"Das sagt doch Greta Thunberg schon lange." - "Ja, nur wer hört auf ein kleines schwedisches Mädchen?" Die gestrige virtuelle Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) hat neben Corona und der stark verbesserten Qualität der transatlantischen Beziehungen einen spürbaren Fokus auf den Klimawandel gelegt. Vor zwei Jahren war das Thema bereits im Hauptsaal der MSC diskutiert worden - am Samstag, dem wichtigsten Tag der Konferenz. Eingeleitet wurde die Podiumsdiskussion damals durch einen Vortrag von Prof. Schellnhuber. Prof. Schellnhuber ist Direktor des Potsdam Institute for Climate Impact Research (Institut für Klima-Folgen-Forschung in Potsdam).
Seine Folien wurden leider nicht mitgefilmt und sind zurzeit auch nicht für die Veröffentlichung gedacht. Sie behandeln verschiedene Szenarien der Erderwärmung je nach konkretem Anstieg der Temperaturen. Sicher sei jedoch, dass einige Gebiete in Äquatornähe bald nicht mehr bewohnbar sein werden. Das betrifft große Teile Brasiliens und Länder wie Ghana, Nigeria und die Elfenbeinküste. Indonesien würde wie das sagenumwobene Atlantis in die Geschichte eingehen. Gefolgt von den Inseln der Karibik und den Malediven.
#MSC2021 - Bill Gates zur Bekämpfung der Pandemie und zum Umgang mit dem Klimawandel - Foto (C) MSC Special Edition 2021, Munich, 19/02/2021 |
Nur, was interessiert uns hier im Norden, was auf den Malediven passiert? NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach es gestern aus: Klima ist ein sicherheitspolitisches Thema. So wie die Pandemie nicht an Grenzen halt macht, so werden auch die Flüchtlinge aus den klimatisch unbewohnbaren Regionen in den Norden strömen. Ein großer Teil wird sich in den zumeist fragilen Staatsgebilden erst einmal gegenseitig töten. Ethnische Minderheiten werden davon besonders betroffen sein. Wer das überlebt, wird sich auf den langen Weg nach Norden machen.
Bill Gates, der eigentlich wegen der Corona-Bekämpfung dabei war, sprach davon, dass durch den Klimawandel und dessen Folgen wie Missernten fünf Mal mehr Menschen pro Jahr sterben werden als durch Pandemien. Dieses Statement wurde so nüchtern und abgeklärt vorgetragen, dass an dieser Aussage kaum Zweifel aufkommt. Ein Young Leader (MSC-Nachwuchs) aus Bangladesch sprach von bis zu 30 Millionen Menschen, die sich in Bewegung setzen würden, wenn sein Land im Golf von Bengalen versinkt. Der ehemalige US-Außenminister John Kerry ist unter Joe Biden für den Klimaschutz zuständig. Bei genauem Zuhören war festzustellen, dass der buchstäbliche Untergang vieler Inseln und Küstenregionen gar nicht mehr in Frage steht. Es geht jetzt vielmehr darum: Was passiert mit den vielen Leuten, die dort jetzt noch wohnen?
#MSC2021 - John Kerry zum Klimawandel - Foto (C) MSC Special Edition 2021, Munich, 19/02/2021 |
Joe Biden, der übrigens seine allererste außenpolitische Rede hier auf der virtuellen #MSC2021 gehalten hat, war mit einer seiner ersten Amtshandlungen zum Pariser Klimaabkommen zurückgekehrt. Klimawandel betreffe uns alle. Sehr dankbar zeigte er sich über die "Führungsstärke Europas" in dieser Sache. Seine "gute Freundin Angela Merkel" sprach nach ihm und möchte "durch Taten überzeugen". Auch Emmanuel Macron erwähnte das Klima am Rande seiner sehr kurzen Ausführungen.
John Kerry hatte entsprechend seines Ressorts kein anderes Thema. Er plädiert für Null CO2 bis 2050 und setzt sich dafür ein, dass das bisherige Ziel für 2030 deutlich nachgebessert werde. Sei das Ökosystem erst einmal nachhaltig geschädigt, könne man es nicht wie nach einer Pandemie wiederherstellen. John Kerry ist ein großer Freund der CO2-Bepreisung. Private und staatliche Akteure sollten massiv zur Kasse gebeten werden, um die Situation noch in eine erträgliche Bahn zu lenken. Als 77-Jähriger könnte ihm das Klima eigentlich egal sein. Aber er sorgt sich um die nachrückenden Generationen. Um diesem altruistischen Ansatz weitere Geltung zu verschaffen, lädt er zu den Klimakonferenzen nicht nur die Industrienationen des Nordens ein, sondern auch Betroffene aus den Regionen, die bald nicht mehr bewohnbar sein werden.
Autor: Matthias Baumann