Donnerstag, 19. November 2020

Poly-Pandemie: MSC analysiert die Folgeerscheinungen von Corona

Mit globaler Gesundheit unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten beschäftigt sich die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) schon seit 2017. Bis März 2020 wurde das weder wahr- noch ernstgenommen. Im Februar fanden zwar einige Side-Events zu Corona und Gesundheit statt, diese wurden aber nur von wenigen Teilnehmern besucht. Das Problem hatte Asien noch nicht verlassen.

Auch wenn mit Corona zahlreiche Anbieter für vereinfachte Weltmodelle auf den Plan getreten sind, hat doch die Pandemie ein komplexes Lagebild produziert. Dieses Lagebild zeige "schonungslos die Versäumnisse der Vergangenheit" auf. Man könne schon fast von einem "multilateralen Organversagen" mit "Langzeitschäden" reden - so die Hauptautorin des Reports, Sophie Eisentraut. Deshalb redet die MSC auch von einer Poly-Pandemie, die mehrschichtig abläuft und fünf Hauptbereiche tangiert:

#MSC MSR Special Edition Polypandemic
#MSC Münchner Sicherheitskonferenz Report #MSR Special Edition Polypandemic - Foto: MSC / Kuhlmann

1) Hunger und Unterernährung wurden mindestens verdoppelt. Hochrechnungen haben ergeben, dass Ende 2020 bis zu 828 Millionen Menschen davon betroffen sein könnten. Das entspricht dem 10-fachen der Einwohnerzahl Deutschlands.

2) Die Schere der Ungleichheit geht weiter auf. Das beginnt bei den Corona-Tests, geht über die Ärzte je Einwohner und endet bei der Todesrate im Vergleich von farbigen zu weißen Bürgern insbesondere in den USA. Das Verhältnis liegt dort bei 30% zu 9%.

3) Seit 30 Jahren hat sich weltweit erstmals wieder die Armut erhöht. So wurden knapp 500 Millionen Vollzeitstellen gestrichen und das durchschnittliche Einkommen sank um 20%.

4) Der Autoritarismus erlebt eine Renaissance: staatliche Restriktionen, Einschränkung der Pressefreiheit und brutales Vorgehen gegen demokratische Kräfte. Der Ruf nach dem einen starken Führer wird lauter. Verschwörungstheorien demontieren bestehende Regierungskonzepte.

5) Der Migrationsdruck wächst. Gescheiterte Staaten brechen vollends zusammen und versinken im Chaos. Die Radikalisierung steigt. 21.000 Menschen kamen während der ersten Pandemie-Monate in bewaffneten Konflikten ums Leben. Terroristische Aktivitäten nahmen um 21% zu.

Hinzu kommen noch die Auswirkungen auf globale Entscheidungsprozesse. Bei Ebola wurde innerhalb eines Tages reagiert. Bei Corona nimmt man sich 3 Monate Zeit. 91% aller Schüler und Studenten weltweit sind von Schließungen ihrer Lehreinrichtungen betroffen. 1,6 Milliarden Kinder mussten im April 2020 zu Hause bleiben. Die MSC beziffert zwei Millionen Tote, die nicht an Corona gestorben sind, aber ohne das Freihalten der Kapazitäten hätten intensivmedizinisch behandelt werden können.

Afrika spürt bisher hauptsächlich die globalen Folgen der Pandemie: Hunger, Armut, Ungleichheit, Radikalisierung und Flucht. Mit Corona selbst können die Afrikaner nach Ebola sehr gut umgehen. Während Ebola wurden Hygienekonzepte entwickelt und Behandlungseinrichtungen geschaffen. Diese wurden jetzt einfach reaktiviert.

Corona bietet aber auch diplomatische Chancen. So sieht MSC-Chef Wolfgang Ischinger hier eine der wenigen Schnittmengen, wieder mit Russland konstruktiv ins Gespräch zu kommen. Ähnliches gilt für China. Sein Traum ist es, Russland, China und die USA bei der MSC im Februar 2021 zusammen auf die Bühne zu holen. Ob dieser Traum Wirklichkeit wird, entscheidet unter anderem die Pandemie.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 17. November 2020

2. Grundsatzrede von AKK: Bekenntnis zu NATO, USA und Eigenverantwortung

Während sich die Bevölkerung in Deutschland uneins darüber ist, ob es Corona überhaupt gibt, verschiebt sich außerhalb des Schengen-Raums bereits das Machtgefüge. Diesem ist es egal, was hierzulande diskutiert und geglaubt wird. Es passiert einfach. Wenigstens hat die Verteidigungsministerin noch einen Blick für die "strategische Gesamtlage". Diesen Blick teilen im Bundestag nur wenige Kollegen mit ihr.

So bemerkte sie in ihrer heutigen zweiten Grundsatzrede, dass sich das Parlament wegen der Historie befangen fühle und deshalb so zaghaft auf die weltweit geforderte deutsche Führungsrolle blicke. Das wirke sich auch auf die Geschwindigkeit von Entscheidungsprozessen aus. Deutschland trete deshalb schnell als Unterstützer auf, scheue sich aber vor Robustheit. Robustheit bedeutet: Kampfeinsätze mit direktem Feindkontakt. Auch Soldaten beklagen, dass sie als Kämpfer in die Bundeswehr eingestiegen waren, in der Öffentlichkeit aber immer nur als Brunnenbohrer und Helfer im Gesundheitsamt wahrgenommen werden. Wenn es nach AKK ginge, würde sich das ändern. Das letzte Wort hat jedoch der demokratische Diskurs.

2. Grundsatzrede von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK vor Studenten der Universität der Bundeswehr in Hamburg
2. Grundsatzrede von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK vor Studenten der Universität der Bundeswehr in Hamburg - Die Rede wurde über den Twitter-Account des BMVg übertragen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was sie bis zur nächsten Wahl noch bewegen kann. Ihre 3-Punkte-Agenda bietet jede Menge Ansatzpunkte zur parlamentarischen Auseinandersetzung. Erstens möchte sie die Fähigkeiten bei der Verteidigung ausbauen und weitere Finanzen trotz Corona akquirieren. Zweitens bekennt sie sich klar zur NATO und den durch Deutschland unterzeichneten Verpflichtungen. Drittens sieht sie die EU an der Seite der USA, wenn es um die China-Politik geht. Gerade das ist eine Gratwanderung, weil sich Deutschland gegenüber China nicht so weit aus dem Fenster lehnen kann.

Taktisch setzt die Ministerin auf "Verteidigungsdiplomatie" und darauf, Flagge zu zeigen für unsere Werte, Interessen und Partner. Die Interessen sind relativ neu im Sprachgebrauch unserer Spitzenpolitiker, aber ein wichtiger Schritt in Richtung Führungsrolle. Da die USA offensichtlich nicht mehr führen wollen - auch unter Joe Biden nicht - möchte AKK die Eigenverantwortung stärken und vom "hilfsbedürftigen Schützling" der USA zu deren Partner werden. Sie sieht darin keinen Widerspruch zur herben Kritik des französischen Präsidenten Macron. Dieser hat schon eine starke europäische Armee vor Augen, während AKK die nüchterne Bilanz zieht, dass für einen Verzicht auf die USA einige Jahrzehnte und sehr viel mehr Geld investiert werden müssten. Hier scheidet sich wohl der Optimist Macron von der Realistin Kramp-Karrenbauer.

Zur Untermauerung zählte die Ministerin dann noch die Fähigkeiten der US-Streitkräfte auf, die wir bislang so selbstverständlich mitbenutzen: 70% der "strategic enabler" (strategische Möglichmacher) wie Aufklärung, Hubschrauber, Luftbetankung und Satellitenkommunikation. Sie stellen fast 100% der Abwehr gegenüber ballistischen Raketen sowie einen Großteil der nuklearen Abschreckung. Hinzu kommen 76.000 US-Soldaten in Europa und eine enorme Zahl von Reservekräften. Damit realisieren die USA etwa 75% der gesamten NATO-Fähigkeiten.

Was die Fähigkeiten der Bundeswehr betrifft, wird die Ministerin keine Großprojekte mehr genehmigen, wenn nicht gleichzeitig die Grundausstattung der Soldaten gesichert ist. Mit diesem Thema war schon ihre Vorgängerin bei Truppenbesuchen konfrontiert worden. AKK obliegt es nun, das auch umzusetzen.

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 15. November 2020

Prinz Charles und Camilla besuchen Bundespräsident Steinmeier anlässlich des Volkstrauertages 2020

Drei Sicherheitszonen waren um die Neue Wache eingerichtet. Der Abstand zu den äußeren Metallgittern betrug das Hundertfache des Corona-Abstandes. Zur Dokumentation der Kranzniederlegung waren nur zwei TV-Sender und fünf ausgewählte Fotografen zugelassen. Das waren weniger Pressevertreter als beim hochgradig abgesicherten Besuch des türkischen Präsidenten Erdogan im September 2018.

Prinz Charles und Camilla besuchen den Bundespräsidenten anlässlich des Volkstrauertages 2020
Prinz Charles und Camilla besuchen den Bundespräsidenten anlässlich des Volkstrauertages 2020 - Vorbereitung der Kranzniederlegung an der Neuen Wache

Besuche von britischen Spitzenpolitikern oder royalen Familienmitgliedern stellen generell eine Herausforderung für die inländische Presse dar. Viele der begehrten Akkreditierungen werden im Vorfeld durch die britische Botschaft verteilt. Termine erfahren nur gut vernetzte Hauptstadtjournalisten. Und selbst dann ist eine Teilnahme nicht garantiert. Falls sich mit weiterem Aufwand ermitteln lässt, wer überhaupt zuständig ist und wie die Akkreditierung abläuft, ist eine weitere Hürde zu nehmen: Deutsche Medienvertreter bekommen nur ein Restkontingent dessen, was vom üppigen Zuschlag an die britische und französische Presse übrig bleibt.

Dass nun ausgerechnet Prinz Charles und Camilla als erste Repräsentanten eines anderen Landes am Regierungsterminal des BER gelandet sind, kann als medialer Fehlgriff gewertet werden. Es existieren nur wenige Fotos von diesem Ereignis: Schaut man sich die Berichterstattung an, scheinen nur AFP und dpa bei der royalen Ankunft dabei gewesen zu sein. Selbst der Springer-Verlag musste auf Bilder vom Hotel Adlon ausweichen. Dabei hätte diese Landung ein würdiger Auftakt für die folgenden Staatsbesuche werden können.

Prinz Charles und Camilla besuchen den Bundespräsidenten anlässlich des Volkstrauertages 2020
Prinz Charles und Camilla besuchen den Bundespräsidenten anlässlich des Volkstrauertages 2020 - Flaggen auf Halbmast

Auch die Bildplätze im Bundestag waren begrenzt. Dort sollte Prinz Charles nach der Kranzniederlegung eine Rede halten. Das war die zweite Premiere an diesem Wochenende: erst die erste Landung am BER und dann noch die erste Rede eines Vertreters der königlichen Familie zum Volkstrauertag im Bundestag. Ziel der Übung war die Vertiefung der deutsch-britischen Freundschaft. Diese ist derzeit besonders wichtig, da Großbritannien in sechs Wochen zum Drittstaat avanciert.

Egal, ob der Brexit nun hart oder sanft verläuft: Die Wirtschaft freut sich, dass das Elend unklarer Verhältnisse endlich vorbei ist. Wenn es um die NATO geht, können die Verträge ohne Unterbrechung fortgeführt werden. Alles andere wird sich ändern: Visa, zeitkritische Lieferketten, Grenzkontrollen, Zölle, Wegfall von EU-Subventionen, Wegfall von EU-Rahmenverträgen, Ausschluss vom EU-Binnenmarkt und keine EU-Zuschüsse mehr für schwache Regionen. Momentan hat Großbritannien nur die Idee, als Steueroase aufzutreten. Ob dieser Plan aufgeht, ist unklar. Mindestens so unklar, warum die Neue Wache heute zur Kranzniederlegung so weiträumig abgesperrt war.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 13. November 2020

AKK forciert die Umsetzung der Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung

Dass ein Politiker kaum in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, heißt nicht, dass er nichts tut. So war über die neue Wehrbeauftragte Eva Högl zu erfahren, dass bisher jeder ihrer Truppenbesuche seitens der Soldaten äußerst positiv aufgenommen wurde. Auch Annegret Kramp-Karrenbauer zieht konsequent ihre Agenda durch - in der häuslichen Quarantäne oder im Ministerinnenbüro. Der Teil-Lockdown verkürzt die Reisezeiten und ermöglicht eine Vergrößerung der Teilnehmerzahlen - per Webkonferenz.

Während die Sichtbarmachung der Bundeswehr durch mehr und größere Gelöbnisse, das Bahnfahren in Uniform und virale Werbekampagnen auf dem "Parallelgleis" durch das Land rauscht, betreibt AKK Multitasking und trifft sich virtuell mit ihren Kollegen aus dem Indo-Pazifik-Raum. Heute stand Dr. Ng Eng Hen aus Singapur in ihrem Terminkalender. Das Treffen war von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und der S. Rajaratnam School of International Studies (RSiS) organisiert worden.

Indo-Pazifik-Leitlinien Verteidigungsminister AKK Ng Eng Hen Singapur KAS RSiS
Singapurs Verteidigungsminister Ng Eng Hen (oben links) und seine Kollegin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK (oben rechts) diskutieren die Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung in einer Webkonferenz der KAS und der RSiS

Der Berliner würde sagen: Singapur ist klein, aber Oho! Singapur hat nur sechs Millionen Einwohner und eine Grundfläche, die kleiner als Berlin ist. Singapur liegt aber an einer Stelle, die das Südchinesische Meer mit dem Indischen Ozean verbindet. Das macht diesen Stadtstaat seit vielen Jahren sehr reich. Pro Kopf erwirtschaftet Singapur etwa 64.000 USD pro Jahr und liegt damit fast auf dem Niveau von Katar.

Singapur gilt als das militärisch am besten ausgestattete Land der Region. Über 4% des BIP werden in die Verteidigung investiert. Besonderes Augenmerkt gilt der Luft- und Seeverteidigung. Singapur besitzt 4 U-Boote, 6 Fregatten, 11 Korvetten und 105 Kampfflugzeuge. Letztere zum Großteil aus amerikanischer Produktion. Die Anschaffung weiterer F-35-Maschinen ist geplant. Fragt sich, wo dieses ganze Gerät auf dem kleinen Territorium untergebracht wird?

So wie Deutschland ist auch Singapur an offenen Seewegen interessiert. Beim regelbasierten Welthandel decken sich ebenfalls die Interessen. Minister Ng Eng Hen besucht seit 2012 die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) und traf dort im Februar 2020 erstmalig seine Kollegin Kramp-Karrenbauer. Der Minister betonte mehrfach, dass Deutschland endlich eine sichtbare Verantwortung für den Erhalt der globalen Ordnung einnehmen solle. Deutschland und die EU sollten Gestalter der Weltordnung sein. Er drückte es in Neudeutsch mit "shapen the global order" aus. Denn nur wer mit am Tisch sitze, habe auch Einfluss auf die Speisekarte. Während innerhalb Deutschlands regelmäßig über die Regierung hergezogen wird, blicken viele Staaten von außen auf die Bundesrepublik und erwarten, dass sie endlich ihre Leitungsrolle wahrnimmt.

Wie Theorie in Praxis umgesetzt wird, zeigten die Antworten von AKK: Deutschland wolle nicht mehr reden, sondern praktische Präsenz zeigen. Zur "maritimen Präsenz" in den Indo-Pazifik-Leitlinien sagte die Ministerin, dass im nächsten Jahr Schiffe in die Region entsandt werden und sich deutsche Soldaten an Übungen und Einsätzen beteiligen werden. Sie klang entschlossen, den Bundestag für entsprechende Mandate zu gewinnen.

Die Indo-Pazifik-Leitlinien haben noch einen anderen Nutzen. Da sich die USA auch unter Joe Biden auf Asien fokussieren, könnte der Indo-Pazifik nun zur gemeinsamen Schnittmenge werden. Die Beziehung zu den USA wird dann also über die andere Himmelsrichtung aufgezogen: nicht mehr atlantisch, sondern indo-pazifisch.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 11. November 2020

Botschafter von Bangladesch, Australien, Katar und Großbritannien akkreditiert

Auch während Corona werden Botschafter im Schloss Bellevue akkreditiert. Die Arbeit auf dem diplomatischen Parkett muss weitergehen. Auch wenn die Pandemie den größten Teil der Berichterstattung einnimmt, sind internationale Herausforderungen weiterhin virulent. So gaben sich heute ab elf Uhr folgende Exzellenzen im Halbstundentakt die Klinke von Schloss Bellevue in die Hand:

Botschafter der Volksrepublik Bangladesch, Md. Mosharraf Hossain Bhuiyan
Botschafter von Australien, Philip Victor Green
Botschafter des Staates Katar, Abdulla Mohammed S. A. Al Thani
Botschafterin des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, Jill Gallard

Botschafter der Volksrepublik Bangladesch, Md. Mosharraf Hossain Bhuiyan, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Volksrepublik Bangladesch, Md. Mosharraf Hossain Bhuiyan (rechts), bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - links im Bild die Gattin des Botschafters - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Bangladesch liegt südlich von China, hat einen guten Zugang zum Indischen Ozean, wird im Osten von Myanmar und im Westen von Indien flankiert. Die berühmte indische Stadt Kalkutta liegt nur etwa 30 Kilometer von der Grenze Bangladeschs entfernt. Bangladesch ist nur halb so groß wie Deutschland, hat aber doppelt so viele Einwohner. Die Wirtschaftskraft lag 2019 bei 1.906 USD pro Kopf. Das ist für asiatische Verhältnisse relativ gering und wird nur durch Staaten wie Myanmar oder Nepal unterboten. Bangladesch ist traditionell auf die Zusammenarbeit mit China, Russland oder Indien ausgerichtet. Es engagiert sich aber auch bei UNO-Missionen, die eine attraktive Einnahmequelle für das Land bieten.

Botschafter der Volksrepublik Bangladesch, Md. Mosharraf Hossain Bhuiyan, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Volksrepublik Bangladesch, Md. Mosharraf Hossain Bhuiyan, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Bangladesch - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Botschafter Md. Mosharraf Hossain Bhuiyan wird im Dezember 64 Jahre alt. Er kann auf eine fast 40-jährige Karriere bei seiner Regierung zurückblicken. Dabei lief er durch verschiedene Abteilungen und baute Kompetenzen in den Bereichen Wirtschaft, Handel und Energie auf. Seine Auslandserfahrungen konzentrieren sich auf den Nahen Osten.

Botschafter von Australien, Philip Victor Green, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter von Australien, Philip Victor Green, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - links im Bild die Gattin des Botschafters - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

7.000 Kilometer südlich von Bangladesch liegt Australien. Australien ist 16.000 Kilometer von Deutschland entfernt und ist uns um zehn Stunden in der Tageszeit voraus. Australien wurde vor wenigen Jahren als verlässlicher Partner in der Region Südostasien wiederentdeckt. Plötzlich kamen Finanzminister, Verteidigungsminister und Premierminister nach Deutschland, hielten die gemeinsamen Werte, gemeinsame europäische Geschichte und gemeinsame Herausforderungen hoch. Im April 2018 wurden sogar deutsche GTK Boxer (gepanzerte Fahrzeuge) angeschafft, damit die Interoperabilität bei gemeinsamen NATO-Einsätzen gewährleistet ist. Interoperabilität heißt, dass die genutzte Technik entweder gleich ist oder solchen Standards entspricht, dass bei Ausfällen schnell auf Personal oder Geräte der Partner zurückgegriffen werden kann.

Botschafter von Australien, Philip Victor Green, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter von Australien, Philip Victor Green, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Australien - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Botschafter Philip Victor Green ist ein versierter Diplomat. Im australischen Außenministerium war er für Strategien im Zusammenhang mit den USA und dem Indo-Pazifik zuständig. Das passt genau zu den kürzlich verabschiedeten Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung. Diese waren von Australien mit Euphorie aufgenommen worden. Philip Victor Green war zudem in Singapur und Südafrika tätig. Zudem hatte er sich durch kompetentes Handeln nach dem Terroranschlag von Bali 2002 verdient gemacht.

Botschafter des Staates Katar, Abdulla Mohammed S. A. Al Thani, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter des Staates Katar, Abdulla Mohammed S. A. Al Thani, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Katar hat 2,4 Millionen Einwohner und eine Wirtschaftsleistung von knapp 70.000 USD pro Kopf. In Deutschland sind es 46.000 USD. Katar liegt als Halbinsel im Persischen Golf und ist von enormer strategischer Bedeutung für Europa. Deshalb engagiert sich auch Italien sehr stark in dem Land. Katar hat sich jüngst mit sämtlichen Golfstaaten verstritten und baut deshalb andere Allianzen aus: Türkei oder Saudi-Arabien. Auch die USA haben ein Interesse an freien Seewegen durch den Persischen Golf. Am schwersten würde eine dortige Blockade aber Deutschland treffen. Deutschland hatte dort bisher eher als Zuschauer fungiert und die Rosinen der Drecksarbeit seiner Partner gepickt. Dieser Komfort neigt sich dem Ende entgegen und fordert eine ungewohnte Eigenverantwortung maritimer Präsenz.

Botschafter des Staates Katar, Abdulla Mohammed S. A. Al Thani, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter des Staates Katar, Abdulla Mohammed S. A. Al Thani, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Katar - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Mit Botschafter Abdulla Mohammed S. A. Al Thani erscheint ein Scheich, ein Mitglied der königlichen Familie, in Deutschland. Das unterstreicht die Priorität der Beziehungen zwischen Katar und der Bundesrepublik.

Botschafterin des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, Jill Gallard, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, Jill Gallard, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - links im Bild der Gatte der Botschafterin - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Die 25-prozentige Frauenquote wurde heute durch die neue britische Botschafterin bedient. Auch sehr zur Freude der British Chamber of Commerce in Germany, deren Hauptquartier inzwischen fast ausschließlich durch Frauen geleitet wird. Botschafterin Jill Gallard ist verheiratet und hat zwei Kinder. Ihre diplomatische Karriere begann 1994. Zunächst war sie für einige europäische Staaten zuständig: Spanien, Portugal, Rumänien und Bulgarien. das weitete sich dann auf die EU und den Mittelmeerraum aus. Ab und zu war sie am Außenministerium in London eingesetzt - aber immer mit einem Fokus auf Europa. Jetzt ist sie in Berlin und löst damit Sebastian Wood KCMG ab.

Botschafterin des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, Jill Gallard, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, Jill Gallard, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge Großbritanniens - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Die Briten legen sehr viel wert auf diese Zusätze hinter dem Namen. KCMG hinter Sebastian Wood bedeutet, dass er Träger des Ordens St. Michael and St. George ist und bereits zum Ritter (Knight) geschlagen wurde. Letztere Ehre ist Jill Gillard noch nicht zuteil geworden. Dafür ist sie aber bereits eine CMG (Commander of the Order of St Michael and St George). Vermutlich wird sie eher zu einer DCMG, also einer Dame statt eines Ritters. Durch den Brexit wird einige Arbeit auf sie zukommen. Da Großbritannien ab Januar ein Drittstaat ist, muss bilateral noch vieles geklärt werden.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 10. November 2020

Partnerschaftsgewalt - Schweigen schützt die Täter

Heute stellten Familienministerin Giffey und BKA-Chef Münch die Kriminalstatistik 2019 unter besonderer Beachtung der Partnerschaftsgewalt vor. Die Partnerschaftsgewalt ist eine spezielle Form der häuslichen Gewalt. Sie erfasst die Konflikte zwischen Lebenspartnern, wobei die Opfer zu 80% Frauen sind. Ein Drittel der Taten ereignen sich zwischen verheirateten Paaren. In 38% der Fälle wollen ehemalige Partner die neue Situation nicht akzeptieren. Jede vierte Tat passiert unter Alkoholeinfluss.

2019 wurden fast 142.000 Anzeigen erstattet. 140 Menschen wurden von ihren engsten Bezugspersonen ermordet: 111 Frauen und 29 Männer. Hier verschiebt sich momentan die prozentuale Gewichtung von deutschen Tätern zu Tätern aus Zuzugsgebieten, in denen andere familiäre Wertvorstellungen herrschen. Die Bandbreite der Straftaten reicht von Bedrohung und Stalking über Vergewaltigung bis Zwangsprostitution. Hinter den Wohnungstüren gibt es ein sehr großes Dunkelfeld. Diese private Art der Gewalt ist immer noch ein Tabuthema.

Polizeilichen Kriminalstatistik 2019 Partnerschaftsgewalt, häusliche Gewalt, BKA-Chef Holger Münch und Familienministerin Franziska Giffey
Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2019 unter Beachtung der Partnerschaftsgewalt - Das Foto zeigt den Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Holger Münch (Archiv, Mai 2020)

Deshalb möchte die Polizei und auch das Familienministerium Licht in das Dunkel bringen und Hellfelder schaffen. Diese werden wohl zunächst mit erschreckenden Zahlen aufwarten, aber es geht nicht anders. Denn, so BKA-Chef Münch: "Schweigen schützt die Täter." Holger Münch ermutigt: "Zeigen Sie die Täter an." Die Polizei solle lieber einmal zu viel erscheinen als zu wenig. Auch Ministerin Giffey stimmte in diesen Tenor ein. Sie stellte in der heutigen Pressekonferenz ihre 4-Punkte-Strategie vor:

1) Hilfetelefone für Frauen und Männer: Seit Einrichtung dieser Hotline konnten 230.000 Beratungen durchgeführt werden. Der Erfolg dieser Einrichtung wurde durch die ebenfalls anwesende Leiterin des Hilfetelefons, Petra Söchting, bestätigt.

2) Initiative www.Stärker-als-Gewalt.de in Zusammenarbeit mit Supermärkten, Verbänden, Influenzern, der Deutschen Bahn oder regionalen Verkehrsbetrieben, die penetrante Impulse zur Nutzung der Hilfsangebote verbreiten. Hilfetelefon-Nummer auf der Milchpackung, Telefonnummer in der U-Bahn, Benennung des Problems auf Plakatwänden.

3) Ein runder Tisch von Bund, Ländern und Kommunen nimmt sich dieses Themas an. Für den Laien sind die Zuständigkeiten oft nicht klar. Der runde Tisch stellt die Aktivitäten der Instanzen auf eine gemeinsame inhaltliche Grundlage.

4) Ein Förderungsprogramm des Bundes stellt Gelder für Beratungsstellen bereit. 3 Millionen Euro sind für den Aufbau der technischen Infrastruktur vorgesehen.

Handlungsbedarf bestehe laut Frau Giffey bei gesetzlichen Regelungen. Erstens für eine gesetzliche Förderung von Beratungsstellen und zweitens für eine Nachjustierung der Straftatbestände. Mord, Vergewaltigung oder Zwangsprostitution sind physische Gewaltdelikte, die sich leicht nachweisen lassen. So langsam entsteht auch ein Bewusstsein für die psychischen Langzeitfolgen. Diese lassen sich nicht so leicht nachweisen. Mit Straftatbeständen wie Stalking, Erpressung oder Bedrohung geht der Gesetzgeber aber in die richtige Richtung. Mehrfach wurde betont, dass lieber eine Anzeige zu viel eingereicht werden solle: "Zeigen Sie die Täter an."

Es kam mehrmals die Frage nach Corona auf. Bisher liegen keine belastbaren Zahlen vor, die einen Anstieg der Partnerschaftsgewalt bestätigen würden. Ganz im Gegenteil: Die Polizei ist eher verwundert, dass gleichbleibend bis weniger Delikte angezeigt werden. Das widerspricht den Lehrbüchern, nach denen Stress und mangelnde soziale Kontakte zu einem höheren Konfliktpotenzial führen. Holger Münch vermutet, dass es an der mangelnden sozialen Kontrolle durch Lehrer, Kollegen, Ärzte oder Freunde liege, dass weniger Delikte auffallen oder Betroffene im engen häuslichen Umfeld keine Gelegenheit zum Anruf bei der Polizei haben.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Gewalt im Privatbereich nur durch eine Vergrößerung des Hellfeldes beizukommen ist. Das Tabu muss gebrochen und Täter ans Licht gezerrt werden. Auch hier gilt der Grundsatz: Nicht der ist schuldig, der das Licht anschaltet, sondern der, der im Dunkeln seine Taten ausgeführt hat.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 9. November 2020

#NATO2030 Young Leaders Summit

Die NATO gibt sich jung und zukunftsorientiert. Jens Stoltenberg ohne Krawatte. Jens Stoltenberg am Videomischpult. Videos mit schnellen Schnitten und modernen Beats. Sicherheitspolitischer Nachwuchs ist gefragt bei der NATO. Dieser kommt aus sämtlichen Mitgliedsstaaten: Kanada, Estland, Deutschland, Spanien, Großbritannien, USA und weiteren. Was bewegt eine Generation, die im Jahr 2030 zu den Entscheidungsträgern gehören wird?

Um das zu erfahren, wurden in die heutige Webkonferenz mehrere Umfragen eingebaut. Die Ergebnisse waren durchaus interessant. So betrachten etwa die Hälfte der jungen Leiter (Young Leaders) die NATO als eine Gemeinschaft, deren Zweck der Erhalt demokratischer Werte und Strukturen sei. Die Mitgliedsstaaten umfassen etwa eine Milliarde Menschen. Die NATO will diese unter einen Hut bringen. Jens Stoltenberg stellte deshalb die Einheit heraus. Wenn es Meinungsverschiedenheiten gebe, könne man sich kraft dieser Einheit hinsetzen und die Themen ausdiskutieren, bis ein für alle faires Ergebnis erreicht sei. Ein Teilnehmer sagte, dass er die NATO weniger als Organisation sehe, sondern mehr als eine Community (Gemeinschaft). Eine Organisation versinke in ihrem administrativen Selbstzweck, während eine Community ein lebendiger Organismus sei, der tatsächlich etwas bewege.

Dass die NATO mehr als eine militärische Allianz ist, wurde mehrfach bestätigt: Werte, Demokratie, gemeinsame Verteidigung, Resilienz, gleiche Herausforderungen, Umgang mit der Pandemie und wirtschaftliche Beziehungen verflechten die NATO-Staaten miteinander. Das Netzt erstreckt sich von den USA über Europa bis nach Japan und Australien.

#NATO2030 Young Leaders Summit
#NATO2030 Young Leaders Summit - virtuelle Konferenz mit jungen Leitern aus verschiedenen NATO-Mitgliedsstaaten - oganisiert von NATO und der Münchner Sicherheitskonferenz #MSC2021

Ältere Leiter fokussieren sich derzeit auf China, Russland, den IS oder Corona. Die jungen Leiter von #NATO2030 sehen ganz andere Schwerpunkte. Sie betrachten weder die USA, noch China, noch Russland als fähig, im Jahr 2030 die Weltpolitik zu polarisieren. Sie gehen mehrheitlich davon aus, dass es Szenarien des Kalten Krieges geben wird. Ein kalter Krieg, der von sämtlichen Akteuren mit Desinformation und weiteren Cyber-Aktivitäten gestaltet wird.

Deshalb drehten sich viele der Wortbeiträge um den Cyber-Informationsraum. Hier müsse die NATO zwei primäre Aufgaben erfüllen: Erstens die Gesellschaften in der Resilienz gegenüber Desinformation trainieren. Zweitens mehr Sichtbarkeit und Einfluss in den Sozialen Netzwerken aufbauen. Bei der Resilienz ist Estland ganz weit vorne. Estland sah sich schon sehr früh mit medialer Einflussnahme durch einen seiner Nachbarn konfrontiert und betreibt nun das Cybersecurity Centre of Excellence der NATO. Es gebe zwar auch in anderen Mitgliedsstaaten Cyber-Security-Einheiten. Diese haben aber bisher kaum Mittel für Teams, die sich mit der Abwehr von Desinformation beschäftigen. Bevor die harte Abwehr einsetzt, wäre der Aufbau von Resilienz in der Bevölkerung sinnvoll. Dazu müsste diese für die zersetzende Gefahr von Desinformation sensibilisiert werden und Antennen zur Erkennung falscher Informationen entwickeln. Nutzer sollten im Bewusstsein für Wahrheit und Fake News geschult werden und darin, wie sie beispielsweise mit Trollen umgehen.

Die britische Firma Factmata hat schon vor einigen Jahren Programme entwickelt, die automatisch falsche Informationen aufspürt. Dabei werden Narrative (Erzählungen), Häufigkeit von Begriffen und Art der Verbreitung analysiert und anhand dessen Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt von Botschaften gezogen. Diese Firma setzt sich dafür ein, Gegen-Narrative zu entwickeln. Die Europäische Union hat die Kampagne EUvsDisinfo aufgesetzt und deckt schonungslos die Machenschaften eurasischer Medienakteure auf.

Neben Cyber wird 2030 aber auch der Space eine Rolle spielen, also nicht nur der Cyberspace, sondern der echte Space - auch als Weltraum bekannt. Angriffe auf Satelliten oder durch Satelliten werden dann zum Standard gehören. Satelliten sind zwar weit weg, aber in Bezug auf Fernsehen, Kommunikation oder Navigation kaum noch aus unserem Alltag wegzudenken. China hatte bereits 2007 erfolgreich die Zerstörung eines Satelliten mit einer umgebauten Mittelstreckenrakete getestet.

Die Erderwärmung ist zwar auch ein Thema, das junge Leiter tangiert. Allerdings können sie das noch nicht so recht mit der Sicherheitspolitik verknüpfen. Dabei würde das Überschreiten gewisser Grenzwerte zu einer Massenflucht aus der Äquatorgegend führen. Brasilien und die Sahel-Zone wären dann nämlich einfach nicht mehr bewohnbar. Ganz abgesehen von Inseln wie den Malediven, die dann bei Tauchexpeditionen erkundet werden können.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 5. November 2020

Australien zeigt sich begeistert über die Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung

Bei Staatsbesuchen aus Afrika kommt zuweilen die Frage auf, warum der Gast noch seinen Pyjama trägt. Dem heutigen Gipfeltreffen zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer und ihrer Amtskollegin Linda Reynolds konnten Zuschauer dank Corona auch im Schlafanzug beiwohnen. Linda Reynolds saß in Canberra und freute sich wohl schon auf das Abendessen, während AKK vermutlich gerade erst gefrühstückt hatte. Zehn Stunden Zeitunterschied und 16.000 Kilometer Distanz liegen zwischen Deutschland und Australien.

Indo-Pazifik-Leitlinien Australien Verteidigungsministerinnen Linda Reynolds und #AKK Annegret Kramp-Karrenbauer
Videokonferenz der Verteidigungsministerinnen von Australien und Deutschland, Linda Reynolds (oben) und Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK (unten rechts), über die Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung

In den Gründungspapieren der Bundeswehr wurde festgeschrieben, dass Verteidigungsminister in der Hauptsache Politiker sein sollen. Ihre Aufgabe bestehe in der Verbindung zwischen Bundeswehr und dem Parlament. Für die militärische Expertise seien Staatssekretäre und der Generalinspekteur zuständig. Diese Kombination begegnet uns in vielen Ländern wie beispielsweise Indien, Norwegen oder Frankreich. Die Niederlande oder Australien bilden eine Ausnahme. Linda Reynolds blickt auf eine 30-jährige militärische Vergangenheit zurück und war die erste Frau Australiens, die zum Brigadegeneral befördert wurde. Sie ist seit Mai 2019 im Amt und traf ihre Kollegin erstmals im Februar 2020 auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Damals hatte Frau Kramp-Karrenbauer einen regelrechten Minister-Marathon in den Nebengelassen des Bayerischen Hofs hingelegt. Einen Monat später waren Treffen von Angesicht zu Angesicht wegen Corona nicht mehr möglich.

Auch das heutige Treffen hätte normalerweise persönlich stattfinden sollen. Annegret Kramp-Karrenbauer hält sich jedoch in präventiver Quarantäne zu Hause auf. Deshalb hatten das ASPI (Australian Strategic Policy Intitute) und die KAS (Konrad Adenauer Stiftung) ein virtuelles Treffen organisiert. Es sollte um die neuen Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung gehen. Mehrfach betonte Linda Reynolds, dass die Leitlinien von den Australiern "very much warmly welcomed" seien. Auf Deutsch heißt das, dass die Australier die Leitlinien überaus herzlich begrüßen. Es wirkte nicht wie die Floskel politischer Korrektheit.

Australien ist neben Neuseeland das Land in der Region, das am stärksten unsere Werte, Interessen und Regeln teilt. Aber es ist auch direkt von den rapiden Entwicklungen in Südostasien betroffen. Für die USA und für Europa stellt Australien die Südostflanke unserer westlichen Wertegemeinschaft dar. Mit Sorge betrachtet man die chinesischen Aktivitäten im Südchinesischen Meer. China baut dort Inseln aus und richtet Militärbasen ein - für Raketen, Schiffe, Truppen und Abhöreinrichtungen. Da China offen über seine Ziele redet, nämlich 2049 wieder Kriege gewinnen zu können, fühlen sich Vietnam, die Philippinen, Japan und andere Staaten direkt bedroht. Von Australien ist das zwar viele Kilometer entfernt, ein Abschneiden der Seewege durch das Südchinesische Meer würde jedoch die gesamte Weltwirtschaft treffen. Deshalb zeigen die USA dort Präsenz. Auch in den Indo-Pazifik-Leitlinien ist von "maritimer Präsenz" die Rede. Diese wird sich für Deutschland aber vermutlich auf ein paar Soldaten beschränken, die auf Schiffen der regionalen Partner mitfahren.

Indo-Pazifik-Leitlinien Australien Verteidigungsministerinnen Linda Reynolds und #AKK Annegret Kramp-Karrenbauer
Videokonferenz der Verteidigungsministerinnen von Australien und Deutschland, Linda Reynolds (unten rechts) und Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK (oben), über die Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung

Stellt sich also die Frage, ob die australische Euphorie über die Leitlinien begründet ist? Immerhin wurde auch das Weißbuch zur deutschen Sicherheitspolitik von 2016 im Ausland mit Begeisterung aufgenommen, während es im Inland eher als Makulatur betrachtet wird - vorausgesetzt, es wird überhaupt betrachtet.

Sicherheit und freie Seewege waren für Deutschland bisher immer billig zu haben: Amerika macht schon. Die Franzosen machen das schon. Die Briten machen das schon. Wir schauen erstmal, diskutieren das im Bundestag und helfen dann beim Aufbau. Die Zeit der billigen Sicherheit ist vorbei. Amerika lässt sich nicht mehr ausnutzen und hat seinen Fokus direkt auf China gelenkt - weg von Europa. Deutschland und Europa müssen nun selbst sehen, wie sie mit dem Problem in Südostasien umgehen. Ganz abgesehen von den europäischen Problemen an der Nord-, der Ost-, der Südost- und der Südflanke. Der deutschen Verteidigungsministerin ist bewusst, dass moderne Konflikte auf sämtlichen Ebenen von konventionell, über atomar bis hin zu hybrid ausgetragen werden. Man müsse daher die eigenen Fähigkeiten auf diese Bedrohungslage anpassen. Das geht aber nur, wenn sie ihre Parlamentskollegen davon überzeugen kann.

Bezüglich China steckt Deutschland in einem Dilemma: Einerseits gibt es starke wirtschaftliche Abhängigkeiten. Andererseits stellt China eine "systemische Herausforderung" dar. Die USA hatten China damals in die WTO (Welthandelsorganisation) verholfen, weil man davon ausgegangen war, dass westliche Werte durch eine Integration in die WTO automatisch auf China übergreifen werden. Diese Rechnung ging nicht auf. China hat die Vorteile der WTO optimal ausgereizt und dabei seine Machtposition aufgebaut. China nimmt keine Rücksicht auf anerkannte Spielregeln oder Dritte. Die USA fühlen sich durch die Chinesen ausgenutzt und reagieren wohl deshalb so empfindlich. Inzwischen ist China so stark und technologisch innovativ, dass es die Weltpolitik mitbestimmen kann. Etwas praxisfern wirkte deshalb, als AKK in der Webkonferenz davon sprach, dass Firmen, die in 5G involviert sind, entsprechende Sicherheitsstandards und Regeln einhalten sollen. Um gegen chinesisches Mitlesen resistent zu sein, entwickeln einige Nationen bereits Alternativen zu 5G.

Der Idealfall wäre eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit China. Diese müsse aber regelbasiert sein und einen fairen Wettbewerb ermöglichen. Australien hält an dieser Sicht fest. Deutschland auch. China akzeptiert diese Sicht, macht aber klar, dass es nach eigenen Regeln agiert. Ein Konsens ist also nicht zu erwarten. Deshalb sehen sich Deutschland und Australien in einer Partnerschaft der "geteilten Herausforderungen". Man müsse Lieferketten verkürzen - so sich das bei 16.000 Kilometern machen lässt - und man müsse Resilienz aufbauen. Resilienz und Sustainability waren dann auch die zusammenfassenden Schlagworte des virtuellen Treffens. Sustainability bedeutet Nachhaltigkeit - also eine Partnerschaft, die Werte von Bestand schafft und für das Überleben westlicher Werte sorgt. Resilienz ist die Fähigkeit der natürlichen Abwehr destruktiver Einflüsse und des souveränen Bestehens in kritischen Situationen.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 4. November 2020

Botschafter von Sudan, Dänemark, Cabo Verde und Saudi-Arabien im Schloss Bellevue akkreditiert

Unter strengen Corona-Auflagen wurden heute vier Botschafter bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert. Die Frauenquote lag bei 25% und wurde durch einen europäischen Nachbarn bedient. Hier die Exzellenzen in der Reihenfolge ihres Erscheinens:

Botschafter der Republik Sudan, Abdelmoniem Osman Mohamed Ahmed Elbeiti
Botschafterin des Königreichs Dänemark, Susanne Christina Hyldelund
Botschafter der Republik Cabo Verde, Emanuel Henrique Semedo Duarte
Botschafter des Königreichs Saudi-Arabien, Essam Ibrahim H. Baitalmal

Der islamisch geprägte Sudan verfügt über großflächige Goldvorkommen und spielt eine wichtige Rolle bei der Goldwäsche. Gold aus der gesamten Sahel-Region wird nach Khartum gebracht und von dort aus in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Katar und die Schweiz weitergeleitet. Von der Schweiz aus wird es beispielsweise nach Katar weitergeleitet und irgendwann zu Geld für die Terrorfinanzierung umgewandelt. Der christlich geprägte Süd-Sudan sendet sein Gold nach Uganda und von dort aus nach Indien. Der Süd-Sudan ist ein Thema für sich. Der Sudan im Norden stand 2018 auf Platz 4 der Staaten mit den auffälligsten illegalen Finanzflüssen. Diese werden vorrangig über Scheinrechnungen für Exporte und Importe abgewickelt.

Botschafter der Republik Sudan, Abdelmoniem Osman Mohamed Ahmed Elbeiti, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Sudan, Abdelmoniem Osman Mohamed Ahmed Elbeiti, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - links in Bild die Gattin des Botschafters - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle Wachbtl BMVg

Überhaupt gibt es viel Bewegung in der Region: die paramilitärischen RSF (Sudanese Rapid Support Forces) "helfen" Flüchtlingen auf ihrem Weg nach Libyen und "verkaufen" diese dort an libysche Menschenhändler. Auf diese Weise wurden etwa 3 Millionen Sudanesen umgesiedelt. Im Süd-Sudan betrifft es sogar weit über 4 Millionen Menschen. Als Ergebnis des Migrationsgipfels von Valletta 2015 konnte dem Treiben ein Riegel vorgeschoben werden. In Valletta auf Malta hatte sich die EU mit einigen afrikanischen Staaten geeinigt, dass die Länder bei der wirtschaftlichen Entwicklung unterstützt werden und sie ihre in Europa eingetroffenen Migranten zurücknehmen.

Botschafter der Republik Sudan, Abdelmoniem Osman Mohamed Ahmed Elbeiti, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Sudan, Abdelmoniem Osman Mohamed Ahmed Elbeiti, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge des Sudan - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle Wachbtl BMVg

Botschafter Abdelmoniem Osman Mohamed Ahmed Elbeiti wurde 1960 geboren und ist Master der Landwirtschaft. Er war seit 1987 am sudanesischen Landwirtschaftsministerium und in einer größeren Lebensmittelfirma tätig. 1996 wechselte er ins Außenministerium und arbeitete an den Botschaften in Indonesien, Rumänien und Kenia. 2014 ging er an die Botschaft in Berlin und vertrat sein Land von dort aus auch gegenüber Polen. Zwischenzeitlich gab es an der Botschaft einen Geschäftsträger ad interim: Hassan Abdo Hassan. Nun ist Abdelmoniem Osman Mohamed Ahmed Elbeiti wieder in Berlin.

Botschafterin des Königreichs Dänemark, Susanne Christina Hyldelund, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin des Königreichs Dänemark, Susanne Christina Hyldelund, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle Wachbtl BMVg

Dänemark analysiert schon seit vielen Jahren die Auswirkungen von Infektionen auf die Sterberate. Dadurch konnte relativ schnell und effektiv auf Corona reagiert werden. Das Ergebnis sind wenige Infektionen und wenige Todesfälle. Unser nördlicher Nachbar hat knapp 6 Millionen Einwohner. Dafür umfasst sein Land die 6-fache Fläche Deutschlands. Das ist kaum vorstellbar. Allerdings gehören auch Grönland und Färöer zu Dänemark.

Botschafterin des Königreichs Dänemark, Susanne Christina Hyldelund, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin des Königreichs Dänemark, Susanne Christina Hyldelund, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Dänemark - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle Wachbtl BMVg

Botschafterin Susanne Christina Hyldelund spricht Deutsch und war als eine der ersten Fluggäste am neuen Flughafen BER gelandet. Da sie 1994 ihren Master in Betriebswirtschaft gemacht hat, wird sie vermutlich älter als 40 Jahre sein. Bereits 1996 startete sie ihre Karriere am dänischen Außenministerium und arbeitete zwischenzeitlich an den dänischen Vertretungen in Washington D.C., Warschau und Shanghai. Export und globale Nachhaltigkeit sind wohl ihre Spezialthemen, die sie auch in Deutschland einbringen wird.

Botschafter der Republik Cabo Verde, Emanuel Henrique Semedo Duarte, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Cabo Verde, Emanuel Henrique Semedo Duarte, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle Wachbtl BMVg

Wo bitte liegt Cabo Verde? Die Inselgruppe ist auch als Kap Verde bekannt und liegt südlich der Kanarischen Inseln in der Höhe von Mauretanien und Senegal. Bis 1456 waren die Inseln unbewohnt und wurden dann von Portugal übernommen. Es entwickelte sich ein gewisses Eigenleben, das aber immer wieder durch Interventionen Portugals nachjustiert wurde - teilweise nicht sehr konsensual. Erst 1975 konnte Cabo Verde seine Unabhängigkeit erzielen. Bis 1990 wurde der Inselstaat in gewohnter Weise autoritär regiert. Dann wurde die Verfassung geändert und ein Mehrparteiensystem eingeführt. 2019 belegte Cabo Verde Platz 30 von 167 auf dem Demokratieindex.

Botschafter der Republik Cabo Verde, Emanuel Henrique Semedo Duarte, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Cabo Verde, Emanuel Henrique Semedo Duarte, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Cabo Verde - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle Wachbtl BMVg

Botschafter Emanuel Henrique Semedo Duarte vertritt etwa 575.000 Bürger seines Staates. Durch die Abkoppelung von Portugal schwimmt Kap Verde zwischen den Kontinenten. Es fühlt sich europäisch, wird aber von außen als afrikanisch betrachtet. Es fühlt sich wie ein afrikanisches Entwicklungsland und strebt eine höhere Anerkennung durch den Westen an. Die USA haben das Potenzial bereits entdeckt und Schiffe für die Küstenwache gespendet. Bei der Entsendung von Emanuel Henrique Semedo Duarte wurde deshalb mehrfach das Wort "Wiederaufnahme" gebraucht: Wiederaufnahme des politischen Dialogs, der Zusammenarbeit in den Bereichen Seefahrt, Bildung, Tourismus, Finanzen, Wirtschaft, erneuerbare Energien und Häfen. Letzteres ist ein wunder Punkt für die EU. Europäische Unentschlossenheit hat wichtige Hafenbauvorhaben in die Hände Chinas gleiten lassen. Längst engagiert sich China auch in Mauretanien und Senegal.

Botschafter des Königreichs Saudi-Arabien, Essam Ibrahim H. Baitalmal, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter des Königreichs Saudi-Arabien, Essam Ibrahim H. Baitalmal, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - links im Bild die Gattin des Botschafters - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle Wachbtl BMVg

Der Botschafter von Saudi-Arabien hatte es keine zwei Jahre in Deutschland ausgehalten. Im Februar war Prinz Faisal bin Furhan A. F. Al Furhan Al Saud noch Podiumsgast bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Saudi-Arabien ist ein wichtiger sicherheitspolitischer Player mit einem Verteidigungsbudget von 78,4 Milliarden USD. Das entspricht 10% des Bruttoinlandsproduktes und stellt den weltweit drittgrößten Verteidigungshaushalt dar. Allerdings werden diese Mittel eher unkoordiniert ausgegeben, da sich das saudische Verteidigungsministerium eher als zeremonielle Einrichtung versteht und weniger als funktionaler Dienstleister. So weiß die Rechte oft nicht, was die Linke tut. So hat Saudi-Arabien bei Großbritannien und den USA um Hilfe gebeten. Ergebnis war die Gründung von Militärschulen, in denen auch kritisches Denken und die ehrliche Einschätzung von Lagebildern gelehrt wird. Einer der gefährlichsten Gegner Saudi-Arabiens ist der Iran. Gegen asymmetrische Angriffe hilft ein überdimensionierter Verteidigungshaushalt nur bedingt.

Botschafter des Königreichs Saudi-Arabien, Essam Ibrahim H. Baitalmal, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter des Königreichs Saudi-Arabien, Essam Ibrahim H. Baitalmal, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Saudi-Arabien - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle Wachbtl BMVg

Heute stand der Nachfolger des saudischen Prinzen auf dem Teppich des Langhanssaals: Essam Ibrahim H. Baitalmal. Zuvor war er in Griechenland eingesetzt. Der Weg von der Botschaft in der Tiergartenstraße zum Schloss Bellevue lässt sich zu Fuß in 10 Minuten absolvieren. Wegen des Protokolls musste aber wieder der Umweg über das Hotel Adlon am Pariser Platz gemacht werden - in einem Corona-gerecht vorbereiteten schwarzen Kleinbus. Um zwölf war der Akkreditierungsreigen im Schloss vorbei und die Flagge der Bundesrepublik wurde wieder auf dem mittleren Flaggenmast gehisst.

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 1. November 2020

BER und der Luxus der Demokratie

Der ehemalige BER-Chef Mehdorn hatte im Sommer 2013 schon festgestellt, dass wir uns den "Luxus der Demokratie" leisten. Irgendjemand tritt immer einen Diskurs los, der entsprechende Verzögerungen nach sich zieht. Damit steht der BER aber nicht alleine. Zu erleben ist das auch bei anderen Bauvorhaben der Hauptstadt. In der Regel betrifft es Straßen und Einrichtungen, die die Mobilität fördern. Bis gestern wurde gewitzelt, dass der BER nie an den Start gehen werde. Selbst bewährte Optimisten konnten es nicht glauben. Doch dann landeten die ersten Maschinen. Kaum standen sie vor ihren Gates, wurden sie in Wasserfontänen eingetaucht: Das Ritual zur Eröffnung eines Flughafens.

Am Terminal 1 zeigte sich, dass Demokratie nicht nur Luxus ist. Demokratie ist eine Diva: launisch und unberechenbar. Bisher war immer kritisiert worden, dass der BER nicht öffnet. Gestern waren Angehörige der Generation Z (geboren um 2000) erschienen, die sich lautstark darüber beschwerten, dass der BER eröffnet. Nach ihrer Meinung solle man generell auf Flüge verzichten und lieber auf alternative Verkehrsmittel umsteigen.

#BERoeffnung Flughafen #BER eröffnet easyJet-Flug EJU8210 nach London Gatwick LGW
Flughafen #BER am 31. Oktober 2020 eröffnet - Hier dasselbe Flugzeug, das als erstes am 31. Oktober 2020 gegen 14 Uhr am BER gelandet war. Am 01. November 2020 war es um 6.45 Uhr das erste Flugzeug, das vom #BER startete: easyJet-Flug EJU8210 nach London Gatwick LGW.


Der antrainierte Spott über den BER kann so schnell gar nicht kompensiert werden. Deshalb wurde jetzt auf Witze über die Finanzsituation während Corona umgestellt und eine baldige Schließung prophezeit. Diesen Spott greift BER-Chef Lütke Daldrup regelmäßig und selbstkritisch in seinen Begegnungen mit der Presse auf. Die Fähigkeit zur Selbstkritik ist wohl auch das, was ihn gegenüber seinen gescheiterten Vorgängern Karsten Mühlenfeld, Hartmut Mehdorn und Joachim Hunold auszeichnet.

Engelbert Lütke Daldrup ist kein Sprüche klopfender Macher, sondern ein besonnener Stratege, der seine Aufgaben nüchtern fertigdenkt. Eine seiner wichtigsten Amtshandlungen war wohl die Umstellung der Verträge von Stundenabrechnung auf Werksverträge mit festen Abgabeterminen und Bezahlung gemäß Lieferung. Pfusch wurde dadurch unattraktiv für die beauftragten Unternehmen.

Der BER ist trotz der langen Bauzeit und der damit verbundenen Kosten kein Luxushaus geworden. Der BER wirkt schlicht und funktional. Passagiere finden sich schnell darin zurecht und haben per Bahn oder Auto eine gute Anbindungen an die City. In autoritär geführten Ländern lässt sich ein Großflughafen sicher schneller und billiger bauen. Allerdings wird dann bei den technischen Standards nicht so genau hingeschaut. Auch ein Luxus deutscher Demokratie.

Kurz nach den Wasserfontänen gab BER-Chef Lütke Daldrup ein Statement ab. Zuerst dankte er seiner Frau, die sein Engagement um den Flughafen in den letzten Jahren ertragen und mitgetragen hatte. Nur auf Nachfrage eines Regionalsenders kam heraus, dass die gestrige Eröffnung des Flughafens mit seinem 64. Geburtstag zusammengefallen war. Ob er diesen noch nachgefeiert hat, ist unklar. Heute gegen 6 Uhr stand er an Gate C17 und verabschiedete die Gäste der ersten Maschine, die vom BER nach London Gatwick aufbrechen sollte.

Autor: Matthias Baumann

Videos:
Einweihung des BER mit Wasserfontänen der Flughafenfeuerwehr
Einweihung des BER - Terminal 1 und Wasserfontänen
BER Terminal 1 - erster Abflug easyJet EJU8210 nach London Gatwick LGW

Donnerstag, 29. Oktober 2020

Kommandowechsel an der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt

Mit einer Kutsche verließ Brigadegeneral André Denk den Paradeplatz der Logistikschule in Garlstedt. Die Mitarbeiter der Schule denken sich zum Abschied immer etwas Besonderes aus. Diesmal betraf es das Hobby der Familie Denk: Pferde. Da starke Männer oft auch eine starke Frau hinter sich haben, wurde nicht etwa nur ein Pferd herbeigeschafft, sondern eine Kutsche, in der für das Ehepaar Platz war. Schon fast aristokratisch wirkte das anschließende Abfahren der Paradeaufstellung. Mit der Hand am Barett drückte der scheidende Schulkommandeur noch einmal seine Wertschätzung gegenüber den Menschen aus, die ihn in den letzten 22 Monaten begleitet hatten.

#LogSBw Kommandowechsel an der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt von Brigadegeneral André Denk zu Brigadegeneral Boris Nannt
Kommandowechsel an der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt von Brigadegeneral André Denk zu Brigadegeneral Boris Nannt - Ehepaar Denk wird mit einer Kutsche vom Paradeplatz gefahren.

Wertschätzung war das Attribut, das die Reden und den gesamten Übergabeappell bestimmt hat. Bemerkenswert war die Abschiedsrede von General Denk. In der Regel werden die Zuhörer zu Beginn so lange mit Gästeaufzählungen ermüdet, dass sie den eigentlichen Inhalt nur noch peripher wahrnehmen. André Denk wählte ein anderes Stilmittel. Er bettete die zu erwähnenden Personen Segment für Segment in seine Rede ein, wechselte auf Englisch und dann wieder auf Deutsch. Für jede der erwähnten Personen hatte er ein persönliches Wort der Anerkennung und Erinnerung.

Obwohl er nur 22 Monate, nämlich vom 10. Januar 2019 bis 29. Oktober 2020, an der Logistikschule gewirkt hatte, war in dieser Zeit viel passiert: Besuch des Bundespräsidenten, mehrere Besuche des Generalinspekteurs, 2.000 US-Soldaten während US Defender Europe und vieles mehr. Allein unser Redaktionsteam war seit Januar 2019 sechs Mal in Garlstedt. Bei seinen Mitarbeitern war André Denk sehr beliebt. Er konnte sich auf ein motiviertes Team verlassen. Vor seinem Büro hing ein großes Foto mit seinen engsten Stabsmitarbeitern. Modernes Führen durch Freisetzen, Fördern, Wertschätzung und Nahbarkeit.

Wenn André Denk nun als Director Logistics an den EU-Militärstab in Brüssel geht, nimmt er diese entspannte und professionelle Art mit. Auch Ursula von der Leyen wollte ihn schon in ihr Team einbinden. Das harmonierte aber nicht mit den beruflichen Vorstellungen des Brigadegenerals. Durch die geänderten Prioritäten der USA wird die EU-eigene Verteidigung immer wichtiger. Deshalb ist es gut, wenn fähige Kräfte entscheidende Positionen besetzen. Er soll Konzepte erstellen, logistische Einsätze planen, den Militärstab um General Claudio Graziano unterstützen und für das Personalwesen verantwortlich zeichnen. Sein bisheriger Chef, Generalmajor Thomas, ist überzeugt davon, dass die Stelle in Brüssel passend besetzt wird.

#LogSBw Kommandowechsel an der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt von Brigadegeneral André Denk zu Brigadegeneral Boris Nannt
Kommandowechsel an der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt von Brigadegeneral André Denk (links) zu Brigadegeneral Boris Nannt (rechts) - mittig mit Fahne: Generalmajor Thomas, Kommandeur des Logistikkommandos

Sein Nachfolger an der Logistikschule wurde Brigadegeneral Boris Nannt. Boris Nannt hat jede Menge Schulerfahrung. Seit 2017 war er Direktor an der Führungsakademie in Hamburg. Davor hatte er dort seinen Generalstabslehrgang absolviert und drei Jahre lang im Fachbereich Führungslehre gearbeitet. Laut seinem neuen Chef, Generalmajor Thomas, liegt ihm das "moderne Führen". Er hat auch einschlägige Presseerfahrung: Als Teil des Presse- und Infostabes am BMVg musste er sich mehrere Jahre den kritischen Fragen der Hauptstadtpresse stellen. Ein undankbarer Job, bei dem ein unbedachtes Wort oder eine mehrdeutige Geste ungewollte Wellen gegen die Bundeswehr schlagen kann.

Nun stand er hier auf dem Paradeplatz und übernahm mit fester Befehlsstimme das Kommando über die Logistikschule. General Thomas überreichte ihm die Truppenfahne, die inzwischen reich mit Fahnenbändern dekoriert ist. Es könnten während seiner Zeit noch weitere Fahnenbänder hinzukommen. Beispielsweise während der Austragung des NATO-Manövers "Steadfast Jupiter Jackal". Es wird also nicht langweilig in Garlstedt - trotz Corona.

Ach ja, Corona: Bis zum letzten Tag war nicht mit Sicherheit zu sagen, wie denn der Übergabeappell stattfinden werde. Letztlich musste auf Elemente wie den Einmarsch der Paradeaufstellung und der Ehrenformation verzichtet werden. Alle trugen eine Maske. Bei der Nationalhymne durfte nicht mitgesungen werden. Die Gästezahl war stark reduziert und es gab auch keinen Empfang. So konnte General Denk gleich von der Kutsche aus ins Auto umsteigen und nach Hause fahren. Ab Montag geht es für ihn bereits in Brüssel los.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 27. Oktober 2020

Auf dem Weg zur islamischen Militärseelsorge

Als im Dezember 2019 der Staatsvertrag zur jüdischen Militärseelsorge unterschrieben wurde, kam auch die Frage nach einer islamischen Militärseelsorge auf. Militär-Imame gibt es zwar in einigen westlichen Armeen, allerdings ohne den Wirkungsbereich der Seelsorge. Wenn ein Imam in eine "außergewöhnliche Situation" von Leid oder Verlust gerufen wird, hat er bisher nur einen Trost dabei: "Allah wollte das so." Das harmoniert nicht mit dem, was man sich bei der Bundeswehr unter Seelsorge vorstellt.

Islamkolleg Deutschland IKD gegründet islamische Militärseelsorge
Islamkolleg Deutschland e.V. (IKD) gegründet - Foto: Archiv 10/2014

Im November 2019 wurde der Islamkolleg Deutschland e.V. (IKD) gegründet. Das Innenministerium (BMI) stellt Fördergelder für die nächsten fünf Jahre bereit, redet aber inhaltlich nicht herein, so Prof. Dr. Bülent Ucar, der wissenschaftliche Direktor des Kollegs. Offensichtlich ist das BMI vom Konzept der neuen Bildungsstätte überzeugt: Es werde nur auf Deutsch gelehrt und die Ausbildungsinhalte seien konform zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO) gestaltet. Der Stundenplan bediene sieben Themenkomplexe inklusive Religionspädagogik und Seelsorge. Wer nach zwei Jahren das IKD verlasse, könne als Imam, Religionspädagoge oder Seelsorger arbeiten. Der Vorsitzende, Dr. Esnaf Begic, betonte in der heutigen Pressekonferenz die weibliche Berufsbezeichnung. Man bilde auch Frauen aus, gehe aber von möglichen Schwierigkeiten bei der anschließenden Jobfindung aus. Hinzu komme der Umstand, dass die Bezahlung von Imamen "miserabel" sei.

Frauen, FDGO, deutsche Sprache und Seelsorge treffen in islamischen Kreisen auf deutliche Skepsis. Kein Wunder also, dass die von der Türkei aus gesteuerten Dachverbände das Projekt nicht unterstützen. Das IKD wirkt wie eine emanzipierte Gruppe Gläubiger, die um der Alltagsrelevanz willen die große Muttergemeinschaft verlassen - ähnlich der Reformation um 1500 in Deutschland. Dr. Esnaf Begic ist selbst Imam und stammt aus Bosnien. In Deutschland hatte er ein Schlüsselerlebnis: Sein Sohn kam aus einer Freitagspredigt und meinte zu ihm, dass er gar nichts verstanden habe. Deshalb fing man in einigen Moscheen an, auf Deutsch zu predigen.

Der Innovationen nicht genug, stellte Dr. Esnaf Begic selbstkritisch fest, dass ein "Allah wollte es so" nur bedingt hilfreich für Betroffene ist. So schaute er sich die christliche Seelsorge an und nahm sie als Vorbild für die Konzeption einer islamischen Seelsorge. Das Christentum sei hier "meilenweit voraus". Letztlich gehe es auch nicht um einen Sonderweg zur Linderung von Schmerz, sondern um eine vergleichbare Wirkung in einem anderen "theologischen Kontext". Mit ausgebildeten Religionspädagogen und Seelsorgern sowie dem Bekenntnis zur FDGO sind wichtige Schritte in Richtung islamischer Militärseelsorge getan. Jetzt fehlt es noch an einem zentralen und allseits akzeptierten Dachverband, mit dem der Militärseelsorge-Staatsvertrag abgeschlossen werden könnte.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 22. Oktober 2020

Erste offizielle Landung und eine Nachtschicht am Regierungsterminal des BER

Stellen Sie sich vor, Sie stehen während Corona nach Toilettenpapier an und es drängelt sich einfach jemand vor. So in etwa könnte man die Situation bei der Einweihung des Regierungsterminals am BER beschreiben. Nach dem Abflug des irakischen Ministerpräsidenten Mustafa al-Kadhimi hatte der militärische Teil des Flughafens Tegel am Dienstag Abend seinen Betrieb eingestellt. Am Mittwoch bestätigte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes, dass der BER ab sofort für Regierungsflüge und Staatsbesuche genutzt werde. Der scharfe Betrieb hat tatsächlich begonnen. Aber nicht wie geplant:

BER Regierungsterminal StS Thomas Silberhorn BMVg Flugbereitschaft
BER Regierungsterminal - Staatssekretär Thomas Silberhorn landet am 22. Oktober 2020 um 2:45 Uhr mit einer Bombardier Global 6000 der Flugbereitschaft BMVg am BER und wird anschließend für ein Statement verkabelt.

In der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag sollte Staatssekretär Thomas Silberhorn offiziell einfliegen und unter dem Blitzlichtgewitter der Hauptstadtpresse ein Statement zur Eröffnung des Regierungsterminals abgeben. So der Plan der für die Flugbereitschaft des BMVg zuständigen Luftwaffe.

Deshalb staunte man nicht schlecht, als am Mittwoch gegen 9 Uhr plötzlich eine kleine Maschine mit Bundesministerin Julia Klöckner in Schönefeld eintraf. Sie hatte das Ende ihres Meetings am Dienstag überzogen und durfte wegen des Nachtflugverbotes in Tegel nicht mehr landen. So verschob sie den Flug auf Mittwoch und war damit die erste - aber ungeplante - Regierungsangehörige, die am BER landete. In Ermangelung der Presse machte einer ihrer mitreisenden Mitarbeiter das historische Foto: gelber Mantel, schwarze Maske. Drei Stunden später saß sie in der Bundespressekonferenz und berichtete über die Ergebnisse des EU-Agrarrates in Luxemburg. Dessen Timing hatte ihr die ungeplante Ehre der ersten Landung eingebracht.

BER Regierungsterminal StS Thomas Silberhorn BMVg Flugbereitschaft
BER Regierungsterminal - Der Bundesadler wurde wenige Stunden zuvor enthüllt.

Das Auswärtige Amt informierte in der darauf folgenden Pressekonferenz lediglich über den Umstand, dass Frau Klöckner die Erste gewesen sei. Dann übernahm der Sprecher des BMVg und suchte die Hauptstadtpresse für den nächtlichen Anflug seines Staatssekretärs Silberhorn zu begeistern. Um ein Uhr lande dieser am BER und man habe ein Presseprogramm vorgesehen. Wie müde regionale Journalisten auf den BER reagieren, hatte sich kürzlich bei der Begegnung mit BER-Chef Lütke Daldrup gezeigt. So gipfelte auch der Termin mit Thomas Silberhorn in einer Exklusivberichterstattung.

BER Regierungsterminal StS Thomas Silberhorn BMVg Flugbereitschaft
BER Regierungsterminal - Blick nach Westen: rechts das Regierungsterminal und links die Bombardier Global 6000 der Flugbereitschaft BMVg kurz vor dem Weiterflug nach Köln/Bonn

Die Ankunft wurde zunächst von ein Uhr auf 3:50 Uhr verlegt und dann noch einmal auf 2:35 Uhr korrigiert. Letztendlich setzten die Räder seiner Bombardier Global 6000 um 2:45 Uhr in Schönefeld auf. Der Staatssekretär hatte in drei Tagen drei Länder der Sahel-Zone bereist: Mali, Burkina Faso und Mauretanien. Neben militärischen Ansprechpartnern hatte er auch die Präsidenten dieser Länder getroffen. Bei den deutschen Soldaten hatte er sich auf die Kontingentführer konzentriert. Er wollte die mühsam eingehaltenen Corona-Regeln der Isolation nicht einfach so durch einen spontanen Truppenbesuch aushebeln. Der Rückflug in der neuen Global 6000 sei "exzellent" und "ausgesprochen angenehm" gewesen. Er wirkte entspannt und gab zu nächtlicher Stunde gerne noch ein kurzes Statement zum Regierungsterminal. Dann rauschte er mit einem BMW 7er in Tansanitblau II metallic davon.

BER Regierungsterminal StS Thomas Silberhorn BMVg Flugbereitschaft
BER Regierungsterminal - Auch wer mit der Flugbereitschaft BMVg unterwegs ist, muss durch die Sicherheitskontrolle - hier mit neuester Personenscanner-Technik.

Am Regierungsterminal sind noch kleinere kosmetische Arbeiten zu erledigen. Konferenzräume müssen fertig eingerichtet, Schranktüren angeschraubt oder Kleiderständer und Tischlampen in die Aufenthaltsräume verteilt werden. Ansonsten ist das Terminal komplett einsatzfähig. Besonders elegant der jüngst enthüllte Bundesadler neben dem Eingang zum metallisch wirkenden Haus. Das Terminal hat einen schlichten, funktionalen Charme und ist definitiv geräumiger als der Flachbau auf dem militärischen Teil des Flughafens Tegel. Es sollen noch weitere Gebäude hinzukommen. Sobald diese stehen, werden wohl auch die in Köln/Bonn geparkten Regierungsflugzeuge und die Hubschrauber aus Tegel zum BER umziehen.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 21. Oktober 2020

BSI stellt den Lagebericht 2020 zur IT-Sicherheit in Deutschland vor

Wenn die NATO über den Verteidigungsfall nach Artikel 5 redet, werden Cyber-Angriffe bisher noch ausgenommen. Der Grund dafür ist, dass sich diese bisher weitestgehend unterhalb kritischer Schwellen bewegt haben. Das könnte sich in naher Zukunft ändern. Während Corona wurden qualifizierte Angriffe auf Krankenhäuser durchgeführt. In deren Folge musste beispielsweise eine Notaufnahme in Düsseldorf geschlossen werden. Der Preis solcher Aktionen können Menschenleben sein. Laut Lagebericht 2020 des BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) sind sämtliche Gerätschaften der Intensivstationen potenziell gefährdet. Diese sind über Schnittstellen mit der Außenwelt verbunden, so dass sie neben gesunden Updates auch Schadsoftware empfangen können.

2019 gab es ein Szenario, bei dem eine fünfstellige Anzahl von Patientendatensätzen inklusive der dazugehörigen Bilddaten veröffentlicht wurde. Dass diese Angriffe ihre Wirkung entfalten können, liegt an Fehlkonfigurationen der Server, an Lücken = Qualitätsmängeln in der Zielsoftware und an sozialen Einfallstoren wie schwache Passwörter oder unbedachte Klicks auf gefährliche Links. Daran zeigt sich, dass Sicherheit im Gesundheitswesen bislang keine hohe Priorität hatte. Als Konsequenz sollen nun 15% des IT-Budgets des Gesundheitsministeriums in IT-Sicherheit investiert werden.

BSI stellt den Lagebericht 2020 zur IT-Sicherheit in Deutschland vor
BSI stellt den Lagebericht 2020 zur IT-Sicherheit in Deutschland vor

"Antworten Sie so, wie Sie denken", ermutigte Innenminister Horst Seehofer seinen BSI-Präsidenten Arne Schönbohm in der gestrigen Pressekonferenz zu einer ehrlichen Antwort auf die Frage, wie er die Sicherheitslage auch für die Zukunft sieht: "besorgt". Besorgnis ist beim BSI ein Dauerzustand. Das liegt daran, dass täglich über 300.000 neue Varianten von Schadprogrammen in Umlauf gebracht werden. Täglich werden 20.000 BOT-Infektionen deutscher Systeme registriert. Drei von vier E-Mails an den Bund sind Spam-Mails und 1.000 an den Bund gerichtete E-Mails pro Tag enthalten Schadsoftware.

Corona hat die Kreativität krimineller Akteure befeuert. Diese reagieren gewohnt schnell und flexibel auf medienwirksame Entwicklungen. So wurden täuschend echt wirkende Webseiten zur Beantragung von Corona-Zuschüssen aufgesetzt und professionell beworben. Auf diesem Wege wurden von übereilt handelnden Betroffenen sensible Firmendaten abgegriffen und zur Umlenkung der Zuschüsse genutzt. Aber auch sonst ließen sich die Verunsicherung des Lockdowns und der Umzug ins Homeoffice effizient für Angriffe ausnutzen. Erst langsam werden Sicherheitslücken bei Videokonferenz-Anbietern geschlossen und Mitarbeiter im Homeoffice auf Sicherheitsaspekte sensibilisiert.

Virenscanner, Firewalls, lange Passwörter und verschlüsselte Verbindungen bieten einen gewissen Grundschutz, der längst nicht flächendeckend genutzt wird. Laut einer Risikomatrix stellen die Menschen vor dem Bildschirm immer noch das größte Gefahrenpotenzial dar: leichtfertiges Klicken auf Links, gedankenloses Installieren von Schadsoftware, unbefugter Zugriff am Endgerät oder säumiges Einspielen von Systemupdates. Letzteres lässt sich normalerweise auf Automatik einstellen. Das BSI strebt an, dass Parameter wie automatische Updates per "default" - also per Voreinstellung - in Softwareprodukten eingestellt sind. Auswertungen haben ergeben, dass viele Nutzer die Software installieren und dann gar nichts mehr an deren Grundeinstellungen ändern. Zukünftig soll der Nutzer nur noch sichere Software ausgeliefert bekommen, deren Restriktionen er dann manuell lockern muss.

Für den Server-Betrieb empfiehlt das BSI den Einsatz eines Minimalsystems. Dieses soll nur die wirklich benötigten Komponenten enthalten. Das verringert die Angriffsfläche. Interessant an der Risikomatrix ist auch, dass eine Manipulation eingehender Datenströme als "sehr unwahrscheinlich" eingestuft wird. Das widerspricht dem Hype um das verschlüsselnde HTTPS-Protokoll. War HTTPS früher nur seriösen Webanwendungen vorbehalten, wird dieses inzwischen zu über 60% auch von gefälschten Webseiten zum Ausspähen sensibler Daten (Phishing) genutzt.

Cyber-Angriffe fallen in den Fachbereich "Hybride Bedrohungen". Zuständig ist Staatssekretär Dr. Markus Kerber. Täglich um 11 Uhr trifft sich dazu eine Arbeitsgruppe aus sämtlichen Sicherheitsbehörden wie dem BND (Bundesnachrichtendienst), dem MAD (Militärischer Abschirmdienst), dem Verfassungsschutz (BfV), der Bundespolizei, dem Kommando CIR (Cyber-Informationsraum) und dem BBK (Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe). Diese Plattform nennt sich Nationales Cyber-Abwehrzentrum (Cyber-AZ).

Das BSI hat alle Hände voll zu tun und wird kontinuierlich personell erweitert. Im sächsischen Freital wird derzeit ein zweiter Standort des BSI mit 200 neuen Mitarbeitern geschaffen. Diese Mitarbeiter werden hauptsächlich in der Region rekrutiert. Darüber hinaus kümmert sich das BSI auch um gesetzliche Rahmenbedingungen. Diese müssen wegen der technischen Entwicklung ständig angepasst werden. So wurde 2015 das erste IT-Sicherheitsgesetz verabschiedet. Kurz darauf wurde das zweite IT-Sicherheitsgesetz in die Bearbeitung gegeben. Dann kamen 5G und Huawei ins Gespräch und der Text musste schon wieder nachjustiert werden. Dabei geht der Gesetzentwurf durch ein größeres Gremium von Technik-Experten und eine 5er-Gruppe, die aus Verfassungsschutz (BfV), Innenministerium (BMI), Wirtschaftsministerium (BMWi), BSI und Auswärtigem Amt besteht. Erst wenn ein allgemeiner Konsens erzielt wurde, geht der Text in die nächste Instanz. Wenn allerdings das "Sicherheitsinteresse Deutschlands" durch eine neue Technologie oder deren Anbieter tangiert wird, gibt es eine "politische Versagensmöglichkeit". Einen Zeitpunkt für das Inkrafttreten des zweiten IT-Sicherheitsgesetzes wollte in der Pressekonferenz niemand bekannt geben. Es hieß nur: "in Kürze" oder "bald".

In der Zwischenzeit kann der geneigte Leser überlegen, welche Passwörter noch zu optimieren sind, ob er mal wieder einen Virenscan laufen lässt, wie lange seine letzte Datensicherung her ist und ob die Datensicherung physisch und geografisch getrennt aufbewahrt wird.

Autor: Matthias Baumann