Freitag, 17. August 2018

Fortsetzung des Berlin-Prozesses mit Montenegros Ministerpräsidenten Duško Marković

Nach der Sommerpause geben sich die Protagonisten der Balkan-Region die Klinke in die Hand. Erst am Montag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Vorsitzenden des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić, empfangen. Heute stand der Ministerpräsident Montenegros auf dem roten Podest im Ehrenhof des Kanzleramtes.

Duško Marković hat gerade seinen 60. Geburtstag gefeiert. Er ist Jurist und hatte ab 2010 diverse Ministerposten belegt. Seit November 2016 fungiert er als Ministerpräsident Montenegros. Viel mehr ist nicht über ihn bekannt.

Montenegros Ministerpräsident Duško Marković Angela Merkel Berlin
Montenegros Ministerpräsident Duško Marković zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel in Berlin
Deshalb wird ihn wohl US-Präsident Trump beim NATO-Gipfel im Mai 2017 so bestimmt zur Seite geschoben haben. Immerhin hat die USA mit 660 Milliarden Dollar die weltweit höchsten Rüstungsausgaben. Warum also den Repräsentanten eines Landes mit nur 4,7 Milliarden Dollar Bruttoinlandsprodukt beim Gruppenfoto vor sich stehen lassen?

Duško Marković regiert eine Einwohnerzahl, die in etwa der Population Stuttgarts entspricht. Auch Montenegro setzt sich aus vielen Ethnien zusammen. Die stärkste Fraktion bilden mit 45% die Montenegriner. Es folgen mit 29% die Serben. Ein Großteil der Bevölkerung bezeichnet sich als serbisch-orthodox. Dadurch ist zumindest das religiöse Spannungspotenzial minimiert.

Spannungen gab es dennoch genug nach dem Zerfall Jugoslawiens. Insbesondere die starke Verquickung mit Serbien sorgte immer wieder für Interessenskonflikte und Koalitionen, die nicht von allen Bürgern Montenegros mitgetragen wurden. Mitte 2006 erlangte Montenegro nach dem sehr knappen Ergebnis einer Volksabstimmung seine Unabhängigkeit vom zwischenzeitlichen Verbund "Serbien und Montenegro". Seitdem bemüht sich Montenegro um eine EU-Mitgliedschaft. Die Europäische Kommission hält einen Beitritt bis 2025 für realistisch.

Montenegros Ministerpräsident Duško Marković Angela Merkel Berlin
Montenegros Ministerpräsident Duško Marković zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel in Berlin
Seit Juni 2017 ist Montenegro Mitglied der NATO. Das ging also etwas schneller als mit der EU. Zur Erfüllung der 2%-Richtlinie muss Montenegro 94 Millionen Euro in seinen Verteidigungshaushalt investieren. Davon knapp 19 Millionen Euro für Neuanschaffungen. Bereits 2011 hatten die Verteidigungsausgaben einen Stand von 1,9% des BIP erreicht. Die Bundeswehr engagiert sich bei der Ausbildung montenegrinischer Soldaten.

Die Aufnahme in die EU verläuft nicht ohne Grund deutlich zögerlicher. Montenegro bietet einen geeigneten Rückzugsort für die organisierte Kriminalität: illegaler Handel mit Drogen, Waffen, Zigaretten, Fahrzeugen und Menschen. Logische Folge ist ein überproportionales Maß an Korruption. Gelegentlich werden kritische Journalisten oder Polizei-Ermittler beseitigt.

Bei den heutigen Gesprächen im Bundeskanzleramt ging es unter anderem um den EU-Beitritt und die Befriedung der Region im Rahmen des Berlin-Prozesses. Angela Merkel bezeichnete die Unterredung als "Gespräch unter Freunden". Eine EU-Perspektive hätten die Länder des Westbalkan aber nur dann, wenn sie die Grenzen ihrer jeweiligen Nachbarn akzeptierten und die regionalen Konflikte beigelegt seien.

Duško Marković hat verinnerlicht, dass deutsche Investoren nur dann in größerem Maßstab ins Land kommen, wenn das Kriminalitätsproblem aktiv angegangen werde. So habe er heute um Unterstützung durch deutsche Experten gebeten, die ihm die Kanzlerin auch zugesagt habe.

Video:
Antrittsbesuch des Ministerpräsidenten von Montenegro, Duško Marković, in Berlin

Autor: Matthias Baumann