Freitag, 28. August 2020

Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden

Die Offizierschule des Heeres wurde 1956 in Hannover gegründet - ein Jahr nach Gründung der Bundeswehr. 1998 zog sie nach Dresden um und ist dort auf dem historischen Areal der Albertstadt beheimatet. Jährlich werden hier etwa 4.500 militärische Führungskräfte ausgebildet. Diese gehören nicht nur zum Heer, sondern auch zu anderen Einheiten, die sich auf dem Land bewegen - also Angehörige des Sanitätsdienstes, der Streitkräftebasis und des Kommandos CIR (Cyber-Informationsraum).

Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden
Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden - Übergabeappell im Zeichen von Corona - Foto: Bundeswehr / Sebastian Kelm
Wie an Offizierschulen üblich, gibt es auch in Dresden einige ausländische Studenten. Derzeit studieren hier 60 Personen aus Großbritannien, Frankreich, Irak, Jordanien und weiteren Staaten. Die politischen Verhältnisse in den entsendenden Staaten spielen nur eine untergeordnete Rolle. Schließlich geht es um das Erlernen des militärischen Handwerkszeugs wie Taktik und Führung. So kann es gelegentlich vorkommen, dass ein stolzer Absolvent in sein afrikanisches Land zurückkehrt und wie Moussa Dadis Camara aus Guinea das Wissen zur Durchführung eines Staatsstreiches anwendet. Dass Fähigkeiten und übergebene "Werkzeuge" später nicht immer im Sinne des Vermittelnden eingesetzt werden, entspricht dem allgemeinen Lebensrisiko.

Apropos Risiko: Beim heutigen Übergabeappell zum Kommandowechsel an der Offizierschule wurde das Risiko einer flächendeckenden Ansteckung mit Corona dadurch minimiert, dass die Paradeaufstellung in entsprechendem Abstand angetreten war. Der Platz vor dem Schulgebäude sah fast wie ein Steckhalma-Spiel aus. Es waren heute auch neue Kommandos zu hören: "Masken ab!" und "Masken auf!" Von Corona lässt sich die Offizierschule nicht behindern. Schon einen Monat nach Start des Lockdowns wurde der Lehrbetrieb wieder aufgenommen. Unter strikten Hygieneauflagen finden seitdem wieder Laufbahnprüfungen und Fortbildungen statt.

Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden Brigadegeneral Martin Hein
Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden - Brigadegeneral Martin Hein geht nach zwei Jahren Offizierschul-Kommando als Verbindungsoffizier nach Florida. Foto: Bundeswehr / Sebastian Kelm
Heute entband der Kommandeur des Ausbildungskommandos, Generalmajor Norbert Wagner, den Brigadegeneral Martin Hein vom Kommando der Schule. Martin Hein ist jetzt 61 Jahre alt. Mit 19 Jahren war er in die Bundeswehr eingetreten. Dass er eine Vergangenheit bei den Panzertruppen hat, war an seinem schwarzen Barett zu erkennen. Der scheidende Kommandeur schaut auf diverse Verwendungen im englischsprachigen Raum zurück. Kein Wunder, dass er nun als Leiter des Deutschen Verbindungskommandos im Zentralkommando der US-Streitkräfte nach Tampa/Florida versetzt wird. Er war zwei Jahre Kommandeur der Offizierschule, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Der neue Kommandeur der Schule, Brigadegeneral Olaf Rohde, bedient ebenfalls die deutsche Offiziersnorm: verheiratet und zwei Kinder. Er ist Jahrgang 1966 und trat mit 22 Jahren in die Bundeswehr ein. Auch er hat eine Panzervergangenheit und trägt das schwarze Barett. Olaf Rohde war Zugführer, Kompaniechef, Kommandeur und Referatsleiter im BMVg. Darüber hinaus hat er Einsatzerfahrung bei SFOR und ISAF.

Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden Brigadegeneral Olaf Rohde
Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden - Brigadegeneral Olaf Rohde hat heute das Kommando über die Offizierschule des Heeres in Dresden übernommen. Foto: Bundeswehr / Sebastian Kelm
Der Appell hatte noch weitere abgewandelte Elemente: Das Stabsmusikkorps hatte nur eine Minimalbesetzung von sechs Musikern entsandt. Eigentlich wäre das Luftwaffenmusikkorps aus Erfurt für den Termin zuständig gewesen. Das klappte aber wegen der Corona-Auflagen für die Anreise nicht. Das Abschreiten der Paradeaufstellung fand ohne Musikbegleitung statt. Die Truppenfahne der Offizierschule stand nur in der Nähe, wurde aber nicht in die Hand übergeben. Und auch der kreuzweise Handschlag des Generalmajors musste wegen der Abstandsregeln entfallen - sehr zu seinem Bedauern.

Corona konnte jedoch nicht verhindern, dass die Schule weiter Wissen und Fähigkeiten vermittelt und dass Olaf Rohde laut und deutlich feststellte: "Offizierschule des Heeres hört auf mein Kommando!"

Video:
Übergabeappell an der Offizierschule des Heeres in Dresden

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 27. August 2020

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei Bundeskanzlerin Angela Merkel

Die Kanzlerin hatte heute ein stilechtes Jäckchen an: Dunkelgrün. Die Farbe der NATO ist zwar Blau, aber Grün passt zum Umfeld, in dem die Soldaten trainieren. Am Vormittag traf sich NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit Angela Merkel zu Gesprächen. Diese waren vollgepackt mit aktuellen Themen. Themen, die erschreckend nah an das Gebiet der EU herangerückt sind und sogar als Konflikt zwischen NATO-Partnern ausgetragen werden. Es ging um das östliche Mittelmeer, Belarus und die Verteidigungsfähigkeit Europas.

Letztere ist insofern wichtig, weil die Gefahr einer zweiten Amtszeit amerikanischer Unberechenbarkeit besteht. Der NATO-Generalsekretär sprach sich deshalb noch einmal für die Stärkung der transatlantischen Beziehungen aus und machte klar, dass auch die Sicherheitsinteressen der USA auf dem Spiel stehen. Alliierte sollten wieder eng zusammenarbeiten. Wie fragil die Zusammenarbeit in der NATO ist, zeigt der momentane Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei Bundeskanzlerin Angela Merkel - FNC Framework Nations Concept
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande des 7. Treffens des FNC Framework Nations Concept
Jens Stoltenberg war ohnehin in Berlin. Im Hotel InterContinental treffen sich derzeit 20 Verteidigungsminister, in deren Runde der NATO-Chef natürlich nicht fehlen darf. Das Format nennt sich FNC - Framework Nations Concept. Seit 2014 hat Deutschland als "Lead Nation" die Leitung des FNC inne. Schirmherrinm ist die NATO. Nach der ersten Corona-Welle wurde die Gelegenheit genutzt und das insgesamt siebte Treffen anberaumt - unter strengen Corona-Auflagen und mit eingeschränkter journalistischer Begleitung.

16 der 20 Staaten gehören sowohl der EU als auch der NATO an. Es sei der 4. Fortschrittsbericht erarbeitet worden, der laut Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer auf breite Zustimmung stoße. Im Kern gehe es um ein Lagebild und die daraus abzuleitende Stärkung europäischer Fähigkeiten der Selbstverteidigung. Der Tenor folgt ihrer Amtsvorgängerin, die die europäische Verteidigungsfähigkeit stärken wollte, sich aber klar zur NATO inklusive der USA bekannte.

Jens Stoltenberg hütete sich vor Drohungen gegenüber Belarus und stellte lediglich fest, dass dort demokratische Zustände eingehalten werden sollten. Unklarheit herrscht zurzeit noch über den Fortgang des Afghanistan-Einsatzes: "Wie geht es weiter?", fragte die Kanzlerin. Auch das sollte Gegenstand des Gespräches sein.

Autor: Matthias Baumann

FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein

Am Montag reichte die FDP-Fraktion eine Klageschrift gegen den Soli beim Bundesverfassungsgericht ein. Nach Artikel 106 Absatz 1 Punkt 6 darf der Bund Ergänzungsabgaben zur Einkommenssteuer und der Körperschaftssteuer erheben. Einkommenssteuer zahlen etwa die Hälfte aller Bundesbürger und Körperschaftsteuer betrifft Kapitalgesellschaften wie GmbHs.

FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein - Dr. Florian Toncar
FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein - Dr. Florian Toncar in der Bundespressekonferenz
Auf diesen Absatz des Grundgesetzes stützte sich das Gesetz zur Erhebung des Solidaritätszuschlages - kurz und liebevoll "Soli" genannt. Der Zweck war damals der "Solidarpakt Ost". Inzwischen zeigt sich Strukturschwäche aber nicht mehr eindeutig an der Himmelsrichtung, sondern an Bedürftigkeiten quer durch die Bundesrepublik. Deshalb ist der Zweck nicht mehr gegeben. Zudem war das Gestz Ende 2019 ausgelaufen. Das interessierte die Große Koalition aber wenig, so dass ein entsprechendes Änderungsgesetz auf den Weg gebracht worden war, das erst ab 2021 eine Entlastung von 90% der Soli-Zahler vorsieht. Allerdings bringen die verbleibenden 10% trotzdem noch um die 50% des bisherigen Betrages auf. Das bedeutet, dass in diesem Jahr 20 Milliarden Euro erwartet werden und in 2021 immer noch 10 Milliarden Euro.

Wie zu erwarten war, wurde der Soli nicht 1:1 in den Aufbau Ost gesteckt. Er floss in den großen Topf des Bundeshaushaltes ein. Sicher kam auch ein Teil davon zweckgebunden an, aber nicht alles. Solch eine Ergänzungsabgabe ist attraktiv für den Bund. Kann doch aktuell damit die Corona-Krise gegenfinanziert werden. Eine Umwidmung ist formaljuristisch nicht möglich. Für Corona müsste eine separate Ergänzungsabgabe erhoben werden.

Bezüglich des Timings wollte sich Dr. Florian Toncar, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, nicht festlegen. Es dauere so lange, wie es eben beim Verfassungsgericht dauere. Man habe die Klageschrift am Montag eingereicht. Als nächstes werde es noch einige Schriftwechsel mit dem Gericht geben. Besonders erfreut wäre die FDP-Fraktion über eine persönliche Anhörung. Dass die Kläger ihr Anliegen wortgewandt vortragen können, haben sie heute in der Bundespressekonferenz bewiesen. Florian Toncar wurde unterstützt von Christian Dürr, dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der FDP.

FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein - Christian Dürr
FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein - Christian Dürr in der Bundespressekonferenz
Seitens der FDP erwartet man zwei mögliche Urteile: Das Wunschurteil wäre, dass das Änderungsgesetz ab Januar 2020 für Nichtig erklärt wird und der Bund den Soli rückwirkend zum 1. Januar an die Steuerzahler erstattet. Das zweite vorstellbare Ergebnis wäre, dass das Verfassungsgericht dem Bund eine Frist zur Nachbesserung setzt. Das wäre zumindest ein Teilerfolg. Mit einer Ablehnung sei nicht zu rechnen. Die FDP-Fraktion setzt mit dem Verfassungsgericht alles auf eine Karte: Wegen der Zuständigkeit für das Grundgesetz konnten sie sich gar nicht durch die Instanzen der Finanzgerichte klagen, sondern mussten sich direkt an Karlsruhe wenden. Sollte das Unterfangen wider Erwarten scheitern, erscheint eine Weitergabe an den Europäischen Gerichtshof wenig sinnvoll.

Es bleibt die Spannung, wann das Urteil vorliegt und wieviel Euro tatsächlich zurückerstattet werden. Die Finanzbehörden drücken bereits in den jährlichen Einkommensbescheiden ihre Zweifel an der "Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995" aus und deklarieren dessen Festsetzung "gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO" als "vorläufig".

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 26. August 2020

Lieber tot als vermisst: Schicksalsklärung Zweiter Weltkrieg des DRK-Suchdienstes bis 2025 verlängert

Am 1. Juni 2009 endete der Air-France-Flug 447 von Rio de Janeiro nach Paris im Atlantik. Alle 228 Insassen kamen dabei ums Leben. An ihrem Tod bestand kein Zweifel. Allerdings wusste zunächst niemand, wo genau der Absturz stattgefunden hatte. Die trauernden Angehörigen konnten den Tod an keinem Ort festmachen, so dass ihnen ein wichtiger Schritt im Trauerprozess verwehrt war.

Erst 6 Tage nach dem Absturz fand man die ersten Wrackteile und Leichen. Doch keine Spur vom Flugschreiber und dem Rest des Airbus A330-203. Nach knapp zwei Jahren - bei der inzwischen vierten Suchaktion - wurde auf 4.000 Metern Tiefe ein Trümmerfeld mit Teilen des Flugzeuges entdeckt. Es folgte eine weitere Aktion, bei der der Flugschreiber und dessen Speichermodul geborgen werden konnten. Am 3. Juni 2011 hatte das Warten der Angehörigen ein Ende. Die Ursache war geklärt und es gab einen konkreten Ort. Jetzt konnten sich Angehörige auf den Weg machen und am Ort des Absturzes Abschied von ihren Verwandten und Freunden nehmen.

Pressekonferenz DRK-Suchdienst Gerda Hasselfeldt
Pressekonferenz zum DRK-Suchdienst mit Gerda Hasselfeldt, Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes
Der Zweite Weltkrieg hat ein Vielfaches solcher Schicksale produziert. Bis 1950 wurden 14 Millionen Suchanfragen gestellt und knapp 9 Millionen davon geklärt. Das betraf nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilisten. Die Suche nach Soldaten gestaltete sich etwas einfacher. Diese hatten Erkennungsmarken aus Metall, waren in ihren Einheiten registriert worden, wurden in den Karteien der Lazarette inklusive ihres Krankheitsbildes erfasst und mussten Eingangspapiere in Gefangenenlagern unterzeichnen. Deutsche Soldaten wurden in Russland akribisch katalogisiert, was jedoch nicht bedeutete, dass sie gut behandelt wurden. Viele Kriegsgefangene starben in russischen Lagern an Unterernährung.

Da es noch keine Computer gab, wurde die Registrierung auf Karteikarten vorgenommen. Wenn also jemand eine Suchanfrage an das DRK oder den Volksbund stellte, mussten diese analogen Daten erst einmal mühsam verknüpft werden. Hinzu kamen der "Eiserne Vorhang" und der "Kalte Krieg". Man habe dennoch sehr konstruktiv mit den Unterabteilungen des Roten Kreuzes zusammengearbeitet und konnte viele der Anfragen beantworten. Wichtig dabei war, dass sich Suchende und Gesuchte beim DRK meldeten. Alles noch analog per Brief.

Pressekonferenz DRK-Suchdienst BMI Staatssekretär Dr. Markus Kerber
Pressekonferenz zum DRK-Suchdienst mit Staatssekretär Dr. Markus Kerber, Bundesministerium des Innern
Mit der Auflösung der Sowjetunion wurden auch die Archive geöffnet und zum Vorschein kamen Berge von Karteikarten. Da diese jedoch in Russland verbleiben sollten, schreitet deren Digitalisierung nur langsam voran. Man ist auf die Zuarbeit der russischen Stellen angewiesen. In Deutschland arbeiten 98 Mitarbeiter für den DRK-Suchdienst. 25 Mitarbeiter davon sitzen in München und beschäftigen sich ausschließlich mit Suchanfragen zum Zweiten Weltkrieg: Zivilisten und Soldaten - ganz selten betrifft es Personen aus Skandinavien oder Russland.

Für 2020 erwartet das DRK 11.000 Anfragen zu Vermissten des Zweiten Weltkriegs. Die Erfolgsquote liegt bei 20%. Mit fortschreitender Digitalisierung kann diese Quote sicher noch gesteigert werden. Es lohnt sich also, nach einer gewissen Zeit wieder anzufragen, falls frühere Gesuche ins Leere gelaufen waren. Sinnvoll ist auch eine Anfrage bei anderen Organisationen wie dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Wenn nämlich die Datenpools noch nicht abgeglichen wurden, kann es sein, dass längst Informationen über das Schicksal des Angehörigen vorliegen, nur eben an einer anderen Stelle.

Pressekonferenz DRK-Suchdienst Prof. Dr. Magnus Brechtken Institut für Zeitgeschichte
Pressekonferenz zum DRK-Suchdienst mit Prof. Dr. Magnus Brechtken, Stellvertretendet Direktor Institut für Zeitgeschichte - Forschungsvorhaben "Suchende und Gesuchte des Zweiten Weltkriegs"
Bei der heutigen Pressekonferenz waren auch zwei Suchende zugegen, die Ende 2019 zu Findenden geworden waren. Sie hatten letztendlich dicke Briefumschläge mit sämtlichen Unterlagen zu den letzten Lebensmonaten ihrer Väter bekommen. Es brauchte einige Tage, bis sie die neuen Erkenntnisse verdaut hatten. Dann stellte sich aber innerer Frieden bei ihnen ein. Die Unterlagen enthielten neben Todesort und Ursache sogar Informationen zur Position der Grabstätte. Die beiden Angehörigen sind nun um die 80 Jahre alt. Wenn sie sich rüstig genug fühlen und Corona eine Verschnaufpause macht, könnten sie nach Russland reisen und direkt am Grab Abschied nehmen. Der Volksbund bietet sogar Umbettungen nach Deutschland an.

Per Bundestagsbeschluss von 1953 fördert das Bundesinnenministerium (BMI) die Arbeit des DRK-Suchdienstes. Die Rubrik Zweiter Weltkrieg sollte eigentlich 2023 geschlossen werden. Wegen des nach wie vor hohen Interesses am Verbleib von Verwandten, wurde dieser Zeitraum nun auf 2025 verlängert. Inzwischen fragen nämlich nicht nur Ehepartner und Kinder, sondern auch Enkel an. Nicht abgeschlossene Trauerprozesse können Familien und deren Folgegenerationen belasten. Deshalb fühlt sich das BMI als "Heimatministerium" der "psychischen Stabilität" in der Heimat verpflichtet.

Ergänzend sei erwähnt, dass der DRK-Suchdienst seine Aufgaben über das Thema Zweiter Weltkrieg hinaus sieht. In Zusammenarbeit mit weltweiten Rot-Kreuz- und Rot-Halbmond-Stellen findet es Personen aus aktuellen Krisenregionen, stellt per Internet oder Telefon Kontakte zwischen Suchenden und Gesuchten her und sieht seinen Auftrag erfüllt, wenn sich die Personen endlich wieder physisch in den Armen liegen. Diese Arbeit wird auch nach 2025 weitergehen.

Autor: Matthias Baumann

Sloweniens Präsident Borut Pahor im Schloss Bellevue empfangen

Bundespräsident Steinmeier und sein Gast, der slowenische Präsident Borut Pahor, hielten sich an die Corona-Regeln. Foto mit Maske, Foto ohne Maske, aber dafür mit entsprechendem Abstand. Während Borut Pahor jedes Mal elegant seine Maske im Sakko verschwinden ließ, behielt der Bundespräsident seine Maske in der Hand. Trotz des Abstandes war die morgendliche Begrüßung sehr herzlich.

Sloweniens Präsident Borut Pahor von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen
Sloweniens Präsident Borut Pahor (links) von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen - Staatsbesuch unter Corona-Bedingungen
Borut Pahor wurde vor 56 Jahren im ehemaligen Jugoslawien geboren. 1990 startete der diplomierte Politikwissenschaftler seine Karriere im slowenischen Parlament. Das war in der heißen Phase der Abkoppelung von Jugoslawien. Borut Pahor ist Sozialdemokrat - wie sein heute besuchter Amtskollege. Zeitgleich mit der Aufnahme seines Landes in die EU zog er 2004 ins Europäische Parlament ein. 2008 wurde er zum Ministerpräsidenten Sloweniens gewählt und legte deshalb sein Mandat in Brüssel nieder. 2011 musste er zurücktreten, nachdem einige Parlamentskollegen wegen Korruption aufgeflogen waren. Die Regierung verzeichnete damals in der Bevölkerung eine Unzufriedenheitsquote von über 80%.

Wenngleich die Sozialisten nach den anschließenden Neuwahlen nicht mehr die Regierungspartei stellten, wurde Borut Pahor ein Jahr später doch zum Präsidenten ernannt. 2017 wurde er in diesem Amt bestätigt. In Slowenien scheint die Demokratie also gut zu funktionieren.

Sloweniens Präsident Borut Pahor von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen
Sloweniens Präsident Borut Pahor (links) von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen - Frank-Walter Steinmeier hält Abstand und seine Maske in der Hand. Im Hintergrund der Ehrenposten des Wachbataillons. Mehr militärische Ehre wurde wegen Corona nicht zugelassen - keine Hymnen und kein Abschreiten der Ehrenformation.
Slowenien grenzt an Österreich, Ungarn und Kroatien. Das Land hat 2,1 Millionen Einwohner, was in etwa der Bevölkerungsanzahl von Hamburg entspricht. Die Wirtschaftskraft lag 2019 bei 26.000 Euro pro Kopf. Das Verteidigungsbudget beträgt beschauliche 1,16% des BIP.

Seit 16 Jahren ist Slowenien auch Mitglied der NATO und sollte schon deutlich weiter entwickelt sein. Auswertungen haben Bürokratie und deren Nebenschauplätze als kontraproduktiv erkannt. Dabei bedarf es in Slowenien wichtiger Modernisierungsmaßnahmen. Deren Durchführung wird jedoch seitens der EU und der NATO nach wie vor als "Herausforderungen" angesehen. So gibt es insbesondere bei der Sicherung des Luftraumes erhebliche Defizite. Ungarn und Italien müssen in diesem Bereich aushelfen.

Video:
Sloweniens Präsident Borut Pahor im Schloss Bellevue empfangen

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 20. August 2020

Botschafter von Sri Lanka, Kambodscha, Brunei und Tschechien beim Bundespräsidenten akkreditiert

Die Frauenquote lag heute bei 75%: drei Botschafterinnen und ein Botschafter durften nach Maßgabe der Corona-Regelungen ihr Beglaubigungsschreiben beim Bundespräsidenten abgeben. Damit alles möglichst berührungslos ablaufen konnte, wurde ein stilechter Tisch vor die samtige Dienstfahne gestellt. Über diesen Tisch wurde dann das Schreiben transferiert. Hier die Reihenfolge des Erscheinens der Exzellenzen:

Botschafterin der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka, Manori Premila Unambuwe
Botschafterin des Königreichs Kambodscha, Phen Savny
Botschafterin von Brunei Darussalam, Pengiran Hajah Krtini Pengiran Haji Tahir
Botschafter der Tschechischen Republik, Tomáš Kafka

Botschafterin der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka, Manori Premila Unambuwe, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert
Botschafterin der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka, Manori Premila Unambuwe, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert - Foto: Bundeswehr/Zeichenstelle WachBtl BMVg
Sri Lanka ist ein Inselstaat am Südzipfel von Indien. Der großflächig auf der Flagge dargestellte Löwe ist in unseren Breitengraden durch die Etikettierung der verschiedenen Ceylon-Tees bekannt. Das heutige Sri Lanka befand sich mehrfach unter Kolonialherrschaft. Als Martin Luther in Deutschland für die Reformation unterwegs war, machten sich Portugal und die Niederlande über die Insel her. Etwa 300 Jahre lang wechselten deren Einflussbereiche. Als um 1800 Napoleon in Europa sein Unwesen trieb, kamen die Briten nach Ceylon und übernahmen die Insel als Kronkolonie. Zunächst wurde in großem Stil Kaffee angebaut. 1860 wurden diese Anbauflächen jedoch in Tee-Plantagen umfunktioniert.

1948 wurde Sri Lanka unabhängig, ist aber Teil des Commonwealth. Damit übt Großbritannien weiterhin seinen Einfluss auf das Land aus. Sri Lanka hat 22 Millionen Einwohnen und hatte vor Corona eine jährliche Wirtschaftsleistung von knapp 4.000 USD pro Kopf.

Botschafterin der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka, Manori Premila Unambuwe, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert
Botschafterin der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka, Manori Premila Unambuwe, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert - Flagge von Sri Lanka - Foto: Bundeswehr/Zeichenstelle WachBtl BMVg
Botschafterin Manori Premila Unambuwe ist seit dem 6. Juli 2020 in der Botschaft und hat sich dort zunächst mit ihren neuen Mitarbeitern vertraut gemacht. Es wurde dabei sogar ein religiöses Zeremoniell für sie veranstaltet. Sie freut sich sehr auf die Arbeit in Deutschland. Ihre Schwerpunkte sind der Handel, die Gewinnung von Investoren und der Ausbau touristischer Beziehungen. Frau Manori Premila Unambuwe könnte als Computer-Expertin bezeichnet werden. Bevor sie Botschafterin wurde, hatte sie Spitzenpositionen bei SAP, Oracle, IBM und weiteren IT-Firmen inne. Studiert hatte sie in Australien und ist Master of Business Administration.

Etwas weiter östlich liegt Kambodscha. Kambodscha hat 16 Millionen Einwohner und im Jahr 2019 eine jährliche Wirtschaftsleistung von 1.600 USD pro Person. Die Besiedlung dieses Landes am Unterlauf des Mekong hat vor 2.500 Jahren begonnen. Damals herrschten dort die Khmer. Im 19. Jahrhundert gab es diverse Streitigkeiten zwischen den Nachbarn (Thailand und Vietnam), so dass Frankreich auf den Plan trat und für etwa 80 Jahre die Vorherrschaft auf diesem Gebiet ausübte. Es folgten weitere wirre Machtkämpfe, die 1975 durch die Roten Khmer beendet wurden.

Botschafterin des Königreichs Kambodscha, Phen Savny, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert
Botschafterin des Königreichs Kambodscha, Phen Savny, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert - Foto: Bundeswehr/Zeichenstelle WachBtl BMVg
Die kommunistischen Roten Khmer kannten nur einen Feind: das eigene Volk. Man geht inzwischen von 2 Millionen Ermordeten innerhalb von drei Jahren aus. Da 1978 auch viele in Kambodscha lebende Vietnamesen umgebracht wurden, griff Vietnam ein und konnte den Schrecken relativ schnell beenden. Erst 1991 wurde Kambodscha zaghaft in eine Art Unabhängigkeit unter der Aufsicht der UNO überführt. Die Roten Khmer existierten allerdings noch bis 1998 weiter und verschafften sich immer wieder durch Guerillaaktionen Gehör. 1998 starb auch deren Führer Pol Pot und wurde in Würdigung seiner Taten unter einem Haufen Müll verbrannt.

Botschafterin des Königreichs Kambodscha, Phen Savny, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert
Botschafterin des Königreichs Kambodscha, Phen Savny, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert - Flagge von Kambodscha - Foto: Bundeswehr/Zeichenstelle WachBtl BMVg
Die Diktatur wird Kambodscha wohl so schnell nicht los. Seit über 20 Jahren herrscht dort Premierminister Hun Sen mit den üblichen Werkzeugen Korruption, Wahlfälschung, Einschüchterung, Verschwinden lassen und so weiter. Die neue Botschafterin Phen Savny vertritt Kambodscha nicht nur gegenüber Deutschland, sondern auch gegenüber Tschechien, Ungarn, Slowakei, Kroatien und Slowenien. Wenn also ein Kroate ein Visum benötigt, muss er nach Berlin reisen. Die Botschaft befindet sich in der Nähe des S-Bahnhofs Berlin-Pankow.


Botschafterin von Brunei Darussalam, Pengiran Hajah Krtini Pengiran Haji Tahir, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert
Botschafterin von Brunei Darussalam, Pengiran Hajah Krtini Pengiran Haji Tahir, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert - Foto: Bundeswehr/Zeichenstelle WachBtl BMVg
Noch östlicher liegt Brunei Darussalam. Das Land verzahnt sich in die Nordküste Malaysias und hat eine recht ungewöhnliche Flagge: gelb mit einem weiß-schwarzen Querstrich. In Brunei Darussalam leben 450.000 Menschen in einer Erbmonarchie. Die jährliche Produktivität der Landes mit fast 28.000 USD pro Kopf ist recht hoch. Das liegt wohl hauptsächlich an den Erdöl- und Erdgasvorkommen. Bemerkenswert hoch ist auch der Verteidigungshaushalt. Dieser liegt bei 3,48% des BIP. Brunei Darussalam ist auf militärischem Gebiet westlich orientiert, nimmt an UNIFIL im Libanon teil und hat in den letzten Jahren erheblich seine Fähigkeiten bei der Abwehr von Cyber-Angriffen verbessert.

Botschafterin von Brunei Darussalam, Pengiran Hajah Krtini Pengiran Haji Tahir, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert
Botschafterin von Brunei Darussalam, Pengiran Hajah Krtini Pengiran Haji Tahir, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert - Foto: Bundeswehr/Zeichenstelle WachBtl BMVg
Sucht man nach dem Lebenslauf von Botschafterin Pengiran Hajah Krtini Pengiran Haji Tahir, findet man eine großzügig auf den ersten Google-Ergebnisseiten platzierte Darstellung seiner Majestät, Sultan Haji Hassanal Bolkiah Mu’izzaddin Waddaulah ibni Al-Marhum Sultan Haji Omar ‘Ali Saifuddien Sa’adul Khairi Waddien, Sultan und Yang Di-Pertuan von Brunei Darussalam. Irgendwann taucht eine Information aus 2016 auf, wonach die neue Botschafterin als Generalkonsulin touristische Abkommen mit China angebahnt hatte.


Botschafter der Tschechischen Republik, Tomáš Kafka, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert
Botschafter der Tschechischen Republik, Tomáš Kafka, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert - Foto: Bundeswehr/Zeichenstelle WachBtl BMVg
Tomáš Kafka war heute der einzige männliche Botschafter. Er vertritt die Tschechische Republik und damit das einzige nichtasiatische Land im heutigen Akkreditierungsreigen. Tschechien hat 10 Millionen Einwohner und eine Wirtschaftsleistung von 23.000 USD pro Kopf. Tschechien ist Teil des Visegrád-Verbundes. Die Visegrád-Staaten haben zwei wichtige Gemeinsamkeiten: Sie liegen an der Ostflanke Europas und sind ausschließlich Nettoempfänger der EU. Besonders viel Geld fließt an die Visegrád-Staaten Polen und Ungarn.

Botschafter der Tschechischen Republik, Tomáš Kafka, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert
Botschafter der Tschechischen Republik, Tomáš Kafka, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert - Flagge von Tschechien - Foto: Bundeswehr/Zeichenstelle WachBtl BMVg
Botschafter Tomáš Kafka war bereits Anfang der 1990er Jahre als Kulturattaché in Deutschland. Anschließend war er Botschafter in Irland und für den deutsch-tschechischen Zukunftsfonds zuständig. Zudem hat er deutschsprachige Bücher übersetzt. Darunter auch von Franz Kafka. Nach eigenen Angaben ist er mit diesem jedoch nicht verwandt oder verschwägert. Tomáš Kafka betrachtet Berlin als das "Tor der Tschechen nach Europa". In Sicht auf Visegrád ist ihm wichtig, dass kein Ausverkauf der Ideale Europas geschieht. Deshalb war wohl intern so lange um die Besetzung des Botschafterpostens in Berlin gerungen worden. Der Vorgänger Tomáš Kafkas hatte schon im Januar den Platz geräumt.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 5. August 2020

Libanon: Die Explosion tangiert auch deutsche Staatsbürger und Immobilien

Heute um zehn nahm der Krisenstab der Bundesregierung zur Großexplosion im Libanon seine Arbeit auf. Es trafen sich Vertreter des BMI, des BMZ, des Auswärtigen Amtes und des BMVg. Die Lage ist noch sehr unübersichtlich.

Bekannt ist derzeit nur, dass das Gebäude der Botschaft und das Goethe-Institut stark beschädigt sind. Es gibt auch schon einige Meldungen zu verletzten Deutschen. Genaue Zahlen wollte das Auswärtige Amt gegen halb zwölf aber noch nicht herausgeben, weil die Daten erst einmal gesammelt und geordnet werden.

Insgesamt 250.000 Einwohner Beiruts sollen jetzt ohne Wohnraum dastehen. Darunter auch viele Deutsche, die für diverse Hilfsorganisationen arbeiten. Deutschland engagiert sich schon länger in dem krisengeschüttelten Land: Bildungsprojekte, Wirtschaftsförderung und nicht zuletzt bei UNIFIL.

Die Soldaten der UNIFIL waren auf dem Meer unterwegs, so dass sie nur insofern betroffen sind, dass sie möglicherweise in den nächsten Tagen für Hilfeleistungen eingesetzt werden. Ein weiteres UNIFIL-Schiff ist von Zypern aus in die Region aufgebrochen. Die Luftwaffe hält ihre medizinisch nutzbare A400M-Flotte ebenfalls für einen Einsatz bereit. Diese wurde aber noch nicht angefordert. Das Innenministerium erklärte seine Bereitschaft zur Entsendung von Forensikern, falls diese erbeten werden.

Auf jeden Fall fliegen heute Abend 47 Experten des THW (Technisches Hilfswerk) in den Libanon. Das THW unterhält eine Spezialeinheit "Bergung Ausland". Das Team wird von einem Hochbaustatiker begleitet, der die statische Sicherheit des Botschaftsgebäudes prüfen soll. Da das Auswärtige Amt eine weitere Liegenschaft im Libanon unterhält, kann der Botschaftsbetrieb nach einer kurzen Umzugsphase am alternativen Standort weitergeführt werden.

Zur Ursache der Explosion liegen der Bundesregierung bislang keine Erkenntnisse vor.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 4. August 2020

Bernhard Felmberg wird ab Oktober neuer Evangelischer Militärbischof

Eine Mitarbeiterin der Evangelischen Kirche wusste zu berichten, dass Bernhard Felmberg ein "schöner Mann" sei. Deshalb sei es verständlich, dass er Frauengeschichten gehabt habe. Das hätten die anderen doch auch gehabt. Sie nannte weitere Namen aus der kirchlichen Szene Berlins. Bernhard Felmberg sei immer sehr zuvorkommend gewesen - ein wahrer Gentleman und fähiger Vertreter des Bischofs.

In der Evangelischen Kirche passt diese Sonderrichtung der Nächstenliebe in das bunte Allerlei der Weltoffenheit. Eine oder mehrere Frauen neben der Ehepartnerin zu unterhalten? Warum nicht? Und egal, wem das geistliche Vorbild unter die Gürtellinie greift: Falls es Ärger gibt, mündet dieser in einer Versetzung mit beruflichem Aufstieg.

Diese Logik zieht sich durch verschiedene Lebensbereiche. Wegen des ausgeprägten Strebens nach Harmonie findet diese Logik in der Kirche jedoch einen besonders fruchtbaren Nährboden.

Oft trauen sich die zuständigen Leitungspersonen nicht, schnell und konsequent zu handeln. Gelegentlich haben die Verantwortlichen selbst etwas zu verbergen oder wollen einfach nur ihre Ruhe haben. So wird vertuscht, gedeckt und die Betroffenen zum Problem gemacht. Dabei wird gerne auf die vermeintliche Liebe zum Sünder, die Liebe zum Nächsten oder das Bibelzitat verwiesen, man solle den "Gesalbten des Herrn nicht antasten".

Kein Wunder also, dass Mitgliederzahlen und Spendeneinnahmen sinken. In der Katholischen Kirche wurden inzwischen Gremien eingerichtet, die sich ernsthaft mit Missständen und Missbrauch auseinandersetzen. Man habe erkannt, dass die gesamte Außenwirkung der Kirche wegbreche, wenn man hier nichts unternehme. Das katholische Werk Don Bosco beispielsweise hat wirkungsvolle Maßnahmen gegen problematische Zustände in den eigenen Reihen ergriffen. Mit Erfolg: Denn die Glaubwürdigkeit in die internen Klärungsfähigkeiten konnte dadurch zurückgewonnen werden.

Kommen wir nun zurück zum designierten Militärbischof: Bis 2013 war Bernhard Felmberg Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Bundesregierung und der Europäischen Union. Die Frucht seines Liebeslebens war ein Disziplinarverfahren zu "Fragen der persönlichen Lebensführung". Dieses mündete in einen "Wartestand", während dessen er weiterhin seine Bezüge von mehr als 7.000 Euro monatlich erhielt. Die Pause war aber nur von kurzer Dauer. 2014 ging er als Unterabteilungsleiter ans BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit). 2015 wurde er zum Ministerialdirigenten ernannt. Damit war er in die Besoldungsstufe eines Brigadegenerals aufgestiegen. Andere Bewerber mit deutlich mehr Fachkompetenz waren bei der Vergabe des Postens ignoriert worden.

Im Oktober 2020 soll Bernhard Felmberg sein Amt als Militärbischof antreten. Eine weitere Steigerung der beruflichen Karriere. Seine zentrale Aufgabe hat der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strom bereits definiert: nämlich "in der Spur der friedensethischen Äußerungen der EKD" zu bleiben. Bis Oktober ist das Amt des Militärbischofs für zweieinhalb Monate nicht besetzt. Die Unterschriftsgewalt wird in dieser Zeit durch Thies Gundlach ausgeübt. Thies Gundlach ist Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD.

Mit Bekanntgabe der Entscheidung für Bernhard Felmberg tauchte auch wieder das damalige Disziplinarverfahren auf. Wie ein Fußball, der tief unter der Wasseroberfläche festgehalten und dann einfach losgelassen wurde. Deshalb kam die altbewährte Methode der salbungsvollen Vertuschung zum Einsatz: Das Disziplinarverfahren ist eingestellt und Bernhard Felmberg wird nun als Mann mit "Brüchen in seiner Biografie" vermarktet. Ein cleveres Vorgehen: Dadurch wird der neue Bischof vom Gestalter zum Opfer seines Schicksals umgewidmet.

Es stellt sich die Frage, was Bernhard Felmberg den Soldaten im Auslandseinsatz antwortet, wenn diese von ihren Ehekonflikten im fernen Deutschland berichten? Kann er sich in die Betroffenen hineindenken, wenn es um hierarchische Auseinandersetzungen geht? Und was antwortet er, wenn traumatische Gefechtserfahrungen zu verarbeiten sind? Zitiert er dann die "friedensethischen Äußerungen der EKD"?

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 24. Juli 2020

Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz startet im April 2021 an drei Ausbildungsstandorten

Das Sommerloch wird gerne von unbekannten Politikern zum Aufbau ihres Profils genutzt. So holte die neue Wehrbeauftragte Eva Högl das Thema Wehrpflicht hervor und heizte damit eine schwelende Debatte an. Gut informierte Kreise wissen, dass die Wehrpflicht zurzeit gar nicht in das Konzept der Bundeswehr passt. Die aktuellen Gegebenheiten bei Personal, Liegenschaften und Organisation könnten einen so hohen Anwuchs an schnell wechselndem Personal gar nicht verarbeiten. Hinzu kommen die neuen Anforderungen an hybride Bedrohungslagen und hochkomplexe Waffentechnik.

Bei der gestrigen Pressekonferenz stellte die Verteidigungsministerin deshalb keine Alternative zur Dienstpflicht oder gar einen verpflichtenden Wehrersatzdienst vor, sondern einen Baustein, der eine Lücke im Karrieregefüge der Bundeswehr schließt. Den Diskurs über die Wehrpflicht delegierte sie elegant an den Bundestag und ging gar nicht weiter darauf ein.

Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschtz - Dein Jahr für Deutschland
Dein Jahr für Deutschland - Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschtz (Logo mit freundlicher Genehmigung der Bundeswehr)
Der neue Baustein nennt sich "Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz". Sofort kam die Frage auf, worin denn die Unterschiede zwischen dem bisherigen Freiwilligen Wehrdienst und dem Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz bestehen?

Die gravierendsten Unterschiede liegen im Zeitbudget und der Verortung. Im Heimatschutz beträgt die militärische Ausbildung 7 Monate an einem Standort, der sich möglichst nah am Wohnort befindet. Auslandseinsätze sind  - wie der Name schon sagt - im Heimatschutz nicht vorgesehen. Auch die anschließenden 5 Monate Reserveeinsatz - in Summe also 12 Monate - sollen in Wohnnähe absolviert werden. Die Reserveeinsätze werden auf 6 Jahre verteilt.

Die Freiwilligen bekommen zunächst die allgemeine 3-monatige Grundausbildung und werden anschließend für infanteristische Aufgaben wie den Objektschutz ausgebildet. Im ersten Durchlauf wird das Modell mit 1.000 Soldaten getestet. Diese können sich ab September 2020 bewerben und beginnen frühestens im April 2021. Da es vorrangig um eine Stärkung der Reserve im Inland geht, können sich körperlich fitte Personen zwischen 17 und 65 Jahren bewerben. Die Möglichkeit, gänzlich ohne Wehrdienst in die Reserve aufgenommen zu werden, besteht weiterhin. Gute Erfahrungen wurden während Corona mit der Kampagne "Reserve hilft" gemacht.

Momentan sind drei Hauptstandorte für die Ausbildung der Freiwilligen vorgesehen: Berlin, Delmenhorst und Wildflecken in Bayern. Nach der Ausbildung stehen derzeit 30 Regionale Sicherungs- und Unterstützungskompanien (RSU) zur Verfügung. Die familiären und beruflichen Situationen werden beim späteren Reserveeinsatz berücksichtigt. Man könnte also fast schon von einem "Freiwilligen Wehrdienst light" sprechen.

Zuständig ist der stellvertretende Generalinspekteur, Generalleutnant Markus Laubenthal. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die 1.000 Soldaten im ersten Durchlauf nur der Anfang einer neuen Karrierelinie in der Bundeswehr sind. Die Idee zu diesem Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz gab es schon länger und wurde nun von Sabine Grohmann eingebracht. Sabine Grohmann ist seit 2018 für das Personalmanagement der Bundeswehr verantwortlich.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 16. Juli 2020

400 Seiten Verfassungsschutzbericht 2019

Die fast 400 Seiten des Verfassungsschutzberichtes eignen sich gut als Urlaubslektüre. Neben einigen kürzeren Kapiteln dominieren die Themenbereiche Rechtsextremismus, Linksextremismus, Islamismus, extremistische Ausländer ohne Islamismus und Aktivitäten fremder Mächte. Letzteres bezieht sich auf Spionage, Sabotage, Cyberangriffe, politische Einflussnahme und Anwerbung deutscher Staatsbürger durch staatliche Akteure anderer Länder.

Rechtsextremismus

Das Bundesamt für Verfassungsschutz untersteht dem Bundesinnenministerium. Deshalb waren vor einer Woche auch Horst Seehofer und Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang zur Vorstellung des Berichtes in der Bundespressekonferenz erschienen. Wie Horst Seehofer regelmäßig betont, stellt der Rechtsextremismus momentan die höchste Gefahr dar. Es gibt viele Anhänger mit einer erheblichen Gewaltbereitschaft. So wurden 2019 über 21.000 Straftaten in diesem Motivationssegment registriert.

Verfassungsschutzbericht 2019 Bundespressekonferenz Horst Seehofer Thomas Haldenwang
Verfassungsschutzbericht 2019 in der Bundespressekonferenz durch Innenminister Horst Seehofer vorgestellt
Eine hohe Konzentration rechter Aktivitäten ist in Sachsen und Thüringen zu verzeichnen, aber auch in Nordrhein-Westfalen und Berlin. Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften ergibt sich ein Personenpotenzial von 33.430 Rechtsextremisten in Deutschland. Davon gelten 13.000 als gewaltorientiert.

Interessant sind die Ausführungen über "Reichsbürger" und "Selbstverwalter". Nur bei 5% der "Reichsbürger" gibt es Überschneidungen mit dem Rechtsextremismus. Sie haben nämlich ihre sehr eigenen Vorstellungen, die oftmals auf Verschwörungstheorien basieren. Während sich "Reichsbürger" auf ein irgendwie geartetes Deutsches Reich berufen, nehmen "Selbstverwalter" eine UN-Resolution zur Grundlage ihrer Ansichten. Diese gebe ihnen das Recht auf den Eintritt in eine Selbstverwaltung ohne das administrative Drumherum der Bundesrepublik.

Linksextremismus

Linksextremismus verzeichnet in Deutschland signifikante Zuwachsraten. So halten sich zurzeit 33.500 bekannte Linksextreme mit den Rechtsextremen die Waage. 9.200 Linksextremisten gelten als gewaltorientiert. 2019 wurden etwa 9.849 Straftaten registriert.

Die Taktik der Szene hat sich geändert. Früher war es üblich, sich in Demonstrationen zu mischen und diese in ein gewalttätiges Chaos zu kippen. In Ermangelung von Großereignissen ist man dazu übergegangen, verdeckte und gezielte Aktionen durchzuführen. Beispielsweise werden "Hausbesuche" bei Personen abgestattet, die man als rechtsextrem deklariert hat. Die Definition einer rechtsextremen Zielperson folgt keiner objektiven Logik und erstreckt sich vom bekennenden Nazi über den AfD-Politiker bis zur Mitarbeiterin einer Immobilienfirma.

Die Wortwahl bei der Bezeichnung politischer Gegner ist nur bedingt diplomatisch, wird aber politisch korrekt gegendert: "Rassist*innen", "Rechte", "Reaktionäre", "Nazis", "Bullen" oder "Repressionsorgane". Die Themen sind durchweg "Anti": "antisoziale Strukturen", "Antigentrifizierung" und "Antifaschismus". Die Gentrifizierung ist besonders den Autonomen unter den Linken ein Dorn im Auge. Bedeutet es doch die Aufwertung eines Stadtteils durch Sanierungen und die damit verbundene Verteuerung der Mieten. Zur Gewinnung neuer Anhänger nutzt die Szene populäre Themen wie Umweltschutz oder die Wohnsituation. Ferner ist sie im Umfeld von Fußballspielen und Kampfsportvereinen aktiv, um dadurch die "revolutionäre" Schlagkraft zu erhöhen.

Verfassungsschutzbericht 2019 Bundespressekonferenz Horst Seehofer Thomas Haldenwang
Verfassungsschutzbericht 2019 in der Bundespressekonferenz durch Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang vorgestellt
Innerhalb des linken Spektrums gibt es Unterschiede. Ein bemerkenswerter Teil glaubt nach dem Scheitern sämtlicher sozialistischer Staaten immer noch an einen Sieg der Arbeiterklasse und die klassenlose Gesellschaft des Kommunismus. Viele nehmen dafür den Zwischenschritt über eine sozialistische Gesellschaft in Kauf. Eine friedliche Entwicklung ist dabei nicht vorgesehen.

Autonome zählen zwar auch zum Linksextremismus, möchten sich aber nicht von einer sozialistischen Zwangsbeglückung gängeln lassen. Sie möchten ihr eigenes Ding machen und einfach nur frei und ohne Verantwortung leben.

Die Partei DIE LINKE eignet sich hervorragend zur Unterwanderung mit extremistischem Gedankengut. Von daher ist es kein Wunder, dass gleich mehrere Untergruppierungen durch den Verfassungsschutz beobachtet werden. Dazu gehören die "Sozialistische Alternative" (SAV), die "Kommunistische Plattform" (KPF), die "Sozialistische Linke" (SL) oder die "Antikapitalistische Linke" (AKL).

Soweit zu den einheimischen Themen. Darüber hinaus gibt es noch den Islamismus, ausländischen Extremismus und andere Eingriffe fremder Staaten.

Islamismus

Auch wenn der Islamismus in letzter Zeit etwas aus den Schlagzeilen geraten ist, ist das kein Grund für eine Entwarnung. Sehr aufmerksam werden Organisationen wie der IS, die HAMAS, al-Qaida, Al-Shabab, die Hizb Allah und die Muslimbruderschaft beobachtet. Fernab der öffentlichen Wahrnehmung regt der Verfassungsschutz Maßnahmen der Polizei an, die entsprechende Anschläge in Deutschland verhindert.

Wenn die islamistische Organisation nicht gerade ein weltweites Kalifat zum Ziel hat, nutzt sie Deutschland zur Rekrutierung neuer Kräfte und als Rückzugsgebiet. Corona hatte zunächst für einen Stillstand islamistischer Aktivitäten gesorgt. Diese wurden aber bald nach der ersten Starre ins Internet verlagert: Kontaktanbahnung und Propaganda über Soziale Netzwerke.

Ausländischer Extremismus

Ausländische Extremisten ohne direkten Bezug zum Islamismus lassen sich weitestgehend auf den Konflikt zwischen Türken und Kurden reduzieren. Dreh- und Angelpunkt ist die seit 1993 verbotene "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und deren Sympathieorganisationen. Als aktiver türkischer Gegenpol wäre die Ülkücü-Bewegung mit ihren fünfstelligen Mitgliederzahlen zu nennen. Ülkücü strebt ein neues Osmanisches Großreich unter Herrschaft der türkischen Ethnie an. Das Zusammentreffen von Ülkücü-Anhängern und Kurden in deutschen Städten hat eine besondere Brisanz. Ülkücü wird aber auch deshalb vom Verfassungsschutz beobachtet, weil es synonym für eine "desintegrative Wirkung" und die "Bildung einer Parallelgesellschaft" steht.

Spionage und Einflussnahme fremder Mächte

Das letzte große Kapitel des Berichtes befasst sich mit "Spionage, Cyberangriffen und sonstigen sicherheitsgefährdenden ... Aktivitäten für eine fremde Macht". Hier werden vier besonders aktive Staaten genannt: Russland, China, Iran und Türkei.

Russland fällt in verschiedenen Bereichen auf: Mit seinen Medien RT Deutsch und Sputnik nimmt es aktiv Einfluss auf die öffentliche Meinung. Wenn jemand Desinformation beherrscht, dann Russland. Russland kann aber auch "Cyber" und setzt diese Fähigkeit konsequent zum Ausforschen verschiedener Ziele in Deutschland ein. Darunter befinden sich Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Behörden und Medienunternehmen. Russland ist darin so gut, dass die Angriffe oft gar nicht bemerkt werden und langfristig virtuelle Türen für die russischen Geheimdienste offen stehen.

Russische Geheimdienste haben noch einen anderen Trumpf: der hohe Anteil Spätaussiedler in Deutschland. In einem Bundeswehr-Seminar wurde vermittelt, dass Russland langfristig arbeitet: Eigene Leute werden eingeschleust, leben ein normales Alltagsleben, besetzen wichtige Posten und zum festgesetzten Zeitpunkt wird einfach der Schalter umgelegt.

China konzentriert sich nach Maßgabe seiner Belt Road Initiative (BRI) auf wirtschaftliche Einflussnahme und das Ausspähen strategisch verwertbarer Informationen. Selbst kooperative Unternehmen oder Behörden werden gnadenlos angezapft. Eine besonders niedrige Schwelle zur Preisgabe sensibler Daten bieten chinesische Bezahlsysteme oder Mobilitätsangebote. Hier sollte der deutsche Nutzer wissen, dass Unternehmen in China zur uneingeschränkten Zusammenarbeit mit dem Staat - also der einen Partei - verpflichtet sind. Datenschutz gilt dort nichts, so dass auf Wunsch alle sensiblen Daten bei staatlichen Stellen landen.

China ist schon längst kein Kopierland mehr. China hat sich - unter den Augen westlicher Hybris - eine Marktführerschaft in verschiedenen Hochtechnologiebereichen erarbeitet. Die Investitionen in Deutschland sind zwar nominell rückläufig. Dafür ist die Qualität der Aufkäufe deutscher Firmen alarmierend. So pickt sich China besonders innovative Firmen heraus und zieht auf diesem Wege ganz legal das Know-how ab. Auch Agenten werden nicht mehr nur aus eigenen Staatsbürgern rekrutiert, sondern gezielt aus anderen Nationen angeworben. Die Details dazu würden hier den Rahmen sprengen.

Dem Iran geht es vorrangig um die Verfolgung der im Ausland lebenden Opposition. Ferner sucht er nach Wegen, an nuklear verwertbare Technologien heranzukommen. Die Türkei forscht die PKK und oppositionelle Strömungen aus. Wie Russland profitiert auch die Türkei bei der Beschaffung von Informationen von der hohen Zahl türkischstämmiger Personen in Deutschland.

Geistige Brandstifter und Täter

Thomas Haldenwang betonte in der Pressekonferenz, dass es nicht nur um die finalen Täter gehe, sondern auch um die "geistigen Brandstifter". Man habe in den letzten Jahren gelernt, dass immer eine "geistige Brandstiftung" der Radikalisierung und anschließenden Tat vorausgehe. Deshalb messe der Innenminister dem Thema Desinformation eine hohe Bedeutung bei. Das Thema werde durch die "Einheit hybride Bedrohungen" bearbeitet. Auch stimme man sich intensiv mit dem Verteidigungsministerium und dem Kanzleramt ab.

Zum Luxus einer Demokratie gehört es, dass ausführende und gesetzgebende Instanzen die nüchternen Erkenntnisse eines solchen Berichtes ignorieren. So kommt es regelmäßig zu Unstimmigkeiten zwischen dem Verfassungsschutz und wichtigen Entscheidungsträgern. Praktisch, wenn wenigstens der Innenminister seinem nachgeordneten Bundesamt den Rücken stärkt.

Video:
Mitschnitt der Pressekonferenz auf Phoenix

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 8. Juli 2020

Altmunition in Ostsee und Nordsee

Im Schatten der EU-Ratspräsidentschaft hat Deutschland nun auch den Vorsitz der HELCOM übernommen. Das HEL bezieht sich auf die Helsinki-Konvention von 1974. Mitglieder sind die Anrainerstaaten der Ostsee. Grund zu einer Nachfrage, wie es um die Altmunition in Ostsee und Nordsee steht.

Altmunition in Ostsee und Nordsee - Deutschland übernimmt den Vorsitz der HELCOM
Altmunition in Ostsee und Nordsee: Wie lange noch ist unbeschwerter Urlaub an Ostsee und Nordsee möglich?
Seit über zehn Jahren freuen sich Urlauber über üppige Bernsteinfunde am Strand. Wenn sie diese in die Hosentasche stecken, trocknet der vermeintliche Bernstein. Kurz darauf entzündet er sich und fügt dem Finder erhebliche Verbrennungen zu. Der Erholungssuchende hat den Bernstein mit weißem Phosphor verwechselt. Dieser stammt aus verrottenden Bomben und Minen tief unter der Wasseroberfläche. Die Altmunition in der salzigen See ist eine Zeitbombe.

Laut einer 2011 angefertigten Studie ist von 1,6 Millionen Tonnen - also 1.600.000 Tonnen - konventioneller Munition in deutschen Gewässern auszugehen. Davon liegen 1,3 Millionen in der Nordsee. Das ist noch nicht alles. Hinzu kommen 170.000 Tonnen chemischer Kampfstoffmunition in der Nordsee und bis zu 65.000 Tonnen in der Ostsee. Die 90 Tonnen, die allein vor Helgoland lagern, klingen dann schon fast nach einer homöopathischen Menge. Als nördliche Militärbasis hat Helgoland prägende Erfahrungen mit Munition gesammelt. Ein Viertel der Insel war 1947 durch die Briten weggesprengt worden: Bunker und Munitionslager. Die Detonation habe man sogar noch im weit entfernten Cuxhaven wahrgenommen.

Altmunition in Ostsee und Nordsee - Deutschland übernimmt den Vorsitz der HELCOM
Altmunition in Ostsee und Nordsee: 1947 wurde ein großer Teil von Helgoland weggesprengt.
Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern kam 2018 zu der Feststellung: "Derzeit ist nicht erkennbar, dass eine großräumige Gefährdung der marinen Umwelt über den lokalen Bereich der munitionsbelasteten Flächen hinaus vorhanden oder zukünftig zu erwarten ist. Eine Gefährdung besteht jedoch punktuell für Personengruppen, die im marinen Bereich der Nord- und Ostsee mit Grundberührung tätig sind."

Für die Altmunition ist nicht etwa die Bundeswehr oder die NATO zuständig, sondern das Umweltministerium. Geht es hier doch um eine Gefährdung der Umwelt. So wurde festgestellt, dass Muscheln oder Plattfische in unmittelbarer Umgebung von Sprengkörpern auch deren Schadstoffe aufnehmen. Eine großflächige Verbreitung ist jedoch bis heute nicht erwiesen.

Eine umfangreiche Bergung oder Zerstörung der Altmunition ist ein Generationenwerk. Während Ankertauminen in wenigen Jahren zu beseitigen wären, kann das bei Grundminen oder Fliegerbomben bis zu 20 Jahren dauern. Voraussetzung ist natürlich, dass man mit der Beräumung beginnt. Momentan wird mit den Anrainerstaaten ein Konzept dazu entwickelt. Das Umweltministerium hat das als eines der zentralen Themen auf die Agenda des HELCOM-Vorsitzes gesetzt und hofft auf eine gute Kooperation innerhalb der Kommission.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 1. Juli 2020

AKK zu KSK: Toxic Leadership und strukturelle Schwachpunkte

Im nächsten Jahr feiert das Kommando Spezialkräfte (KSK) sein 25-jähriges Bestehen. Die Eliteeinheit wurde nach dem Vorbild des Special Air Service (SAS) der britischen Armee und der Grenzschutzgruppe 9 (GSG 9) zusammengestellt. Anlass war das Fehlen dieser Fähigkeiten zur Zeit des Völkermordes in Ruanda. Damals mussten belgische Spezialkräfte für die Rückführung deutscher Staatsbürger sorgen.

Inzwischen hat sich vieles im KSK verselbständigt. Anders als sonst in der Bundeswehr fand kaum eine Rotation der Führungskräfte statt. Die Ausbildung wurde intern geregelt und auch ein Inspizieren war wegen des hohen Geheimhaltungsgrades nicht möglich. So konnten sich Strukturen und Gepflogenheiten entwickeln, die sehr eigen waren und sich jeglicher externer Kontrolle entzogen.

Pressekonferenz AKK Kramp-Karrenbauer Generalinspekteur Eberhard Zorn Arbeitsgruppe KSK
Pressekonferenz von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK und dem Generalinspekteur Eberhard Zorn zur Arbeitsgruppe KSK
Das KSK ist ein Bataillon mit weit über 1.000 Soldaten. Diese sind in zehn Kompanien und einigen weiteren Bereichen organisiert. Bei den Ermittlungen zu den Vorwürfen des Extremismus wurde eine so genannte 20er-Liste abgearbeitet. 20 Soldaten wurden auf verschiedenen Ebenen betrachtet und gewisse Gemeinsamkeiten festgestellt. Die wichtigste Gemeinsamkeit war, dass sie zur 2. Kompanie gehörten.

Deshalb wurde analysiert, was das Besondere an der 2. Kompanie ist. Sie gehört zu den sechs Kommandokompanien, die die Spezialaufträge letztlich ausführen. Laut der Ministerin liegt eine der Ursachen für die Radikalisierung in dem enormen Druck, dem die Soldaten im Einsatz ausgesetzt sind, aber auch in den Vorstellungen, die die Soldaten selbst von ihren Aufgaben haben. Es gebe Differenzen bei der Bewertung parlamentarisch legitimierter Einsätze und dem, was man gerne selbst noch machen möchte. Druck als Begründung hinkt insofern, als dass es weitere Kompanien und Spezialkräfte wie die Kampftaucher gibt, bei denen bisher keine Radikalisierung aufgefallen ist. Es muss also noch andere Ursachen geben.

Pressekonferenz AKK Kramp-Karrenbauer Generalinspekteur Eberhard Zorn Arbeitsgruppe KSK
Pressekonferenz von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK und dem Generalinspekteur Eberhard Zorn zur Arbeitsgruppe KSK
Dazu fiel mehrfach der neudeutsche Begriff "Toxic Leadership". Toxic Leadership bedeutet "vergiftende Leitung" und wurde erstmals kurz nach dem Irak-Krieg von der US-Armee thematisiert. Damals hatte man die Selbstmorde amerikanischer Soldaten untersucht. In die Betrachtungen wurden dabei nicht nur die Familiensituation oder die psychische Verfassung des jeweiligen Soldaten einbezogen, sondern - das war neu - auch das Umfeld in der Truppe. Dabei fiel auf, dass inkompetente und unsichere Leitungspersonen oftmals ein Klima der Kontrolle und des Machtmissbrauchs erzeugen und Strukturen etablieren, die fähigen Kräften keine Luft zum Atmen lassen. Diese werden gedemütigt, diffamiert und weit unter Potenzial eingesetzt. Dem toxischen Leiter geht es damit in der Regel nur um die Kompensation eigener Defizite. Seine Organisation, sein Team und der größere Auftrag sind ihm egal.

Toxic Leadership ist ein weit verbreitetes Problem. Es zieht sich durch sämtliche Gesellschaftsbereiche. Deshalb gibt es in den USA inzwischen Trainer und Unternehmensberater, die genau dieses Thema aufgreifen und Handlungsempfehlungen für Betroffene und übergeordnete Führungskräfte anbieten. In Deutschland wird dieses Thema erst seit 2017 wahrgenommen. Mit einem Aufsatz hatte Oberst Jahnke vom Zentrum Innere Führung der Bundeswehr den Stein ins Rollen gebracht. Erst wenige Unternehmensberater haben das hierzulande für die Wirtschaft aufgegriffen. Üblicherweise wird mit rüden Methoden gegen Stimmen vorgegangen, die toxische Leitung in den eigenen Reihen ansprechen. Kontaktverbote und die "Mauer des Schweigens" sind äußerlich erkennbare Zeichen für diese problematischen Konstrukte. Mit einer Mauer des Schweigens sieht sich die Bundeswehr auch bei der 2. Kompanie des KSK konfrontiert. Das Schweigen resultiert aus Angst oder einer mehr oder weniger berechtigten Loyalität.

Wie wichtig es ist, dass die übergeordneten Instanzen bei Toxic Leadership eingreifen, zeigt das Beispiel KSK. Die Ministerin und der Generalinspekteur haben die Lagebereinigung zur Chefsache erklärt und stellten sich deshalb heute auch den unkalkulierbaren Fragen der Presse. Den Verantwortungsträgern der Bundeswehr ist bewusst, dass ein Verschweigen oder Vertuschen von kleinen Konfliktherden wie beim KSK zu einem flächendeckenden Problem führen können.

Pressekonferenz AKK Kramp-Karrenbauer Generalinspekteur Eberhard Zorn Arbeitsgruppe KSK
Pressekonferenz von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK und dem Generalinspekteur Eberhard Zorn zur Arbeitsgruppe KSK

Das KSK hat es nun selbst in der Hand, wie seine Zukunft aussieht. Dabei setzt die Arbeitsgruppe KSK auf eine Reformation von innen. Diese wird jedoch von oben beobachtet und als Chance statt Strafe gesehen. "Wer Teil des Problems sein will", muss die Bundeswehr verlassen oder wird versetzt. Wer sich kooperativ bei der Aufarbeitung zeigt, kann seine geplante Laufbahn fortsetzen. Fest steht, dass die 2. Kompanie aufgelöst wird, dass die übliche Rotation der Führungskräfte auch im KSK Einzug hält und dass die Sicherheitsüberprüfung auf Stufe 4 angehoben wird. Auch Reservisten werden in Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz vor der Beorderung stärker unter die Lupe genommen.

Die Arbeitsgruppe KSK - bestehend aus Generalinspekteur, Staatsekretär Tauber, Staatssekretär Hoofe, Heeresinspekteur Mais, KSK-Kommandeur Kreitmayr und der Wehrbeauftragten Högl - hat eine Frist gesetzt. Bis Ende Oktober sollen greifbare Ergebnisse vorliegen. Ansonsten werde man nach "neuen Möglichkeiten suchen". Denn die Fähigkeiten des KSK werden in jedem Fall gebraucht.

Unter die Lupe genommen wurden auch die extrem hohen Fehlbestände an Munition und Sprengstoff. So ist der Verbleib von 37.000 plus 48.000 Patronen für verschiedene Handwaffen ungeklärt. Besondere Sorge bereitet dem Generalinspekteur allerdings das Verschwinden von 62 kg Sprengstoff. Schon 1% davon machen ein Auto zu einem gefährlichen Flugobjekt. In diesem Zusammenhang fiel auf, dass die Bundeswehr zu viele analoge Bestandserfassungen vornimmt. Es gibt faktisch keine zentrale Übersicht zu Lager- und Fehlbeständen bei Munition, die per Knopfdruck abrufbar wäre. Ministerin und General zuckten heute mit den Schultern und verwiesen auf die Generalinventur, die bereits angeordnet sei. Stichtag für die Vorlage der Zahlen ist der 31. Dezember 2020.

Abschließend hier noch ein Zitat von Annegret Kramp-Karrenbauer: "Wenn ich 'eisernen Besen' sage, meine ich das nicht martialisch, aber ernst."

Edit: Hier eine interessante Zusatzlektüre aus dem KSK vom 25. Juli 2020.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 29. Juni 2020

Präsidentin von Estland in Berlin empfangen

Kersti Kaljulaid hat ein für estnische Spitzenpolitiker ungewöhnliches Alter. Sie ist 50 und gehört damit zum älteren Drittel der Bevölkerung Ihres Landes. Die 1,2 Millionen Einwohner Estlands sind jung und medienaffin. Estland hat seine Verwaltung weitestgehend digitalisiert und wirbt mit Online-Anträgen für die estnische Staatsbürgerschaft. Das nennt sich E-Residency und ist eine virtuelle Aufenthaltsgenehmigung mit stark reduzierten Rechten. Sie dient hauptsächlich dazu, eine Firma mit Sitz in Europa, also Estland, gründen zu können.

Wegen des hohen Digitalisierungsgrades ist Estland auch ein interessantes Trainingsfeld für Russland. Cyber-Angriffe und Desinformationskampagnen werden regelmäßig an dem kleinen baltischen Staat ausprobiert und - erfolgreich abgewiesen. Nicht ohne Grund hat die NATO in Tallin ihr Cybersecurity Center of Excellence eingerichtet. Der Grad der Resilienz gegenüber Desinformation ist ähnlich hoch wie in Finnland. Sehr praktisch also, dass die Präsidentin neben Russisch, Französisch und Englisch auch Finnisch spricht.

Präsidentin von Estland, Kersti Kaljulaid, zum Abendessen bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue
Die Präsidentin von Estland, Kersti Kaljulaid, besucht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Abendessen im Schloss Bellevue. Das Foto zeigt den obligatorischen Eintrag ins Gästebuch.
Kersti Kaljulaid studierte eine ungewöhnliche Kombination: Biologie (Genetik) und Wirtschaftswissenschaften. Als stetig könnte man ihr anschließendes Berufsleben nicht bezeichnen. Sie wechselte mehrfach die Unternehmen von der Telekommunikation bis zur Finanzbranche und stieg 1999 als Beraterin bei der Regierung ein. Ab 2004 vertrat sie ihr Land beim Europäischen Rechnungshof und im Oktober 2016 wurde sie als erste Frau für das Amt des Präsidenten von Estland vereidigt.

Ihr heutiger Besuch führte sie zunächst in ihre Botschaft. Der Anlass war das 100-jährige Bestehen der Botschaft Estlands in Berlin. Das Haus liegt gegenüber des Hintereingangs zum Verteidigungsministerium. Die Bebauung des Areals um die Hildebrandstraße 5 fand bereits 1853 statt. Namensgeber Hildebrand war ein Schokoladenfabrikant, der diesen Standort am Landwehrkanal für neue Immobilien vorgesehen hatte. Wegen der historischen Umbrüche mussten viele der Häuser um 1920 verkauft werden. Da Estland nicht genügend Mittel auftreiben konnte, bezahlte Konsul Voldemar Puhk aus eigener Tasche und richtete im Haus Nummer 5 ein Konsulat ein.

Auch die folgenden Jahre waren turbulent. Zunächst fiel das Haus an die Sowjetunion, die Estland als Sowjetrepublik eingemeindet hatte. Mit Ende des 2. Weltkrieges lag das Haus plötzlich im britischen Sektor und konnte deshalb von seinen Besitzern nicht genutzt werden. Es kam unter Treuhandverwaltung und diente als Mietshaus. Mit der Wiedervereinigung und dem Zerfall der Sowjetunion fiel das Haus wieder an Estland zurück und dient bis heute als dessen Botschaft.

Video:
Präsidentin von Estland, Kersti Kaljulaid, besucht Bundespräsident Steinmeier im Schloss Bellevue

Autor: Matthias Baumann

Montag, 22. Juni 2020

Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink verlässt nach 6 Jahren Amtszeit die Militärseelsorge

Es sollte ein Rückblick auf sechs Jahre Amtszeit als Militärbischof werden. Dazu waren wir in den Wald der Erinnerung beim Einsatzführungskommando in Schwielowsee gefahren. Das Stabsmusikkorps hatte einen Trompeter gestellt und auch das Wetter spielte mit.

Bei der Sichtung des Videomaterials machten wir eine interessante Entdeckung: Der Bischof hatte sich selbst komplett zurückgenommen. Dabei sollte es doch um seine Amtszeit gehen. Zu Beginn nannte er seinen Namen und am Ende erwähnte er kurz, dass er in den Jahren 2014 bis 2020 an der Aufgabe gereift sei und viele wertvolle Impulse für sein eigenes Leben mitgenommen habe.

Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink verlässt nach 6 Jahren Amtszeit die Militärseelsorge
Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink verlässt am 15. Juli 2020 nach 6 Jahren Amtszeit die Militärseelsorge. Der Wald der Erinnerung verbindet Abschied, neues Leben und das Bewusstsein für einen wichtigen Dienst, der nur von wenigen geschätzt wird. Auf der Vorderseite des Kreuzes ist die Fußwaschung aus Johannes 13 abgebildet - ein Lebensprinzip des scheidenden Bischofs.
Letzteres wird eindrücklich in seinem Buch "Können Kriege gerecht sein?" dokumentiert. Als ehemaliger Friedensaktivist war er vor 26 Jahren ins Grübeln gekommen, als innerhalb von drei Monaten eine Million Menschen in Ruanda umgebracht wurden. Könnte ein Friedenserhalt durch bewaffnete Kräfte vielleicht doch in bestimmten Situationen sinnvoll sein?

Dann wurde er von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) als neuer Militärbischof angefragt. Da sich Sigurd Rink schon immer für Themen mit Konfliktpotenzial interessierte, willigte er ein und begann Mitte Juli 2014 seine Tätigkeit am ehrwürdigen Bischofssitz in der City West. Das Gebäude befindet sich in der Jebensstraße am Bahnhof Zoo - gegenüber der Bahnhofsmission. Hier hatte in den 1930ern bereits der umstrittene Reichsbischof Ludwig Müller residiert.

Im Büro hielt sich Sigurd Rink jedoch nur selten auf. Er war unentwegt auf Achse und besuchte die Standorte der Bundeswehr im In- und Ausland. Seine erste Reise - noch bevor er offiziell im Amt war - führte ihn in den Kosovo. Dort erlebte er hautnah die Bedrohungslage, das Leben im Feldlager, den direkten Schutz durch Feldjäger und Anschläge in der unmittelbaren Umgebung. So ging es weiter mit mehreren Besuchen in Afghanistan, in Mali oder dem weniger bekannten Einsatz am Horn von Afrika, wo die Bundeswehr bei der Piratenabwehr hilft.

Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink verlässt nach 6 Jahren Amtszeit die Militärseelsorge
Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink verlässt am 15. Juli 2020 nach 6 Jahren Amtszeit die Militärseelsorge. Die Soldaten im Auslandseinsatz hat er oft besucht. Eine gute seelsorgeliche Betreuung der Truppe in sämtlichen Lebenslagen war ihm sehr wichtig.
Die Reisen verliefen nach einem typischen Programm: Am ersten Abend traf er sich auf ein Bier mit den Soldaten vor Ort. In ungezwungener Atmosphäre konnten sich die Anwesenden kennenlernen und über die Freuden und Herausforderungen am Standort reden. Erst den Folgetag widmete er seinen Mitarbeitern - den Militärpfarrern, Seelsorgern und Pfarrhelfern. Diese werden in der Regel für vier Monate in die Auslandseinsätze entsendet und leben dort mitten in der Truppe. Sie sind nahbar, haben ein offenes Ohr und - was für viele Soldaten wichtig ist - dürfen von dem Gehörten nichts weitergeben. Sie unterliegen der Schweigepflicht und haben lediglich der Kirche Rechenschaft zu geben. Im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten sind deutsche Militärseelsorger nicht in die Kommandostrukturen eingebunden. Sie tragen zwar das gleiche Flecktarn, haben aber keinen Dienstgrad und sind durch ein Kreuz auf der Schulter gekennzeichnet.

Das Kreuz auf der Schulter ist ein gute Metapher für die Last, die die Soldaten bisweilen bei den Seelsorgern abladen: Tod von Kameraden, eigene Verwundung, Konflikte mit der Familie im fernen Deutschland, Mobbing durch toxische Führungskräfte und andere Herausforderungen des Alltags. Die Seelsorger sind aber auch für Andachten und Gottesdienste zuständig. Dabei haben sie sehr viele inhaltliche Freiräume und können auch mal mit den liturgischen Elementen experimentieren. Ziel ist es, den Soldaten in ihrer speziellen Situation zu dienen. Realitätsferne Stilelemente haben dort keinen Platz.

Wer in die Militärseelsorge geht, muss Pioniergeist haben und die so genannte Gehkultur mögen. Die Gehkultur steht im Gegensatz zur Kommkultur. Ein Militärpfarrer geht zu seiner Gemeinde, während ein herkömmlicher Pfarrer darauf wartet, dass die Gemeinde zu ihm kommt.

Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink verlässt nach 6 Jahren Amtszeit die Militärseelsorge
Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink verlässt am 15. Juli 2020 nach 6 Jahren Amtszeit die Militärseelsorge. Auch als Persönlichkeit reißt er eine Lücke. Sein Nachfolger wird voraussichtlich im Oktober 2020 das Amt antreten.
Nach sechs Jahren verlässt Sigurd Rink am 15. Juli 2020 die Evangelische Militärseelsorge. Er hätte dieses Amt gerne noch weiter ausgeführt. Einen Tag länger und er hätte diese Stelle aus juristischer Sicht dauerhaft inne gehabt. Die EKD hatte jedoch andere Pläne. So wechselt er zur Diakonie. Die Diakonie ist ein Spezialthema von ihm. Seine Doktorarbeit hatte er über Heinrich Grüber geschrieben, der sich als Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche in der DDR immer auch für die sozialen Belange eingesetzt hatte. Die Doktorarbeit ist sehr spannend geschrieben und enthält kaum Fremdwörter oder alltagsferne Redewendungen.

Wer die Bücher des Militärbischofs liest oder mit ihm redet, stellt fest, dass Selbstdarstellung ein Fremdwort für ihn ist. Er blickt immer auf sein Gegenüber, auf seine Aufgaben und auf seine Mitarbeiter. Das kam auch beim Drehtermin im Wald der Erinnerung zum Ausdruck. Im Mittelpunkt standen die Seelsorge, der Dienst am Soldaten, die Wertschätzung gegenüber den Menschen im Einsatz und die Hinweise auf die wichtige Arbeit seiner Militärpfarrer und Pfarrhelfer. Er selbst sieht sich als Lernenden, der seine Persönlichkeit entwickelt und an den Stellen seines Wirkens etwas Gutes hinterlässt.

Video:
Rückblick auf 6 Jahre Evangelische Militärseelsorge mit Militärbischof Sigurd Rink

Autor: Matthias Baumann