Donnerstag, 17. November 2016

Europa und die Angst vor Donald Trump

Das im englischen Sprachraum gerne verwendete Sprichwort "zwei Schiffe begegnen sich in der Nacht" wird gebraucht, wenn Menschen eine völlig unterschiedliche Denkweise und Wahrnehmung haben.

Eine Falle egozentrischer Leitkultur ist es, davon auszugehen, dass alle anderen Menschen in den gleichen Strukturen denken und wahrnehmen. Die eigene Denkweise und Wahrnehmung wird zum Normativ und setzt vergleichbare Parameter bei den Bezugspersonen voraus.

Doch weit gefehlt!

Ein Mann mit Burnout denkt in Angstszenarien, ein echter Beamter denkt in Amtsdeutsch, ein Offizier denkt in Strategien, ein Grüner denkt ökologisch, ein Rechtsanwalt denkt in Paragraphen, ein Journalist denkt in Stories, ein Softwareentwickler in If-Then-Else-Schleifen und ein Netzwerker in Kontakten.

Nur wenn es Schnittmengen gibt, vermengt sich das Denken und macht die Handlungsweisen des Anderen nachvollziehbar oder gar berechenbar. Diese Schnittmengen können gemeinsame Hobbies, der gleiche Sport, die gleiche Partei oder die gleiche Religionszugehörigkeit sein.

Ist das nicht gegeben, sind Brücken zu schlagen. Es beginnt damit, dass man sich mit den Grundlagen des Gegenübers beschäftigt und im Kontakt mit ihm eine entsprechende Empathie übt. Diese sollte jedoch nie so weit führen, dass man seine eigenen Werte aufgibt, wie es deutsche Kirchenführer vor einigen Tagen anschaulich demonstriert hatten.

Landesbischof Bedford-Strom und Kardinal Marx stehen prototypisch für eine obdormierende europäische Gesellschaft, die sich zwar gerne die Etikette der altruistischen Leitkultur gepaart mit einem zwanghaften Toleranzgebaren ansteckt und dabei gar nicht wahrnimmt, dass die Umwelt ganz anders tickt.

Donald Trump Tower
Trump Tower in der 5th Avenue, New York City
Das setzt sich auch in der säkularen Politik fort. So kann der humanistisch geprägte Europapolitiker mit seinem juristisch-soziologischen Hintergrund nicht nachvollziehen, wie ein Präsident Putin oder ein Donald Trump seine Entscheidungen findet. Hillary Clinton wäre die europäische Wunschpräsidentin gewesen, da sie ein gewisses Maß an Kontinuität in der Außen- und Sicherheitspolitik suggerierte. Mit Donald Trump hingegen kann man in Europa nichts anfangen. Die Verunsicherung wird insbesondere dadurch manifestiert, dass sich zur Zeit sämtliche europäische Staatschefs  in Berlin mit dem scheidenden Präsidenten Obama treffen und mit ihm über Donald Trump reden. Aber schon das Buch Hiob zeigt im 42. Kapitel, dass man lieber "mit" als "über" jemanden reden sollte.

Dabei muss man sich lediglich Persönlichkeit, Herkunft und Umgebung des jeweiligen Akteurs ansehen:

Putin ist ein Geheimdienstmann, der sich mit ehemaligen Kollegen umgeben hat. Er denkt und handelt wie ein Mann aus dem Nachrichtendienst. Das macht ihn berechenbar für Menschen, die die Denkweise von Geheimdienstlern kennen. Agenten denken in langfristigen Schachzügen, beobachten die rote Linie des Gegners und wenn es mal schnell gehen muss, wird ein Bauer geopfert. Dabei kann der Bauer oder die gegnerische Dame auch einmal unsanft vom Tisch fallen, was nicht immer mit den rechtsstaatlichen Auffassungen des Europäers harmoniert. Das Bewusstsein dessen ist jedoch hilfreich für die Bewertung von Gegenwartsszenarien und zur Erstellung von Zukunftsprognosen.

Donald Trump ist Unternehmer. Ein sehr erfolgreicher Unternehmer sogar. Wer weiß, wie Unternehmer ticken, wird auch Trump berechnen können. Dass in Europa so eine große Verunsicherung herrscht liegt daran, dass unsere Politiker eben wie Bürokraten denken und nicht wie Unternehmer. Den Unternehmer zeichnen im wesentlichen drei Grundprinzipien aus:

1) Aus jeder Situation - egal wie herausfordernd - den höchst möglichen Profit ziehen
2) Nicht reden, sondern machen!
3) Entscheidungsfreudigkeit

Punkt 2) und 3) bringen natürlich eine ganz andere Dynamik ins politische Geschehen und können bei weniger durchdachten Entscheidungen unangenehme Folgen haben. Aber es lässt sich berechnen, so man sich auf die Handlungsprinzipien eines Unternehmers einstellt. Bei Trump kommt noch hinzu, dass es wohl Defizite in seiner Kindheitsentwicklung gegeben haben muss, die ihn gelegentlich als unreife Persönlichkeit mit infantilen Verhaltensweisen in Erscheinung treten lassen. Nimmt er bei Amtsantritt noch seine gekränkten Spielkameraden mit ins Regierungsboot, sind die Herrschaften tatsächlich unberechenbar. Allerdings auch nur für Gesprächspartner, die nicht im Umgang mit Kindern geübt sind.

Vergleicht man nun die Denkmuster Putins mit denen des Unternehmers Trump, wird deutlich, dass beide gut harmonieren. Allerdings wird dann auch deutlich, dass für europäische Harmoniepolitik kein Platz bleibt, außer es wird ein Punching Ball benötigt.

Dass letzteres Szenario gar nicht so fernab der Realität ist, zeigt das militärische Engagement Russlands im Nordmeer welches in absehbarer Zeit auch das Potenzial zum Abschneiden der transatlantischen Nachschubwege hat. Hinzu kommen regelmäßige russische Snap Exercises (unangekündigte und kurzfristige Manöver) sowie die mehrfach demonstrierte Verlegung großer Truppenverbände innerhalb kürzester Zeit.

Und warum sollten sich die USA weiter in und für Europa engagieren, wenn schon seit vielen Jahren an Amerika herumkritisiert wird?

So hybrid wie die heutige Kriegsführung, so hybrid muss auch auf die Akteure eingegangen werden. Wer mit Putin redet, sollte vorher die Bourne Trilogie gesehen haben. James Bond ist noch zu Werte-orientiert. Wer mit Trump redet, sollte Unternehmer sein und Erfahrung bei der Erziehung von mindestens fünf Kindern haben.

Autor: Matthias Baumann