Mittwoch, 3. Februar 2016

Dschihad 4.0 - Disruption per YouTube & Co.

Schnell und abwechslungsreich wie ein Besuch bei YouTube gestaltet sich der Arbeitsalltag eines Bundesministers. Thomas de Maizière hatte noch am Morgen Gesetzesvorhaben über sichere Herkunftsländer im Bundeskabinett auf den Weg gebracht, war dann zur bpb Bundeszentrale für politische Bildung gekommen und anschließend zum nächsten Termin geeilt.

In Zeiten digitaler Umwälzungen haben sich auch die Formen der Kriegsführung gewandelt. Längst geht es nicht mehr nur um klassischen Nahkampf oder regional verbrannte Erde, sondern um einen globalen Einfluss auf Denkstrukturen. Der IS macht es vor, wie moderne Media-Kanäle zur Rekrutierung, Abschreckung, Selbstdarstellung und Gehirnwäsche genutzt werden. Der IS verfolgt ein ganzheitliches Konzept unter Einsatz rustikaler Grausamkeit, aktueller Waffentechnik, manipulativer Berichterstattung sowie der Bedienung musikalischer und visueller Vorlieben von Minderjährigen. Man analysiere gerade Methoden und Wirkungsweisen, um dem effektiv begegnen zu können. "Unwissenheit schafft Angst und Angst wiederum schafft Hass", erklärte der YouTuber und Journalist Drotschmann die Abfolge fehlenden Wissens.

bpb de Maizière YouTuber
Innenminister de Maizière trifft YouTuber in der Bundeszentrale für politische Bildung
Die Bundeszentrale für politische Bildung hatte einige bekannte Akteure der YouTube-Szene angesprochen und für Erklärfilme gewinnen können. Zwei davon waren zur heutigen Pressekonferenz eingeladen: Nemi El-Hassan von "Datteltäter" und "Mr.Wissen2Go" Mirko Drotschmann.

In kurzen Filmen, wie man sie auch aus "Wissen macht A" oder "pur+" kennt, erklären sie Begriffe und Grundlagen des Islams. Am Ende der Filme bitten sie um Feedback. Die Reaktionen zeigen, dass die Filme durchaus positive Wirkung bei Suchenden und Unentschlossenen zeigen. Sie wurden etwa 500.000 Mal angesehen und kontrovers diskutiert. Wer in seiner Meinung bereits festgelegt sei, diskutiere deutlich unsachlicher. Zu platte oder beleidigende Kommentare werden regelmäßig gelöscht.

bpb de Maizière YouTuber
Mirko Drotschmann (Mr.Wissen2Go) mit Thomas de Maizière in der Bundeszentrale für politische Bildung
Thomas de Maizière moderierte die Diskussionsrunde und fragte nach dem Umgang mit persönlichen Angriffen. Damit habe man sich abgefunden, wobei die Attacken inzwischen bis hin zum Vorschlag, sich endlich selbst umzubringen, gehen. Der Ton sei in den letzten zwölf Monaten deutlich "robuster" geworden. Der Innenminister wollte das nicht komplett der Flüchtlingsthematik zuschreiben, hält es jedoch für einen Trendverstärker.

Generell seien im Internet zunehmend selbstbestätigende Kreise zu finden, die sich durch Nutzer mit anderer Meinung gestört fühlen. Das widerspreche dem ursprünglichen Sinn des Internets und erstaune somit die Wissenschaft, die eine diametrale Entwicklung prognostiziert hatte. Laut Mirko Drotschmann haben sich inzwischen vierzig YouTuber zu "YouTuber gegen Hass" zusammengeschlossen. Thomas de Maizière gab zu bedenken, dass Prävention nicht bei der Polizei beginne, sondern bei Elternhäusern, Freunden, Vereinen und Schulen. Es müsse wieder authentische Vorbilder geben und eine fundierte theologische Aufklärung. Ein beachtenswerter Indikator seien die Gespräche am Küchentisch.

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YouTuber Nemi El-Hassan (Datteltäter) und Mirko Drotschmann (Mr.Wissen2Go) mit Innenminister de Maizière
bpb-Präsident Thomas Krüger fasste es so zusammen, dass politische Bildung ein Schlüssel ist. Es bedürfe jedoch eines Schlüsselbundes aus gesamtgesellschaftlichen Maßnahmen.

Videos:
Innenminister de Maizière mit YouTubern Nemi El-Hassan und Mirko Drotschmann
Innenminister de Maizière zu Gesetzesvorhaben bezüglich sicherer Herkunftsländer

Autor: Matthias Baumann