Freitag, 29. März 2019

Brexit, Konsequenzen und das Kinderspiel mit Unterhaltungswert

Die Kanzlerin oder der Bundespräsident waren heute nicht dabei. Dafür aber Justizministerin Katarina Barley, der britische Botschafter Sebastian Wood und David Marsh von der OMFIF. Letzterer gab der Veranstaltung die verbale Würze. "Kinderspiel mit Unterhaltungswert", bezeichnete David Marsh, was seit vielen Monaten bezüglich der Vorbereitung Großbritanniens auf den EU-Austritt dargeboten wird.

Der Botschafter fand diese Formulierung "nicht respektvoll und nicht fair". Da die Rede von Frau Barley und die anschließende Diskussion komplett auf Deutsch geführt wurden, konnten die etwa 400 Gäste des "Political Breakfest" im Allianz Forum am Pariser Platz dem verbalen Schlagabtausch gut folgen. Als David Marsh dem Botschafter ins Wort fiel, konterte dieser sehr diplomatisch. Sebastian Wood, der nicht nur Diplomat, sondern auch Philosoph und Mathematiker ist, nannte drei Möglichkeiten, wie es nun mit dem Brexit weitergehen könne:

  1. Geordneter Brexit am 12. April 2019
  2. Ungeordneter Brexit am 12. April 2019
  3. Verlängerung der Mitgliedschaft gemäß Artikel 50 des EU-Vertrages

Laut Sebastian Wood habe Theresa May in den letzten Jahren aktiv versucht, das Parlament auf Konsens mit der EU einzustimmen. Teilweise sei ihr das sogar gelungen. David Marsh bezeichnete die Premierministerin als "mittelmäßige Politikerin", die in jedem Fall zurücktreten werde. Man wisse nur noch nicht genau, wann. Sie habe immerhin das Beste aus der Situation gemacht. Dennoch sei sie neben Lord North (1732 - 1792) die am schwächsten bewertete Premierministerin Großbritanniens.

Brexit BCCG British Chamber of Commerce KPMG Allianz Forum
Political Breakfest zum Thema "Brexit - Consequences?" mit Justizministerin Katarina Barley, Botschafter Sebastian Wood KCMG und weiteren hochkarätigen Gästen im Allianz Forum am Pariser Platz - Endlosschleife um den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union - Das Foto zeigt die Wendeltreppe im Atrium des Allianz Forums.
Auch mit Boris Johnson rechnete er ab. Der markante Blondschopf stiftet ja regelmäßig Chaos, taucht dann plötzlich unter und kommt wieder hervor, wenn es Posten oder Prügel zu verteilen gibt. Brexit-Einpeitscher Johnson war seinerzeit Korrespondent des Daily Telegraph in Brüssel. In Deutschland könne man entsprechende Redakteure gebrauchen, so der OMFIF-Geschäftsführer. Ministerin Barley bezeichnete die Rolle von Boris Johnson als "legendär".

Die Wahrnehmung, dass die Bevölkerung keine Lust mehr auf das "Kinderspiel" im britischen Parlament habe, wurde von Justizministerin Barley nicht geteilt. Umfragen in Deutschland zeigen jedoch, dass etwa 2/3 bezüglich des Brexits lieber ein "Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende" haben möchten. Das sieht David Marsh auch so. Er finde es auch gut, dass die britische Parlamentsdelegation in Indien und Japan mit ihren EU-externen Sonderverhandlungen abgeblitzt war. Endlich würden Illusionen als Träume entlarvt werden.

Der britische Botschafter hatte noch einen weiteren Gegner auf der Bühne zu sitzen: Angus Robertson, einen Fraktionschef im Britischen Unterhaus. Agnus Robertson ist Schotte und warf dazu folgende Bemerkung ein: "Wir Schotten werden bleiben, entweder als Teil von Großbritannien oder als unabhängiger Staat."

Die Wirtschaft war durch Andreas Glunz von KPMG vertreten. 25% der international agierenden Unternehmen würden Großbritannien bei einem Brexit verlassen. Einige Gesellschaften sind bereits umgezogen. Selbst ein großer Sponsor der Brexit-Kampagne habe inzwischen seine Produktion nach Asien verlegt. Andreas Glunz sieht die Situation verhalten optimistisch: Nach drei bis fünf Jahren könne ein neuer Aufschwung geschehen, der Raum für innovative Konzepte der Zusammenarbeit biete. Das Wort Disruption stand mehrfach in positiver und zerstörerischer Verwendung im Raum. Andreas Glunz machte klar, dass die Wirtschaft mit Deal und mit No Deal umgehen könne. Es müsse nur endlich klar sein, ob es Deal oder No Deal gebe. Ohne ein klares Lagebild sei auch die Wirtschaft nur bedingt entscheidungsfähig.

Laut der Justizministerin sei man bei der Zollunion bisher am weitesten gekommen. Die Situation auf den anderen Gebieten sei jedoch katastrophal. Katarina Barley hat ein ganz besonderes Verhältnis zu Großbritannien. Ihr Vater war dort 1935 geboren worden und hatte sich als kleiner Junge an der Technik der aufsteigenden Bomber der Royal Air Force erfreut. Ihre Mutter wurde 1940 in Dresden geboren und zusammen mit ihrer Familie kurz vor Kriegsende durch die Royal Air Force attackiert. Die anschließende Versöhnung der Nationen hat auch das Leben und Wirken von Frau Barley geprägt. Es gibt eine intensive kulturelle Verwobenheit. In den letzten Wochen wurde sie mehrfach gefragt, wie es ihr am 29. März 2019 gehen werde. "So wie an jedem Tag", war ihre Antwort. Vielleicht ist das auch der beste Umgang mit diesem "Kinderspiel", das vermutlich auch den 12. April 2019 verstreichen lassen wird. Eine gewisse Hoffnung besteht jetzt noch im Pragmatismus, der den Briten zugesprochen wird.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 27. März 2019

Saudi Arabien, China und Nicaragua wechseln ihre Botschafter in Deutschland

Es gibt Botschafter, die eine gefühlte Dauerakkreditierung in Deutschland haben. Dazu gehören der Apostolische Nuntius des Heiligen Stuhls, Erzbischof Eterovic, der chinesische Botschafter Shi Mingde und die nicaraguanische Botschafterin Beteta Brenes Karla Luzette. Shi Mingde war seit August 2012 in Berlin und Frau Luzette seit März 2014. Nun wurden sie durch andere Exzellenzen ihrer Herkunftsstaaten abgelöst.

Das verändert auch die Reihenfolge bei Defilees des Diplomatischen Korps. China und Nicaragua werden sich zukünftig hinten anstellen müssen. Direkt vor ihnen der neue Botschafter aus Saudi Arabien, ein echter Prinz. Hier nun die drei Botschafter, die heute im Schloss Bellevue akkreditiert wurden:

Königreich Saudi Arabien - Prinz Faisal bin Furhan A. F. Al Furhan Al Saud
Volksrepublik China - Wu Ken
Republik Nicaragua - Tatiana Daniela García Silva

Ursprünglich waren für heute nur Saudi Arabien und China avisiert. Nicaragua wurde kurzfristig noch dazu gebucht. Saudi Arabien und China haben ja sehr unterschiedliche Prägungen. China gilt momentan als Feindbild Nummer Eins für die USA. Wirtschaftlich und militärisch sind sie Nordamerika ein Dorn im Auge. China hat mit 168 Milliarden USD den zweitgrößten Militärhaushalt der Welt, gefolgt von - es darf geraten werden - gefolgt von Saudi Arabien mit knapp 83 Milliarden USD.

Botschafter akkreditiert China Wu Ken
Botschafter der Volksrepublik China akkreditiert: Wu Ken - Foto mit dem Bundespräsidenten (rechts)
China verfolgt eine konsequente Politik des Neokolonialismus. Die One-Belt-One-Road-Initiative sorgt für einen erheblichen Aufschwung in vielen armen, aber strategisch gut gelegenen Staaten. Häfen werden gebaut. Straßen werden gebaut. Bahnlinien werden gebaut. Militärstützpunkte werden angelegt. Kraftwerke werden gebaut und Langzeitverträge zur Verwertung regionaler Rohstoffquellen abgeschlossen. Stammeskonflikte, wie sie regelmäßig in Afrika vorkommen, werden dabei als willkommenes strategisches Element zur Segmentierung und Schwächung des Vertragspartners genutzt. Die Partei hat ein klares Programm: In 30 Jahren will China wieder Kriege gewinnen.

Botschafter akkreditiert China Wu Ken
Botschafter der Volksrepublik China akkreditiert: Wu Ken - Beglaubigungsschreiben des chinesischen Botschafters Wu Ken
Die Forschung auf dem Gebiet der Quanten-Computer könnte China bald einen wichtigen Vorsprung verschaffen. Keine aktuelle Verschlüsselungstechnik ist dann mehr vor der chinesischen Leserschaft sicher. Die Erfahrung zeigt, dass auch die kommunistischen Nachbarn wie Vietnam, Nordkorea oder Laos nicht wirklich sicher neben China sind. Sie gelten zwar als Partner und Märkte für chinesische Produkte, werden aber je nach Bedarf fallen gelassen. Besonders kritisch sind die momentanen Aktivitäten Chinas im Südchinesischen Meer zwischen Vietnam und den Philippinen. In dieser Region werden Inseln aufgeschüttet und erweitert. Es werden Abschussrampen, große Häfen, Militärbasen und Radarsysteme installiert. Damit gewinnt China eine deutlich höhere Reichweite für seine nachrichtendienstlichen Ermittlungen, Truppen und Waffensysteme. Thailand und andere Staaten der Region betrachten diese Entwicklung mit Besorgnis. Die USA demonstrieren gelegentlich militärische Präsenz.

Botschafter akkreditiert China Wu Ken
Botschafter der Volksrepublik China akkreditiert: Wu Ken - Niederholen der Flagge von China
Der neue Botschafter Chinas, Wu Ken, ist Jahrgang 1961. Wu Ken ist Diplomatie-Profi. Seine Karriere begann in der Personalabteilung des chinesischen Außenministeriums. Er absolvierte ein Aufbaustudium in Frankfurt am Main und wurde an der Botschaft in Deutschland eingesetzt. Darauf folgten fünf Jahre im chinesischen Außenministerium. 1998 wurde er Botschaftsrat in Österreich und ging 2001 wieder ans Außenministerium zurück. 2007 wurde er als Botschafter in Österreich akkreditiert. Seit heute fungiert er als Botschafter Chinas in Deutschland.

Dem Militärbudget folgend wurde hier die Reihenfolge des Eintreffens der Botschafter vertauscht. Der erste Botschafter, der heute vor das Schloss Bellevue gefahren wurde, war nämlich Prinz Faisal bin Furhan A. F. Al Furhan Al Saud aus Saudi Arabien. Er trug die traditionelle saudische Kleidung.

Botschafter akkreditiert Saudi Arabien Prinz Faisal bin Furhan A. F. Al Furhan Al Saud
Botschafter des Königreichs Saudi Arabien akkreditiert: Prinz Faisal bin Furhan A. F. Al Furhan Al Saud - Foto mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (rechts)
Prinz Faisal bin Furhan A. F. Al Furhan Al Saud kommt aus der Wirtschaft. Er war Vorstandsvorsitzender der Al Salam Aerospace Industries, einem Joint Venture mit Boeing. Er ist Gründer der Shamel Investment and Training Company, die sich mit Sicherheitstechnik und der Beratung von zivilen und behördlichen Kunden beschäftigt. In Washington, D.C., diente er an der Botschaft Saudi Arabiens als Berater des Botschafters. Seine Spezialthemen sind Networking, Medien und Sicherheit. Letzteres wird dadurch flankiert, dass er Vorstandsmitglied der Saudi Arabia Military Industries Corporation ist.

Botschafter akkreditiert Saudi Arabien Prinz Faisal bin Furhan A. F. Al Furhan Al Saud
Botschafter des Königreichs Saudi Arabien akkreditiert: Prinz Faisal bin Furhan A. F. Al Furhan Al Saud - Flagge von Saudi Arabien vor dem Schloss Bellevue - Der Unterschied zwischen einer Flagge und einer Fahne besteht darin, dass eine Fahne an ihrer Halterung fixiert ist und eine Flagge per Seil gehisst und niedergeholt werden kann.
Was macht Saudi Arabien überhaupt mit seinem so extrem hohen Verteidigungshaushalt? Saudi Arabien hat 227.000 aktive Militärangehörige, besitzt 900 Panzer und 333 Kampfflugzeuge. Mit 1.500 Soldaten ist Saudi Arabien in Jemen aktiv und überschreitet dort gelegentlich die Grenzen international anerkannter Regeln, so dass es sogar beim großen Verbündeten jenseits des Atlantik zu Unmut kommt. Auch wenn Saudi Arabien 10,77% - zehn Komma sieben sieben Prozent - seines Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung aufwendet, ist doch dieser Wert rückläufig. 2017 waren es noch knapp 13%.

Als die Flagge Chinas niedergeholt war, erschien die Botschafterin von Nicaragua. Inzwischen hatte sich der übliche Halbstundentakt um 15 Minuten verschoben. Nicaragua hat 6 Millionen Einwohner und gibt weniger als 82 Millionen USD für seine Verteidigung aus. Damit liegt Nicaragua im Trend von Südamerika und Afrika. Während auf der Nordhalbkugel kräftig aufgerüstet wird, geht man das Thema im Süden sehr entspannt an.

Botschafterin akkreditiert Nicaragua Tatiana Daniela García Silva
Botschafterin der Republik Nicaragua akkreditiert: Tatiana Daniela García Silva
Seit 1850 existieren Pläne zum Bau eines Kanals durch Nicaragua. Dieser könnte den Atlantik mit dem Pazifik verbinden und würde aus Norden kommenden Schiffen etwa 1.000 Kilometer ersparen. Bisher muss der südlich gelegene Panama-Kanal genutzt werden. Nun hat die chinesische HKND Group den Zuschlag zum Bau des Kanals bekommen. Das passt in das oben beschriebene One-Belt-One-Road-Konzept. Auch hier wird China weitestgehend freigesprochen von Folgekosten für Umweltschäden und die Umsiedlung indigener Bevölkerungsgruppen.

Botschafterin akkreditiert Nicaragua Tatiana Daniela García Silva
Botschafterin der Republik Nicaragua akkreditiert: Tatiana Daniela García Silva - Flagge von Nicaragua vor dem Schloss Bellevue
Tatiana Daniela García Silva, war per Präsidialerlass 35-2019 durch Daniel Ortega als neue außerordentliche und bevollmächtigte Botschafterin der Republik Nicaragua bei der Regierung der Bundesrepublik Deutschland ernannt worden. Eine sehr sperrige Formulierung. Daniel Ortega ist 73 Jahre alt und regiert Nicaragua seit 12 Jahren. Tatiana Daniela García Silva war zuvor für die Deutsch-Nicaraguanische Industrie- und Handelskammer tätig.

Video:
Akkreditierung der Botschafter von Saudi-Arabien, China und Nicaragua im Schloss Bellevue

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 19. März 2019

Brexit: Business Lunch der British Chamber of Commerce mit Botschafter Peter Wittig

Frau May saß mit uns am runden Tisch. Sie spreche neuerdings sogar wieder ihren Namen als "Mej" aus. Schließlich heiße sie ja nicht Theresa und komme zudem aus Kanada. Neben Frau May waren weitere Gäste erschienen, deren Länder oder Firmen durch den Brexit tangiert werden: Irland, Continental, Rolls Royce oder BP. Alle sind irgendwie mit Großbritannien verbandelt und wollten beim heutigen Business Lunch erfahren, ob es in zehn Tagen zum "No Deal Crash Out" kommt.

Da selbst die Briten nicht wissen, was sie wollen, ist es natürlich schwer, eine brauchbare Prognose zu erstellen. 75% der Parlamentarier waren wohl gegen den Brexit und wurden schlichtweg durch die 52% der Bevölkerung überstimmt. Ein erneutes Referendum wurde gerade abgelehnt, da eine Vorschrift von 1604 - in Worten: sechzehnhundertvier - besage, dass eine erneute Abstimmung über dasselbe Thema nur dann möglich sei, wenn sich die Rahmenbedingungen deutlich verändert hätten. Das ist aber beim Brexit nicht der Fall. Für den ausländischen Betrachter ist die Interessenslage der politischen Akteure äußerst diffus. Die Brexit-Befürworter blockieren eine Verschiebung des Austrittstermins deshalb, weil sie Angst haben, dass durch zu viel Diskussion eventuell doch kein Brexit mehr kommt.

Brexit BCCG Botschafter Peter Wittig Business Lunch DZ Bank
BCCG und das Business Lunch in der Skylobby der DZ Bank mit dem deutschen Botschafter in London, Peter Wittig: Ausblick auf einen harten Brexit? Kommt es in 10 Tagen zu einem "No Deal Crash Out"?
Zwischen den Gängen - also Bienenstich vom Brandenburger Ziegenkäse mit Brunnenkresse und geräuchertem Tomaten-Estragonsugo und auf Heu gegartem Rücken und Bratwurst vom Dry Aged Rind mit sautiertem Babymangold und gebackenen Drillingen - sprach Peter Wittig zu uns. Er ist derzeit deutscher Botschafter in London und führt damit eine unserer wichtigsten diplomatischen Vertretungen.

Peter Wittig hofft auf eine Lösung in letzter Minute. Er hält einen "No Deal Crash Out" für unwahrscheinlich. Diese Ansicht wurde nicht von allen Anwesenden geteilt. Ein "No Deal Crash Out" würde Großbritannien in den Abgrund treiben. Das könne kein anderer EU-Staat verantworten. Wobei der Brexit ja eine freie Entscheidung Großbritanniens war.

Aus der Kindererziehung wissen wir, dass man das Tragen von Verantwortung für Fehlentscheidungen auch mal zulassen kann. So wäre ein harter Brexit sicher schmerzlich, könnte aber anschaulich demonstrieren, was passiert, wenn sich Wahlmasse durch clever lancierte Desinformation in existenziellen Entscheidungen beeinflussen lässt. Die Zahlen, die Boris Johnson auf seinem knallroten Bus durch das Land transportiert hatte, werden zukünftig allein für die Abwicklung der Zollformalitäten aufzuwenden sein. Nicht ein Cent von den gesparten EU-Mitgliedsbeiträgen landet im NHS, dem National Health System.

BCCG und das Business Lunch in der Skylobby der DZ Bank mit dem deutschen Botschafter in London, Peter Wittig - Das Foto zeigt auf Heu gegarten Rücken und Bratwurst vom Dry Aged Rind mit sautiertem Babymangold und gebackenen Drillingen.
Betroffen sind aber nicht nur die Briten. Die gesamte EU hat auch ohne das Brexit-Thema ein Problem: Der demografische Schrumpfungsprozess befördert eine ethnisch-kulturelle Verschiebung sowie ein Abrutschen in die globale Bedeutungslosigkeit. Die USA beziehen Europa kaum noch in ihre Überlegungen ein. Lediglich China wird als Wirtschaftsmacht und Herausforderer angesehen. In Asien - inklusive China - werden aktuell 60% des weltweiten Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet. Der Militärhaushalt Chinas entspricht mit seinen 168 Milliarden USD einem Drittel der amerikanischen Aufwendungen. Damit steht China auf Platz 2 der Weltrangliste. Russland mit seinem Verteidigungshaushalt von 63 Milliarden USD (Platz 4) betrachten die USA eher als einen lästigen Störer.

Wäre sich die EU wirklich einig, hätte sie 284 Milliarden USD dagegenzusetzen und wäre wieder eine ernstzunehmende Größe. Darin sind 56 Milliarden USD Verteidigungsbudget von Großbritannien enthalten. Durch die NATO gibt es Vertragskonstellationen, die die sicherheitspolitische Relevanz des Brexits ganz gut abfedern. Das Vereinigte Königreich verliert allerdings diverse Zugänge zu Datenbeständen wie beispielsweise denen von Europol. Wirtschaftlich und kulturell sieht das noch dramatischer aus. Mit dem Brexit wird Großbritannien zu einem Drittstaat, mit dem sämtliche Abkommen neu verhandelt werden müssen.

Ein Tischnachbar bemerkte nach dem Lunch: "Das war heute wie bei jeder dieser Brexit-Veranstaltungen. Man ist so schlau wie vorher." Wenigstens war die Aussicht gut. Also nicht die für Großbritannien, aber die über die Dachkonstruktion der DZ Bank in Richtung Reichstag.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 18. März 2019

Montenegros Präsident Milo Đukanović im Schloss Bellevue empfangen

Man könnte hier schon fast eine Analogie zu "Täglich grüßt das Murmeltier" konstruieren, wenn man die Häufigkeit der Besuche aus diesem kleinen Land an der Adriaküste mit dem Empfang von Gästen aus anderen Staaten vergleicht. Ministerpräsident Duško Marković wurde im August letzten Jahres von Angela Merkel empfangen. Die Botschafterin Vera Kuliš wurde Anfang Februar im Schloss Bellevue akkreditiert und nun erscheint der Präsident Milo Đukanović zusammen mit seiner Gattin Lidija in Berlin.

Milo Đukanović ist 57 Jahre alt und seit Mai 2018 Präsident Montenegros. Er fungierte über mehrere Legislaturperioden als Premierminister und ist Vorsitzender der Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS). Seine nachhaltige Karriere auf Spitzenpositionen legt den Verdacht nahe, dass es mit der Rechtstaatlichkeit nicht weit her ist in Montenegro. Dieser Verdacht erhärtet sich durch eine sogenannte "Kleine Anfrage" der Grünen an den Bundestag.

Montenegro Präsident Milo Đukanović Berlin Schloss Bellevue
Montenegros Präsident Milo Đukanović mit Ehefrau Lidija (zweite von links) zu Besuch in Berlin - Empfang durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenbender (links) im Schloss Bellevue
Milo Đukanović machte sich stark für eine Abkoppelung von Serbien, die er auch mit einer knappen Mehrheit durchgesetzt bekam. Wichtig sind ihm eine Anbindung an die EU und die NATO. Die NATO-Mitgliedschaft konnte 2017 erreicht werden.

Über Montenegros Problem mit der organisierten Kriminalität inklusive Handel mit Drogen, Menschen, Waffen und Zigaretten wurde ja schon im Zusammenhang mit dem Besuch des Ministerpräsidenten berichtet. Das kam damals sogar in der Pressekonferenz mit Angela Merkel zur Sprache und ist der Haupt-Dämpfungsgrund für eine schnelle Aufnahme in die EU. Für deutsche Investoren ist eine Behebung dieser Schwachstellen ebenfalls entscheidend. Dass Milo Đukanović etwas an der Situation ändern wird, ist jedoch unwahrscheinlich. Laut der oben zitierten "Kleinen Anfrage" gilt er als Profiteur dieser Zustände. Zudem werde der in Montenegro geltende Euro als willkommenes Werkzeug zur Geldwäsche genutzt. Die EU befindet sich also in einem Dilemma: Entweder holt es sich ein weiteres problematisches Mitglied ins Boot oder überlässt die Region dem ungebremsten Einfluss Russlands und Chinas.

Montenegro Präsident Milo Đukanović Berlin Schloss Bellevue
Montenegros Präsident Milo Đukanović zu Besuch in Berlin - 2025 wird als mögliches EU-Eintrittsjahr für Montenegro gehandelt.
Wenden wir uns deshalb einem schöneren Thema zu: dem Tourismus. 21% des Bruttoinlandsproduktes werden durch den Tourismus erwirtschaftet. Würden alle Touristen in Montenegro bleiben, könnte damit die Bevölkerung (etwa 614.000) verdreifacht werden. Einen Rückschlag hatte der Tourismus durch den Jugoslawienkrieg erlitten. Bis dahin tummelten sich vorrangig deutschsprachige Reisende in Montenegro. Das Reiseziel ist in Mitteleuropa noch nicht so recht wiederentdeckt worden. Deshalb werden die touristischen Umsätze nun mit Russen, Serben und Personen aus Bosnien-Herzegowina erwirtschaftet.

Montenegro ist gut für Aktivurlauber geeignet. In der nördlichen Bergregion lässt es sich gut wandern. Radfahren wird auch immer populärer. Das Landesinnere hat einige Sehenswürdigkeiten wie alte Klöster aufzuweisen. Besonders gut wird die südliche Strandregion bewertet und sogar von der New York Times als Geheimtipp gehandelt. Allein die Flugverbindungen sind wohl noch etwas ausbaufähig.

Video:
Militärische Ehren zur Begrüßung des Präsidenten von Montenegro Milo Đukanović

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 13. März 2019

Premierminister von Laos, Thongloun Sisoulith, zum Antrittsbesuch im Kanzleramt empfangen

Thongloun Sisoulith ist 74 Jahres alt. Er hatte sieben Jahre lang Pädagogik studiert und war anschließend - während des Vietnamkrieges - in die Vertretung der Patriotischen Front nach Hanoi gegangen. Danach hat er weitere fünf Jahre Sprachwissenschaften in Leningrad studiert. Das Studieren nahm erst 1984 ein Ende, als er in Moskau promovierte. Regelmäßig wechselte er zwischen dem Bildungsministerium und dem Außenministerium.

Laos Premierminister Thongloun Sisoulith Berline Angela Merkel
Premierminister von Laos, Thongloun Sisoulith, zum Antritts- und Arbeitsbesuch von Angela Merkel empfangen - Die Kanzlerin prüft die Linientreue auf dem roten Teppich.
1993 bekam Thongloun Sisoulith seinen ersten Ministerposten: Arbeit und Soziales. 2001 wurde er stellvertretender Ministerpräsident und trat auch in das Politbüro der herrschenden Laotischen Revolutionären Volkspartei (LRVP) ein. Diese Partei war von Ho Ho Ho - pardon: Ho Chi Minh persönlich gegründet worden.

Immer noch straff auf der Linie wurde Thongloun Sisoulith 2006 zum Außenminister berufen und im April 2016 zum Premierminister von Laos gewählt. Wobei Wahlen in einer Demokratischen Volksrepublik oft einer sehr eigenen Interpretation unterliegen. Es war heute ein kombinierter Antritts- und Arbeitsbesuch. Obwohl bereits seit 60 Jahren diplomatische Beziehungen zu Laos bestehen, war das der erste Besuch eines laotischen Premierministers in Deutschland. Angela Merkel wurde während der Pressekonferenz zu einem Gegenbesuch eingeladen.

Laos Premierminister Thongloun Sisoulith Berline Angela Merkel
Premierminister von Laos, Thongloun Sisoulith, zum Antritts- und Arbeitsbesuch von Angela Merkel empfangen - Laos muss sich bei der drohenden Wirtschaftskrise im Zusammenhang mit China neue Partner suchen.
Laos hat etwas über 7 Millionen Einwohner. Das Land hatte während des Vietnamkrieges (1955 - 1975) einen hohen Kollateralschaden erlitten, aber auch militärische Erfahrungen gesammelt. Einen weiteren Konflikt gab es 1988 mit Thailand. Ansonsten ist das Militär von Laos stark mit der Revolutionären Volkspartei verwoben und in erster Linie für die innere Sicherheit zuständig. Als Hauptverbündete gelten Vietnam, China und Russland. Neben 29.100 aktiven Soldaten gibt es in Laos über 100.000 Paramilitärs wie beispielsweise Mitglieder von Home Guards. Je volksrepublikanischer, desto höher die Wahrscheinlichkeit von Vetternwirtschaft und Korruption. Übrigens eine ausgeprägte Schwachstelle, die militärische Gegner zu nutzen wissen sollten - übrigens auch im Umgang mit China und Russland.

Asien hat 2018 insgesamt die höchsten Steigerungen des Bruttoinlandsprodukts erlebt: 5,6%. 60% des weltweiten BIPs werden momentan in Asien erwirtschaftet. Laos gehört mit einer Steigerung von 6,8% zu den Spitzenreitern neben Indien und Bangladesch (7,3%). Donald Trump wollte diese Wachstumsraten wohl dämpfen: So langsam macht sich nämlich der Handelskonflikt zwischen den USA und China bemerkbar. Es gibt aber noch eine weitere Falle: Laos, China, Malaysia und Vietnam wird in absehbarer Zeit ihre hohe Staatsverschuldung auf die Füße fallen.

Laos Premierminister Thongloun Sisoulith Berline Angela Merkel
Premierminister von Laos, Thongloun Sisoulith, zum Antritts- und Arbeitsbesuch von Angela Merkel empfangen - Kurz vor dem Eintreffen des Gastes aus Laos gratuliert die Bundeskanzlerin zwei Soldaten aus der Ehrenformation zum Geburtstag.
Deshalb suchen Länder dieser Region nach neuen Handelspartnern, die möglichst nicht so stark vom Wohlergehen Chinas abhängig sind. Deutsche Direktinvestitionen laufen zurzeit so langsam im landwirtschaftlichen Bereich an. Laos bekommt Entwicklungshilfe aus Deutschland, aber auch nachdrückliche Hinweise auf die Menschenrechtslage. Laos könnte auch für den Fahrrad- und Rucksack-Tourismus interessant sein. Die vorhandene Infrastruktur setzt jedoch ein gewisses Maß an Abenteuerlust voraus.

Video:
Militärische Ehren für den Premierminister von Laos, Thongloun Sisoulith, im Kanzleramt

Autor: Matthias Baumann

Montag, 11. März 2019

Lettlands Ministerpräsident Krišjānis Kariņš setzt Besuchsserie in Berlin fort

Keine drei Wochen ist es her, dass Lettlands Präsident Raimonds Vējonis und dessen Gattin Iveta Deutschland besucht hatten. Es war ein mehrtägiger Staatsbesuch mit dem vollen Programm von militärischen Ehren im Schloss Bellevue, über die Kranzniederlegung an der Neuen Wache, Staatsbankett mit dem Bundespräsidenten und einem längeren Ausflug nach Hamburg. Das Medieninteresse war dabei sehr verhalten.

Auch der Ministerpräsident Lettlands wurde mit militärischen Ehren empfangen. Allerdings "nur" im Kanzleramt und wegen seiner nachgeordneten Position "nur" mit einer Ehrenkompanie statt eines großen Ehrenbataillons.

Lettlands Ministerpräsident Krišjānis Kariņš Antrittsbesuch Angela Merkel Berlin
Lettlands Ministerpräsident Krišjānis Kariņš zum Antrittsbesuch durch Angela Merkel im Kanzleramt empfangen. Als Gentleman trägt er den Schirm. Normalerweise hört bei Staatsbesuchen der Niederschlag auf, sobald die Kanzlerin vor die Tür tritt.
Das kleine Lettland sieht sich aktuell durch den großen Nachbarn Russland bedroht. Russland hat in den letzten Jahren viele Militärstützpunkte an seiner Westgrenze aufgebaut und mit Raketen ausgestattet. Ein nicht unerheblicher Einfluss passiert auf der Cyber- und Informationsebene. Desinformation und Falschmeldungen werden gestreut und dabei auf die 27% des russischen Bevölkerungsanteils in Lettland aufgesetzt. Lettland hat 6.000 aktive Soldaten und eine Reserve von knapp 16.000 Personen. Das ist sehr wenig. Der Cyber-Informationsraum (CIR) wurde bereits 2014 als Priorität in der Sicherheitspolitik festgelegt.

Lettland ist seit 2004 Mitglied der NATO und sieht diese als Friedensgarant. Im Gegenzug unterstützt Lettland verschiedene Auslandseinsätze wie MINUSMA in Mali, EUTM in Mali, OSZE in der Ukraine sowie NATO-Präsenzen in Afghanistan, der Nordsee und dem Irak.

Krišjānis Kariņš ist 54 Jahre alt und erst seit Ende Januar 2019 Ministerpräsident in Lettland. Dass ein Ministerpräsident bereits nach 1,5 Monaten zum Antrittsbesuch in Berlin erscheint, ist ungewöhnlich. Es zeigt aber, dass wichtige Themen auf der Agenda stehen. Es ging heute um den Brexit und gewünschte Direktinvestitionen deutscher Firmen in Lettland. Einen bedeutenden Teil des Gesprächs nahm tatsächlich die Sicherheitspolitik ein. Russland attackiere unsere Werte, sorge für Spaltungen innerhalb der EU und falle immer wieder durch Desinformationskampagnen auf. "Flugzeugträger finde ich gut!", entgegnete die Kanzlerin auf die Nachfrage bezüglich eines EU-Flugzeugträgers.

Krišjānis Kariņš hatte in Pennsylvania Sprachwissenschaften studiert und dort auch seinen Doktortitel erworben. Er spricht sehr gut Deutsch und nutzte diese Sprache auch in der Pressekonferenz. Mit seinen einleitenden Worten entschuldigte er sich dafür, dass er die Regeln des Protokolls gebrochen und selbst den Schirm gehalten habe. Die Kanzlerin fand das offensichtlich charmant.

Acht Jahre lang hatte Krišjānis Kariņš ein Unternehmen geleitet und von 2004 bis 2006 als Wirtschaftsminister Lettlands fungiert. Seine politische Richtung ist liberal-konservativ, also vergleichbar mit der FDP. 2011 zog er ins Europaparlament ein und besetzte einen Vorstandsposten bei der EVP. Aufgrund der Wahl zum Ministerpräsidenten verließ er das Europaparlament.

Video:
Militärische Ehren zum Antrittsbesuch von Lettlands Ministerpräsidenten Krišjānis Kariņš

Autor: Matthias Baumann