Mittwoch, 15. Januar 2020

#pubtalk zum Musterpolizeigesetz

Schon die Einladung war sehr konspirativ. Der Ort des #pubtalks sollte kurzfristig bekannt gegeben werden, nachdem über eine Teilnahme des Interessenten beschieden worden war. Das klang spannend. Das Mail mit der Teilnahmebestätigung kam recht schnell. Die Adresse traf erst kurz vor der Veranstaltung ein. Aber auch hier lief es über Umwege. Erst als man die Reinhardtstraße 14 betreten hatte, erfuhr man, dass der #pubtalk in der benachbarten Nummer 12 stattfinde.

Auch der Einlasser war ein Profi. Mit dem Hinweis "Die WCs sind dort rechts." offenbarte er die geheimsten Gedanken neu eingetroffener Gäste. Das heutige Thema des #pubtalks war das Musterpolizeigesetz auf Basis des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG). Als Diskussionspartner waren der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Konstantin Kuhle MdB, und der ehemalige Verfassungsschutz-Chef, Dr. Hans-Georg Maaßen, erschienen. Letzterer hatte wohl für den konspirativen Aufwand gesorgt.

Musterpolizeigesetz? Was ist das?

Umfragen haben ergeben, dass kaum jemand weiß, was ein Musterpolizeigesetz ist. Dabei wird schon seit 1967 darüber geredet  Bisher wurde es nicht verabschiedet und auch gestern Abend von Hans-Georg Maaßen als "Totgeburt" bezeichnet. Immerhin müsse es durch 16 Länderparlamente und dann noch durch den Bundesstag gehen. Denn Polizei ist Ländersache. Bayern geht mit einer Stärkung polizeilicher Befugnisse voran. Allerdings ist es mit Befugnissen nicht getan. Was fehlt, sind Personal und Ausrüstung.

#pubtalk Musterpolizeigesetz Hans-Georg Maaßen Konstantin Kuhle
#pubtalk zum Musterpolizeigesetz mit Ex-Verfassungsschutz-Chef, Dr. Hans-Georg Maaßen (links), und dem innenpolitischen Sprecher der FDP-Fraktion, Konstantin Kuhle MdB. Foto: Matthias Bannas
In den letzten Jahren waren vom "grünen Tisch" aus viele Stellen gestrichen worden. Eine Neubesetzung der entstandenen Lücken geht nicht so schnell, weil neben den notwendigen Scheinen auch Erfahrung erforderlich ist. Hans-Georg Maaßen hatte im Verlauf seiner Tätigkeit als Verfassungsschutz-Chef eine gewisse Entspanntheit entwickelt. Er analysiert das Lagebild, teilt es den Entscheidungsträgern der Politik mit und entlässt diese komplett in deren Verantwortung, anhand des Lagebildes die passenden Entscheidungen zu treffen. Wie sich diese Verantwortung in den Entscheidungen repräsentiert, ist hinreichend bekannt: Über einen politisch aufgeheizten Diskurs wird letztlich oft gar nichts entschieden.

Früher war alles besser ...

Bis in die 1990er Jahre war vieles einfacher: beispielsweise das Abhören oder das Sperren von Konten. Inzwischen renne die Gesetzgebung den Kriminellen hinterher. Abhören wird heute durch eine breite Provider-Landschaft und exotische Verschlüsselungstechniken erschwert. Zudem ist ein Einfrieren von Bitcoin-Konten gesetzlich nicht geregelt. In diesem Zusammenhang kommt der sogenannte "Staatstrojaner" zum Zuge. Aber huch: Der kann ja noch viel mehr als nur Sprachnachrichten abhören. Da ist dann plötzlich das gesamte Smartphone offen mit WhatsApp, Browser, SMS und Geotracking.

Die Anderen dürfen doch auch ...

Neue Bedrohungslagen erfordern neue Befugnisse der Polizei und der Nachrichtendienste. In Israel, den USA oder Großbritannien sind diese Befugnisse schon sehr weitreichend. Allerdings haben diese in der Bevölkerung auch eine deutlich höhere Akzeptanz. Das Sicherheitsbewusstsein ist ein anderes. Umfragen haben ergeben, dass Eingriffe in die Freiheit zugunsten der Sicherheit in Deutschland hauptsächlich von Senioren, AfD-Freunden, Linke-Wählern, Sachsen und Thüringern favorisiert werden.

Die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) muss hier einen Spagat zwischen persönlicher Freiheit und Öffentlicher Sicherheit machen. Beim Finden des passenden Maßes sind die harten Fakten einer stagnierenden Kriminalstatistik und die gefühlte Bedrohungslage abzuwägen. Ein schwieriger Entscheidungsprozess, der in der Regel durch die oben erwähnte Unentschlossenheit gelöst wird.

Autor: Matthias Baumann