Seit März 2015 ist Denis Zvizdić Vorsitzender des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina. Der holperige Amtsbegriff entspricht einem Ministerpräsidenten und stellt ihn damit auf die gleiche administrative Stufe wie die Kanzlerin. Die Regierungsbildung hatte ein halbes Jahr gedauert. So etwas kennen wir neuerdings auch aus Deutschland.
Zudem hatte es über drei Jahre gedauert, bis Denis Zvizdić seinen Antrittsbesuch in Berlin absolvieren konnte. Damit ist seine Amtszeit schon fast wieder vorbei. Heute wurde er mit militärischen Ehren empfangen.
Vorsitzender des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić, bei Bundeskanzlerin Angela Merkel |
Bosnien und Herzegowina ist föderal und dezentral organisiert und grenzt an Serbien, Kroatien, Montenegro und die Adria. Der Ministerpräsident von Montenegro, Duško Marković, wird am Freitag im Kanzleramt erwartet. In Bosnien leben drei Volksgruppen, die sich ethnisch und religiös voneinander abgrenzen: 50% islamische Bosniaken, 31% orthodoxe Serben und 15% katholische Kroaten.
Vorsitzender des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić, bei Bundeskanzlerin Angela Merkel - Fahne von Bosnien und Herzegowina in der Mitte |
Auch heute noch gehen die Ambitionen der Politiker der drei Ethnien weit auseinander: Die beherrschenden Bosnier möchten eine Zentralisierung, die Serben möchten eine Dezentralisierung und die Kroaten möchten ein neues Wahlrecht. Gelegentlich kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und der serbischen Drohung, sich von der Republik abzuspalten und damit das Staatsgebiet Serbiens zu vergrößern.
Zusammen mit Großbritannien hat Deutschland 2014 ein Stabilisierungsprogramm für den Westbalkan auf den Weg gebracht - bekannt als Berlin-Prozess. So standen heute die allgemeine Stabilisierung der Region, das bosnische Wahlrecht, die Zusammenarbeit in der NATO und die EU-Beitrittsbemühungen auf dem Programm.
Besonders nachdrücklich forderte die Kanzlerin die Abschaffung rechtsfreier Räume und eine Abstellung der gravierenden Korruption. Das sei eine entscheidende Voraussetzung für deutsche Direkt-Investitionen. In wirtschaftlicher Hinsicht unterstützt Deutschland das Land bereits bei der dualen Ausbildung von Jugendlichen. Alles steht und fällt jedoch mit der positiven Veränderung der Situation bei Kriminalität und Terrorismusfinanzierung in Bosnien und Herzegowina.
Angesichts der ethnisch-religiösen Zusammensetzung des Landes und der Abspaltungstendenzen seitens der Serben verzeichnet Bosnien-Herzegowina momentan einen erhöhten Zustrom von serbischen Flüchtlingen. Auch die Kanzlerin zeigte sich überrascht und regte eine Untersuchung der Ursachen an.
Video:
Vorsitzender des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić, mit militärischen Ehren in Berlin empfangen
Autor: Matthias Baumann