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Donnerstag, 24. Juli 2025

Gesetzentwurf zum neuen Wehrdienst

Aus Regierungskreisen ist zu erfahren, dass man sich Ende August 2025 mit dem Gesetzentwurf zum Neuen Wehrdienst befassen wolle. Als Zielvorstellung gilt eine Zahl von 460.000 Soldaten, die sich aus 260.000 Aktiven und 200.000 Reservisten zusammensetzen sollen. Diese sollen dann in den unterschiedlichen Bereichen von NATO-Ostflanke bis Operationsplan Deutschland und Heimatschutz eingesetzt werden.

Teilziel ist der Aufbau einer starken Reserve. Ende letzten Jahres verfügte die Bundeswehr über 179.850 aktive Soldaten und 34.100 Reservisten. Der Aufwuchs ist demnach sehr ambitioniert, wird aber von unseren Verbündeten erwartet.

Die Ausgestaltung soll zunächst nach dem Schwedischen Modell erfolgen, welches auf Attraktivität und Freiwilligkeit des Dienstes setzt. Zur Umsetzung dessen werden Freiwillige sofort in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit versetzt. Ferner achte man auf Sinnstiftung innerhalb des Dienstes, Möglichkeiten zur Weiterbildung und neue Karrierechancen. Weitere Schmankerl stellen das kostenlose Bahnfahren, günstige Verpflegung, hohes Grundgehalt, unentgeltliche Unterkunft und freie Heilfürsorge dar.

Die Wehrerfassung war seit 2011 massiv vernachlässigt worden. Deshalb soll nun jeder männliche deutsche Staatsbürger verpflichtend einen entsprechenden Fragebogen ausfüllen. Weibliche Staatsbürger können den Fragebogen freiwillig ausfüllen. Damit sollen Bereitschaft, Eignung und Verfügbarkeit erfasst werden. Mit der Übertragung der Aufgaben der Wehrerfassungsbehörde auf die Bundeswehr werden zudem die Meldebehörden der Länder entlastet. Ab 2028 soll es eine verpflichtende Musterung 18-jähriger Männer geben.

Ab 2031 sollen jährlich bis zu 40.000 Frauen und Männer über das neue Wehrdienstmodell rekrutiert werden. Momentan geht man davon aus, dass die Zielvorgaben durch Freiwillige erreicht werden können. Sollte das nicht ausreichen, werde das Gesetz einen Mechanismus enthalten, der eine verpflichtende Heranziehung ermöglicht.

Zur Aktivierung der Wehrpflicht gebe es allerdings keinen Automatismus, keine festgelegte Zahl und auch keinen festgelegten Zeitpunkt.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 8. Mai 2025

80 Jahre Kriegsende – Kranzniederlegung an der Neuen Wache

Zwei Tage nach Vereidigung der neuen Bundesregierung wurde mit einer Kranzniederlegung an der Neuen Wache dem 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges gedacht.

Dazu waren die fünf Verfassungsorgane erschienen: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, Bundeskanzler Friedrich Merz, Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger und der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Prof. Dr. Stephan Harbarth. Das Protokoll und das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung hatten sich etwas ganz besonderes überlegt: Zur Nationalhymne wurden die fünf Verfassungsorgane vor der Neuen Wache aufgereiht. Hier unser Videobericht:


Nach der Kranzniederlegung ging es wie üblich zu einer Gedenkstunde in den Bundestag.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 6. Mai 2025

Neue Bundesregierung unter Friedrich Merz als Kanzler

Der 6. Mai 2025 war wohl der bisher längste Arbeitstag im Schloss Bellevue. Ganze zehn Stunden hatte die Presse vor Ort zugebracht, um am Ende doch noch der Übergabe der Ernennungsurkunden an Bundeskanzler Friedrich Merz und die neuen Minister beiwohnen zu können.

Friedrich Merz war im ersten Wahlgang gescheitert. Es folgten Stunden der Ungewissheit, ob es heute überhaupt einen zweiten Wahlgang geben werde. Die Medien spekulierten anhand der reden und Insiderkontakte, wie der Tag weiter verlaufen werde. Im Schloss Bellevue hofften die Pressevertreter auf Klarheit und ein tatsächliches Ende des durch die Ampel-Regierung erzeugten Chaos und Stillstandes. Es wurden Kaffee, Wasser, Suppe und Silberbesteck gereicht, was die Wartezeit etwas erleichtern konnte.

Fast schon mit Begeisterung wurde dann zu Kenntnis genommen, dass es einen zweiten Wahlgang geben werde. Als der Wahlgang dann sogar noch erfolgreich für Friedrich Merz verlief, bereiteten wir uns auf die nächsten Schritte vor: Fahrt zum Schloss Bellevue zur Abholung der Ernennungsurkunde, Rückfahrt in den Bundestag und Vorstellung des neuen Kabinetts, gemeinsame Rückkehr ins Schloss Bellevue und Übergabe der Ernennungsurkunden an die Minister.

Hier das Bundeskabinett = Bundesregierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU):

Lars Klingbeil (SPD) Bundesminister der Finanzen, Vizekanzler
Alexander Dobrindt (CSU) Bundesminister des Innern
Dr. Johann Wadephul (CDU) Bundesminister des Auswärtigen
Boris Pistorius (SPD) Bundesminister der Verteidigung
Katherina Reiche (CDU) Bundesministerin für Wirtschaft und Energie
Dorothee Bär (CSU) Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt
Dr. Stefanie Hubig (SPD) Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz
Karin Prien (CDU) Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Bärbel Bas (SPD) Bundesministerin für Arbeit und Soziales
Karsten Wildberger (parteilos) Bundesminister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung
Patrick Schnieder (CDU) Bundesminister für Verkehr
Carsten Schneider (SPD) Bundesminister für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit
Nina Warken (CDU) Bundesministerin für Gesundheit
Alois Rainer (CSU) Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Heimat
Reem Alabali-Radovan (SPD) Bundesministerin für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Verena Hubertz (SPD) Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
Thorsten Frei (CDU) Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 11. März 2025

Bericht 2024 der Wehrbeauftragten Dr. Eva Högl

Am 11. März 2025 stellte die Wehrbeauftragte des Bundestages, Dr. Eva Högl, in der Bundespressekonferenz ihren Bericht für das Jahr 2024 vor.

In diesem jahr endet die 5-jährige Amtszeit der Wehrbeauftragten und es ist noch unklar, ob sie weitermacht oder durch ein anderes Mitglied des Bundestages abgelöst wird. Nach anfänglicher Skepsis war doch festzustellen, dass Eva Högl sich sehr schnell in das neue Themengebiet Bundeswehr einarbeiten konnte. Von der Truppe wird sie sehr geschätzt, weil sie nahbar ist und mit nur wenigen Worten einen Draht zu ihren Gesprächspartnern aufbauen kann.

Der Bericht beschäftigte sich wie immer mit sämtlichen Themen der Bundeswehr: von der Beschaffung über den Zustand von Kasernen und Casinos bis zur Sicherheitsüberprüfung. Bei der Presse blieben insbesondere ihre Ausführungen zur Personalgewinnung hängen. So geht ein Großteil freiwillig Wehrdienstleistender für die Bundeswehr verloren, weil ihnen der Dienst „zu langweilig“ sei.

Hier unser Komplett-Mitschnitt der Pressekonferenz:

 

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 27. Dezember 2024

Auflösung des Deutschen Bundestages durch Bundespräsident Steinmeier

Am 27. Dezember 2024 hielt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine Rede zu seiner Entscheidung den Deutschen Bundestages gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes (Vertrauensfrage) aufzulösen.


Die aktuelle 20. Wahlperiode endet gemäß Artikel 39 des Grundgesetzes mit dem ersten Zusammentritt des neuen Bundestages. Die Wahl zum Bundestag soll am 23. Februar 2025 stattfinden. Es wird wieder eine Erststimme und eine Zweitstimme geben. Wie funktioniert das mit Direkt-Kandidaten und Listen-Kandidaten und was haben die Erststimme und die Zweitstimme damit zu tun?

Mit der Erststimme wählen Sie eine Person aus Ihrem Wahlkreis, die Sie direkt im Bundestag vertritt. Das ist dann Ihr Direktkandidat und in der Regel jemand, der sich als Kümmerer im Wahlkreis bewährt hat.

Mit der Zweitstimme wählen Sie die Partei, die Sie im Bundestag haben möchten. Das kann eine andere Partei sein, als die, zu der Ihr Direktkandidat von der Erststimme gehört. Die Personen im Bundestag ergeben sich bei der Zweitstimme aus der Liste. Die Kandidaten der Liste werden innerhalb der Partei gewählt. Mit der Zweitstimme haben Sie also nur Einfluss auf die Partei, nicht jedoch auf die Personen der Liste.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 5. Juli 2023

Verteidigungshaushalt 2024 wächst um 1,7 Milliarden Euro und NATO-Quote wird erreicht

Pressemitteilung 30/2023 des BMVg vom 05.07.2023:

Das Bundeskabinett hat heute den Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2024 nebst Entwurf des Wirtschaftsplans 2024 des Sondervermögens Bundeswehr und den Finanzplan bis 2027 beschlossen. Der Verteidigungshaushalt steigt im kommenden Jahr um etwa 1,7 Mrd. Euro auf 51,8 Mrd. Euro.

Auch wenn der Bedarf der Bundeswehr über dem vorgesehenen Betrag liegt und gerade der laufende Betrieb künftig eine weitere Erhöhung des Etats erforderlich machen wird, spiegelt das Ergebnis die aktuellen finanzpolitischen Rahmenbedingungen wider. Im Vergleich zu dem bisherigen Finanzplan ist für den Verteidigungshaushalt in den Jahren 2024 bis 2027 nach jetzigem Stand eine Steigerung um insgesamt rund 7,3 Mrd. Euro vorgesehen.

Diese finanzielle Unterfütterung des Verteidigungshaushaltes ist angesichts der aktuellen sicherheitspolitischen Situation gut investiert – in unsere Sicherheit und Verteidigungsbereitschaft.

„Die vorgesehene Haushaltsplanung trägt den Aufgaben der Soldatinnen und Soldaten im Bereich der Landes- und Bündnisverteidigung Rechnung“, so Minister Pistorius. „Sie spiegelt gleichzeitig die angespannte Haushaltslage wider und wird einige Anstrengungen im Haushaltsvollzug erfordern. Es ist klar, dass wir hier nicht stehen bleiben können. Die Bundeswehr muss weiterhin modernisiert und vernünftig ausgestattet werden. Gemeinsam mit dem Finanzministerium werden wir dafür Sorge tragen, dass die dafür nötigen Mittel zur Verfügung stehen werden. Das Sondervermögen Bundeswehr gibt uns für die Ausrüstung unserer Streitkräfte zunächst den notwendigen Spielraum. So konnten wir im ersten Halbjahr mit einer hohen Anzahl an 25-Millionen-Euro-Vorlagen im Parlament die Voraussetzungen für eine zügige Umsetzung von Rüstungsprojekten sorgen. Nach der Ausschöpfung des Sondervermögens werden wir allerdings dringend einen deutlichen Sprung beim regulären Verteidigungshaushalt brauchen.“

Mit den Beschlüssen zum Verteidigungshaushalt wird zum einen dem Betrieb der Bundeswehr und zum anderen den Bereichen Fähigkeitserhalt und Fähigkeitsentwicklung Rechnung getragen. Ganz im Sinne der Zeitenwende können daneben aus dem im Sommer 2022 eingerichteten Sondervermögen Bundeswehr im Jahr 2024 rund 19,2 Mrd. Euro in Anspruch genommen werden. Die Mittel des Sondervermögens werden für die Finanzierung bedeutsamer Vorhaben, insbesondere komplexer überjähriger Maßnahmen, zur Verfügung stehen. Im kommenden Jahr sind zum Beispiel Ausgaben für den Schützenpanzer Puma, Flottendienstboote der Klasse 424, Fregatten der Klasse 126, Korvetten der Klasse 130, U-Boote der Klasse 212 Common Design, die Waffensysteme F-35 und Eurofighter, die bodengebundene Luftverteidigung mit IRIS-T SLM, den NATO-Hubschrauber 90, die Digitalisierung Landbasierter Operationen (D-LBO), Satellitenkommunikation, Bekleidung und persönliche Ausrüstung sowie für Munition berücksichtigt. Damit kann die Bundeswehr einen weiteren Schritt hin zu einem breiten und innovationsorientierten Fähigkeitsspektrum gehen.

Die Bundesregierung bekräftigt mit den heutigen Beschlüssen ihr Bekenntnis zu ihren internationalen Bündnisverpflichtungen in der NATO sowie innerhalb der EU. Mit dem Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt des Jahres 2024 und dem Finanzplan bis 2027 sowie dem Wirtschaftsplan 2024 des Sondervermögens Bundeswehr sollen ab dem kommenden Jahr 2% des Bruttoinlandsprodukts für NATO-Verteidigungsausgaben aufgewendet werden.

Das parlamentarische Verfahren soll unmittelbar nach der parlamentarischen Sommerpause im September 2023 mit der 1. Lesung des Haushaltsgesetzes 2024 beginnen.

Dienstag, 15. März 2022

Wehrbeauftragte Eva Högl stellt ihren Bericht 2021 in der Bundespressekonferenz vor

"Die Amtshilfe muss jetzt enden!", waren die klaren Worte von Eva Högl bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des 63. Jahresberichtes der Wehrbeauftragten des Bundestages. Bei allem Verständnis für die Belastung der Gesundheitsämter und anderer Einrichtungen durch die Corona-Pandemie fordert sie schon länger die zivile Verantwortung für zivile Angelegenheiten ein. Die Bundeswehr habe ihren Kernauftrag zu erfüllen. Überhaupt bietet Eva Högl auch Parteikollegen und der Verteidigungsministerin beherzt die Stirn: "Die Wehrbeauftragte ist unabhängig, und ich nehme das sehr ernst." Dabei betonte sie das "sehr".

In ihrer Vorrede, bei der Beantwortung von Fragen und im kleinen Kreise wurde deutlich, dass sie eine authentische "Freundin" der Bundeswehr ist. Das drückt auch der letzte Satz der Pressemitteilung aus: "Der Jahresbericht 2021 benennt nicht nur Versäumnisse, Mängel und Defizite. Die Truppe hat bewiesen, wie leistungsfähig, professionell und verlässlich sie ist. Dafür verdient sie unseren Respekt und unsere Anerkennung." Es gebe viele Dinge, auf die "wir" stolz sein können. Dass es einen kontroversen Diskurs gebe, begrüßte sie ausdrücklich: "Das schlimmste ist Desinteresse."

Wehrbeauftragte Eva Högl legt ihren Bericht 2021 in der Bundespressekonferenz #BPK vor
Wehrbeauftragte Eva Högl legt ihren Bericht 2021 in der Bundespressekonferenz vor.

So freute sie sich über die 100 Milliarden Euro Sondervermögen. Dieses bediene keine neu eingereichten Wunschlisten, sondern werde konsequent für die überfälligen Anschaffungen von Nachtsichtgeräten, Funktechnik, Kälteschutz, Nässeschutz, Helmen und anderen Dingen der Grundausstattung eingesetzt. Es könne nicht sein, dass ein Land wie Deutschland solche simplen Dinge nicht schnell beschaffen könne. Der Grund des Übels sei das hochkomplexe Vergaberecht, das andere EU-Staaten bereits etwas flexibler auslegen. Damit geht sie konform mit den Äußerungen des zuständigen Vizeadmirals, der das Beschaffungswesen als "toxisch" bezeichnet hatte. Aber auch die Ministerin ist inzwischen auf diesen Zug aufgesprungen.

Den jüngsten Einwurf von Generalleutnant Alfons Mais, dass die Bundeswehr "blank" dastehe, bezeichnete sie als "emotional" und konnte das aus ihrer Wahrnehmung nicht bestätigen. Bei 60 Truppenbesuchen in 2021 konnte sie sich von der Motivation und der Einsatzbereitschaft der Truppe überzeugen: "Unsere Soldaten sind gut vorbereitet und nehmen den Auftrag an." Allerdings begegnen ihr bei der Nachwuchsgewinnung ambivalente Überlegungen. Während die Bundeswehr bisher ein begehrter Arbeitgeber war, steht nun die Frage im Raum, ob Deutschland und dessen freiheitliche demokratische Grundordnung den Einsatz des eigenen Lebens wert ist. Andere fühlen sich durch die neuerliche Entwicklung in der Ukraine sogar beflügelt und möchten "auch etwas beitragen". So hat sich die Personaldecke der Bundeswehr im Gegensatz zu anderen Branchen während der Pandemie kaum verändert. Die 184.000 Bundeswehrangehörigen sollen mittelfristig noch auf 203.000 anwachsen. Eine Diskussion über die Reaktivierung der Wehrpflicht hält die Wehrbeauftragte zurzeit für wenig nützlich, obwohl sie anfänglich an der Befeuerung einer erneuten Diskussion darüber mitgewirkt hatte.

Eva Högl sieht sich als Anwältin der Soldaten und beleuchtet vom Kälteschutz über Baumaßnahmen, Arbeitszeitverordnung, Frauen, Auslandseinsätze, Mobbing, Schutzimpfungen bis zur Beschaffungsreform sämtliche Facetten des Lebens in der Bundeswehr. Der aktuelle Bericht umfasst 176 A4-Seiten. Der Bericht ist gut und flüssig geschrieben und enthält viele konkrete Beispiele. In 2021 hatte das Büro der Wehrbeauftragten 3.967 Fälle zu bearbeiten, von denen 2.606 persönliche Eingaben waren. Besonders wichtig scheint ihr das interne Klima und ein professionelles Führungsverhalten zu sein.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 27. Januar 2022

Neuregelung des § 217 StGB zur Suizid-Beihilfe

Fünf Vertreter verschiedener Parteien waren heute Mittag in der Bundespressekonferenz erschienen. Das zeugte von großem Konsens bei der Umgestaltung des Strafrechtsparagraphen 217. In § 217 StGB geht es um die Beihilfe zum Selbstmord. Ein Thema, das gerne in der Tabu-Zone belassen und nur ungerne öffentlich diskutiert wird. Entsprechend unprofessionell und unkontrollierbar sah bisher die Landschaft bei der Suizidhilfe aus.

Missbrauch verhindern

Der Laie denkt bei Suizid-Beihilfe wohl in erster Linie an eine Unterstützung bei der diskreten und schmerzlosen Durchführung. Die Gesetzesänderung soll aber genau das Gegenteil bewirken. Laut der fünf Parteienvertreter sei es gerade ein Mittel zur Suizid-Prävention. Die Hilfe zum Selbstmord sei demnach weiterhin strafbar, wenn die gesetzlichen Regelungen nicht eingehalten werden. Missbrauch solle verhindert werden. In der Neufassung sind zwei unabhängige ärztliche Gutachten zur Bestätigung der "Freiverantwortlichkeit" des Betroffenen vorgesehen. Ferner muss ein Beratungsprozess durchlaufen worden sein, in dem noch einmal die Gründe für den Selbstmord abgeklopft und idealerweise behandelt werden.

Der Schrei nach Beratung und Hilfe

Diskussionen mit Experten hätten ergeben, dass nur 10% der Suizidversuche tödlich enden. Wer seinen Suizid ankündige, verweise letztlich auf seine Ohnmacht, aus einer unerträglichen Lebenssituation aussteigen zu können. Es sei der Schrei nach einer Zäsur, die aber nicht zwangsläufig tödlich enden soll. Deshalb soll parallel das Beratungs- und Hilfsangebot ausgebaut werden, um gesunde Lebensperspektiven für die Zeit nach der Zäsur zu eröffnen. Wie das in der Praxis aussehen soll, ist noch unklar, da die relevanten Anlaufstellen während Corona weiter unter Druck geraten sind. Therapeutische Kapazitäten werden zurzeit wie Goldstaub gehandelt.

Hauptzielgruppe für Suizid sind Kinder und Jugendliche. Diese werden im Gesetzentwurf jedoch bewusst ausgeklammert. Für sie soll "assistierter Suizid" gar nicht gestattet sein, da ihnen die Zeitdimension des dann nicht mehr verfügbaren Lebens nicht vermittelbar sei. Auch hier gilt der Aufbau des Beratungsangebotes zur Klärung der unerträglichen Lebenssituationen - also ein klarer Ansatz von Suizid-Prävention.

Demnächst wird der Gesetzentwurf dem Bundestag vorgestellt. Es gilt als sicher, dass dieser eine entsprechende Zustimmung bekommt.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 1. März 2021

Bericht der Wehrbeauftragten zur aktuellen Situation in den Streitkräften

Es ist schon beeindruckend, wenn Pressekollegen bereits während der Vorstellung eines Berichtes detaillierte Fragen zu dessen Inhalt stellen. Der Jahresbericht 2020 der Wehrbeauftragten, Eva Högl, umfasst 150 eng bedruckte A4-Seiten. Der Bericht ist keine einfache Lektüre, die man schnell mal nebenbei durchliest. Ein Selbsttest hat ergeben, dass bei begleitendem Tagesgeschäft gut eine Woche zum Lesen eingeplant werden sollte. Vermutlich hatten die schnellen Journalisten nach den Reizthemen gesucht und die betreffenden Passagen quergelesen.

Der Bericht ist sehr vielschichtig und enthält durchaus positive Aspekte. Er beschäftigt sich mit Corona, der Inneren Führung, der finanziellen Ausstattung, mit Personal und der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, mit Material, Infrastruktur, Digitalisierung, Einsätzen, Rechtsverstößen sowie der Fürsorge mit ihren reichhaltigen Facetten von Beschädigtenversorgung bis Militärseelsorge.

Bericht 2020 der Wehrbeauftragten Eva Högl zur aktuellen Situation in der Bundeswehr
Bericht 2020 der Wehrbeauftragten, Eva Högl, zur aktuellen Situation in der Bundeswehr - Vorstellung des Berichtes am 23. Februar 2021 in der Bundespressekonferenz

Die Wehrbeauftragte wird vom Bundestag für fünf Jahre gewählt. Damit überspannt sie den Zeitraum einer normalen Legislaturperiode. Das verschafft ihrem Sonderstatus eine entsprechende Geltung und fraktionspolitische Unabhängigkeit. Sie berichtet an den Verteidigungsausschuss des Bundestages, ist diesem aber administrativ nicht unterstellt. Der Bundestag und dessen Verteidigungsausschuss können der Wehrbeauftragten aber Weisungen erteilen. Darüber hinaus ist sie von Weisungen frei. Sie selbst darf Truppenbesuche ohne Voranmeldung durchführen. Dabei sind ihr alle gewünschten Unterlagen vorzulegen oder die entsprechenden Zugänge zu gewähren. Bei besonders geheimen Einrichtungen kann ihr nur durch Beschluss der Ministerin der Zugang verweigert werden. Das schafft ein Höchstmaß an Transparenz und Klärungsmöglichkeiten.

2020 wurden 3.907 Fälle bearbeitet, die sich entweder per Eingabe, durch meldepflichtige Ereignisse, bei Gesprächen am Rande von Truppenbesuchen oder durch Presseberichte ergeben hatten. Der größte Teil stammte aus persönlichen Eingaben, die vorrangig von Unteroffizieren und Mannschaftssoldaten eingereicht wurden. Es gab auch 35 anonyme Eingaben, die per Gesetz (WBeauftrG § 8) nicht bearbeitet, aber durchaus zur Kenntnis genommen werden. Gemäß Dienstvorschrift A-2600/2 dürfen Soldaten, die eine solche Eingabe machen, keine Benachteiligungen entstehen. Wer sich an die Wehrbeauftragte wendet, kann das direkt tun - ohne Einhaltung eines Dienstweges. Damit fungiert die Wehrbeauftragte als Petitionsausschuss für Soldaten. Ganz pfiffige Petenten richten ihr Anliegen zusätzlich an den Petitionsausschuss des Bundestages. Hier besteht aber ein reger Austausch, so dass die Vorgänge letztlich doch bei der Wehrbeauftragten landen und dort bearbeitet werden.

Wer den Bericht liest, wird immer wieder über dieselben Knackpunkte stolpern: Kommunikation, Bürokratie, widersprüchliche Rechtsgrundlagen und mangelnde Flexibilität. Wo Kummunikation und Flexibilität klappen, funktioniere es laut Eva Högl auch sehr gut mit der Teamarbeit, der Berufszufriedenheit und der bravourösen Erledigung von Aufträgen. Geldmangel ist inzwischen kein Thema mehr. Dafür aber die genannten Defizite in Struktur und Denkmustern. Gerade in den haarsträubenden Passagen zur Personalentwicklung, der Materialausstattung, der Digitalisierung und den Liegenschaften steht sich die Bundeswehr oft selbst im Weg oder wird durch Referenzbehörden der zuständigen Bundesländer blockiert.

Bericht 2020 der Wehrbeauftragten Eva Högl zur aktuellen Situation in der Bundeswehr
Bericht 2020 der Wehrbeauftragten Eva Högl zur aktuellen Situation in der Bundeswehr - Besonders traurig sieht es für Piloten und Fallschirmspringer aus. - Archivfoto 9/2020

Beispielsweise verlieren Piloten ihre Lizenzen oder Fallschirmspringer erleiden vermehrt Unfälle, weil keine Fluggeräte verfügbar sind oder kein Personal, das diese Geräte wartet oder bewegt. Damit fehlen die notwendigen Flugstunden oder Pflichtsprünge. Hinzu kommen ausgelaufene Wartungsverträge wegen Überalterung von Technik. Die Luftwaffe und luftmobilen Heereseinheiten befinden sich deshalb in einer sich technisch und personell gegenseitig befruchtenden Abwärtsspirale. Das sorgt für berechtigte Frustration bei hoch qualifiziertem Personal und Bereitschaftslücken bei der Landes- und Bündnisverteidigung.

Wenn es um qualifiziertes Personal geht, hat die Wirtschaft immer noch die Nase vorn: Wer sich nachhaltig in der freien Wirtschaft behauptet hat und nun mal etwas anderes machen möchte, wird durch Papierkrieg, elend lange Bearbeitungszeiten, praxisferne Einstellungstests, lustlose Kommunikation und unflexible Regeln für den Einstiegsdienstgrad und die Vergütung abgeschreckt. Gelingt solch ein Seiteneinstieg doch einmal, muss sich der neue Kamerad mit dem Neid der Bestandskameraden auseinandersetzen, die sich über Jahre hinweg hochgedient haben. Auch auf diese Befindlichkeiten geht der Bericht ein und zeigt damit, wie umfänglich die Themen betrachtet werden.

Überhaupt ist zwischen den Zeilen zu lesen, wie hoch die Wertschätzung der Wehrbeauftragten gegenüber den Soldaten und ihrem Dienst ist. Defizite werden nüchtern beim Namen genannt, Ursachen werden ermittelt und durchgeführte Maßnahmen lobend erwähnt. Es erfolgt keine parteipolitische Polemik über Sinn und Zweck der Bundeswehr, sondern eine professionelle Auseinandersetzung mit den oben genannten Themenkomplexen von Corona bis Fürsorge.

Eva Högls Vergangenheit als Juristin schwingt im gesamten Jahresbericht mit. Mehrfach geht sie auf juristische Widersprüche oder überholte Regeln ein, die dringend überarbeitet werden müssen. Ablesen lässt sich ferner die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium. Bis auf wenige Meinungsverschiedenheiten scheint sie ein gutes Verhältnis zu den dortigen Entscheidungsträgern aufgebaut zu haben, ohne sich jedoch deren Einfluss zu unterwerfen. Sind wir also gespannt, wie viel von ihrem ehrlichen - und an vielen Stellen schonungslosen - Bericht in der näheren Zukunft umgesetzt wird. Immerhin liefert das Papier auch jede Menge Lösungsvorschläge.

Autor: Matthias Baumann