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Dienstag, 10. Juni 2025

Verfassungsschutzbericht 2024 in der Bundespressekonferenz vorgestellt

Heute wurde in der Bundespressekonferenz der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2024 vorgestellt.

Die begehrten und kurzweilig zu lesenden Bücher mit den 400 Seiten wurden heute besonders gut bewacht und durften offiziell erst mit Beginn der Pressekonferenz abgegeben werden. Normalerweise haben die Journalisten vorab noch zehn bis zwanzig Minuten Zeit, die Unterlagen zu sichten und ihre Fragen darauf abzustimmen. Diesmal nicht.

Schwerpunktmäßig drehte sich die Pressekonferenz mit Innenminister Dobrindt und Sinan Selen (Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, BfV) um ein mögliches AfD-Verbot und die Einflussnahme anderer Staaten auf Deutschland. Dabei wurden immer wieder Personen erwähnt, die sich niederschwellig von anderen Geheimdiensten anwerben ließen und bestimmte Aufgaben erfüllten. Der chinesische General Sun Tsu benannte diese Personen schon vor 2.500 Jahren als „todgeweihte Spione“, da sie keinen Teil der Strukturen ihrer Auftraggeber darstellen und daher nach getaner Arbeit fallen gelassen werden können. In anderen Kontexten hat sich der Begriff „nützlicher Idiot“ (useful idiot) etabliert.

Die anderen Phänomenbereiche Rechtsextremismus, Linksextremismus inklusive Klima-Aktivismus, Islamismus und ausländische Ideologie kamen nur am Rande vor und wurden auch nicht wirklich abgefragt.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 9. April 2025

Kriminalstatistik 2024 in der Bundespressekonferenz vorgestellt

Am 2. April 2025 wurde in der Bundespressekonferenz die Kriminalstatistik für das Jahr 2024 vorgestellt.

Innenministerin Faeser, BKA-Präsident Münch und der Bremer Innensenator, Mäurer, standen der Presse Rede und Antwort. Schwerpunkt der Kriminalitätsstatistik und der Pressekonferenz war die überproportionale Zahl ausländischer Tatverdächtiger. Diese übersteigt in Relation zum jeweiligen Bevölkerungsanteil deutlich die kriminelle Energie von Deutschen.

Seite 53 des Berichtes listet die Nationalitäten als Top 25 auf. Führend sind Syrer (12,6%), Türken (10,2%) und Rumänen (7,1%), gefolgt von Ukrainern (6,1%) und Afghanen (5,4%) im Ranking innerhalb der nichtdeutschen Tatverdächtigen. Insgesamt sind 41,8 % aller Tatverdächtigen nichtdeutsch. Auffällig ist, dass die hochkriminellen Clans mit palästinensischen Wurzeln in der Aufstellung nicht erwähnt werden. Diese werden bei Jordaniern, Libanesen und Staatenlosen mitgezählt. Staatenlose machen in der Statistik 23,7% aller nichtdeutschen Tatverdächtigen aus.

Hier unser Komplettmitschnitt der Pressekonferenz:


Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 11. Februar 2025

NSR Nationaler Sicherheitsrat nach dem Modell von Christina Moritz

Die Politikwissenschaftlerin Christina Moritz beschäftigt sich schon lange mit einem passgenauen Konzept für den Nationalen Sicherheitsrat (NSR) in Deutschland. International gibt es verschiedene Vorbilder, die aber nur bedingt auf Deutschland adaptierbar sind. Hier spielt auch unser föderales System und die damit verbundenen Zuständigkeiten eine Rolle.

Um das 4-teilige Konzept des NSR zu veranschaulichen, haben wir gemeinsam ein Erklär-Video mit LEGO-Steinen und PLAYMOBIL-Figuren erstellt. Bei den Dreharbeiten stellte sich heraus, dass ein enges Gefüge aus Blaulichtorganisationen, Militär, Nachrichtendiensten und Zivilgesellschaft für Stabilität und Resilienz sorgt. Dazu hatten wir verschiedene Aufstellungen mit LEGO-Steinen beworfen. Lose Aufstellungen – synonym für unkoordinierte Verteilung der Zuständigkeiten – fielen den Steinen schnell zum Opfer. Die enge Aufstellung des NSR bewies sich hingegen als äußerst widerstandsfähig.

Christina Moritz hofft, dass nach einer möglichen Ablösung der Ampel-Regierung, endlich ein NSR in Deutschland installiert werden kann. 


Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 15. Dezember 2022

Aussagekräftiges Lagebild zu den aus der Ukraine geflüchteten Menschen

Endlich liegen belastbare Zahlen vor. In der Bundespressekonferenz wurde heute die Studie "Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland - Flucht, Ankunft und Leben" vorgestellt. Diese basiert auf einer Befragung von 11.225 Ukrainern im Alter zwischen 18 und 74 Jahren. Das entspricht mehr als 1% der ab dem 24. Februar 2022 nach Deutschland geflüchteten Ukrainer. Durch die Anzahl der Teilnehmer und verschiedene Plausibilitätsprüfungen ist die Qualität der Befragung sehr hoch und entsprechend repräsentativ. Um das Vorhaben niederschwellig zu gestalten, wurden die Fragen auf Ukrainisch oder Russisch gestellt. 93% der Teilnehmer möchten auch an der nächsten Befragung teilnehmen.

Die Studie beleuchtet die verschiedenen Aspekte des Ankommens und Lebens in Deutschland. Um das möglichst kompetent abbilden zu können, haben sich das DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung), das IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung), das BAMF-FZ (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) sowie das BiB (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung) zusammengetan.

Das Fluchtmotiv ist eindeutig der Krieg in der Ukraine. Zwei Drittel stammen aus den unmittelbaren Kriegsgebieten. Geflohen sind hauptsächlich Frauen mit Kindern. Das Durchschnittsalter liegt bei 28 Jahren. Die wenigen Männer sind entweder Senioren, sind direkt nach Kriegsbeginn ausgereist oder wurden aus sozialen Erwägungen von der Einberufung freigestellt.

Die befragten Ukrainer verfügen über ein außergewöhnlich hohes Bildungsniveau, das jedoch nur teilweise mit deutschen Bildungswegen vergleichbar ist - insbesondere, was das duale Ausbildungssystem betrifft. Intelligenz und Motivation machen sich jedoch durch schnelles Erlernen der deutschen Sprache bemerkbar. Sprachkompetenz ist ein entscheidender Schlüssel für den Einstieg am Arbeitsmarkt. Der Fachdeutsche spricht von "Wertsteigerung des Humankapitals". Auf Nachfrage wurde bestätigt, dass es durch ukrainische Fachkräfte keine Verdrängungsmechanismen gäbe. Ganz im Gegenteil: Damit Deutschland seinen Fachkräftebedarf halte, sei ein jährlicher Nachschub von 400.000 Kräften notwendig. Die aktuell zugezogenen Ukrainer decken gerade einmal 300.000 ab. Viele davon möchten ohnehin wieder zurück in ihre Heimat. Je nach Zukunftsplanung lernen sie dann schneller Deutsch und integrieren ihre Kinder im Bildungssystem. Viele der Kinder gehen in deutsche Schulen und absolvieren zusätzlich ukrainischen Online-Unterricht.

Wer Deutschland als Fluchtort wählt, hat hier bereits Verwandte oder Bekannte. Die persönliche Beziehung spielt eine sehr große Rolle. Das ist wohl auch der Grund, warum nur 9% in Massenunterkünften leben und 74% in privaten Wohnungen. Dass eine Vielzahl der Ukrainer ihren Wohnsitz selbst wählt, zeugt von einer hohen Resilienz gegenüber der Situation und dient gleichzeitig der schnellen Integration in die deutsche Gesellschaft und den Arbeitsmarkt. Laut IAB haben Marktanalysen ergeben, dass auch die Fluchtbewegungen von 2015 die Beschäftigung in Deutschland belebt hätten.

Die Experten machten jedoch klar, dass es in erster Linie um den humanitären Aspekt gehe und das Thema Fachkräfte erst an zweiter Stelle stehe. So sei das Trauma des Krieges mit Flucht, Trennung, Verwundung und Tod aktiv zu bearbeiten. Zudem sei auf die eingeschränkten Möglichkeiten alleinerziehender Mütter einzugehen. Um die Zahlen der Studie zusammenzufassen: Die Ukrainer stellen eine Bereicherung für die deutsche Gesellschaft und die deutsche Wirtschaft dar. Sie sind gebildet, bringen Berufserfahrung mit, sind jung, nehmen Unterstützung gerne an und bemühen sich um eine schnelle Integration.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 9. Juni 2022

Verfassungsschutzbericht 2021 und die Delegitimation des Staates

Pünktlich zur Urlaubszeit erschien auch in diesem Jahr wieder der jährliche Verfassungsschutzbericht. Die Lektüre der weit über 300 Seiten eignet sich hervorragend für laue Sommerabende, an denen die Kinder noch einmal über das Grundstück tollen und die Frau noch ein Bad zur Abkühlung im Pool nimmt. Der Verfassungsschutzbericht 2021 ist wieder gut, spannend und kurzweilig geschrieben und fesselt den Leser insbesondere beim Bereich Linksextremismus.

Verfassungsschutzbericht 2021 durch Innenministerin Faeser und Verfassungsschutz-Präsident Haldenwang in der Bundespressekonferenz vorgestellt
Verfassungsschutzbericht 2021 durch Innenministerin Nancy Faeser und Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang in der Bundespressekonferenz vorgestellt

Zwei wesentliche Unterschiede gibt es zu den Berichten der Vorjahre: Das Vorwort wurde nicht von Horst Seehofer geschrieben und der neue Bereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimation des Staates" kam hinzu. Analog der kürzlich veröffentlichten Statistik zur politisch motivierten Kriminalität (PMK) sieht sich auch der Verfassungsschutz mit einer Ablehnung der demokratischen Grundordnung konfrontiert, die sich heterogen durch die Bevölkerung zieht. Noch konnte kein klares Profil des Delegitimierers erstellt werden, so dass die PMK aktuell ihre Schublade "nicht zuordenbar" dafür aufgemacht hat. Der Verfassungsschutz analysiert in seinem Bericht die aktuelle Entwicklung und das Gefährdungspotenzial und kommt zu dem Schluss, dass aktuelle und zukünftige Krisen verstärkt zur Delegitimation des Staates genutzt werden. befeuert werde das durch Verschwörungstheorien und gezielt eingestreute Desinformationen. Die Delegitimation zeige ideologische Schnittmengen zum Rechtsextremismus, zum Linksextremismus, der Reichsbürgerszene und zu "geheimdienstlichen Aktivitäten" internationaler Akteure.

Hier bearbeitet Russland schon seit vielen Jahren sehr effektiv die Denkstrukturen der deutschen Bevölkerung. Das auf Deutsch publizierte russische Staatsfernsehen besetzt schon lange die politischen Tabuthemen, um sich als freies Informationsmedium zu etablieren. Die Taktik ist so simpel wie genial: Einfach dem Zuschauer das sagen, was er hören möchte - egal, ob es der Wahrheit entspricht oder ob es förderlich für das Gemeinwohl ist. Während vor einem Jahr noch Gelächter durch die Pressekonferenzen schallte, wenn Fragen zu Desinformation und Einflussnahme durch eine "fremde Macht" gestellt wurden, gibt es nun endlich eine eigene Rubrik im Verfassungsschutzbericht.

Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine haben auch die Cyberangriffe auf deutsche Computersysteme zugenommen. Bei Russland, China, Iran und der Türkei werden die höchsten Spionageaktivitäten beobachtet. Dabei geht es um die Ausspähung von Oppositionellen, die Beschaffung von Informationen zu geplanten Entscheidungen der Bundesregierung bis zur gezielten Einflussnahme auf die öffentliche Meinung.

Betrachtet man die Zahlen, stellt der Rechtsextremismus nach wie vor die höchste Bedrohungslage dar. Das relativiert sich allerdings bei einem Blick auf die Art der Vorkommnisse. Denn in der Gewaltbereitschaft steht der Linksextremismus seinen rechten Gegnern in nichts nach. Der Unterschied ist nur, dass auf der rechten Seite eine hohe Waffenaffinität vorherrscht und auf der linken Seite ein taktisch hochprofessionelles Vorgehen beim Begehen politisch motivierter Straftaten.

Um "Islamismus / islamistischen Terrorismus" und "auslandsbezogenen Extremismus" ist es während der Corona-Pandemie etwas ruhiger geworden. Das sollte jedoch nicht über das gleichbleibend hohe Gefährdungspotenzial hinwegtäuschen. Interessant sind die gut analysierten Freund-Feind-Szenarien beispielsweise im Verhältnis der Taliban zu anderen extremistischen Gruppierungen.

Wie schon bei der Vorstellung des Berichtes zur politisch motivierten Kriminalität zeigte sich Innenministerin Faeser auch in dieser Pressekonferenz entschlossen, "konsequent" vorzugehen. Dass das tatsächlich konsequent umgesetzt wird, zeigen die Ausführungen zu Gerichtsurteilen. Was die "verfassungsschutzrelevante Delegitimation des Staates" betrifft, müsse insbesondere die Desinformation als deren Treibstoff "neutralisiert" werden. Beim Wort "neutralisieren" zucken Bundeswehrangehörige zusammen. Es zeigt jedoch, wie ernst das inzwischen genommen wird.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 30. Mai 2022

BKA stellt Fallzahlen und Erfolge bei der Bekämpfung des sexuellen Kindesmissbrauchs vor

Es tut sich etwas bei der Bekämpfung des sexuellen Kindesmissbrauchs. Wer die Pressekonferenzen zu diesem Thema in den letzten Jahren verfolgt hat, wird die schnelle Entwicklung bei der Ermittlung der Täter bestätigen können.

Das reine Zahlenmaterial erweckt zwar den Eindruck, dass es einen sprunghaften Anstieg bei den Taten gibt. Das relativiert sich aber, wenn die neuen Methoden zur Ermittlung betrachtet werden. So sind britische und amerikanische Stellen aktiv dabei, Internetinhalte nach relevanten Abbildungen zu durchsuchen und verbessern durch technische Innovationen immer mehr ihre Trefferquote. Das National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC - Nationales Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder) aus den USA hatte 2021 knapp 30 Millionen Hinweise erhalten. Das ist eine enorme Steigerung gegenüber 2020, wo es 21,7 Millionen Hinweise gab.

BKA und die Unabhängige Beauftragte, Kerstin Claus, stellen Fallzahlen und Erfolge bei der Bekämpfung des sexuellen Kindesmissbrauchs vor
BKA-Chef Holger Münch und die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, stellen in der Bundespressekonferenz die Fallzahlen und Erfolge bei der Bekämpfung des sexuellen Kindesmissbrauchs vor.

Laut BKA-Chef Holger Münch werde inzwischen auch KI (Künstliche Intelligenz) eingesetzt, die eine Trefferquote von 98% erziele. Hilfreich seien auch Hash-Datenbanken, die bereits ausgewertetes Bildmaterial erfassen, um redundante Prüfungen zu vermeiden. Automatisierung sei sehr wichtig, da man bei der Menge der Fälle an personelle Grenzen stoße. Zudem müsse das wachsende Datenvolumen sinnvoll gehandhabt werden. Bei der Aufbewahrung von IP-Adressprotokollen seitens der Internetprovider wünscht sich Holger Münch die Verlängerung von einer auf zehn Wochen. Dennoch seien die geschaffenen Automatismen inzwischen so schnell, dass man auch schon bei einer Woche hohe Ermittlungsraten erzielen könne.

Das Anfertigen von Bildmaterial hat also eine erhebliche Beweiskraft und kann auch nach vielen Jahren noch zur Überführung der Täter dienen. Deshalb weichen die Ersteller und Nutzen dieser Inhalte zunehmend in Netzwerke aus, in denen sie sich in einem rechtsfreien Raum wähnen. Holger Münch macht jedoch deutlich, dass es sich hier um einen Verbrechenstatbestand handelt, der auch entsprechend offline verfolgt werde. Er appelliert an die Öffentlichkeit: "Erstatten Sie Anzeige!" und "Sensibilisieren Sie die Kinder!"

Sollten diese Straftaten nicht mit Bildmaterial dokumentiert werden, hilft oft nur der vertrauensvolle Gang zur Mama. Leider ist es noch viel zu oft der Fall, dass die Mama eher dem missbräuchlichen "Onkel" glaubt, als dem Kind. "Nein, Onkel Soundso macht sowas nicht." ist dann zuweilen die Aussage, die das Kind in ein doppeltes Trauma hineinrutschen lässt. Das Kind muss dann einerseits die Straftat und andererseits den eklatanten Vertrauensbuch der Mutter verarbeiten. Gekrönt wird das nicht selten mit einer Bloßstellung des Kindes innerhalb der Familie.

Hier setzt die Unabhängige Bevollmächtigte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, an. In den nächsten Wochen soll eine großangelegte Aufklärungskampagne aufgesetzt werden, die den Fokus auf diese familieninterne Verletzungskaskade lenkt. Laut Kerstin Claus sei hier noch viel zu tun. Momentan begegne sie noch zu oft der Einstellung: "Ja, sowas passiert. Aber nicht bei uns!"

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 10. Mai 2022

Politisch motivierte Kriminalität 2021 und der Phänomenbereich "nicht zuzuordnen"

Bis zur Corona-Pandemie waren politisch motivierte Straftaten leicht zu kategorisieren. Anhand des Schadensbildes konnte die Polizei Rückschlüsse auf den Täter ziehen. War ein Plakat der Linken beschädigt worden, war klar, dass der Täter "PMK rechts" zuzuordnen ist. War ein PKK-Anhänger verprügelt worden, lies sich das im Bereich "PMK ausländische Ideologie" verorten. Bei der Beschädigung einer Synagoge war das schon etwas schwieriger, da Judentum und Israel ein Feindbild für verschiedene Gruppierungen darstellen. Begleitende Tatbekenntnisse, ließen aber in der Regel schnell die entsprechenden Rückschlüsse auf "PMK rechts", "PMK links", "PMK religiöse Ideologie" oder "PMK ausländische Ideologie" zu.

Die Abkürzung PMK steht für die politisch motivierte Kriminalität, die bisher in fünf Kategorien eingeteilt wurde: rechts, links, ausländische Ideologie, religiöse Ideologie und nicht zuzuordnen.

Innenministerin Faeser und BKA-Chef Münch stellen die Fallzahlen der Politisch motivierten Kriminalität PMK 2021 vor.
Innenministerin Faeser und BKA-Chef Münch stellen in der Bundespressekonferenz die Fallzahlen der politisch motivierten Kriminalität PMK 2021 vor.

Mit der Pandemie und den Protesten gegen die Hygieneregeln sah sich die Polizei plötzlich einem diffusen Lagebild der PMK ausgesetzt. Plötzlich wurden kreuz und quer durch die gesellschaftlichen Schichten Straftaten begangen, die nicht mehr klar in eine der vier Hauptkategorien passten und unter "nicht zuzuordnen" verbucht werden mussten.

Die Annahme, dass die Corona-Proteste von extremistischen Gruppen unterwandert und als Resonanzraum genutzt werden, hat sich nur marginal bestätigt. Offensichtlich haben Angst und Sicherheitsbedürfnis in breiten Teilen der Bevölkerung zu einer Hinwendung an Verschwörungsnarrative geführt. Diese Verschwörungstheorien haben eine in sich geschlossene Logik, so dass sie zumindest das Gefühl von Sicherheit vermitteln. Da sie einer Prüfung durch Fakten normalerweise nicht standhalten, müssen sie permanent nachjustiert werden. Die Wirkung auf deren Anhänger hat religiöse Ausmaße, so dass es zu entsprechenden Radikalisierungen kommt, die letztlich auch in Gewaltdelikten wie Mord gipfelt. Hier seien der Tankstellen-Mord von Idar-Oberstein oder der Familien-Selbstmord in Königs-Wusterhausen erwähnt. Das Bundeskriminalamt arbeitet nun an einem ergänzenden Täterprofil, um eine differenziertere Betrachtung dieser neuen Täterklientel zu ermöglichen. Wohl erst dann kann auch eine wirkungsvolle Prävention stattfinden.

"PMK nicht zuzuordnen" deckt die gesamte Bandbreite der Straftaten im Bereich PMK ab: Sachbeschädigung, Propagandadelikte, Beleidigung, Volksverhetzung, Körperverletzung, Hasskriminalität bis zu direkten Angriffen auf Mandatsträger, Polizei und Verfassungsorgane. Neben Corona waren auch die Wahlen im September 2021 Anlass für Straftaten. Hier halten sich die Delikte mit 7.142 (Corona) und 7.298 (Wahlen) fast die Waage.

Insgesamt ist "PMK rechts" mit 21.964 Fällen immer noch der Spitzenreiter, direkt gefolgt von "PMK nicht zuzuordnen" mit 21.339 Fällen. "PMK links" hat mit 10.113 Fällen in etwa das Vorjahresniveau gehalten. Allerdings haben sich die Zahlen von "PMK rechts" und "PMK links" leicht in Richtung "PMK nicht zuzuordnen" verschoben. "PMK ausländische Ideologien" und "PMK religiöse Ideologien" rangieren zahlenmäßig auf einem sehr niedrigen Niveau. Das sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bedrohungslage in diesen beiden Bereichen nach wie vor akut ist. So hatz das BKA festgestellt, dass "die jeweilige Diaspora diesbezüglich als relevant empfundene Ereignisse im Ausland" dazu nutzt, "die Sicherheitslage in Deutschland auch tagesaktuell nachdrücklich zu beeinflussen."

Innenministerin Faeser scheint entschlossen, die politisch motivierte Kriminalität zu bekämpfen. Auf den 1,5 Seiten ihrer Presseerklärung taucht fünf Mal das Wort "konsequent" auf: "konsequentes Vorgehen", "konsequentes Einschreiten", "spürbare Konsequenzen", "konsequent schützen" und "konsequent zuschlagen". Insbesondere das "konsequente Zuschlagen" verzeichne erste Erfolge. BKA-Chef Münch drückte das etwas gemäßigter aus und sprach von der "wehrhaften Demokratie".

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 16. Juli 2021

Verfassungsschutzbericht 2020

Die 381 Seiten des aktuellen Verfassungsschutzberichtes sind eine geeignete Lektüre für die Sommerzeit. Mitte Juni hatten Innenminister Seehofer und Verfassungsdienst-Chef Haldenwang den Bericht in der Bundespressekonferenz vorgestellt. Da sich auch der fitteste Journalist in den 15 Minuten vor der Pressekonferenz keine 381 Seiten durchlesen kann, gab es auch kleine Heftchen mit der Zusammenfassung des Berichtes.

Gegenüber den Vorjahren hat sich nicht viel geändert. Die Gefährdung durch Rechtsextremisten, Reichsbürger und Selbstverwalter ist nach wie vor hoch. Der Linksextremismus wird zusehends aggressiver und optimiert seine Taktik. Das Potenzial islamistischer Gefährder ist gleichbleibend kritisch und die Themenbereiche Spionage und Einflussnahme durch "fremde Mächte" steigt simultan zur Digitalisierung an.

Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang und Innenminister Horst Seehofen stellen den Verfassungsschutzbericht 2020 in der Bundespressekonferenz #BPK vor.
Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang (links) und Innenminister Horst Seehofen stellen den Verfassungsschutzbericht 2020 in der Bundespressekonferenz #BPK vor.
Hervorzuheben sind die Entwicklungen, die sich durch Corona ergeben haben. Mit der Querdenken-Bewegung sind neue Player auf dem Radar des Verfassungsschutzes aufgetaucht. Die Akteure lassen sich nicht mehr eindeutig rechts oder links verorten, sondern stellen eine Melange sämtlicher Gesellschaftsschichten und Ideologien dar. In den Statistiken zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK), die den Bericht eröffnen, werden die neuen Strömungen als "PMK - nicht zuzuordnen" geführt. Die Corona-Maßnahmen haben frühere physische Taten in den virtuellen Raum verlagert. In 2020 sind vorrangig Propaganda, Emotionalisierung und Rekrutierung gelaufen, die nach Corona in eine physische Entladung münden können.

Eine neue Qualität der physischen Entladung ist insbesondere beim Linksextremismus festzustellen. Das Prinzip, Gewalt nur als letztes Mittel anzuwenden, gilt nicht mehr. Stattdessen werden kleine, schlagkräftige Gruppen gebildet, die gezielt ihre politischen Gegner "besuchen". Dabei spiele es keine Rolle, ob es tatsächliche Gegnger sind, oder diese nur als solche wahrgenommen werden. Es spiele auch keine Rolle, ob der vermeintliche Gegner anschließend zum Krankenhaus oder auf den Friedhof gefahren werden müsse. Den Tätern wird eine erhebliche Brutalität nachgesagt. In der Pressekonferenz zeigte sich Horst Seehofer erschüttert über eines der Beispiele. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass sich mehrere Seiten des Berichtes mit den verschiedenen extremistischen Strukturen der SED-Nachfolgerin, DIE LINKE, beschäftigen. DIE LINKE unterstützt und finanziert beispielsweise die "Sozialistische Linke" (SL), die "Kommunistische Plattform" (KPF) oder die "Antikapitalistische Linke" (AKL).

Auf Wahrnehmungen und Emotionen stützt sich auch die Mobilisierung ausländischer Gefährder. Ohne islamistischen Hintergrund ist in diesem Bereich die autoritär geführte PKK aktiv. Diese wird schon lange vom Verfassungsschutz beobachtet und drückt immer wieder erfolgreich die Knöpfe der ethnischen Emotionen. Die Konflikte laufen aber in der Regel zwischen begeisterten Kurden und nationalistischen Türken, wie den Grauen Wölfen (Ülkücü), ab. Islamistische Gruppen nutzen Deutschland als Rückzugsland. Hier werden "Kämpfer" rekrutiert und Spenden gesammelt. Dennoch sind Anschläge nicht auszuschließen, da simple Ausdrucksformen der Meinungsfreiheit die Emotionen dieser Personengruppe aufwallen lassen können.

Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang und Innenminister Horst Seehofen stellen den Verfassungsschutzbericht 2020 in der Bundespressekonferenz #BPK vor.
Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang und Innenminister Horst Seehofen stellen den Verfassungsschutzbericht 2020 in der Bundespressekonferenz #BPK vor.

Vor den wenigen Seiten zur Scientology-Organisation geht es im Bericht um Spionage, Sabotage und Einflussnahme durch "fremde Mächte". Diese "fremden Mächte" werden benannt. Im Schwerpunkt handelt es sich um die vier Staaten China, Russland, Iran und Türkei. Diese haben unterschiedliche Schwerpunkte: China geht es um den Ausbau seiner Seidenstraße, die Beschaffung von deutschem Know-how und die Beobachtung chinesischer Oppositioneller im Ausland. Die Bekämpfung der eigenen Opposition ist auch ein wichtiges Arbeitsfeld des Iran. Wobei dieser auch an einer Aufweichung und Umgehung der Sanktionen interessiert ist. Die Türkei sucht Deutschland mit Islamismus und türkischem Nationalismus zu unterwandern und nutzt dazu jede Möglichkeit der Einflussnahme. Russland setzt seine lange Tradition der Einflussnahme per Desinformation fort und ist dabei sehr erfolgreich. Schließlich gehört dazu auch die Unterstützung destruktiver Gruppen und das Stärken vorhandener Ängste. Russland will aber auch die Last der Sanktionen lindern und nimmt deshalb deutsche Firmen in den Fokus. Die Türkei und Russland haben durch ihr umfangreiches "Residenturpersonal" und nach Deutschland Eingewanderte ein leichtes Spiel hierzulande.

Der nächste Bericht wird vermutlich Einiges zur Querdenken-Bewegung enthalten. Diese wird seit Ende April vom Verfassungsschutz beobachtet. Querdenken verschiebt übrigens auch die Statistik, da die schwäbischen Initiatoren ihre Aktionen nach Berlin verlagern. So stellt Berlin neben Nordrhein-Westfalen und Bayern einen Hotspot der Politisch motivierten Kriminalität dar.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 11. Mai 2021

PMK: Trends bei der Politisch motivierten Kriminalität im Jahr 2020

Wenn ein Thema "trendet", denkt der gut informierte Bundesbürger an Twitter. Je öfter ein Hashtag - älteren Leuten als Doppelkreuz oder Raute bekannt - in Kommentaren bei Twitter auftaucht, umso eher landet es in den Twitter-Trends. Dann trendet es. Das kann #Baerbock, #Thunberg, #Duplo oder #Sonstwas betreffen. Während #COVID19 hat sich auch bei der #Kriminalität einiges verschoben, so dass ein Blick in die neueste Statistik der #PMK, also der Politisch motivierten Kriminalität, lohnt.

PMK: Trends bei der Politisch motivierten Kriminalität im Jahr 2020
Innenminister Horst Seehofer und Bundeskriminalamt (BKA) stellten am 4. Mai 2021 in der Bundespressekonferenz die Trends bei der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) im Jahr 2020 vor.

Innenminister Seehofer hatte im letzten Jahr mehrfach betont, dass die PMK von rechts derzeit die größte Herausforderung darstelle. Und tatsächlich bewegen sich die Zahlen weiterhin auf hohem Niveau. Allerdings sollten diese Zahlen differenziert betrachtet werden. 13.659 von 23.604 Delikten aus dem rechten Täterspektrum sind Propagandadelikte, während links nur 118 von 10.971 Delikten in den Bereich Propaganda fallen. Die größte Zuwachsrate von über 29% weist PMK ohne klare Zuordnung auf. Das sind kriminelle Handlungen, deren Täter weder rechts, noch links, noch religiös, noch einer ausländischen Ideologie anhängend zu verorten sind. Hier kommt #COVID19 ins Spiel:

Die 8.624 nicht zuordenbaren Taten liefen weitestgehend im Internet ab und waren Hasspostings oder Beleidigungen. Der Zorn dieser Tätergruppe entlud sich aber nicht nur verbal. Es kam auch in 1.701 Fällen zu tätlichen Angriffen auf die Polizei, Amtsträger oder Mandatsträger. Das ist aber vergleichsweise wenig gegenüber dem, was die gewaltbereite linke Szene in 2020 ablieferte. Mit 2.873 Straftaten gegen die Polizei traten Linke doppelt so aggressiv auf wie rechte Täter. Ähnlich sieht es in der Gesamtauswertung von Körperverletzungen und Tötungsdelikten aus. Während Rechts einen Anstieg um knapp 11% auf 1.092 Straftaten verzeichnete, legte Links um etwa 45% zu und konnte 1.526 Fälle verbuchen. Die Lücke zwischen den beiden Zahlen wurde durch die nicht zuordenbaren Gewaltausbrüche geschlossen. Hier gab es eine Steigerung um knapp 50% auf 591 Fälle.

Rechte Straftaten wurden überwiegend aus fremdenfeindlichen (9.420), ausländerfeindlichen (5.298) oder rassistischen (2.899) Motiven begangen. Eine beachtenswerte Opfergruppe waren Repräsentanten religiöser Gemeinschaften, die im Vergleich zum Vorjahr viermal so oft angegriffen wurden. 90% der Delikte gegen Religionsgemeinschaften gingen von rechts aus. Die physische Gewalt in diesem Bereich lag bei 3%. Moscheen (103) und Kirchen (100) waren ähnlich stark betroffen, während Angriffe auf Synagogen (24) deutlich seltener zu verzeichnen sind.

Auch wenn Straftaten aus Motivation einer "religiösen Ideologie" mit ihren 477 Fällen im Gesamtkontext schon fast belanglos wirken, sollte dieser Bereich nicht vernachlässigt werden. So warnt der Bericht des BKA (Bundeskriminalamt) ausdrücklich vor einer anhaltend hohen Gefährdungslage durch Jihadisten und selbstradikalisierte Einzelpersonen: "Als Tatimpuls können nahezu beliebige - mithin auch subjektiv als islamfeindlich empfundene - Ereignisse, Äußerungen oder Handlungen, jihadistische Internetpropaganda oder rein intrinsische Faktoren wirken."

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 16. April 2021

Horst Seehofer stellt die Kriminalstatistik 2020 vor

Die Polizeiliche Kriminalstatistik 2020 (PKS) wurde maßgeblich von Corona beeinflusst. Im letzten Jahr wurden noch Prognosen zu möglichen Verschiebungen abgefragt. In diesem Jahr liegen die Zahlen auf dem Tisch. So waren Erpressungen, ausländerrechtliche Verstöße, Beförderungserschleichung, Raubdelikte, Straftaten gegen das Waffengesetz und Diebstähle insgesamt um 5% zurückgegangen. Auch die Zahl der Tatverdächtigen sank erstmals unter die Marke von 2 Millionen seit 2006. Zudem wurde mit 58,4% die beste Aufklärungsquote im 15-jährigen Vergleichszeitraum erzielt.

Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 - Bundesinnenminister Horst Seehofer #BPK
Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 - Bundesinnenminister Horst Seehofer (Archivfoto: Mai 2020)

Die Ladendiebstähle gingen um 6,7% zurück. Das klingt erst einmal ganz nett, relativiert sich aber in Sicht auf die vielen Lockdowns. Demnach haben Ladendiebe gemessen an den zeitlichen Gelegenheiten deutlich mehr gestohlen. Bei den unterschiedlichen Diebstahlszenarien erschreckt die niedrige Aufklärungsquote. Während der Ladendiebstahl noch zu 90% aufgeklärt wird, können bei Diebstahl von Fahrrädern, Kreditkarten, Kraftfahrzeugteilen und Tascheninhalten nur zehn oder weniger Prozent der Täter ausfindig gemacht werden. Ernüchternd ist auch die Ermittlung der Täter bei Wohnungseinbrüchen. Die Quote bewegt sich um die 17%.

Wer hätte es geahnt: Corona hat einen massiven Zuwachs bei Delikten wie Subventionsbetrug, Abrechnungsbetrug, Warenbetrug, Beleidigung, Computerkriminalität, Pornografie, Kindesmissbrauch, Missachtung des Infektionsschutzes oder Angriffe auf Beamte in die Statistik gebracht. Viele dieser Delikte konnten bequem von der Couch aus praktiziert werden, waren aber auch entsprechend gut nachzuverfolgen. Gerade im Bereich der Pornografie gab es einen Zuwachs von über 50% und eine Aufklärungsrate von über 90%. Das ist auf die effektive Zusammenarbeit mit internationalen Behörden wie dem NCMEC (National Center of Missing and Exploited Children) zurückzuführen.

Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 - Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch #BKA #BPK
Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 - Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch (Archivfoto: Mai 2020)

Eine sehr hohe Aufklärungsrate zeigt sich auch bei der Gewaltkriminalität, die sich in Tötungen, Vergewaltigungen und Körperverletzungen untergliedert. Es gab 681 vollendete Tötungsdelikte. Das entspricht zwei Personen pro Tag. Das Verhältnis deutscher und nichtdeutscher Tatverdächtiger entspricht in diesem Segment 3:2. Überhaupt sind es die brachialen Delikte wie Mord, Raub, schwere Körperverletzung oder Bedrohung, die von einem überproportional hohen Anteil Nichtdeutscher verübt werden. Während sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Kindesmissbrauch, Pornografie oder Korruption maßgeblich deutschen Staatsbürgern zuzurechnen sind.

Bei der Clankriminalität sei man mit großen Schritten vorangekommen. Man erhöhe permanent den Druck und greife konsequent die Finanzierungsgrundlagen an. Zudem verfüge man inzwischen über umfangreiches Datenmaterial. Über Letzteres zeigte sich Horst Seehofer besonders erfreut. Weniger erfreut war er über die gestiegene Zahl der tätlichen Angriffe auf Polizisten, Feuerwehrleute und andere Vollstreckungsbeamte. Das hänge mit den Anti-Corona-Demonstrationen zusammen. Aus diesem Grunde werde die operative Ebene der Querdenker bereits mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht. Es sei auch sehr wahrscheinlich, dass die gesamte Szene in die Beobachtung durch den Verfassungsschutz aufgenommen werde.

In der heutigen Pressekonferenz mit Innenminister Seehofer, BKA-Chef Münch und Baden-Württembergs Innenminister Strobl kam auch das Dunkelfeld zur Sprache. Um das Dunkelfeld aufzuhellen, wurden aussagekräftige Umfragen eingeführt, die nicht angezeigte Straftaten erfassen. Diese Umfragen wurden bisher eher stiefmütterlich behandelt und sollen zukünftig im 2-Jahres-Rythmus durchgeführt werden. Die Ergebnisse lassen auf Verschiebungen der Grenzen zwischen Dunkelfeld und Hellfeld schließen und darauf, wie gut Prävention, Anzeigeverhalten und Aufklärungsrate wirken.

Häusliche Gewalt, Gewalt gegenüber Kindern und politisch motivierte Kriminalität (PMK) werden traditionell in gesonderten Berichten aufbereitet. Diese werden im Laufe der nächsten Wochen ebenfalls in der Bundespressekonferenz präsentiert.

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 30. Januar 2021

Resilienz und die hybride Behandlung hybrider Herausforderungen

Wenn Regierungsvertreter in Pressekonferenzen nach dem Aufbau von Resilienz gefragt werden, erwecken sie den Eindruck, noch nie etwas von diesem Begriff gehört zu haben. Elegant gehen sie dann auf schmückende Worte der Frage ein und umschiffen so die eigentliche Antwort. Nur Innen- und Verteidigungsministerium wissen etwas mit dem Begriff anzufangen. Seit einiger Zeit betreiben sie die ressortübergreifende Arbeitsgruppe "hybride Bedrohungen".

Hybride Bedrohungen sind eine neue Spielart zum Austragen kleiner und großer Konflikte. Die Möglichkeiten für spürbare Effekte bei niedrigem Aufwand haben sich durch Globalisierung und Internet potenziert. Angreifer können faktisch in jedem Lebensbereich ansetzen: Energie, Gesundheit, Transport, Finanzen, Medien, Kommunikation, Wasser- und Lebensmittelversorgung, Chemie- und Nuklearindustrie, Forschung, Weltraum, Rechtssicherheit oder öffentliche Sicherheit. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Metis Studie "Resilienz denken" und die Wirkungsebenen von Resilienz
Resilienz ist ein gesamtgesellschaftliches Thema. Das Archivfoto zeigt das Eintreffen des Bundespräsidenten auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2020.

Resilienz ist eine Buttom-up-Eigenschaft, die tatsächlich beim Individuum beginnt. In der Psychologie beschreibt Resilienz die Fähigkeit, sich von einem traumatischen Ereignis zu erholen. Eine resiliente Person ist dann noch in der Lage, ihren Alltag zu meistern, einen früheren Zustand der Stabilität zurückzugewinnen oder sogar gestärkt aus dem Trauma hervorzugehen. Diese Wirkungsweise von Resilienz unterscheidet übrigens auch einen Betroffenen von einem Opfer. Opfer sind zwar auch Betroffene, aber nicht jeder Betroffene ist ein Opfer. Opfer können sich nicht mehr selbst aufrappeln und einen früheren gesunden Zustand erreichen. Das Opfer ist also die Steigerungsstufe eines Betroffenen ohne Resilienz.

Impfungen können Teil der Resilienz sein, aber nicht die Resilienz selbst. Impfungen wirken gegen ein klar definiertes Szenario - also Grippeschutz gegen Grippe oder Gelbfieberimpfung gegen Gelbfieber. Resilienz ist breiter angelegt und kann mit "multidimensionalen Herausforderungen" umgehen. Die Vierfachimpfung ist ein kleiner Ansatz in diese Richtung, aber weit davon entfernt, eine flächendeckende Resilienz für die Gesundheit aufzubauen. Resilienz muss so fundamental eingepflanzt sein, dass sie gegen eine Vielzahl von Bedrohungen und Verletzungen wirken kann. Als eine Art robustes Betriebssystem, das den Rest der darauf werkelnden Programme im Blick hat und bei Bedarf korrigierend eingreift.

Der chinesische Militärstratege Sun Tzu gab die dringende Empfehlung, nicht davon auszugehen, dass der Feind gar nicht kommt, sondern diesem - egal, ob und wann er kommt - vorbereitet entgegentreten zu können. Wer wachen Auges durch den Alltag geht, wird Risiken und Bedrohungen wahrnehmen und überlegen, wie diese minimiert oder abgewehrt werden können. Beim Kampfsport werden Reflexe antrainiert, die auch in Angriffsszenarien abrufbar sind, die vorher nicht geübt wurden. Diese Reflexe wirken dann universell und sind sogar auf andere Bereiche des täglichen Lebens übertragbar.

Sun Tzu gab ferner den Ratschlag, die Energie des Gegners zu nutzen. Das machte auch der Boxer Mohammed Ali. Seinen Durchbruch feierte er 1974 im Kampf gegen George Foreman. Dieser war lange Zeit ungeschlagen und war dem älteren Mohammed Ali konditionell überlegen. Allerdings bediente sich Mohammed Ali eines Tricks. Er ließ sich in die Seile drängen und kompensierte die Schläge seines Gegners über die Elastizität der Seile. Nachdem George Foreman sich dann ordentlich verausgabt hatte, schlug Mohammed Ali zurück und wurde Sieger.

Metis Studie "Resilienz denken" und die Wirkungsebenen von Resilienz
Resilienz kann mit mehrdimensionalen Herausforderungen umgehen und beschränkt sich nicht auf ein spzifisches Bedrohungsszenario. Resilienz reagiert in hybrider Form auf hybride Angriffe. (Archivfoto aus Juni 2020)

Während die EU über Resilienz zur nachträglichen Behandlung von Katastrophen im Zusammenhang mit Energie, Ernährung, Wasser, Umwelt oder Gesundheit diskutiert, beschäftigt sich die NATO mit der abschreckenden Wirkung von Resilienz. "Täter suchen Opfer - keine Gegner" lautet ein alter Polizeispruch. Deshalb sei ein "Show of Resilience" (Resilienz zeigen) schon fast mit "Show of Force" (Gewaltpotenzial zeigen) vergleichbar. Wenn ein Gegner beispielsweise mit seiner Desinformationskampagne nicht mehr landet, hat er sich umsonst angestrengt und muss andere Wege suchen. Der Gegner soll möglichst schon vor dem ersten Angriff davon überzeugt werden, dass das Unterfangen zwecklos ist und lediglich vermeidbare Kosten verursacht.

Privatpersonen können durch Horizonterweiterung, einen wachen Blick für die Umgebung, freundschaftliche Beziehungen, Flexibilität, Ausdauertrainings und gelegentliche Stresstests ihre Resilienz stärken. Auf der politischen Ebene läuft das ähnlich - nur in einem größeren Maßstab. Waren Individuum und Staat bisher oft voneinander abgekoppelt, macht der Aufbau effektiver Resilienz eine Verschmelzung von Bürger und Staat notwendig. Bei der Abwehr von Cyberangriffen und Desinformation klappt das in Ländern wie Finnland und Estland schon sehr gut. Wohl aus der akuten Bedrohungslage heraus. Diese Bedrohung empfinden in Deutschland bisher nur sicherheitspolitisch interessierte Personen.

So gibt es in Deutschland keine Standards zum Aufbau einer gesamtstaatlichen Resilienz. Nötig wäre eine Verbesserung des Informationsaustauschs zwischen Bürgern und Behörden, eine Harmonisierung der Monitoring- und Einsatzführungssysteme, eine permanente Beobachtung und Auswertung des Lagebildes und ein Ausbau der zivil-militärischen Zusammenarbeit. Letzteres passiert gerade in Form der Amtshilfe in Gesundheitsämtern und Impfzentren. Nicht zu vergessen seien Einrichtungen für die Frühwarnung. Das neu eingerichtete Kompetenzzentrum Krisenfrüherkennung sammelt Experten um sich und berechnet das mögliche Auftreten und den Verlauf von Krisen. Als Ergebnis werden Strategien zur Abwehr oder Behandlung der Krise erarbeitet. Diese stehen dann den Verantwortlichen in Berlin für die Entscheidungsfindung zur Verfügung. Unsere parlamentarische Demokratie bringt es mit sich, dass Entscheider zuweilen nach Bauchgefühl oder eigener Meinung entscheiden, so dass gesamtgesellschaftliche Resilienz letztlich mit demokratischen Entscheidungsprozessen steht oder fällt.

Autor: Matthias Baumann

P.S.: Die Anregung zu diesem Artikel kam von der Metis Studie Nummer 21 aus November 2020.