Montag, 13. August 2018

Vorsitzender des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić, leitet im Kanzleramt das Ende der Sommerpause ein

Viel ist über den Mann aus Bosnien und Herzegowina nicht bekannt. Denis Zvizdić wurde in Sarajevo geboren und ist 54 Jahre alt. 2007 hatte er an der Architektur-Fakultät der Universität seiner Heimatstadt promoviert und anschließend dort auch als Professor gearbeitet.

Seit März 2015 ist Denis Zvizdić Vorsitzender des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina. Der holperige Amtsbegriff entspricht einem Ministerpräsidenten und stellt ihn damit auf die gleiche administrative Stufe wie die Kanzlerin. Die Regierungsbildung hatte ein halbes Jahr gedauert. So etwas kennen wir neuerdings auch aus Deutschland.

Zudem hatte es über drei Jahre gedauert, bis Denis Zvizdić seinen Antrittsbesuch in Berlin absolvieren konnte. Damit ist seine Amtszeit schon fast wieder vorbei. Heute wurde er mit militärischen Ehren empfangen.

Vorsitzender des Ministerrates Bosnien Herzegowina Denis Zvizdić Angela Merkel Berlin
Vorsitzender des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić, bei Bundeskanzlerin Angela Merkel
Bosnien hat etwa so viele Einwohner wie Berlin, ist Beitrittskandidat der EU und seit acht Jahren offizieller Beitrittskandidat der NATO. Manche Dinge brauchen ihre Zeit. Bei einem Bruttoinlandsprodukt von 18 Milliarden Dollar wäre die Mitgliedschaft in der NATO gar nicht so teuer: 360 Millionen Euro wären für den Verteidigungshaushalt bereitzustellen. Als Friedens-Partner der NATO sind inzwischen über 50 Bosnier in Afghanistan (ISAF) eingesetzt. Bosnien und Herzegowina gilt als das am stärksten mit Landminen verunreinigte Gebiet Europas.

Bosnien und Herzegowina ist föderal und dezentral organisiert und grenzt an Serbien, Kroatien, Montenegro und die Adria. Der Ministerpräsident von Montenegro, Duško Marković, wird am Freitag im Kanzleramt erwartet. In Bosnien leben drei Volksgruppen, die sich ethnisch und religiös voneinander abgrenzen: 50% islamische Bosniaken, 31% orthodoxe Serben und 15% katholische Kroaten.

Vorsitzender des Ministerrates Bosnien Herzegowina Denis Zvizdić Angela Merkel Berlin
Vorsitzender des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić, bei Bundeskanzlerin Angela Merkel - Fahne von Bosnien und Herzegowina in der Mitte
Nach dem Zerfall Jugoslawiens wurde im März 1992 die Republik Bosnien und Herzegowina gegründet. Diese wurde im April 1992 international anerkannt. Dann folgte der Bosnienkrieg zwischen den oben erwähnten Ethnien. 1995 wurde in Dayton (USA) ein Friedensvertrag ausgehandelt und Ende 1995 in Paris unterschrieben.

Auch heute noch gehen die Ambitionen der Politiker der drei Ethnien weit auseinander: Die beherrschenden Bosnier möchten eine Zentralisierung, die Serben möchten eine Dezentralisierung und die Kroaten möchten ein neues Wahlrecht. Gelegentlich kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und der serbischen Drohung, sich von der Republik abzuspalten und damit das Staatsgebiet Serbiens zu vergrößern.

Vorsitzender des Ministerrates Bosnien Herzegowina Denis Zvizdić Angela Merkel Berlin
Vorsitzender des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić, bei Bundeskanzlerin Angela Merkel - Ehrenformation im Ehrenhof des Bundeskanzleramtes mit hartem Schlagschatten - Die Staatengemeinschaft kümmert sich um Stabilität in der Region.
Die Bevölkerung ärgert sich jedoch besonders über die anhaltend hohe Korruption im bosnischen Amtskörper. Wegen der anhaltenden Spannungen unter den Volksgruppen und der noch sehr fragilen Regierung liegt ein Teil der Staatsgewalt in den Händen des Hohen Repräsentanten. Dieser ist von der UNO eingesetzt. Seit neun Jahren bekleidet der Österreicher Valentin Inzko dieses Amt. Deutschland, Schweden und andere Staaten hatten in der Vergangenheit ebenfalls einen Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina gestellt.

Zusammen mit Großbritannien hat Deutschland 2014 ein Stabilisierungsprogramm für den Westbalkan auf den Weg gebracht - bekannt als Berlin-Prozess. So standen heute die allgemeine Stabilisierung der Region, das bosnische Wahlrecht, die Zusammenarbeit in der NATO und die EU-Beitrittsbemühungen auf dem Programm.

Besonders nachdrücklich forderte die Kanzlerin die Abschaffung rechtsfreier Räume und eine Abstellung der gravierenden Korruption. Das sei eine entscheidende Voraussetzung für deutsche Direkt-Investitionen. In wirtschaftlicher Hinsicht unterstützt Deutschland das Land bereits bei der dualen Ausbildung von Jugendlichen. Alles steht und fällt jedoch mit der positiven Veränderung der Situation bei Kriminalität und Terrorismusfinanzierung in Bosnien und Herzegowina.

Angesichts der ethnisch-religiösen Zusammensetzung des Landes und der Abspaltungstendenzen seitens der Serben verzeichnet Bosnien-Herzegowina momentan einen erhöhten Zustrom von serbischen Flüchtlingen. Auch die Kanzlerin zeigte sich überrascht und regte eine Untersuchung der Ursachen an.

Video:
Vorsitzender des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić, mit militärischen Ehren in Berlin empfangen

Autor: Matthias Baumann