Dienstag, 25. Juni 2019

Nordmazedoniens Präsident Stevo Pendarovski geht mit dem Bundespräsidenten im Garten spazieren

Vor 16 Monaten wurde Ministerpräsident Zoran Zaev mit militärischen Ehren im Kanzleramt empfangen. Die Flagge sieht zwar immer noch gleich aus - gelbe Sonne auf rotem Grund - aber der Name des Landes hat sich geändert. Nicht mehr einfach nur Mazedonien, sondern Nordmazedonien. Der Änderungsprozess für den Namen hatte unmittelbar nach dem Besuch von Zoran Zaev begonnen.

Griechenland hatte erhebliche Befindlichkeiten bezüglich des Namens. Immerhin sieht sich Griechenland als Hüter des antiken Erbes und beansprucht damit die historische Marke Mazedonien. Dann spalten sich da einfach 2 Millionen Menschen vom nördlich gelegenen Jugoslawien ab und wollen den Namen für ihren Staat nutzen, obwohl schon eine griechische Provinz so heißt. Man stelle sich mal vor, Tschechien hätte sich nach der Trennung von der Slowakei einfach in Sachsen umbenannt. Da wären die Sachsen aber ausgekreist und Angela Merkel hätte dafür sorgen müssen, dass das in Nordsachsen umbenannt wird - oder so - rein theoretisch.

Nordmazedoniens Präsident Stevo Pendarovski Antrittsbesuch Schloss Bellevue Bundespräsident
Nordmazedoniens Präsident Stevo Pendarovski zum Antrittsbesuch im Schloss Bellevue empfangen: Abwandlung des Protokolls durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Die Reaktionen aus Griechenland auf den Besuch von Zoran Zaev in Berlin waren jedenfalls heftig und könnten Neudeutsch als Shitstorm bezeichnet werden. Shitstorm hat den Vorteil, dass der Betroffene dadurch bekannter wird und die Relevanz seiner Social-Media-Kanäle steigt. Ohne die Aufwallung des griechischen Temperaments wüsste vermutlich in Deutschland kaum jemand, dass es ein Mazedonien gibt und wo es liegt. So aber gingen Bilder mit abmontierten Schildern am Flughafen "Alexander der Große" um die Welt. Alexander der Große wurde dadurch noch einmal ins historische Bewusstsein geholt und klar gemacht: Er war Grieche. Wohl der letzte Grieche, der weltpolitisch etwas bewegt hatte. Danach kamen die Römer, bedienten sich an der griechischen Kultur und vereinfachten die Sprache.

Klar, dass Griechenland das erstmal verdauen muss. Nach 2.000 Jahren Verdauungsprozess kommen dann plötzlich Jugoslawen und wollen ihnen den Alexander und Mazedonien streitig machen. Egal, jetzt nennt sich das Land ja Nordmazedonien, die Schilder von Alexander, also dem Flughafen, sind abmontiert und der Präsident besucht die Germanen in Berlin. Der Präsident heißt auch nicht Alexander, sondern Stevo - Stevo Pendarovski.

Der Präsident Nordmazedoniens ist 56 Jahre alt und Politikwissenschaftler. Seit Mai 2019 ist er im Amt und damit einer der wenigen Präsidenten, die so schnell einen Termin für den Antrittsbesuch in Berlin bekommen.

Stevo Pendarovski war einige Jahre im Innenministerium tätig und fungierte bei seiner Regierung als Berater für Sicherheit und Außenpolitik. Er kümmerte sich zudem um die Annäherung seines Landes an die NATO. Nordmazedonien hat derzeit 8.000 Soldaten, 7.600 Polizisten und 4.850 Reservisten. Eine Mitgliedschaft in der NATO ist allerdings von der Beilegung des Konfliktes um den Namen abhängig. Ansonsten arbeitet Nordmazedonien seit geraumer Zeit auf diese Mitgliedschaft hin und erfüllt bereits diverse NATO-Standards. Der Verteidigungshaushalt rangiert allerdings mit seinen 125 Millionen USD noch bei 1% des Bruttoinlandsproduktes.

Als Sozialdemokrat dürfte sich Stevo Pendarovski mit Frank-Walter Steinmeier sehr gut verstehen. So wich Frank-Walter Steinmeier heute mehrfach vom Protokoll ab. Obwohl bereits ein Handschlag auf dem roten Teppich fotografiert werden konnte, drehten sich die Amtskollen an der Tür zum Schloss noch einmal um und verharrten dort in einer gut verwertbaren Bildposition. Nach den militärischen Ehren wurde der Gast nicht wie üblich ins Schloss geleitet, sondern in den dicht bewachsenen Garten - nur Stevo Pendarovski und Frank-Walter Steinmeier. Diese Geste des Bundespräsidenten war neu.

Apropos verstehen: In Nordmazedonien spricht man Mazedonisch und Albanisch. Immerhin gibt es in Nordmazedonien eine Minderheit von 25% Albanern. Der Berliner Prozess zur Stabilisierung des Westbalakans zeigt also bereits Früchte. Die Änderung des Namens in Nordmazedonien und die damit verbundene Besänftigung der Griechen ist eine dieser Früchte.

Video:
Militärische Ehren für den Präsidenten Nordmazedoniens, Stevo Pendarovski

Autor: Matthias Baumann

Montag, 24. Juni 2019

Bundespräsident besucht die Streitkräftebasis an der LogSBw in Garlstedt

Der Terminkalender des Bundespräsidenten ist straff getaktet. Viele Termine dauern maximal eine Stunde. Dann ist er wieder weg. Dennoch setzt sich Frank-Walter Steinmeier gerne einmal über die protokollarischen Gepflogenheiten hinweg. Bei der Obdachlosenhilfe verquatscht er sich mit den sozial benachteiligten Besuchern, bei Staatsbesuchen ändert er ad hoc die Bildpositionen, bei Botschafter-Akkreditierungen holt er die Ehepartner zum Gruppenfoto vor seine Fahne und für die Streitkräftebasis nimmt er sich sogar vier Stunden Zeit.

Streitkräftebasis #SKB Logistikschule #LogSBw Bundespräsident Steinmeier
Bundespräsident Steinmeier besucht die Streitkräftebasis #SKB an der Logistikschule der Bundeswehr #LogSBw in Garlstedt: "Wir verstehen Zivil!", war ein passender Slogan für die gute Verständigung beim Besuch des Bundespräsidenten an der LogSBw.
Aber nicht genug damit. Heute erschien er fünf Minuten vor Beginn in der Logistikschule Garlstedt. Die Logistikschule der Bundeswehr - kurz LogSBw - ist das Sprungbrett in sämtliche logistische Verwendungen bei der Bundeswehr. Hier werden Fahrlehrer, Medienexperten und Lagerwirtschafter ausgebildet. Ohne Logistik gibt es keine Versorgung und keinen Nachschub an Kugelschreibern, Handgranaten, Drehstühlen, Laptops, Gartengeräten oder Panzern. Ein spannendes Feld, dass der Streitkräftebasis unterstellt ist. Die Streitkräftebasis steht neben den bekannten Teilstreitkräften Heer, Marine und Luftwaffe und bildet zu diesen eine wichtige Schnittmenge.

Streitkräftebasis #SKB Logistikschule #LogSBw Bundespräsident Steinmeier
Bundespräsident Steinmeier besucht die Streitkräftebasis #SKB an der Logistikschule der Bundeswehr #LogSBw in Garlstedt: Bundespräsident im Gespräch mit der Truppe.
Alles, was nicht so eindeutig den drei Teilstreitkräften oder dem Cyber-Informationsraum (CIR) zuzuordnen ist, wird der Streitkräftebasis unterstellt. Dazu gehören die Feldjäger, das Diensthundewesen, das Kommando territoriale Aufgaben und damit das hier oft thematisierte Wachbataillon. Das Wachbataillon und das Protokoll BMVg waren wohl das initiale Appetithäppchen für den Bundespräsidenten. Hat er doch etwa einmal pro Woche damit zu tun. Während er bei seinem Amtsantritt im März 2017 etwas unbeholfen wirkte und die Ehrenformation mit "Tach Soldaten!" grüßte, konnte er sich in den folgenden Monaten gut an die militärische Präsenz im Schloss Bellevue gewöhnen.

Streitkräftebasis #SKB Logistikschule #LogSBw Bundespräsident Steinmeier
Bundespräsident Steinmeier besucht die Streitkräftebasis #SKB an der Logistikschule der Bundeswehr #LogSBw in Garlstedt: Überschneidung der Zuständigkeiten von Bundespolizei, Landespolizei, Bundeskriminalamt und Feldjägern beim Besuch des Bundespräsidenten an der LogSBw in Garlstedt. Die Feldjäger gehören auch zur Streitkräftebasis und werden in Teilbereichen an der LogSBw ausgebildet.
Der Besuch in Garlstedt beweist, wie wichtig der Link zwischen Bundeswehr und Politik ist. Gelingt es dem Protokoll BMVg, die mit militärischen Ehren bedienten Spitzenpolitiker für sich zu gewinnen, hat das äußerst positive Auswirkungen auf die Bundeswehr. Brigadegeneral André Denk, der aktuelle Kommandeur der LogSBw war bis Januar 2019 Leiter des Protokolls und daher ein vertrautes Gesicht für den Bundespräsidenten. Mit der entsprechenden Sprezzatura des Protokolls führte ihn dieser dann auch an die verschiedenen Stationen des vierstündigen Aufenthaltes.

Das Programm konnte sich sehen lassen: Es begann mit militärischen Ehren - diesmal von einem Logistikbataillon mit G36 statt Karabiner 98 durchgeführt. Am Ende der Ehrenformation standen schon drei Regionalpolitiker bereit, die dem Bundespräsidenten in das Kommandeursgebäude folgten. Bei Kaffee und Keksen erkundigte sich Frank-Walter Steinmeier nach dem Zusammenspiel zwischen Bundeswehr und Zivilgesellschaft in dieser Gegend zwischen Bremen und Bremerhaven. Das Gespräch lief sehr ungezwungen.

Streitkräftebasis #SKB Logistikschule #LogSBw Bundespräsident Steinmeier
Bundespräsident Steinmeier besucht die Streitkräftebasis #SKB an der Logistikschule der Bundeswehr #LogSBw in Garlstedt: Erklärungen zum Standort Garlstedt während der Zusammenkunft mit Regionalpolitikern (rechts und links außerhalb des Bildes), (v.l.n.r.) Schulkommandeur Brigadegeneral Denk, stellvertretender Schulkommandeur Oberst Betz, Verbindungsoffizier BMVg/Bundespräsidialamt Oberst Hoppe, Bundespräsident Steinmeier, Inspekteurs der Streitkräftebasis Generalleutnant Martin Schelleis (Schulterklappe).
Nach einer halben Tasse Kaffee gab es einen Szenenwechsel. Die Regionalpolitiker wurden verabschiedet und es ging ins Büro von General Denk. "Da darf ich sogar Fußball spielen", hatte uns sein Sohn kurz zuvor berichtet. "Jetzt darf ich aber nicht, weil dort ein Fernseher steht", fügte er hinzu und avisierte damit die Power-Point-Präsentation des Inspekteurs der Streitkräftebasis (SKB), Generalleutnant Martin Schelleis. Martin Schelleis ist von Hause aus Luftwaffenoffizier und war auch heute wieder in Blau und mit Schirmmütze erschienen. Die Schirmmütze ist bei der Bundeswehr nur noch selten zu sehen und ist weitestgehend dem Barett gewichen.

Streitkräftebasis #SKB Logistikschule #LogSBw Bundespräsident Steinmeier
Bundespräsident Steinmeier besucht die Streitkräftebasis #SKB an der Logistikschule der Bundeswehr #LogSBw in Garlstedt: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der Inspekteur der Streitkräftebasis, Generalleutnant Martin Schelleis.
Sommer und ein Ausflug in die Natur laden natürlich zu einem Gang im Freien ein. So ging es relativ schnell weiter zu einer größeren Freifläche mit Wasseraufbereitungsanlagen, Lastkraftwagen, Kränen, Gabelstaplern, Radladern und weiteren Stationen. Feldjäger erklärten, wie die Tataufklärung nach einen Anschlag auf Fahrzeuge im Auslandseinsatz funktioniert und es wurden Diensthunde vorgestellt. Letztere erfreuten sich besonderer präsidialer Aufmerksamkeit. Frank-Walter Steinmeier blieb stehen, stellte sehr viele Fragen, hörte zu und wollte immer wieder auch wissen, wo der Schuh drückt.

Streitkräftebasis #SKB Logistikschule #LogSBw Bundespräsident Steinmeier
Bundespräsident Steinmeier besucht die Streitkräftebasis #SKB an der Logistikschule der Bundeswehr #LogSBw in Garlstedt: Der Bundespräsident nimmt sich Zeit für ausführliche Erklärungen zur Technik und fragt immer wieder, wo der Schuh drückt.
Schnell waren zwei Stunden um und es ging zum Mittagessen. Hier wieder die klassische Situation, dass sich Frank-Walter Steinmeier zwar zur Essensausgabe führen lässt, dann aber selbst entscheidet, wo er sitzt. An diesem Tisch war jedenfalls kein Platz mehr für die begleitenden Generale. Die neben ihm sitzende Frau Major - oder Majorin - oder wie man das momentan politisch korrekt gendert - jedenfalls die Frau neben ihm - wirkte sichtlich aufgeregt. Während sich der Präsident das Bundeswehressen schmecken ließ, versuchte er, ein Gespräch anzukurbeln.

Streitkräftebasis #SKB Logistikschule #LogSBw Bundespräsident Steinmeier
Bundespräsident Steinmeier besucht die Streitkräftebasis #SKB an der Logistikschule der Bundeswehr #LogSBw in Garlstedt: Oberstleutnant Bollinger erklärt die Ausbildung am Logistischen Übungszentrum.
Nach dem Essen ging es in die große Halle des Logistischen Übungszentrums. Eine moderne Schulungseinrichtung, an der sämtliche Fähigkeiten von der mobilen Datenerfassung bis zum Führen gepanzerter Fahrzeuge erlernt werden können. Das hier eingesetzte Lehrpersonal ist international tätig und schult regelmäßig auch vor Ort. Immer wieder konnte Frank-Walter Steinmeier an seinen Truppenbesuch in Afghanistan erinnert werden. Hier sah er Fotos, Gerätschaften und echte Soldaten aus dem Auslandseinsatz. Er schaute sich einen Gefechtsstand mit vielen PCs und Landkarten an, überwand erfolgreich seine Mittagsmüdigkeit und traf sich dann mit verschiedenen Kommandeuren am Stehtisch.

Die letzte Station war eine Unterrichtsstunde in politischer Bildung. Es ging um das Thema "Vielfalt". Um den Tisch saßen viele Oberleutnants - ohne ST und ohne Eichenlaub. Diese hatten sich mithilfe von Unterrichtsmaterial, das das Zentrum Innere Führung entwickelt hatte, dem Thema angenähert. Es kam insbesondere zur Sprache, dass die Bundeswehr medial gerne in die rechte Ecke gestellt werde. Ein besonders mutiger Oberleutnant forderte den Bundespräsidenten mehrfach heraus, über seinen Beitrag zur Imageverbesserung der Bundeswehr zu reden. Hier schließt sich der Kreis: Je besser das Verhältnis der wenigen Schnittstellen zwischen Bundespolitik und Bundeswehr gestaltet ist, umso mehr wird der "Bürger in Uniform" in die Wahrnehmung der Gesellschaft rücken.

Streitkräftebasis #SKB Logistikschule #LogSBw Bundespräsident Steinmeier
Bundespräsident Steinmeier besucht die Streitkräftebasis #SKB an der Logistikschule der Bundeswehr #LogSBw in Garlstedt: Schulkommandeur Brigadegeneral Denk verlinkt die Bundeswehr mit der Bundespolitik.
Nach vier Stunden jedenfalls war Frank-Walter Steinmeier mit vielen guten Eindrücken versorgt. Er hatte sich an seine Erfahrungen in Afghanistan und während des eigenen Grundwehrdienstes erinnern können sowie von der Professionalität und dem Ausrüstungsstand der Truppe ein Bild gemacht. Ach ja, ein Bild wurde zum Schluss auch noch gemacht mit den aktuellen Lehrgangsteilnehmern und dem Bundespräsidenten. Dann rauschten die schwarzen Limos davon.

Video:
Bundespräsident besucht die Streitkräftebasis #SKB an der Logistikschule der Bundeswehr #LogSBw in Garlstedt

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 22. Juni 2019

Tag der offenen Tür an der LogSBw in Garlstedt

Es hätte kein besserer Zeitpunkt für den Tag der offenen Tür an der Logistikschule der Bundeswehr (LogSBw) in Garlstedt gefunden werden können. Zwei Tage vor dem Besuch des Bundespräsidenten präsentierte sich das Gelände der Schule als Schnittstelle zwischen Bundeswehr und Gesellschaft. Ab 10 Uhr fluteten unentwegt Besucher auf das weitläufige Areal.

Garlstedt liegt zwischen Bremen und Bremerhaven und galt lange Zeit als strukturschwach. Es kommt deshalb gelegentlich vor, dass die Bundeswehr Standorte zusammenfasst oder neu aufbaut, damit die regionale Wirtschaft angekurbelt wird. Während man im "roten" Bremen so gar nicht gut auf alles konservative, militärische oder die Bundeswehr zu sprechen ist, hat sich im Großraum Garlstedt eine regelrechte Fangemeinde herausgebildet. Die Logistikschule ist fest in das gesellschaftliche Leben eingebunden und die Regionalpolitik geht hier ein und aus.

Tag der offenen Tür an der Logistikschule Bundeswehr #LogSBw in Garlstedt
Tag der offenen Tür an der Logistikschule der Bundeswehr (LogSBw) in Garlstedt: Feldgottesdienst
Noch bevor der Schulkommandeur den Tag der offenen Tür eröffnete, fand ein ökumenischer Feldgottesdienst statt. Ökumenisch waren wohl nur die Gäste und das abschließende Vaterunser. Ansonsten alles katholisch. Katholisch heißt übersetzt allumfassend, so dass das mit der Ökumene dann doch wieder klappte. Die Evangelen schwitzten beim Kirchentag in Dortmund, während wir in katholischen Gesangsbüchern blätterten. Letztere konnten wir anschließend sogar mitnehmen, da es jetzt eine Neuauflage gibt: Rot statt Blau. Einen Einband in Flecktarn habe man im Gremium nicht durchbekommen.

Tag der offenen Tür an der Logistikschule Bundeswehr #LogSBw in Garlstedt
Tag der offenen Tür an der Logistikschule der Bundeswehr (LogSBw) in Garlstedt: schweres Gerät
Anschließend wurde der Tag der offenen Tür - kurz TdoT - offiziell eröffnet. Begrüßt wurden die örtlichen Spitzenpolitiker und diverse Feuerwehren. Ein Wettbewerb der unzähligen, aber freiwilligen Feuerwehren vermittelte den Eindruck, dass zwischen Bremen und der Nordsee ununterbrochen die Heide brennt. Das Internet als Suchtmittel zum Wegspülen von Freizeit scheint bei der regionalen Jugend noch nicht angekommen zu sein, sonst hätten sie nicht so viel Zeit zum Feuerwehren. Das wird sich wohl ändern, wenn Günther Oettinger die Funklöcher in ganz Deutschland beseitigt hat.

Tag der offenen Tür an der Logistikschule Bundeswehr #LogSBw in Garlstedt
Tag der offenen Tür an der Logistikschule der Bundeswehr (LogSBw) in Garlstedt: Selbstfahrer mit Wassereimer
Während die Feuerwehren gegeneinander kämpften, schlenderten alle anderen über das weite Gelände und bestaunten die riesigen Fahrzeuge, Wasseraufbereitungsanlagen, Fahrsimulatoren, Hebebühnen oder Diensthunde. Ganz Mutige durften im Panzer mitfahren. Selbstfahrern standen Radlader oder Aufsitzrasenmäher zur Verfügung. Da erwachte das Kind im Manne. Als Belohnung gab es Luftballons, Kugelschreiber und Schreibblöcke. Wer Hunger hatte, konnte die legendären Einmannpackungen kosten oder sich an einem der vielen Stände mit Steak, Wurst, Eis oder Getränken versorgen.

Tag der offenen Tür an der Logistikschule Bundeswehr #LogSBw in Garlstedt
Tag der offenen Tür an der Logistikschule der Bundeswehr (LogSBw) in Garlstedt: Platzkonzert des Heeresmusikkorps Hannover
Zwei größere Programmpunkte waren das Platzkonzert des Heeresmusikkorps aus Hannover. Es wurden neun sehr lange Stücke gespielt, die das universelle Können der Musiker zeigten. Am Montag, wenn der Bundespräsident erscheint, sind sie für die Nationalhymne und den Präsentiermarsch verantwortlich. Heute ging es noch etwas entspannter zu und es wurde sogar gesungen.

Tag der offenen Tür an der Logistikschule Bundeswehr #LogSBw in Garlstedt
Tag der offenen Tür an der Logistikschule der Bundeswehr (LogSBw) in Garlstedt: schusssicheres Glas am Stand der Feldjäger
Etwas später gab es eine außergewöhnliche Modenschau. Auf dem Laufsteg wurden Uniformen und Spezialbekleidung der Bundeswehr vorgestellt. Die Moderation war sehr kurzweilig und enthielt Wissenswertes aus Gegenwart und Historie. Am Abend wurden die Sieger der freiwilligen Feuerwehren geehrt. Es folgten einige Bands und vor der Bühne begann der gesellige Teil: Biwak genannt. Erst mit der plötzlich einsetzenden Abendkälte ging der Tag der offenen Tür langsam seinem Ende entgegen.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 18. Juni 2019

Ukrainischer Präsident Wolodymyr Selensky zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel

Wolodymyr Selensky ist erst einen knappen Monat im Amt und besucht bereits die Bundeskanzlerin und den Bundespräsidenten. Da er zuerst von der "Frau für das Tagesgeschäft" zum Mittagessen empfangen wurde, bekam er seine militärischen Ehren im Kanzleramt. Anschließend war er zu Tee, Kaffee und einem Gespräch beim Bundespräsidenten eingeladen. Sein Vorgänger, Petro Poroschenko, war öfter in Berlin, als es der normale Zeitungsleser wahrgenommen hätte.

Wolodymyr Selensky ist 41 Jahre alt und Kabarettist. Eine ähnliche Konstellation hatten wir ja bereits beim Ministerpräsidenten von Slowenien. Als Satiriker war er so erfolgreich, dass er eine eigene Fernsehproduktionsgesellschaft gründete und zu einem YouTube-Star mit TV-Technologie wurde. Er zog die ukrainische Politik-Elite und deren Korruptionsverhalten durch den Kakao und sicherte sich damit schon vorab jede Menge Wählerstimmen. Erst Ende 2018 gab er seine Ambitionen auf das Präsidentenamt bekannt.

Ukrainischer Präsident Wolodymyr Selensky zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel
Ukrainischer Präsident Wolodymyr Selensky zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel
Wolodymyr Selensky ist ein Beispiel für Disruption in der 5. Dimension. Während sich die alten Politprofis in Offline-Debatten fetzen, disruptieren wendige Social-Media-Meinungsmacher die alt eingesessene Klientel. Das Handwerkszeug des modernen Präsidenten ist längst nicht mehr der Besuch vor Ort, sondern die Volksnähe per Bildschirm.

Satire ist natürlich nicht immer einfach. Erstens verstehen wohl nur 10% der Bevölkerung Ironie. Zweitens gibt es regelmäßig Gegenwind von Personen, die sich auf den Schlips getreten fühlen. Gerade in der Politik gibt es viele Schlipsträger, wie uns auch das Beispiel Jan Böhmermann zeigt.

Kommen wir nun aber zu den weniger lustigen Themen im Zusammenhang mit der Ukraine. Die Ukraine hat etwa 44 Millionen Einwohner und ein massives Problem mit Russland. Russland spielt sämtliche Trümpfe der hybriden Kampfführung aus: Desinformation, bewaffneter Kampf und die Förderung destruktiver interner Kräfte. Die Annexion der Krim ist nicht nur für die Ukraine schmerzhaft. Sie verschafft Russland eine geostrategische Position mit gefährlicher Reichweite, die auch uns tangieren könnte.

Die personelle Stärke von 209.000 Soldaten und 900.000 Reservisten sollte nicht über die Verletzlichkeit der Ukraine hinwegtäuschen. Die Technik ist veraltet und weitestgehend aus russischer Produktion. Die Ukraine sieht sich mit regelmäßigen und äußerst aggressiven Cyber-Angriffen aus Russland konfrontiert. Seit 2016 tut sich deshalb sogar etwas im Bereich Cyber-Sicherheit. Ohne die tatkräftige Unterstützung der NATO wäre die Ukraine aber wahrscheinlich schon in die Zeit vor Konrad Zuse zurückgesetzt worden - resettet sozusagen.

Wolodymyr Selensky räumt auf in der ukrainischen Politik. Sein wichtigstes Ziel ist der Frieden in der Ostukraine. Das dürfte schwer werden. Eher beseitigt er wohl die Korruption. Interessant und honorig ist aber, dass sich Petro Poroschenko recht fair von seinem Amt verabschiedet hatte.

Video:
Militärische Ehren für den Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selensky

Autor: Matthias Baumann

Montag, 17. Juni 2019

Wilhelmshaven wird 150 Jahre alt und feiert das mit einem Großen Zapfenstreich

Wer hätte gedacht, dass eine so bekannte Stadt wie Wilhelmshaven erst 150 Jahre alt ist?

Die Planungen gehen auf das Jahr 1852 zurück, in dem Preußen mit dem Ausbau seiner Marine begann. Dazu wurde ein geeigneter Standort mit Nordseezugang gesucht und an der Stelle des heutigen Wilhelmshavens gefunden. Nach entsprechenden Verhandlungen und Vertragsschlüssen wurde fleißig gebaut und 1869 - also vor 150 Jahren - bekam der Ort den Namen Wilhelmshaven.

Wilhelmshaven 150 Jahre Großer Zapfenstreich
Großer Zapfenstreich zum 150-jährigen Jubiläum von Wilhelomshaven
Mit Wilhelm war König Wilhelm I. von Preußen gemeint. Dieser lebte von 1797 bis 1888 und wurde 1871 sogar zum Kaiser. Wilhelmshaven wurde konsequent ausgebaut. Immer mehr Soldaten und Zivilbeschäftigte siedelten sich an. Die Stadt beherbergte nicht nur einen Hafen, sondern auch Werftanlagen, die bemerkenswert große Schiffe produzieren konnten. Immer mehr der umliegenden Ortschaften wurden eingemeindet.

Während des Ersten Weltkrieges wurde Wilhelmshaven zur Festung erklärt. In dieser Zeit wurden hauptsächlich Reparaturen ausgeführt oder zivile Schiffe in militärische umgebaut. Wer die Seeschlachten nicht überlebte, wurde auf dem neuen Friedhof am Rüstringer Stadtpark beigesetzt. Ein infrastrukturell geschlossenes System. Am Ende des Ersten Weltkrieges wollte aber niemand mehr solch eine Grabstätte nutzen, so dass es 1918 zu Meutereien und der anschließenden Novemberrevolution kam.

Nach dem Ersten Weltkrieg musste Deutschland erhebliche Auflagen bezüglich seiner Rüstungsindustrie erfüllen. Das wirkte sich spürbar auf den Wirtschaftsstandort Wilhelmshaven aus. Abwanderung, Arbeitslosigkeit und politische Extreme kennzeichneten die Region. Der Aufschwung kam mit der erneuten Aufrüstung ab 1933. Dass Wilhelmshaven ein wichtiger Militärstandort ist, war auch den Alliierten bewusst. So wurde es bereits seit 1939 bombardiert und im Laufe des Zweiten Weltkriegs stark zerstört.

Wilhelmshaven 150 Jahre Großer Zapfenstreich
Großer Zapfenstreich zum 150-jährigen Jubiläum von Wilhelomshaven
Um wohl noch alte Rechnungen aus dem ersten Weltkrieg zu begleichen, sprengten die Briten nach 1945 weite Teile der Marineanlagen. Bereits 1956 begann der Aufbau der Bundesmarine und damit auch der Aufbau von Wilhelmshaven. 1968 wurde wieder ein deutscher Marinestützpunkt eröffnet.


Heute hat Wilhelmshaven knapp 80.000 Einwohner, die sich relativ gleichmäßig auf Männer und Frauen verteilen. Das Durchschnittsalter liegt bei 46 Jahren. Etwa 60% der Wilhelmshavener sind Singles. Letzteres könnte am Marinestandort liegen. Marine im Speziellen und Bundeswehr im Allgemeinen bringen naturgemäß erhebliche Entbehrungen beim Familienleben mit sich. Etwa 9.000 Soldaten und zivile Angestellte arbeiten am Bundeswehr-Standort Wilhelmshaven. Das sind über 10% der Einwohner.

Zur heutigen Übergabe einer Fregatte war sogar die Verteidigungsministerin angereist. Am Abend fand auf dem Rathausplatz ein Großer Zapfenstreich statt.

Video:
Großer Zapfenstreich anlässlich von 150 Jahren Wilhelmshaven

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 13. Juni 2019

Albanische Verteidigungsministerin Olta Xhaçka zum Antrittsbesuch in Berlin

In brütender Mittagshitze erschien heute die albanische Verteidigungsministerin Olta Xhaçka zu ihrem Antrittsbesuch in Berlin. Olta Xhaçka ist 39 Jahre alt und seit fast zwei Jahren Verteidigungsministerin von Albanien. In den USA hatte sie Politikwissenschaften und verwandte Fächer studiert und war dann als Dozentin an der University of New York Tirana eingesetzt.

Albanische Verteidigungsministerin Olta Xhaçka zum Antrittsbesuch in Berlin
Albanische Verteidigungsministerin Olta Xhaçka zum Antrittsbesuch in Berlin - im Hintergrund links die deutsche Delegation und im Hintergrund rechts die albanische Delegation, dahinter eine Baustelle und das BMVg; im Vordergrund links Olta Xhaçka und rechts Ursula von der Leyen; dahinter in der Mitte der ehemalige Kampfhubschrauber-Kommandeur und jetzige Leiter Protokoll BMVg, Oberst Dr. Bauersachs
In einem Land mit 3 Millionen Einwohnern ist der Sprung an die Pole Positionen der Politik deutlich einfacher und schneller zu bewerkstelligen als in Deutschland. Mit 30 Jahren wurde Olta Xhaçka erstmalig ins albanische Parlament gewählt und machte offensichtlich einen so guten Job, dass sie auch in den Jahren 2013 und 2017 gewählt wurde. Im März 2017 wurde sie zunächst Ministerin für Jugend und Soziales, um im September 2017 in das Verteidigungsressort zu wechseln.

Albanien ist seit 2009 Mitglied der NATO, hat jedoch mit seinen 8.000 Soldaten eher interne Themen zu lösen. Der albanische Luftraum wird durch Italien und Griechenland geschützt. Altes sowjetisches Militärgerät ist weitestgehend verkauft. So wartet Albanien nun auf weitere Investitionen seitens der NATO. Das betrifft die Lieferung gebrauchter Schiffe und den Ausbau der Kucove-Luftwaffenbasis. Es gibt eine übersichtliche Waffenindustrie, die sich auf die Produktion von Kleinwaffen, Sprengstoff und Munition konzentriert.

Gegenstand der heutigen Gespräche zwischen den Amtskolleginnen wird insbesondere die Entwicklung des "Berliner Prozesses" sein. Dieser sieht eine Befriedung des Westbalkans vor. Als Konfliktpartei an der Seite des Kosovo spielt Albanien eine nicht ganz unbedeutende Rolle.

Video:
Militärische Ehren für Albaniens Verteidigungsministerin Olta Xhaçka

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 12. Juni 2019

Militärbischof Sigurd Rink und die ethischen Grundlagen einer wehrhaften Demokratie

Die Nahkampftechnik Krav Maga lehrt, dass im Falle einer Selbstverteidigung sämtliche verfügbaren Alltagsgegenstände eingesetzt werden sollten. Bei ausgedehnten Spaziergängen über Pfingsten hatte ich ein handsigniertes Exemplar von "Können Kriege gerecht sein?" dabei. Das Buch ist nur bedingt für eine physische Konfrontation geeignet: Die 288 Seiten sind zwar in einen stabilen Einband gefasst. Dieser wird jedoch von einer Papierhülle umschlossen, die wegen ihrer Glätte bei einem Konterschlag durch die Hand rutschen würde. Eine derart barbarische Anwendung entspricht vermutlich auch nicht dem Zweck dieses vor wenigen Tagen bei Ullstein veröffentlichten Buches von Militärbischof Sigurd Rink.

Dennoch: In seiner Funktion als oberster evangelischer Militärseelsorger muss er sich ständig selbst verteidigen - gegenüber dem Klerus, vor Familienangehörigen, Freunden, Studenten, Gottesdienstbesuchern, Gemeindekirchenräten und Fundamentalpazifisten

Militärbischof Sigurd Rink Können Kriege gerecht sein?
Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink - Vorstellung seines neuen Buches "Können Kriege gerecht sein?" - Vordergrund rechts: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen; links: Sigurd Rink
Sigurd Rink sitzt zwischen vielen Stühlen. Als Externer beseelsorgt er die gesellschaftliche Parallelwelt Bundeswehr. Die Evangelische Militärseelsorge agiert außerhalb der Befehlsstrukturen als Teil der Evangelischen Kirche innerhalb der Truppe. Die Militärseelsorge hat keine Berichtspflicht und kann vertrauliche Informationen unter dem Siegel der Verschwiegenheit halten. Das wird von den Bundeswehrangehörigen sehr geschätzt und gerne genutzt. Die Militärseelsorge ist ein ziviler Rückzugsort für die Soldaten. Pardon, Rückzug gibt es ja bei der Bundeswehr gar nicht. Nennen wir es also einen zivilen Ort des Ausweichens.

Sigurd Rink nähert sich dem Themenkomplex Christ, Bundeswehr, staatliche Gewalt, gerechte Kriege von verschiedenen Seiten aus. Zunächst beschreibt er seine eigene Entwicklung inklusive der begleitenden Denkprozesse und Entscheidungsmomente. Er war Friedensaktivist und kam während des Völkermordes in Ruanda vor über 20 Jahren ins Grübeln über seine fundamentalpazifistische Einstellung.

Als nächstes wendet er sich bedeutenden Theologen von Augustinus bis Luther zu, die ebenfalls ihre Positionen zu Frieden, Krieg und Gewaltanwendung entwickeln mussten. In seinen Texten auch außerhalb dieses Buches zitiert Sigurd Rink oft die sogenannte Kriegsleuteschrift von Luther. Sein Amt hat diese kürzlich sogar neu verlegt.

Als den spannendsten Teil des Buches empfand ich das 3. Kapitel über ethische Herausforderungen bei den deutschen Militäreinsätzen. Die 145 Seiten sind ein Mix aus eigenem Erleben vor Ort und den politischen oder strategischen Hintergründen. Es werden sämtliche Auslandseinsätze der Bundeswehr thematisiert. Der Schreibstil ist flüssig, so dass der Leser gut folgen kann und sich anschließend gut informiert fühlt. Man könnte schon fast von autobiografischem Journalismus sprechen. Kriege stellen für den Theologen ein Versagen der Politik dar.

Im letzten Kapitel geht es um "Zukunftsfragen". Sigurd Rink überlegt, wie sich beispielsweise das Afghanistan-Dilemma auflösen ließe, wie die Bundeswehr stärker ins Bewusstsein der Gesellschaft rücken könnte, wie der Dienst der Soldaten die notwendige Wertschätzung bekäme und dass jeder gesellschaftliche Akteur ein gewisses Maß an Verantwortung trägt.

Ursula von der Leyen höchst persönlich hatte das Buch am 6. Juni 2019 im Tagungszentrum der Bundespressekonferenz vorgestellt. Sie arbeitet inzwischen fünf Jahre mit dem Evangelischen Militärbischof zusammen und schätzt ihn als einen "besonnenen Gesprächspartner", der offen mit Zweifeln umgehe. Sie habe das Buch mit großem Interesse gelesen. Als ihr Adjutant wegen des nächsten Termins drängelte, wäre sie lieber noch dabei geblieben, als Sigurd Rink von Evelyn Finger ("Die Zeit") interviewt wurde.

Bei diesem Interview sprach der Bischof vom massiven Gegenwind und lächelte dabei. Er habe wohl einen "Hang zu Grenzbereichen der Ethik". Er habe sich sogar schon einmal mit Geschäftsethik befasst, was ein gutes Übungsfeld beim Umgang mit der Anfeindung aus den eigenen Reihen war. Wie oben schon erwähnt, wird er jedoch bei der Truppe gerne gesehen. Ein halbes Jahr ist er an den Standorten unterwegs und ruft am ersten Abend immer einen Beer-Call aus. Beim Bier - nach Feierabend - trifft er die Soldaten und unterhält sich mit diesen in einer ungezwungenen Atmosphäre. Erst am zweiten Tag trifft er sich mit seinen Mitarbeitern vor Ort, den Militärseelsorgern. Sigurd Rink ist in Summe mehr an den Standorten unterwegs, als so manch ein Offizier.

Der Militärbischof empfindet den fehlenden Respekt gegenüber den Soldaten als "nicht fair". Bereits im Vorwort des Buches schreibt er, dass es ein besonderes Geschenk sei, "in einem derart komplexen und schwierigen Handlungsfeld von so viel kompetenten und zugleich warmherzigen Menschen umgeben zu sein." Diese Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit. In den Kirchgemeinden sieht das anders aus. Gemeinderäte diskutieren darüber, ob man "so jemanden" überhaupt auf die Kanzel lassen könne. Darf er dann doch predigen, fallen die lieben "Geschwister" beim anschließenden Kirchenkaffee über ihn her. Solch ein Szenario wurde ihm auch familienintern avisiert. Er solle zum nächsten Treffen genügend Exemplare des Buches mitbringen.

Dennoch wirkt Sigurd Rink gelassen und ausgeglichen. Wie ein Fels steht er in der Brandung der Widersprecher aus den eigenen Reihen, der Friedensbewegung und der halbinformierten Gesellschaft. Sigurd Rink hat wohl seinen Weg und die passenden Weggefährten gefunden, um weiterhin seinen "Hang zu den Grenzbereichen der Ethik" auszuleben.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 11. Juni 2019

Philippinen, Äthiopien und Finnland entsenden Botschafterinnen nach Berlin

Die heutige Botschafter-Akkreditierung im Schloss Bellevue wartete mit einer Frauenquote von 100% auf. Den Auftakt hätte eigentlich ein Mann machen sollen: Khalid Musa Dafalla Musa aus dem Sudan. Dieser hatte aber kurzfristig abgesagt. Die Reihenfolge der ab 10:30 Uhr im Halbstundentakt vor dem Schloss erschienenen Exzellenzen sah dann folgendermaßen aus:


Republik der Philippinen, Maria Theresa Dizon-de Vega
Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien, Mulu Solomon Bezuneh
Finnland, Anne Sipiläinen


Nach vier Jahren wurde die bisherige philippinische Botschafterin abberufen und heute durch Maria Theresa Dizon-de Vega ersetzt. Die Philippinen haben 105 Millionen Einwohner, 142.350 Soldaten und 131.000 Reservisten. Die Philippinen sind von den chinesischen Aktivitäten im Südchinesischen Meer unmittelbar betroffen. Auf den Spratly Inseln hat China große Flugbasen, Häfen, Waffenstützpunkte, Beobachtungsstationen sowie Radaranlagen installiert und arbeitet damit auf das erklärte Ziel der Parteiführung hin, "2038 wieder Kriege zu gewinnen". Geografisch gesehen ist es sehr wahrscheinlich, dass die Philippinen eines der nächsten Angriffsziele Chinas werden.

Botschafterin akkreditiert Philippinen Maria Theresa Dizon-de Vega
Botschafterin der Republik der Philippinen, Maria Theresa Dizon-de Vega, beim Bundespräsidenten im Schloss Bellevue akkreditiert.
Ansonsten haben die Philippinos einige Besonderheiten. Sie legen sehr viel Wert auf Äußerlichkeiten wie Schönheit, Körperpflege und Gerüche. Autos werden auf den Philippinen mehr über den guten Geruch verkauft als über die Motorleistung. BMW und Mercedes haben dazu spezielle Einrichtungen in ihre Premiummodelle verbaut.

Botschafterin akkreditiert Philippinen Maria Theresa Dizon-de Vega
Botschafterin der Republik der Philippinen, Maria Theresa Dizon-de Vega, beim Bundespräsidenten im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge der Philippinen
Botschafterin Maria Theresa Dizon-de Vega bezeichnet sich selbst als "zufällige Diplomatin". Sie wollte das eigentlich gar nicht studieren, ließ sich aber von einer Bekannten ihrer Familie dazu überreden, ein diplomatisches Examen zu machen und rutschte praktisch in diesen Beruf hinein. Ihr Interesse für Geschichte, Kultur, Politik und Kunst halfen ihr dabei, schnell im vielseitigen Geschäft der Diplomatie Fuß zu fassen. Maria Theresa Dizon-de Vega war zuvor als Generalkonsul der Philippinen in New York tätig und hatte ihr Land davor in Hong Kong vertreten.

Botschafterin akkreditiert Äthiopien Mulu Solomon Bezuneh
Botschafterin der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien, Mulu Solomon Bezuneh, beim Bundespräsidenten im Schloss Bellevue akkreditiert.
Die nächste Botschafterin kam aus Äthiopien. Äthiopien hat eine lange gemeinsame Grenze mit dem Sudan und Südsudan. Äthiopien liegt auf deren Ostseite. Die Flagge ist durch die typischen afrikanischen Farben Rot, Gelb und Grün gekennzeichnet. Die Amtssprache ist Amharisch. Die Schriftzeichen ähneln dem Indischen oder Georgischen. Das Land hat 108 Millionen Einwohner und 138.000 Militärangehörige. Äthiopien gilt als eines der wichtigsten regionalen Partner in den diversen Friedensprozessen. Da viele Ausrüstungsgegenstände aus alten Sowjetbeständen stammen, hat Äthiopien einen Modernisierungsprozess begonnen und auf amerikanische Plattformen umgestellt. Inzwischen werden dort sogar leicht gepanzerte Fahrzeuge gebaut.

Botschafterin akkreditiert Äthiopien Mulu Solomon Bezuneh
Botschafterin der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien, Mulu Solomon Bezuneh, beim Bundespräsidenten im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge Äthiopiens
Botschafterin Mulu Solomon Bezuneh wird als Geschäftsfrau, Autorin und Beraterin bezeichnet. Ihre Themen sind Architektur, Umwelt und Stadtentwicklung. Heute konnte sie ihr Akkreditierungsschreiben im Schloss Bellevue abgeben. Da die Botschaft Äthiopiens in Lankwitz liegt, kann sie auf den Fahrten in die City regelmäßig über Sinn und Unsinn von Umweltmaßnahmen wie "Tempo 30 wegen Luftreinhaltung" oder städtebauliche Maßnahmen nachsinnen. Das rot-grüne Berlin kann sicher noch etwas vom rot-grün-gelben Äthiopien lernen.

Botschafterin akkreditiert Finnland Anne Sipiläinen
Botschafterin von Finnland, Anne Sipiläinen, beim Bundespräsidenten akkreditiert - v.l.n.r. Ehegatte der Botschafterin, Botschafterin Anne Sipiläinen, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Zum Abschluss fuhr Anne Sipiläinen aus Finnland vor die Freitreppe des Schlosses. Im Vergleich zu den vorgenannten Staaten ist Finnland winzig. Zumindest was die Einwohnerzahl betrifft. Finnland hat 5 Millionen Einwohner und 21.500 Militärangehörige. Hinzu kommen 216.000 Reservisten. Die Reservisten werden regelmäßig trainiert und fühlen sich wie eine Home Guard für die Verteidigung ihrer Wohngegend zuständig. Die Altersgrenze beträgt 60 Jahre. Finnland hat in den letzten Jahren eine erhebliche Resilienz gegenüber den Angriffen Russlands aus der 5. Dimension, dem Cyber-Informationsraum (CIR), aufgebaut. Bereits seit 2013 beschäftigt sich Finnland intensiv mit diesem Thema und ist CIR-Vorreiter in der EU und der NATO. Das European Centre of Excellence for Countering Hybrid Threats wurde im April 2017 in Helsinki eröffnet.

Botschafterin akkreditiert Finnland Anne Sipiläinen
Botschafterin von Finnland, Anne Sipiläinen, beim Bundespräsidenten akkreditiert - Flagge von Finnland
Botschafterin Anne Sipiläinen ist schon lange im diplomatischen Geschäft. 1987 begann sie ihre Karriere im finnischen Außenministerium. In ihrem Ministerium war sie verantwortlich für politische Angelegenheiten, war Teil der EU-Delegation und fungierte als Botschafterin in Wien. Ihre Themen umfassen Handel, Politik, Entwicklung und Sicherheit, so dass sie eine geeignete Ansprechpartnerin für Fragen der Abwehr hybrider Angriffsszenarien werden könnte.

Video:
Akkreditierung von Botschafterinnen: Philippinen, Äthiopien und Finnland

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 8. Juni 2019

MG5 soll bis 2022 das betagte MG3 ersetzen

Männer haben schon ein seltsames Gefühlsleben: Der Sound eines V8-Motors, das satte Klappen von Fahrzeugtüren, das Klacken der Stiefel des Wachbataillons oder das Dauerfeuer eines MG3 bringen Gänsehaut auf die Arme eines Mannes. Die Augen verdrehen sich genussvoll.

Interessant ist, dass das MG3 nicht nur Verzückung bei deutschen Nostalgikern hervorruft, sondern auch bei ehemaligen Alliierten: Russen, Amerikaner, Briten diskutieren über das MG3 und schauen mit Respekt auf dessen Vorgänger, das MG42, zurück. Das MG42 wurde im Zweiten Weltkrieg eingesetzt, war an diversen Kriegsverbrechen beteiligt und diente als Basis für das MG3 der Bundeswehr. Das MG3 nutzt allerdings kleinere Patronen von 7,62 x 51 mm und hat auch eine niedrigere Kadenz, wie die Anzahl der Schüsse pro Minute bezeichnet wird.

MG5 MG4 PzGrenBtl 212
MG5 (HK121) mit 7,62 x 51 mm Patronen - Das PzGrenBtl 212 trainiert den scharfen Schuss.
2013 fiel die Entscheidung, dass das MG3 quer durch die Bundeswehr durch das HK121 des deutschen Herstellers Heckler & Koch abgelöst wird. Das HK121 nummeriert die Bundeswehr selbst mit MG5 durch. Das MG5 ist ein in RAL 8000 lackiertes Maschinengewehr. RAL 8000 kann auch als Grünbraun bezeichnet werden. Laut Google werden damit wohl nur Waffen, Motorräder und Fahrzeuge lackiert. Eine geniale Farbe zum schnellen Wiederfinden des Autos auf urbanen Großparkplätzen. In Brandenburg, Mecklenburg Vorpommern, der Sahel-Zone und Afghanistan kann das MG5 ohne weitere Tarnung genutzt werden. Für Gebirgsjäger und andere Regionen der Welt ist RAL 8000 eher ungeeignet.

MG5 MG4 PzGrenBtl 212
MG4 (vorne) und MG5 (HK121) im direkten optischen Vergleich inklusive Munitionskästen mit 5,56 x 45 mm (MG4) und 7,62 x 51 mm (MG5)
Dafür gibt es das MG4 in Schwarz. Das MG4 schließt die Lücke zwischen G36 und MG5. Es schießt schneller und wirkungsvoller als das G36. Das G36 ist mit seinen etwa 3 kg extrem leicht. Das MG4 wiegt knapp 8 kg und ist damit leichter als das MG5 mit seinen 11,6 kg plus 2,6 kg für das Ersatzrohr. Ersatzrohre haben beide Maschinengewehre, da diese wegen der hohen Schussfrequenz regelmäßig gewechselt werden müssen. Wenn dann mal wieder ein Laie den Kommentar "G36 = Müll" in unseren Social-Media-Kanälen hinterlässt, bezieht er sich auf die Meinungsmache zum G36 nach dem Karfreitagsgefecht. Beim Karfreitagsgefecht hatte das Dauerfeuer mit G36 zu einer so hohen Erwärmung des Rohres geführt, dass sich das auf die Treffergenauigkeit ausgewirkt hatte. MG-ähnliches Dauerfeuer war jedoch bei der Konzeption des G36 gar nicht vorgesehen gewesen.

MG5 MG4 PzGrenBtl 212
Das PzGrenBtl 212 trainiert Ortskampf im scharfen Schuss mit G36. Das G36 hat die gleiche Munition wie das MG4 mit 5,56 x 45 mm.
Während das G36 ein Magazin mit 30 Schuss hat, kann das MG4 Gurte mit 200 Schuss aufnehmen und hintereinander verschießen. Rein theoretisch kann ein MG4 850 Schuss pro Minute abgeben, so nicht mehrfach nachgeladen werden müsste. Danach ist ohnehin ein Rohrwechsel fällig. Der geht deutlich einfacher als beim MG3. Beim MG3 musste der Schütze einen Lappen in die Hand nehmen, eine Seitenklappe öffnen, das heiße Rohr mit dem Lappen greifen und entnehmen. Dann wurde das Wechselrohr eingelegt, die Seitenklappe geschlossen und fertig. Bei MG4 und MG5 gibt es einen Griff, so dass der Lappen nicht mehr gebraucht wird. Verriegelung auf, Griff drehen, Rohr nach vorne wegziehen und Wechselrohr in umgekehrter Reihenfolge einsetzen. Das geht wesentlich schneller und entspricht höheren Arbeitsschutznormen. MG5 und MG4 entwickeln auch wesentlich weniger Rauch beim Schießen. Dadurch kann der Gegner den Schützen nicht so schnell lokalisieren.

MG5 MG4 PzGrenBtl 212
Direkter Vergleich der Munition von MG4 (unten; 5,56 x 45 mm) und MG5 (oben; 7,62 x 51 mm)
Das MG4 nutzt die gleiche Munition wie das G36, also den NATO-Standard 5,56 x 45 mm. Wegen des doch recht kleinen Durchmessers ist es im Nahbereich weniger wirkungsvoll als beispielsweise eine Pistole mit 9mm-Munition. Dafür wird eine Pistole nur auf 25 Meter eingesetzt, während G36, MG4 und MG5 eher für Entfernungen ab 300 Meter vorgesehen sind. Bis auf Gewicht, Farbe und Munition unterscheiden sich MG4 und MG5 kaum voneinander. Die Bedienung ist nahezu identisch. Das war auch bei der Konzeption so gewollt.

MG5 MG4 PzGrenBtl 212
Das PzGrenBtl 212 trainiert den scharfen Schuss - hier mit MG5 (hinten rechts), G36 (vorne rechts) und Granapistole AG40-1 (hinten links).
Da das MG5 auf die alten MG3-Lafetten montiert werden kann und auch die gleiche Munition nutzt, kann es bei Lieferung ohne weitere Umstände den Platz des vorherigen MG3 einnehmen. Über aktuelle Zahlen hält sich das Heer bedeckt. Im September 2018 waren laut augengeradeaus.de bereits 4.400 MG5 ausgeliefert. Ein Großteil der Maschinengewehre wird beim Heer und in der Streitkräftebasis eingesetzt. Auch das zur Streitkräftebasis gehörende Wachbataillon verfügt über MG5, hat aber auch noch MG3-Bestände. Bei einer Übung des Panzergrenadierbataillons 212 waren gar keine MG3 mehr zu sehen. Dort wurde mit den reichlich vorhandenen MG4 und MG5 trainiert.

MG5 MG4 PzGrenBtl 212
Das PzGrenBtl 212 trainiert den scharfen Schuss. MG3 sind nicht mehr dabei. Im Vordergrund ein MG4, dahinter eine Panzerfaust 3 mit blauer Übungsmunition (Gips-Füllung), dahinter ein G36 mit abgeklappter Schulterstütze und eine weitere Panzerfaust 3 mit Übungsmunition, ganz hinten im Bild ein MG5.
Laut einer Sprecherin des Heeres weisen viele der Bestands-MG3 belastungsbedingte Schäden auf, deren Instandsetzung nicht mehr lohnt. Das MG3 hatte zudem einen erheblichen Rückstoß in die Schulter des Schützen und war durch "unbeabsichtigte Schussabgabe" aufgefallen. Die letztgenannten Punkte sollten mit MG4 und MG5 behoben werden. Auf Kampfpanzer Leopard und Schützenpanzer Marder sollen die MG3 zwar noch weiter eingesetzt werden, aber ansonsten wird kontinuierlich umgestellt. Die 221 Schützenpanzer Puma sollen das kleinere MG4 in der Version MG4A3 bekommen. Die Umstellung auf MG5 soll 2022 abgeschlossen sein.

Videos:
MG3 im scharfen Schuss - Wachbataillon
MG4 und MG5 im scharfen Schuss - Panzergrenadierbataillon 212
MG4 und MG5 mit Erklärungen

Autor: Matthias Baumann