Der Besuch von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht im Gefechtsübungszentrum (GÜZ) bei Gardelegen versprach eine laute und staubige Angelegenheit zu werden. Die Kampfstiefel waren noch mit der Patina der jüngsten deutsch-britischen Übung überzogen und warteten auf einen spannenden Pressetermin in der Natur. Und Natur gibt es hier reichlich. Ist erst einmal der satte Sound des Leoparden verhallt, hört man hier seltene Vögel wie den Pirol. Es kommt auch regelmäßig vor, dass Reh und Hase noch schnell durch das Bild huschen, während die Kamera schon auf die Lichtung positioniert ist, wo gleich die Feindkräfte erscheinen sollen.
Verteidigungsministerin Lambrecht besucht das Gefechtsübungszentrum GÜZ des Heeres bei Gardelegen |
Statt mit scharfer Munition wird im GÜZ mit Lasertechnik geschossen. Statt die zigtausend Euro für eine MELLS-Kartusche zu investieren, wird ein Laserimpuls ausgelöst und der Knall mit einer Signalpistole simuliert. In den mattgrünen Toyota-Geländewagen mit dem weißen Kreuz - ein sichtbares Zeichen für Unterstützungskräfte - sitzt das militärische Personal höchstens auf dem Beifahrersitz. Am Steuer sitzen zivile Mitarbeiter der Firma Saab, die die Technik überwachen.
So begann der Besuch der Ministerin heute im "Herzstück" des Gefechtsübungszentrums, einem großen Raum mit Empore und vielen Arbeitsplätzen mit jeweils vier Bildschirmen. Von hier aus werden die Übungen auf sämtlichen Truppenübungsplätzen von Gardelegen/Letzlingen bis Klietz, Munster, Celle und Altengrabow gesteuert und überwacht. Das Bedienpersonal hat sämtliche Bewegungspfade und Ereignisse im Blick, kann die Szenarien jederzeit abrufen und auf externe Videoleinwände spielen. Das verkürzt die Zeit der Auswertung und Optimierung erheblich. Kein Soldat kann sich herausreden, er hätte woanders gestanden, eine Situation nicht kommen gesehen und sei gar nicht getroffen worden.
Verteidigungsministerin Lambrecht besucht das Gefechtsübungszentrum GÜZ des Heeres bei Gardelegen - Sensoren des AGDUS-Systems von SAAB |
Was bis vor wenigen Jahren noch die Schiedsrichter manuell bewerten mussten, passiert jetzt mit hochkomplexer Sensorik. Dafür sind sämtliche Handwaffen, Fahrzeuge, Soldaten, Darsteller von Feindkräften und sogar Gebäude mit Sensoren und Effektgeräten ausgestattet. Die Einschläge von Steilfeuer wie Mörser oder Artillerie werden mithilfe von Nebel-Fahrzeugen simuliert. Getroffene Fahrzeuge fangen plötzlich an, Weiß zu blinken. Manch ein Grenadier ist erstaunt, wie schnell ein Gefecht vorbei sein kann. So wie der Personenschützer, der beim Fahrtraining in eine Wasserwand rast, ist der hier übende Soldat noch einmal mit dem Schrecken davon gekommen. Nach jedem Übungsabschnitt wird ausgewertet: War die Wahl des "Verfügungsraumes" gut? Warum nicht? Was hätte man besser machen können?
Verteidigungsministerin Lambrecht besucht das Gefechtsübungszentrum GÜZ des Heeres bei Gardelegen - Effekt-Generatoren und Sensoren des AGDUS-Systems von SAAB |
Insbesondere beim Umgang mit Verletzten läuft immer ein Sanitätsausbilder mit. Der genau notiert, wie die Erste Hilfe abgelaufen ist. Diese Sanitätselemente als Teil einer Übung sind in letzter Zeit oft zu sehen und zeichnen ein realistisches Bild des möglichen Ernstfalles. So blieb es bei der heutigen Übung nicht einfach dabei, dass ein Selbstmordattentäter den Weg heruntergefahren kommt und erst durch konsequenten Beschuss "vernichtet" werden kann. Plötzlich tauchen noch feindliche MG-Schützen auf und beschießen die übende Truppe von der Seite. Auch diese werden erfolgreich "bekämpft", aber mit dem Effekt, dass es Verwundete in den eigenen Reihen gibt. Diese müssen behelfsmäßig per LKW aus der Gefahrenzone geholt werden und werden erst anschließend ärztlich versorgt. Wohl dem, der wie in der heutigen Übung, zeitnah mit einem Hubschrauber NH90 in die nächste "Versorgungsebene" ausgeflogen werden kann.
Verteidigungsministerin Lambrecht besucht das Gefechtsübungszentrum GÜZ des Heeres bei Gardelegen - dynamische Vorführung / Übung mit Bergung von Verletzten per Hubschrauber NH90 |
Nach dieser faszinierenden Darstellung technischer und taktischer Fähigkeiten ging es weiter in die hochmoderne Ortskampfanlage Schnöggersburg. Diese Kleinstadt wurde mit sämtlichen Vierteln angelegt, die es in einer Stadt gibt: Industriegebiet, Altstadt, Hochhaussiedlung, "Elendsviertel", Ruinen-Vorort mit beweglichen Straßensperren, Bahnlinien, Kreuzungen, Kreisverkehre, Regierungsviertel und sogar ein Flugplatz mit unbefestigter Start-/Landebahn. Die Häuser wurden alle nach den strengen, deutschen Bauvorschriften errichtet, sind aber weitestgehend leer. Überall sind Sensoren angebracht, die auf Effekt-Generatoren wirken. Ausgelöst werden diese durch einen initialen Schuss. Die Folgen können zur Situation passender Lärm oder Nebel sein. Die Simulation berücksichtigt auch den Fall, dass das Geschoss von der Seite oder von oben in das Haus eindringt und dort entsprechenden Schaden anrichtet. In Interaktion mit den Sensoren am Körper der übenden Truppe werden dann entprechende Signale zum Zustand der Personen im Haus übergeben.
Selbst die Darsteller von Feindkräften, die kurz vor dem Eintreffen der Ministerin einen großen Sprengsatz an einer Kreuzung vergraben wollten, hatten Gurte mit Sensoren umgelegt. Es könnte ja sein, dass sie von den "Guten" entdeckt und "neutralisiert" werden. Die Darsteller kommen aus ganz verschiedenen Pionierbataillonen und haben richtig Spaß an der Tätigkeit. Gegenüber Christine Lambrecht äußerten sie sich zufrieden über die abwechslungsreichen Aufträge und den erheblichen Zuwachs an Erfahrungen.
Ob der Sprengsatz gezündet werden konnte, ist nicht bekannt, da das Programm im Besucherzentrum von Schnöggersburg fortgesetzt wurde. Dort traf sich die Ministerin noch etwas länger zu Gesprächen mit Soldaten und gab kurz vor der Abreise per Hubschrauber ihr gewohnt kurzes Statement.
Autor: Matthias Baumann
Video zum Besuch im GÜZ inklusive Schnöggersburg