Donnerstag, 24. November 2022

ZMSBw erkennt Zeitenwende im sicherheitspolitischen Meinungsbild

Wer Twitter und die lauten Gruppen an den politischen Polen beobachtet, könnte meinen, dass es der russischen Desinformationsindustrie gelungen sei, die Meinungsbildung in Deutschland nachhaltig zu beeinflussen. Der Forschungsbericht 133 des ZMSBw kommt zu einem anderen Ergebnis. Als Grundlage diente eine seit Jahren durchgeführte repräsentative Bevölkerungsumfrage. Die wichtigsten Erkenntnisse daraus sind:

Eine klare Mehrheit der Befragten nimmt Russland inzwischen als Bedrohung für die Sicherheit Deutschlands wahr. Insgesamt hat sich das Meinungsbild deutlich zu Ungunsten Russlands verschoben.  Daraus ergibt sich eine wachsende Unterstützung für die Auslandseinsätze zur Landes- und Bündnisverteidigung, wie sie beispielsweise in Litauen, Polen oder der Slowakei geschehen. Einsätze zur LVBV erfordern kein Mandat des Bundestages und sind von daher schneller und leichter durchzuführen.

Im Gegensatz dazu stehen Einsätze des internationalen Krisenmanagements, die durch Bundestag, EU oder UNO mandatiert werden müssen. Festzustellen ist hier allerdings auch, dass die Akzeptanz maßgeblich vom Wissen über diese Missionen abhängt. So würden die Befragten beispielsweise das Engagement in Jordanien, im Südsudan oder im Libanon stärker unterstützen, wenn sie wüssten, was da gemacht wird. Hier geht die Kritik ganz klar an die Informationspolitik des Einsatzführungskommandos. Timo Graf bringt es so auf den Punkt: Wissen schafft Zustimmung.

Etwa 60% der Befragten plädieren für eine finanzielle und personelle Aufstockung der Bundeswehr. Entsprechend schwach schneidet das Beschaffungswesen im Meinungsbild ab. Nur 6% der Stimmen konnte das Beschaffungswesen für sich gewinnen. Bezüglich des Vertrauens rangiert die Bundeswehr mit 88% auf Platz 2 knapp hinter der Polizei (89%), während die evangelische und katholische Kirche das Schlusslicht hinter den politischen Parteien bilden.

Erstaunlich ist, dass die russischen Bemühungen um Spaltung der Gesellschaft und Trennung strategischer Partner offensichtlich nur bedingt fruchten. So hat das Ansehen der USA deutlich zugelegt. Das Vertrauen in die NATO wurde weiter gestärkt und auch die nukleare Abschreckung wird zunehmend befürwortet. Nur bei der atomaren Teilhabe Deutschlands fällt das Ergebnis ambivalent aus.

Wie die Rubrik "Öffentliche Wahrnehmung der Bundeswehr" darlegt, hängt das Meinungsbild stark von der medialen Ansprache ab. So haben Fernsehen, Zeitungen, private Erlebnisberichte, Internet und Radio einen hohen Wirkungsgrad bei der Wahrnehmung der Bundeswehr. Gelöbnisse, Tage der offenen Tür und das Bahnfahren in Uniform tragen erheblich dazu bei, die Bundeswehr als positiv wahrzunehmen. Deshalb erscheint es kontraproduktiv, dass die Pressestäbe in Relation zu den wachsenden Anfragen personell ausgedünnt werden, was sich gelegentlich in einem unprofessionellen Umgang mit externen Medienvertretern entlädt. Die Folge ist keine, negative, lückenhafte oder reduzierte Berichterstattung, was sicher nicht im Sinne einer gesamtgesellschaftlich betrachteten Landes- und Bündnisverteidigung liegt.

Autor: Matthias Baumann