Dienstag, 24. Dezember 2019

Alles hat seine Zeit - auch für Piraten und im Ausland eingesetzte Soldaten

Auch wer sonst keinen Bezug zur Bibel hat, kann aus dem Lesen des Buches "Prediger" einen erheblichen Gewinn ziehen. Das Buch befindet sich etwa in der Mitte der Bibel. Kurz hinter den Psalmen. In 12 kurzen Kapiteln lässt der "Prediger" - Salomo höchstpersönlich - ungeschönt seinen Frust heraus über die allgemeine Vergänglichkeit, das Zerrinnen der Zeit und die Sinnlosigkeit vieler Dinge. Kapitel 3 beginnt mit: "Alles hat seine Zeit". Luther formuliert das etwas antiquierter. Dann folgt eine Aufzählung von Verben, die alle ein bestimmtes Zeitbudget benötigen: geboren werden, sterben, pflanzen, ausreißen, bauen, reden, lieben.

Auch das Jahr hat seine Zeiten: Saat, Ernte, Ostern, Pfingsten, Weihnachten. Gerade zu den jährlichen Feiertagen erinnern sich Erwachsene gerne an die Traditionen der Kindheit wie Geschenke unter dem Weihnachtsbaum oder Familienfotos vor dem Weihnachtsbaum. Letztere hatte das Deutsche Historische Museum gesammelt und daran spannende Familiengeschichten rekonstruiert. Wie wichtig das Feiern der regelmäßigen Feste für Soldaten ist, zeigen auch die Ausführungen im jüngst erschienenen Buch "Militärrabbiner in der Bundeswehr".

Bundeswehr Dschibuti Fregattenkapitän Gert Krause
Bundeswehr in Dschibuti - Fregattenkapitän Gert Krause leitet als Reservist für einige Monate das Bundeswehrkontingent in Dschibuti (Foto: Militärseelsorge / Töpelmann)
Einen Großteil der Bundeswehrsoldaten im In- und Ausland tangiert das Weihnachtsfest. Die Gebirgsjäger feiern in Bad Reichenhall die Stallweihnacht, Scharfschützen schmücken ihren Tarnanzug (Ghillie) mit Lametta und Lichtern. Das Wachbataillon entwendet die jährliche Weihnachtskugel aus dem Schloss Bellevue und Gert Krause freut sich, dass er kurz vor Weihnachten nach Hause fliegen durfte.

Gert Krause profitiert davon, dass auch für die Piraten im Großraum Somalia eine neue Saison angebrochen ist - die Monsunzeit. Der Monsun verhindert im Winter und im Sommer das Auslaufen der Piratenschiffe. Deshalb wird das Personal der Bundeswehr in Dschibuti - am Südzipfel des Roten Meeres - deutlich abgebaut. Die dort stationierten Soldaten sind vorrangig mit Aufklärung beschäftigt. Von der Luft aus beobachten sie die Bewegung verdächtiger Boote und lotsen bei Bedarf entsprechende Sicherungsschiffe in den Gefährdungsbereich. Taucht eine Fregatte auf, ist die Piratenaktion in der Regel beendet, ohne dass auch nur ein Schuss gefallen ist.

Gert Krause ist Reservist und hat gerade seinen 63. Geburtstag in Dschibuti gefeiert. Dort war er als Kommandeur eingesetzt. Als 2015 die Flüchtlingswellen über Europa schwappten, wagte er nach mehreren Jahrzehnten den Wiedereinstieg in die Bundeswehr. Bei der Marine in Wilhelmshaven kümmerte er sich um Notunterkünfte und weitere organisatorische Themen. Er sah das als Einstieg in die Abrundung seines Berufslebens, das vor etwa 40 Jahren mit dem Wehrdienst begonnen hatte. Es folgten zwei Einsätze bei UNIFIL im Libanon und dieser Herbsteinsatz in Dschibuti.

Je nach körperlicher Verfassung kann er sich nach Renteneintritt auch die Mitarbeit in einer NGO vorstellen. Sein Anliegen ist es, dass Spenden nicht irgendwo im Verwaltungsapparat versanden, sondern tatsächlich bei den Betroffenen ankommen. Tief beeindruckt zeigte er sich von der Bedürftigkeit der Menschen in Dschibuti. Die Soldaten der Bundeswehr waren vor Ort so bewegt, dass sie kurzerhand die Patenschaft für ein Waisenhaus übernommen haben.

Wenn in Deutschland der Frühling beginnt, die Sommerräder aufgeschraubt werden, der Monsun endet und die ersten Piraten über den indischen Ozean schippern, wird er wohl wieder nach Dschibuti fliegen und das Kommando über die deutschen Soldaten übernehmen. Alles hat seine Zeit: die Familie sehen, die Familie verlassen, die Truppe leiten, dem zivilen Beruf nachgehen, Ostereier suchen, Böller kaufen, Weihnachten feiern.

Auch der Bundesregierung ist es bewusst, dass etwa 3.600 deutsche Soldaten und Polizisten über Weihnachten im Ausland eingesetzt sind. Deshalb hat sich die Tradition entwickelt, Mitte Dezember stellvertretend einige von deren Angehörigen ins Kanzleramt einzuladen. Annegret Kramp-Karrenbauer flog kurz darauf zu den 120 UNIFIL-Soldaten in Zypern. Das sollte heimatliche Verbundenheit demonstrieren. Neben der Ministerin ist auch die Militärseelsorge regelmäßig in den Einsatzgebieten unterwegs. Sigurd Rink, der Evangelische Militärbischof, besuchte im November die Soldaten in Dschibuti. Dort traf er auch Gert Krause.

Autor: Matthias Baumann