Mittwoch, 13. Januar 2021

Bürgerrat soll Lust an der Debatte fördern

Schirmherr Wolfgang Schäuble hatte sich bewusst ein kontroverses Thema für den aktuellen Bürgerrat ausgesucht: "Deutschlands Rolle in der Welt". Die noch geheime Vorsitzende des Bürgerrates, Marianne Birthler, ist gespannt auf die Ergebnisse der Diskussionsrunden. Diese werden derzeit online geführt und durch ein Team von 90 Personen vor- und nachbereitet. Hinzu kommen 30 Experten, die die beratenden Bürger beraten. Der eigentliche Bürgerrat besteht aus etwa 160 zufällig aus den Melderegistern ausgewählten Personen. Die Zusammensetzung sei in vielerlei Hinsicht heterogen.

Bürgerrat soll Lust an der Debatte fördern
Bürgerrat soll Lust an der Debatte fördern - Foto: Bürgerrat (Regionalkonferenz des Bürgerrates in Gütersloh im Sommer 2019 - also vor Corona)

Stellt sich die Frage, ob 160 Personen, die gerade einmal 0,0002 Prozent der Bevölkerung ausmachen, wirklich so repräsentativ für eine politische Meinungsbildung sind. Die Initiatoren des Bürgerrates werden ständig mit dieser Frage konfrontiert und antworten dann mit den Erfahrungen aus Irland und Frankreich. Dort werden nur 100 oder sogar weniger Personen per Zufallsprinzip in den Bürgerrat eingeladen.

Selbst bewerben kann sich ein Bürger also nicht. Das schütze den Bürgerrat auch vor einer "feindlichen Übernahme" durch Aktivisten, die ihre individuellen Ansichten als allgemeinen Willen des Volkes verstehen. Schließlich gebe es über den Bürgerrat hinaus die vielfältigen Möglichkeiten demokratischer Teilhabe in Parteien, Verbänden und Bürgerinitiativen. Der Bürgerrat soll bei den Beteiligten Lust auf diese weiterführenden Formate machen. Auch erlebe der beratende Bürger, wie herausfordernd die parlamentarische Debattenkultur sein könne, bei der am Ende idealerweise ein allseits akzeptierter Konsens stehe.  Die Erfahrung zeige, dass dieses Konzept aufgehe und sogar die Kontaktpersonen der 160 Bürger entsprechend für politisches Engagement begeistert werden.

Die Sitzungen des jeweiligen Bürgerrates belaufen sich auf insgesamt 42 Stunden. Die Teilnehmer werden dafür mit 450 Euro vergütet. Wer kein Internet hat, wird mit der entsprechenden Technik ausgestattet. Auch wenn Fahrt- und Hotelkosten derzeit wegfallen, ist die Aktion im virtuellen Raum nicht viel kostengünstiger. Das Budget des Bürgerrates mit seinem technischen Unterbau und den ergänzenden Kräften beläuft sich auf 1,8 Millionen Euro.

Der Bürgerrat ist ein sehr junges Element zur Beteiligung am politischen Diskurs. Einige Politiker fühlen sich von der Realität oder bestimmten Themen abgekoppelt. Deshalb erachten sie dieses Meinungsbild als wertvoll für die Entscheidungsfindung. Der Bürgerrat ist - wie der Name schon sagt - ein beratendes Instrument und trifft selbst keine Entscheidungen. Die Argumentation innerhalb des Bürgerrates und ein erzielter Konsens können allerdings finale Entscheidungen in der Bundespolitik beeinflussen.

Autor: Matthias Baumann