Dienstag, 28. Mai 2019

Milan in der freien Wildbahn

"Milan, gib dem Paul sofort die Schippe wieder", schallt es über den Buddelkasten der Kindertagesstätte. Milan ist ein slawischer Vorname, der mit "nett" im Sinne von "lieb" übersetzt werden kann. Es gibt dazu auch eine weibliche Variante: Milana. 2013 gelangte Milan erstmalig in die Top 100 der neu vergebenen Vornamen in Deutschland.

Wachbataillon MILAN
Wachbataillon trainiert den scharfen Schuss mit MILAN: Transport-LKWs und MILAN-Munition
Milan ist inzwischen auch ein Trendname im "wilden Kurdistan". 2014 wurden nämlich 600 Tonnen Fahrzeuge, Waffen, Munition und sonstige Gerätschaften zur Bekämpfung des IS nach Erbil geflogen. Darunter auch die Panzerabwehrwaffe MILAN. MILAN löste eines der größten Probleme mit dem IS. Der religiöse Hintergrund eines islamistischen Kämpfers ist nämlich der Tod im Dschihad und damit die garantierte Eintrittskarte ins muslimische Paradies. Das muslimische Paradies sieht gemäß Koran so aus, dass die dort Anwesenden mit Silbergeschirr bedient werden, auf grünen Brokatkissen liegen und die ganze Zeit nur einer Beschäftigung nachgehen: Zuschauen, wie die Ungläubigen in der Hölle schmoren. Jedenfalls scheint diese Aussicht attraktiv genug, einen normalen LKW oder Geländewagen mit Stahlplatten zu versehen, damit in ein Ziel mit Ungläubigen zu rasen und dabei die Sprengladung zu zünden.

Wachbataillon MILAN
Wachbataillon trainiert den scharfen Schuss mit MILAN: Zielentfernung etwa 1.000 Meter. Die Munitionskartusche wird in die Aufnahme rechts eingeklickt. Der Schütze beobachtet das Ziel durch die Optik auf der linken Seite. Ein Blech schützt den Soldaten vor einer Berührung mit dem Geschoss.
Mit herkömmlichen Waffen konnten diese behelfsmäßig gepanzerten Fahrzeuge nicht aufgehalten werden. MILAN sorgte für Abhilfe und dafür, dass beide Seiten ihr Ziel erreichen konnten: Der Nutzer der MILAN blieb am Leben und der Selbstmordattentäter starb - allerdings ein paar Sekunden früher als geplant.

Wachbataillon MILAN MIRA
Wachbataillon trainiert den scharfen Schuss mit MILAN: Oben wurde das Nachtsichtgerät MIRA aufgesetzt. Im Hintergrund ein Transportpanzer Fuchs, auf dessen Dach eine MILAN montiert werden kann. Die Montage dauert etwa eine halbe Minute und die Demontage maximal 20 Sekunden.
Vergleicht man MILAN mit einer Panzerfaust, fallen folgende Unterschiede auf: MILAN wird auf einem Dreibeingestell montiert und nicht mal eben über der Schulter abgefeuert. Das Geschoss ist ein Lenkflugkörper, der mithilfe eines Drahtes gesteuert werden kann. Der Draht wird anschließend dem Recyclingprozess zugeführt. MILAN hat eine auffällige Zieloptik und kann zusätzlich noch ein teures Nachtsichtgerät aufnehmen, das ziemlich viel Strom frisst. Deshalb sind immer mehrere Batterien dabei. Taucht ein gepanzertes Fahrzeug auf, kann es bis 2.000 Meter Entfernung bekämpft werden.

Wachbataillon Panzerfaust 3
Wachbataillon trainiert den scharfen Schuss mit Panzerfaust 3: Das Griffstück mit der Optik wird an das schwarze Rohr, den Anzündblock,  geklickt. Je nach Art des Ziels kann noch ein Abstandsrohr aus der Spitze der Panzerfaust gezogen werden. Dadurch detoniert die Hohlladung erst nach dem Durchschlagen einer Panzerung.
Die Panzerfaust hingegen wird über der Schulter abgeschossen und hat nur eine Reichweite von 400 Metern. Verfügt eine Einheit über MILAN und Panzerfaust 3, wird anhand des Lagebildes entschieden, welches der beiden Waffensysteme eingesetzt wird. Sind MILAN und Panzerfaust für eine Bekämpfung des Gegners sinnvoll, wird ein "Panzervernichtungstrupp" gebildet und nach vorne geschickt. Dieser besteht aus zwei Schützen und einem Truppführer. Trifft der erste Schütze nicht, steht der zweite Schütze bereit und feuert seine Panzerfaust auf dasselbe Ziel. MILAN kann in solchen Szenarien aus dem Hintergrund unterstützen.

Wachbataillon Panzerfaust 3
Wachbataillon trainiert den scharfen Schuss mit Panzerfaust 3: Schütze 1 verfehlt das Ziel.
Auch bei der MILAN gibt es für den Schützen keinen Rückstoß. Es darf nur eben niemand dahinter stehen, weil der Rückstoß so kompensiert wird, dass der Schütze zwar nichts merkt, aber hinter dem Abschussrohr eine ähnliche Wucht entfaltet wird wie davor.

Wachbataillon Panzerfaust 3
Wachbataillon trainiert den scharfen Schuss mit Panzerfaust 3: Schütze 2 übernimmt und trifft die Zielmitte.
MILAN ist übrigens eine Abkürzung. Diese steht für "Missile d'Infanterie léger antichar" und kann mit "leichte Panzerabwehr-Infanterie-Rakete" übersetzt werden. Das stromfressende Nachtsichtgerät heißt MIRA (MILAN Infrarotadapter). Apropos Fressen: Milan ist nicht nur ein Kindername, sondern auch ein mittelgroßer Greifvogel. Es ist dann schon eine Ironie des Schicksals, dass MILAN ausgerechnet mit einem Wolf transportiert wird und auf einen Fuchs montiert werden kann. Mit Wolf ist hier eine umgebaute Mercedes G-Klasse gemeint und mit Fuchs ein Transportpanzer.

Wachbataillon MILAN Wolf G-Klasse
Wachbataillon trainiert den scharfen Schuss mit MILAN: Mit Waffe, Munition und MIRA-Batterien ist im Wolf noch für drei Personen Platz.
MILAN wird bei der Bundeswehr mittelfristig durch das System MELLS abgelöst.

Videos:
MILAN - scharfer Schuss und Erklärungen
Panzerfaust 3 - scharfer Schuss und Erklärungen

Autor: Matthias Baumann