Mittwoch, 23. März 2022

Dreifach-Gipfel von NATO, EU und G7 in Brüssel

Das ist sportlich und ein Novum: drei miteinander kombinierte Gipfeltreffen an nur zwei Tagen in Brüssel. Der Gipfel beginnt morgen. Auch Joe Biden hat seinen Besuch angekündigt. Bei NATO und EU gibt es viele personelle Überschneidungen. Für G7 kommt noch Japan dazu. G8 rückt in weite Ferne, da der Achte am Tisch Russland gewesen wäre. In Brüssel wird nicht mit, sondern über Russland geredet. Der ukrainische Präsident wird per Video zugeschaltet.

Ein Thema: Ukraine

Der Krieg in der Ukraine mit seinen sämtlichen volkswirtschaftlichen, sicherheitspolitischen und humanitären Facetten steht als einziger Hauptpunkt auf der Agenda. Plötzlich sind auch Energie und Umweltschutz Themen, die unmittelbar mit Putins Entscheidungsvorlagen verknüpft sind. Während es in der heutigen Pressekonferenz noch hieß, dass ein Öl-Embargo nicht auf der Agenda stehe, forderte Putin etwa zeitgleich, dass russische Öl- und Gaslieferungen nur noch in Rubel zu bezahlen seien. Dazu müssten mehr Rubel mit Euro und Dollar gekauft werden, als in den westlichen Banken verfügbar sind. Das hätte den Effekt, dass der Kurs des Rubels wieder stiege und fehlende Rubel über die sanktionierten russischen Banken beschafft werden müssten.

Energetisches Eigentor

Dieser Effekt kann jedoch nicht von langer Dauer sein, da Wirtschaftsminister Habeck schon ein sogenanntes "Osterpaket" in der Hinterhand habe, das erhebliche Änderungen bei der Energiegewinnung erahnen lässt. Mittelfristig wird also an der Entbehrlichkeit des wichtigsten russischen Exportrohstoffes gearbeitet, womit sich Putin ein Eigentor geschossen haben dürfte. Mit seinem Rubel-Wunsch wird er diesen Prozess beschleunigen. Die Bundesregierung prüfe mit Hochdruck sämtliche Wirtschaftszweige auf russische Abhängigkeiten und suche aktiv nach Alternativen.

Schnell und harmonisch

Überhaupt sei das der erste Fall, in dem so umfangreich, schnell und einvernehmlich Sanktionen gegen einen Staat und dessen Verantwortliche umgesetzt wurden. Aktuell befinde man sich in der Anwendung des vierten Sanktionspaketes. China und Länder aus der Golfregion werden derzeit beobachtet, inwiefern sie Schlupflöcher für Russland schaffen. Normalerweise ist es wegen nationaler Gesetzgebungen gar nicht so einfach, breit angelegte Sanktionen durchzuziehen. Im Falle von Russland herrscht jedoch eine hohe Einigkeit und die Zielpersonen finden sich auf vielen nationalen Sanktionslisten wieder. Am empfindlichsten macht wohl Frankreich von seinen gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch.

NATO und EU

Beim Dreifach-Gipfel wird es ferner um Lieferketten, Versorgung mit Nahrungsmitteln, Verteilung von Flüchtlingen und die Unterstützung von Georgien und Moldau gehen. Die Neuaufstellung der NATO soll diskutiert und der NATO-Gipfel im Juni 2022 in Madrid vorbereitet werden. Zudem ist eine gemeinsame EU-NATO-Erklärung geplant. Durch den einseitigen Bruch der NATO-Russland-Grundakte sieht sich nun auch die NATO veranlasst, einige der Punkte etwas flexibler auszulegen und permanente Stützpunkte an der Ostflanke einzurichten. Ein Sprecher der Bundesregierung erklärte auch, was es mit der einen Milliarde Euro der EU für Waffenlieferungen an die Ukraine auf sich hat. Wenn demnach ein EU-Staat Waffen im Wert von 500.000 Euro an die Ukraine liefere, könne er sich die Kosten aus diesem Topf erstatten lassen. Deutschland habe diese Option aber bisher noch nicht genutzt.

Auch hier wird deutlich, dass Putin sich verkalkuliert hat: Die Einheit des Westens ist gestärkt. Bürokratie wird im Eiltempo reformiert und Lösungen werden schnell, effizient und zielstrebig angegangen. Geht doch, wenn es sein muss!

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 15. März 2022

Wehrbeauftragte Eva Högl stellt ihren Bericht 2021 in der Bundespressekonferenz vor

"Die Amtshilfe muss jetzt enden!", waren die klaren Worte von Eva Högl bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des 63. Jahresberichtes der Wehrbeauftragten des Bundestages. Bei allem Verständnis für die Belastung der Gesundheitsämter und anderer Einrichtungen durch die Corona-Pandemie fordert sie schon länger die zivile Verantwortung für zivile Angelegenheiten ein. Die Bundeswehr habe ihren Kernauftrag zu erfüllen. Überhaupt bietet Eva Högl auch Parteikollegen und der Verteidigungsministerin beherzt die Stirn: "Die Wehrbeauftragte ist unabhängig, und ich nehme das sehr ernst." Dabei betonte sie das "sehr".

In ihrer Vorrede, bei der Beantwortung von Fragen und im kleinen Kreise wurde deutlich, dass sie eine authentische "Freundin" der Bundeswehr ist. Das drückt auch der letzte Satz der Pressemitteilung aus: "Der Jahresbericht 2021 benennt nicht nur Versäumnisse, Mängel und Defizite. Die Truppe hat bewiesen, wie leistungsfähig, professionell und verlässlich sie ist. Dafür verdient sie unseren Respekt und unsere Anerkennung." Es gebe viele Dinge, auf die "wir" stolz sein können. Dass es einen kontroversen Diskurs gebe, begrüßte sie ausdrücklich: "Das schlimmste ist Desinteresse."

Wehrbeauftragte Eva Högl legt ihren Bericht 2021 in der Bundespressekonferenz #BPK vor
Wehrbeauftragte Eva Högl legt ihren Bericht 2021 in der Bundespressekonferenz vor.

So freute sie sich über die 100 Milliarden Euro Sondervermögen. Dieses bediene keine neu eingereichten Wunschlisten, sondern werde konsequent für die überfälligen Anschaffungen von Nachtsichtgeräten, Funktechnik, Kälteschutz, Nässeschutz, Helmen und anderen Dingen der Grundausstattung eingesetzt. Es könne nicht sein, dass ein Land wie Deutschland solche simplen Dinge nicht schnell beschaffen könne. Der Grund des Übels sei das hochkomplexe Vergaberecht, das andere EU-Staaten bereits etwas flexibler auslegen. Damit geht sie konform mit den Äußerungen des zuständigen Vizeadmirals, der das Beschaffungswesen als "toxisch" bezeichnet hatte. Aber auch die Ministerin ist inzwischen auf diesen Zug aufgesprungen.

Den jüngsten Einwurf von Generalleutnant Alfons Mais, dass die Bundeswehr "blank" dastehe, bezeichnete sie als "emotional" und konnte das aus ihrer Wahrnehmung nicht bestätigen. Bei 60 Truppenbesuchen in 2021 konnte sie sich von der Motivation und der Einsatzbereitschaft der Truppe überzeugen: "Unsere Soldaten sind gut vorbereitet und nehmen den Auftrag an." Allerdings begegnen ihr bei der Nachwuchsgewinnung ambivalente Überlegungen. Während die Bundeswehr bisher ein begehrter Arbeitgeber war, steht nun die Frage im Raum, ob Deutschland und dessen freiheitliche demokratische Grundordnung den Einsatz des eigenen Lebens wert ist. Andere fühlen sich durch die neuerliche Entwicklung in der Ukraine sogar beflügelt und möchten "auch etwas beitragen". So hat sich die Personaldecke der Bundeswehr im Gegensatz zu anderen Branchen während der Pandemie kaum verändert. Die 184.000 Bundeswehrangehörigen sollen mittelfristig noch auf 203.000 anwachsen. Eine Diskussion über die Reaktivierung der Wehrpflicht hält die Wehrbeauftragte zurzeit für wenig nützlich, obwohl sie anfänglich an der Befeuerung einer erneuten Diskussion darüber mitgewirkt hatte.

Eva Högl sieht sich als Anwältin der Soldaten und beleuchtet vom Kälteschutz über Baumaßnahmen, Arbeitszeitverordnung, Frauen, Auslandseinsätze, Mobbing, Schutzimpfungen bis zur Beschaffungsreform sämtliche Facetten des Lebens in der Bundeswehr. Der aktuelle Bericht umfasst 176 A4-Seiten. Der Bericht ist gut und flüssig geschrieben und enthält viele konkrete Beispiele. In 2021 hatte das Büro der Wehrbeauftragten 3.967 Fälle zu bearbeiten, von denen 2.606 persönliche Eingaben waren. Besonders wichtig scheint ihr das interne Klima und ein professionelles Führungsverhalten zu sein.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 3. März 2022

Amtshilfe der Bundeswehr wird heruntergefahren

Oberst Schaus von der Operationszentrale (OpZ) in der Julius-Leber-Kaserne zeigte sich positiv überrascht: Viele der Ämter, die seit Monaten Anträge zur Hilfe bei Kontaktnachverfolgung oder in Impfzentren bei der Bundeswehr abgerufen hatten, reduzieren nun ihre Bedarfsmeldungen. Einerseits wegen der positiven Entwicklung im Pandemiegeschehen und andererseits aus dem Verständnis heraus, dass die Bundeswehr zurzeit ganz andere Themen auf der Agenda hat.

Amtshilfe der Bundeswehr wird heruntergefahren, OpZ, Operationszentrale, KdoTA, Kommando Territoriale Aufgaben, Julius-Leber-Kaserne
Amtshilfe der Bundeswehr wird heruntergefahren. In der OpZ (Operationszentrale) des KdoTA (Kommando Territoriale Aufgaben) in der Berliner Julius-Leber-Kaserne laufen die Fäden zusammen.


Zurzeit sind noch etwa 5.700 Soldaten und Zivilangestellte der Bundeswehr in der Amtshilfe nach Artikel 35 GG eingesetzt – mit fallender Tendenz. Den Großteil machen die Kontaktnachverfolgungen in den Gesundheitsämtern mit rund 3.200 Helfern aus. Aus den Impfzentren konnten schon viele Soldaten im Einvernehmen mit den Antragstellern abgezogen werden, weil die Nachfrage nach Impfungen zu gering sei. Auch in Pflegeheimen ist der Personalbedarf an die Bundeswehr rückläufig. Begehungen im Rahmen der Dienstaufsicht hatten gezeigt, dass in einigen Amtshilfeeinsätzen Personal der Bundeswehr zwar angefordert und anwesend war, teilweise aber nur unzureichend ausgelastet war bzw. mit Aufgaben außerhalb des originären Amtshilfeantrages beschäftigt wurde. In diesen Fällen gab es Gespräche mit den Bedarfsträgern und eine anschließende Umverteilung der Kräfte.

Artikel 35 GG legt fest, dass sich Behörden von Bund und Ländern gegenseitig Rechts- und Amtshilfe leisten. Die Amtshilfe erfolgt damit immer nur zeitlich begrenzt und ist "unverzüglich nach Beseitigung der Gefahr oder des Bedarfs zur Aufgabenerfüllung der Behörden aufzuheben". Deshalb laufen die momentan 365 Amtshilfe-Maßnahmen spätestens am 17. März 2022 als Ordnungshalt aus. Weitere Bedarfe oder Verlängerungen müssen neu beantragt werden.  Aufgrund der aktuellen sicherheitspolitischen Lage und den rückläufigen Corona-Zahlen  melden Ämter den Bedarf selbst ab und reichen weniger oder gar keine Hilfegesuche mehr ein. Das entlastet die Bundeswehr und die OpZ. Der OpZ wird es dennoch nicht langweilig. Diese befindet sich nämlich schon mitten in der Koordinierung der logistischen Anforderungen an die „Drehscheibe Deutschland“ im Zusammenhang mit dem Ukraine-Russland Konflikt.

Autor: Matthias Baumann