war es auch, der zwar ein leidenschaftlicher Liebhaber war, aber keinen Sohn als Thronfolger zustande brachte. Da ein König per Amt keine Fehler macht, musste das an den Frauen liegen. Zwei von sechs Frauen wurden deshalb hingerichtet. Die anderen waren zu adelig oder ungefährlich, so dass sie die Scheidungen unversehrt überlebten.

Um die Frauengeschichten den eigenen Vorstellungen anpassen zu können, löste sich Heinrich VIII. vom katholischen Rom und machte seine eigene Kirche auf. Strukturell blieb Vieles beim Alten, nur dass der König statt des Papstes das Oberhaupt darstellte.

Weinkeller Heinrich VIII. Ministry of Defense MoD London
Zugang zum Weinkeller Heinrich VIII. im Keller des Ministry of Defense (MoD) in London
Heinrich VIII. liebte aber nicht nur Frauen, sondern auch den Wein. So war er zwar kein Trendsetter bei der Bart-Mode, dafür aber für einen Lebensstil mit "Wein, Weib und Gesang". Ein wichtiger Zeitgenosse des Königs war Kardinal Thomas Wolsey. Durch die Umstrukturierung der Kirche in England kam dieser zu erheblicher Macht.

Thomas Wolsey ließ in seinem Anwesen an der Themse einen Weinkeller bauen. Dieser war in den Palast integriert und hatte einen direkten Zugang zum Fluss. Dadurch konnten die Weinfässer auf dem Wasser geliefert und sofort in den Keller gerollt werden. Neun Fässer sollten für ein zünftiges Trinkgelage ausreichend gewesen sein. In den Keller passen bequem 45 Personen, also ein Fass für fünf Personen. Bei einer Stehparty würden wohl auch 90 Personen in den Raum gehen, aber das wird dann schon sehr eng und ein Fass müsste zu zehnt geteilt werden.

Weinkeller Heinrich VIII. Ministry of Defense MoD London
Der Weinkeller Heinrich VIII. im Ministry of Defense (MoD) in London bietet Platz für bis zu 90 Personen und wird gerne für offizielle Anlässe mit Bewirtung genutzt.
Ein zweiter Zugang führte in den damaligen Palast. 1698 stand London in Flammen. Diese haben auch auf den Wänden des Weinkellers ihre Spuren hinterlassen. Das darüber liegende Haus brannte komplett ab. Anschließend wurde das Cromwell House über den Weinkeller gebaut. Im späten 19. Jahrhundert übernahm die Regierung das Cromwell House und nutzte den Weinkeller als Kantine.

Irgendwann kamen Pläne für ein neues Gebäude an diesem Standort auf. Die Pläne harmonierten allerdings nicht mit dem Weinkeller. Der Keller störte die Positionierung des neuen Fundamentes. 1949 wurde deshalb eine bemerkenswerte Ingenieursleistung vollbracht. Innerhalb von nur drei Monaten wurde der komplette Weinkeller 18 Fuß und 9 Zoll nach unten versetzt und 10 Fuß nach Westen. Das entspricht einer Tieferlegung von knapp 5,5 Metern und einer Westwärts-Bewegung von etwa 3 Metern.

Weinkeller Heinrich VIII. Ministry of Defense MoD London
Der Weinkeller Heinrich VIII. ist im Fundament des Ministry of Defense (MoD) in London eingebettet. Die Außenseite ist freigelegt und mit diversen Infotafeln ausgestattet. Dem Gast kann also weder innen noch außen langweilig werden.
Danach konnte der Weinkeller zu einer Perle gemacht werden. Eine Perle, die in den Tiefen eines riesigen Gebäudekomplexes schlummert - dem Ministry of Defense (MoD). Gitter-Tore, massive Metall-Tore, ein Fotoshooting und eine dick verglaste Zugangsschleuse trennen den London-Touristen von der Vorhalle des Ministeriums. Es gibt Menschen, die diese Hürden überwinden und in der Vorhalle sitzen, angeregt diskutieren und ihre Sandwiches verspeisen.

Nach dem Passieren unzähliger Türen, Gänge und Treppen gelangt der Besucher schließlich in die Tiefen des Hauses. Schwarz getünchte Wände, Tafeln mit Bildern und Texten und in der Mitte - der Schatz, die Perle des MoD, der Weinkeller Heinrich VIII.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 24. Juli 2018

Fliegerhorst Holzdorf: Ursula von der Leyen besucht die erste Station Ihrer Sommerreise 2018

Ursula von der Leyen ist deutlich öfter bei der Truppe, als landläufig wahrgenommen wird. Jedes Jahr bricht sie auf zu einer Sommerreise. Dabei besucht sie sämtliche Standorte der Bundeswehr in Deutschland. Im letzten Jahr startete sie in Hammelburg und bewegte sich in einem unkoordiniert wirkenden Zickzack durch Deutschland.

In diesem Jahr begann sie mit Holzdorf. Holzdorf gehört zu Schönewalde und liegt im Nirgendwo zwischen Jüterbog und Wittenberg - genau auf der Grenze zwischen Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Allein an diesem ersten Tag der Reise standen drei Orte auf dem Programm: das Hubschraubergeschwader 64 in Holzdorf, die IT-Ausbildung des Heeres in Leipzig und das Logistikkommando in Erfurt.

Fliegerhorst Holzdorf Sommerreise 2018 Ursula von der Leyen
Fliegerhorst Holzdorf - Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auf ihrer Sommerreise 2018 - Ministerin im Dialog mit der Truppe
Die B101 von Berlin nach Holzdorf fuhr sich bemerkenswert entspannt. Wenig Verkehr, keine Blitzer, kaum Baustellen, Urlaubszeit, Sonne und brandenburgische Kiefernwälder. Bei unserem Eintreffen standen die beiden schwarzen Blaulicht-Limousinen der Ministerin bereit. Ursula von der Leyen kam pünktlich mit einem Hubschrauber vom Typ Cougar von Hannover aus angeflogen.

Der Cougar ist eines der VIP-Fluggeräte, die regelmäßig im Regierungseinsatz sind und sicher auch schon bessere Tage erlebt haben. Der Flug könnte auch als Einstimmung auf den CH-53 gedient haben. Die avisierte Vorführung eines Waffensystems lockt schon eher mal ein Kamera-Team ins Gelände, als die Vorführung eines Computerprogramms. So standen letztlich mehr als zehn Presse-Fahrzeuge auf dem Parkplatz: ARD, mdr, RBB, Reuters und andere.

Fliegerhorst Holzdorf Sommerreise 2018 Ursula von der Leyen
Fliegerhorst Holzdorf - Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auf ihrer Sommerreise 2018 - Zeichen der Lufttransportgruppe Hubschraubergeschwader 64, rechts mit rot-weiß für Brandenburg und zwei blauen Strichen für Elbe und Elster sowie drei gelben Sternen als Symbol für die Fluggeräte
Wie üblich wurden wir mit einem 40-Personen-Bus zur ersten Station gebracht: Hubschrauber-Landeplatz. Wie schon erwähnt, erschien die Ministerin pünktlich am Westhimmel, drehte eine Runde über dem Landeplatz und flog dann wieder weg. Ein Storch nutzte die Gelegenheit zum Überflug und löste damit ein reges Presse-Interesse aus. Und wieder knatterte der Cougar von Westen auf den Platz zu. Diesmal landete der blau-weiße Helikopter.

Fliegerhorst Holzdorf Sommerreise 2018 Ursula von der Leyen
Fliegerhorst Holzdorf - Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auf ihrer Sommerreise 2018 - Flexibilität bei der Wahl der Transportmittel
Ursula von der Leyen hatte sich zunächst einen Überblick über das Areal der Lufttransportgruppe verschafft und konnte gleich damit ins Gespräch einsteigen. Sie wurde von Oberstleutnant Knut Brantin, dem Kommandeur, begrüßt. Danach ging es zu den schwarzen Fahrzeugen, bei denen ein Landrat, ein Bürgermeister und weitere Regionalprominenz warteten.

Die nächste Station war eine Halle, in der ein riesiger Transporthubschrauber CH-53 aufgebaut war. Mit Vorführung des Waffensystems war da nichts. Vor dem Hubschrauber standen die verschiedenen Kompetenzen zum Bewegen und Warten des Gerätes. Die Türen, ein Triebwerk und die Heckklappe waren geöffnet.

Auch ein Doorgunner war dabei. Doorgunner sind regelmäßig in Afghanistan und anderen Einsatzgebieten unterwegs. Mit langen Gurten sind sie an der Innenseite des Hubschraubers befestigt und schießen bei Bedarf mit einem Maschinengewehr (Gun) aus der geöffneten Heckklappe (Door). Höhenangst oder Angst vor dem Rausfallen habe er nicht. Hubschrauber fliegen empfinde er inzwischen wie Busfahren. Ein Fallschirm werde im Hubschrauber generell nicht verwendet, da sich dieser nicht mit den Rotorblättern vertrage. Ein Hubschrauber stürze übrigens auch nicht wie ein Stein ab, sondern könne bei intakten Rotorblättern über die aerodynamischen Möglichkeiten gelandet werden. Wieder etwas gelernt!

Fliegerhorst Holzdorf Sommerreise 2018 Ursula von der Leyen
Fliegerhorst Holzdorf - Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auf ihrer Sommerreise 2018 - Rotor des Transporthubschraubers CH-53
In Grenzsituationen kann die Mechanik des alten CH-53 von Vorteil sein. Was bei neueren Maschinen nur per Elektronik bewegt wird, kann beim CH-53 zur Not per Seilzug und Muskelkraft gesteuert werden. Die Ausbildung für solch einen Hubschrauber dauert bis zu acht Jahre. Da ständig die Elektronik erweitert wird, muss regelmäßig nachgeschult werden. Das ist ein Grund dafür, dass hier nur Berufssoldaten anzutreffen sind. Die zivilen Angestellten haben entsprechende Vertragslaufzeiten.

Fliegerhorst Holzdorf Sommerreise 2018 Ursula von der Leyen
Fliegerhorst Holzdorf - Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auf ihrer Sommerreise 2018 - Gespräch mit den Soldaten, rechts der Adjutant mit Notizheft
Irgendwann stieß die Ministerin dazu und mengte sich unter die Truppe. Es konnte alles erzählt und gesagt werden. Sie hörte zu, fragte nach und ließ ihren Adjutanten viele Notizen machen. Sie schaute in den dringend aufzufüllenden Werkzeugkoffer eines Mechanikers, hörte sich das persönliche Dilemma von Qualifikation versus Planstellen an und erlebte hautnah, wo bei den Soldaten der Schuh drückt. Offene Worte und ein offenes Ohr.

Immer wieder - auch in ihrem Statement - betonte die Ministerin, dass sie sich beim Parlament um mehr Mittel bemühe und ihre Prioritäten auf die Personalentwicklung und die persönliche Ausstattung der Soldaten setze. Momentan werden etwa 33% des Verteidigungshaushaltes für Personal, 13% für Beschaffung und 8,7% für Wartung ausgegeben. Das sollte sich anhand der genannten Prioritäten in Zukunft verschieben. Bis 2024 wird der Haushalt auf 1,5% des Bruttoinlandsproduktes angehoben, so dass auch nominell mehr Geld vorhanden ist. Die jahrelange Sparpolitik hatte die Depots geleert und Nachschub-Lücken produziert, die bei einem Koloss wie der Bundeswehr erst einmal wieder gefüllt werden müssen.

Fliegerhorst Holzdorf Sommerreise 2018 Ursula von der Leyen
Fliegerhorst Holzdorf - Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auf ihrer Sommerreise 2018 - Pressestatement vor dem Transporthubschrauber CH-53
Die Kulisse des CH-53 veranlasste Frau von der Leyen zum Hinweis, dass die dringend benötigten neuen Transporthubschrauber kurz vor der Anschaffung stehen. Man werde sich in Kürze für eines der beiden am Markt verfügbaren Modelle entscheiden. Also Kaufen statt Entwickeln.

Nach einigen Fragen zum Haushalt verabschiedete sich die Ministerin und fuhr ins Offiziersheim weiter. Dort wollte sie sich ohne Kameras mit den Soldaten unterhalten. Wir krabbelten durch den CH-53, sprachen mit den dortigen Soldaten und wurden anschließend per Bus zu unseren Autos gebracht. Mit Sonne, Musik und freier Bahn ging es über die B101 zurück nach Berlin.

Video:
Sommerreise der Verteidigungsministerin 2018 - Auftakt im Fliegerhorst Holzdorf

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 20. Juli 2018

355 Rekruten: Feierliches Gelöbnis zum 20. Juli im Bendlerblock

Tatsächlich: Wenn die Rekruten aus den verschiedenen Verwendungen zusammenzählt werden, ergibt sich eine Summe von 355. Wie üblich hatten die Veranstalter einen bunten Mix aus Logistik, Cyber, Marine, Luftwaffe und Heer zusammengestellt. Die Cyber-Truppe war erwartungsgemäß sehr klein - zumindest bezüglich ihrer Personalstärke. Auch differierten Körpergröße und Uniformen bei den Computerfreaks stark voneinander. Ein wichtiges Indiz dafür, dass hybride Kampfführung nur mit kreativer Expertise zu bewerkstelligen ist.

Feierliches Gelöbnis 20. Juli 2018 Bendlerblock BMVg
Feierliches Gelöbnis zum 20. Juli im Bendlerblock - Glückwünsche der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen
Deutlich homogener wirkten die Sanitäter, die Semper-Talis-Abordnung des Wachbataillons oder die besonders sportlichen Männer und Frauen des Gebirgsjägerbataillons 233. Letztere trugen mit Stolz ihre grauen Mützen. Überhaupt sind diese Mützen nach Trendsetter Erich Pfeffer in letzter Zeit öfter im Bendlerblock zu sehen. Deshalb war es eine besondere Ehre, dass Generalleutnant Pfeffer vom Einsatzführungskommando zusammen mit dem frisch gebackenen Vizeadmiral Carsten Stawitzki im Promiblock an der Südostflanke des Paradeplatzes saß.

Feierliches Gelöbnis 20. Juli 2018 Bendlerblock BMVg
Feierliches Gelöbnis zum 20. Juli im Bendlerblock - Tribüne mit Generälen, Admirälen, Diplomaten und Bundespolitikern
Auf der großen Tribüne an der Nordseite saßen die Familienangehörigen. Kaum Anzüge - dafür aber Sommerkleider, Sonnenbrillen und Smartphones. Die Privatgäste hatten das Privileg, das echte Wachbataillon - also die mit den Karabinern 98k - und das Musikkorps der Bundeswehr von Vorne sehen zu können. Die Presse war auf der Südseite platziert, so dass die Rekruten im Blick waren. Dadurch konnten die Barette und Schirmmützen des Ehrenbataillons gut als Vordergrund für Rekrutenfotos genutzt werden.

Feierliches Gelöbnis 20. Juli 2018 Bendlerblock BMVg
Feierliches Gelöbnis zum 20. Juli im Bendlerblock - Blick auf Rekruten und deren Angehörige auf der Nordtribüne
Aber der Reihe nach: Ein Großteil der Gäste traf mit Bussen ein. Als die meisten von ihnen Platz genommen hatten, marschierte das Musikkorps der Bundeswehr aus Siegburg ein: Platzkonzert. Das Gelöbnis fiel in die Urlaubszeit des Stabsmusikkorps, so dass die Siegburger schon die ganze Woche mit protokollarischen Akten inklusive des Großen Zapfenstreichs für NATO-General Brauß zu tun hatten.

Das Musikkorps spielte etwa 20 Minuten. Fünf bekannte Märsche - kurz und knackig. Danach zogen sie wieder vom Platz. Dann stellte sich Oberstleutnant Bernardy (Chef des Wachbataillons) vor dem Rednerpodest auf und wartete. Ein Kommentator erklärte den Ablauf und wann die Gäste aufzustehen hätten. Die neun Rekruten-Gruppen zogen ein und wurden durch ihre jeweiligen Hauptleute optisch ausgerichtet. Danach gingen die Hauptleute zu Patrick Bernardy und meldeten, dass sie angetreten seien. Wieder Warten. Diesmal auf die Ministerin.

Feierliches Gelöbnis 20. Juli 2018 Bendlerblock BMVg
Feierliches Gelöbnis zum 20. Juli im Bendlerblock - Rekruten des Gebirgsjägerbataillons 233
Die Ministerin erschien zusammen mit Generalinspekteur Eberhard Zorn. Für mehr als drei Minuten schritten sie die Ehrenformation und die Aufstellung der Rekruten ab. Nur gut, wenn es dafür den Preußischen Präsentiermarsch gibt, der in Endlosschleife gespielt werden kann. Darauf folgte die Ansprache der Ministerin, in der sie den mutigen Schritte der Rekruten in einen nicht ganz ungefährlichen Dienst würdigte. Bevor Jesuiten-Pater Klaus Mertes vom Kolleg St. Blasius redete, wurde noch "Des großen Kurfürsten Reitermarsch" gespielt. Ein immer wieder gern gehörter Klassiker, den sich auch General Brauß vor zwei Tagen zu seiner Verabschiedung gewünscht hatte.

Feierliches Gelöbnis 20. Juli 2018 Bendlerblock BMVg
Feierliches Gelöbnis zum 20. Juli im Bendlerblock - Rede von Pater Klaus Mertes
Pater Mertes baute seine Rede auf den drei Schlüsselbegriffen Hingabe, Verrat und Gewissen auf. Mit einer stilechten Radiostimme ermutigte er die Rekruten zum Reflektieren von Befehlen und problematischen Umständen in ihrem zukünftigen Kasernenalltag. Er wies ferner darauf hin, dass man auch bei unterschiedlicher Herkunft und Meinung in der Sache an einem Strang ziehen könne. Das sei auch bei den Widerständlern des 20. Juli 1944 so gewesen. Klaus Mertes hoffe jedoch für die Rekruten, dass sie nie in eine so gravierende Situation kommen werden.

Nach den Reden gab es ein weiteres Musikstück. Dann traten die drei Soldaten mit der Fahne in die Mitte des Paradeplatzes und neigten die 3.500 Euro teure Truppenfahne um 90° Richtung Westen. Sollte uns das zu denken geben? Nein, denn im letzten Jahr war sie nach Süden geneigt - wohl immer parallel zur Ehrenformation des Wachbataillons.

Feierliches Gelöbnis 20. Juli 2018 Bendlerblock BMVg
Feierliches Gelöbnis zum 20. Juli im Bendlerblock - Rekruten des Wachbataillons
Die Abordnung der Rekruten gruppierte sich um die Fahne. Frauenquote 66%. Während die Abordnung ihre Hände auf das edle Tuch legte, vollzogen die übrigen 349 Rekruten den eigentlichen Akt des Gelöbnisses:

"Ich gelobe/schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. So wahr mir Gott helfe."

Soldaten auf Zeit schwören. Alle anderen geloben. Anschließend standen die Gäste zur Nationalhymne auf. Im Gegensatz zu internationalen Fußballspielen, ist es bei der Bundeswehr und der Bundesregierung üblich, den Text mitzusingen. Oberstleutnant Bernardy führte dann die Gelöbnisfeststellung durch und gab den Weg für die Handschläge und Glückwünsche der Ministerin, des Generalinspekteurs und des Jesuiten-Paters frei.

Feierliches Gelöbnis 20. Juli 2018 Bendlerblock BMVg
Feierliches Gelöbnis zum 20. Juli im Bendlerblock - Gratulation durch Generalinspekteur Eberhard Zorn (links) und Jesuiten-Pater Klaus Mertes (Mitte)
Der Ausmarsch von Musikkorps und Ehrenbataillon folgte nach der Europahymne. So manch ein Kameramann wäre in diesem Moment geneigt, die Technik abzuschalten. Aber - die Schlachtrufe der neun Rekruten-Gruppen waren noch nicht auf die SD-Karte gebannt. Leider sind diese Schlachtrufe oft so schwer zu verstehen, dass sie im Nachhinein von Insidern beschafft werden müssen. Wenigstens das Semper Talis (immer gleich) vom Wachbataillon war gut zu verstehen. Eine gute Voraussetzung zur nächsten protokollarischen Begrüßung des Bundespräsidenten, der Kanzlerin oder der Ministerin.

Video:
Feierliches Gelöbnis zum 20. Juli im Bendlerblock

Autor: Matthias Baumann