Freitag, 16. April 2021

Horst Seehofer stellt die Kriminalstatistik 2020 vor

Die Polizeiliche Kriminalstatistik 2020 (PKS) wurde maßgeblich von Corona beeinflusst. Im letzten Jahr wurden noch Prognosen zu möglichen Verschiebungen abgefragt. In diesem Jahr liegen die Zahlen auf dem Tisch. So waren Erpressungen, ausländerrechtliche Verstöße, Beförderungserschleichung, Raubdelikte, Straftaten gegen das Waffengesetz und Diebstähle insgesamt um 5% zurückgegangen. Auch die Zahl der Tatverdächtigen sank erstmals unter die Marke von 2 Millionen seit 2006. Zudem wurde mit 58,4% die beste Aufklärungsquote im 15-jährigen Vergleichszeitraum erzielt.

Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 - Bundesinnenminister Horst Seehofer #BPK
Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 - Bundesinnenminister Horst Seehofer (Archivfoto: Mai 2020)

Die Ladendiebstähle gingen um 6,7% zurück. Das klingt erst einmal ganz nett, relativiert sich aber in Sicht auf die vielen Lockdowns. Demnach haben Ladendiebe gemessen an den zeitlichen Gelegenheiten deutlich mehr gestohlen. Bei den unterschiedlichen Diebstahlszenarien erschreckt die niedrige Aufklärungsquote. Während der Ladendiebstahl noch zu 90% aufgeklärt wird, können bei Diebstahl von Fahrrädern, Kreditkarten, Kraftfahrzeugteilen und Tascheninhalten nur zehn oder weniger Prozent der Täter ausfindig gemacht werden. Ernüchternd ist auch die Ermittlung der Täter bei Wohnungseinbrüchen. Die Quote bewegt sich um die 17%.

Wer hätte es geahnt: Corona hat einen massiven Zuwachs bei Delikten wie Subventionsbetrug, Abrechnungsbetrug, Warenbetrug, Beleidigung, Computerkriminalität, Pornografie, Kindesmissbrauch, Missachtung des Infektionsschutzes oder Angriffe auf Beamte in die Statistik gebracht. Viele dieser Delikte konnten bequem von der Couch aus praktiziert werden, waren aber auch entsprechend gut nachzuverfolgen. Gerade im Bereich der Pornografie gab es einen Zuwachs von über 50% und eine Aufklärungsrate von über 90%. Das ist auf die effektive Zusammenarbeit mit internationalen Behörden wie dem NCMEC (National Center of Missing and Exploited Children) zurückzuführen.

Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 - Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch #BKA #BPK
Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 - Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch (Archivfoto: Mai 2020)

Eine sehr hohe Aufklärungsrate zeigt sich auch bei der Gewaltkriminalität, die sich in Tötungen, Vergewaltigungen und Körperverletzungen untergliedert. Es gab 681 vollendete Tötungsdelikte. Das entspricht zwei Personen pro Tag. Das Verhältnis deutscher und nichtdeutscher Tatverdächtiger entspricht in diesem Segment 3:2. Überhaupt sind es die brachialen Delikte wie Mord, Raub, schwere Körperverletzung oder Bedrohung, die von einem überproportional hohen Anteil Nichtdeutscher verübt werden. Während sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Kindesmissbrauch, Pornografie oder Korruption maßgeblich deutschen Staatsbürgern zuzurechnen sind.

Bei der Clankriminalität sei man mit großen Schritten vorangekommen. Man erhöhe permanent den Druck und greife konsequent die Finanzierungsgrundlagen an. Zudem verfüge man inzwischen über umfangreiches Datenmaterial. Über Letzteres zeigte sich Horst Seehofer besonders erfreut. Weniger erfreut war er über die gestiegene Zahl der tätlichen Angriffe auf Polizisten, Feuerwehrleute und andere Vollstreckungsbeamte. Das hänge mit den Anti-Corona-Demonstrationen zusammen. Aus diesem Grunde werde die operative Ebene der Querdenker bereits mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht. Es sei auch sehr wahrscheinlich, dass die gesamte Szene in die Beobachtung durch den Verfassungsschutz aufgenommen werde.

In der heutigen Pressekonferenz mit Innenminister Seehofer, BKA-Chef Münch und Baden-Württembergs Innenminister Strobl kam auch das Dunkelfeld zur Sprache. Um das Dunkelfeld aufzuhellen, wurden aussagekräftige Umfragen eingeführt, die nicht angezeigte Straftaten erfassen. Diese Umfragen wurden bisher eher stiefmütterlich behandelt und sollen zukünftig im 2-Jahres-Rythmus durchgeführt werden. Die Ergebnisse lassen auf Verschiebungen der Grenzen zwischen Dunkelfeld und Hellfeld schließen und darauf, wie gut Prävention, Anzeigeverhalten und Aufklärungsrate wirken.

Häusliche Gewalt, Gewalt gegenüber Kindern und politisch motivierte Kriminalität (PMK) werden traditionell in gesonderten Berichten aufbereitet. Diese werden im Laufe der nächsten Wochen ebenfalls in der Bundespressekonferenz präsentiert.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 12. April 2021

Goodbye Huey - Systemwechsel in der Hubschrauberflotte der Bundeswehr

Das markante Geräusch der Huey alias Teppichklopfer alias Bell UH-1D hat sechzig Jahre Bundeswehr geprägt. UH steht für Utility Helicopter und bedeutet übersetzt in etwa Allzweckhubschrauber. Dieses Fluggerät kennen Generationen von Wehrdienstleistenden und verbinden damit Auslandseinsätze, spektakuläre Flugerlebnisse oder den Klang von Action-Filmen. Heute wurde diese Legende in den Ruhestand verabschiedet: "Goodbye Huey" ist auf einer liebevoll lackierten Maschine zu lesen. Diese soll im Sommer noch einen letzten Flug ins Hubschraubermuseum Bückeburg absolvieren.

Goodbye Huey - Systemwechsel in der Hubschrauberflotte der Bundeswehr von Bell UH-1D SAR zu Airbus H145 LUH SAR - AKK besucht den Fliegerhorst Holzdorf
Goodbye Huey - Systemwechsel in der Hubschrauberflotte der Bundeswehr von Bell UH-1D SAR zu Airbus H145 LUH SAR - AKK besucht den Fliegerhorst Holzdorf - Übernahme von SAR-Staffel, Coins und Bildern

Zum Systemwechsel der Hubschraubergenerationen war Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer beim Fliegerhorst Holzdorf angereist - per Auto. Eine Stunde zuvor waren schon Exemplare der beiden Generationen über das Gelände gekreist, hatten umgeparkt und letzte Vorbereitungen für den großen Moment getroffen. Eine UH-1D und eine H145 LUH standen zum Anfassen und Reinkrabbeln zur Verfügung. Daneben fachkundiges Personal, das Fragen beantworten und Anekdoten aus dem SAR-Alltag berichten konnte. SAR steht für "Search and Rescue" und bedeutet "Suche und Rettung". Ein Pilot berichtete ganz begeistert, dass die SAR-Staffeln der Bundeswehr alle Fähigkeiten wie Suchen, bergen und Retten mit einem Hubschrauber erledigen können, während der ADAC immer nur eine Aufgabe mit seinen Hubschraubern bewerkstelligen kann. In dieser Größenklasse gäbe es keinen so gut ausgestatteten Hubschrauber wie die H145 LUH von Airbus. Auch optisch trifft der Neue den aktuellen Geschmack.

Goodbye Huey - Systemwechsel in der Hubschrauberflotte der Bundeswehr von Bell UH-1D SAR zu Airbus H145 LUH SAR - AKK besucht den Fliegerhorst Holzdorf
Goodbye Huey - Systemwechsel in der Hubschrauberflotte der Bundeswehr von Bell UH-1D SAR zu Airbus H145 LUH SAR - AKK besucht den Fliegerhorst Holzdorf - Die Ministerin lässt sich das Cockpit erklären.

Die Ministerin war gut vorbereitet auf den Termin und nahm sich wieder deutlich mehr Zeit als geplant. Dabei zeigte sie, dass sie sämtliche Rollen beherrscht: die Gesprächspartnerin, die Rednerin, die dankbare Zuschauerin und die interessierte Verantwortliche, die auch mal in einem engen Cockpit Platz nimmt. Heute verteilte sie mit entsprechendem Corona-Abstand ihre Coins und bekam im Gegenzug jede Menge Bilder. Bei einem davon musste sie sogar versprechen, es im Ministerbüro aufzuhängen. Ob das auf die Dauer funktioniert?

Goodbye Huey - Systemwechsel in der Hubschrauberflotte der Bundeswehr von Bell UH-1D SAR zu Airbus H145 LUH SAR - AKK besucht den Fliegerhorst Holzdorf
Goodbye Huey - Systemwechsel in der Hubschrauberflotte der Bundeswehr von Bell UH-1D SAR zu Airbus H145 LUH SAR - AKK besucht den Fliegerhorst Holzdorf - Sonderlackierung zum Abschied von einer Hubschrauber-Legende

Jedenfalls hatte der Bell UH-1D die sechzig Jahre zuverlässig funktioniert. Er besitzt nur ein Triebwerk, das in der gesamten Zeit wohl nur vier Mal ausgefallen war. Oberst Göhringer, der Kommandeur des Transporthubschrauberregiments 30 - kurz TrspHubschrRgt 30 - konnte aus eigener Erfahrung berichten, dass der Huey eine zuverlässige Maschine sei. Er fliege diese seit 30 Jahren. Mit einer dynamischen Vorführung meldete sich die letzte UH-1D-SAR-Staffel der Bundeswehr ab. Der UH-1D drehte eine Runde über dem Fliegerhorst, traf in der Luft den neuen H145 LUH - mit entsprechendem Abstand natürlich - und entschwand zusammen mit seinem markanten Teppichklopfer-Geräusch dem Gehör und den Blicken. Letztere waren bereits von der neuen Maschine gefangen, da die Seilwinde getestet wurde. Das heißt, ein Besatzungsmitglied wurde daran heruntergelassen. Am Boden nahm er einen Verletzten mit Trage auf und wurde wieder hochgezogen. Anschließend landete die Maschine auf dem Rasen und deren Pilot meldete die Übernahme der SAR-Staffel. Es muss wohl nicht erwähnt werden, dass er ein großes gerahmtes Bild dabei hatte und einen Coin bekam.

Goodbye Huey - Systemwechsel in der Hubschrauberflotte der Bundeswehr von Bell UH-1D SAR zu Airbus H145 LUH SAR - AKK besucht den Fliegerhorst Holzdorf
Goodbye Huey - Systemwechsel in der Hubschrauberflotte der Bundeswehr von Bell UH-1D SAR zu Airbus H145 LUH SAR - AKK besucht den Fliegerhorst Holzdorf - Zwei UH-1D und eine H145 LUH auf dem Gelände des Fliegerhorstes Holzdorf

Der Wechsel der Hubschrauber war schon lange überfällig, da die UH-1D weitestgehend analog bedient wurde. Das kann durchaus Vorteile haben, aber auch nur noch so lange, wie Ersatzteile und Wartungsverträge verfügbar sind. Die Bundeswehr hatte im Laufe der Zeit 340 Exemplare im Einsatz. Zum Jahresende 2020 gab es 78 NH90, 20 UH-1D, 13 H135 und 5 H145 - Also insgesamt 116 Transporthubschrauber. Hinzu kommen 51 Kampfhubschrauber Tiger. Diese recht beschauliche Zahl wird durch die NATO und insbesondere durch die USA ausgeglichen.

Goodbye Huey - Systemwechsel in der Hubschrauberflotte der Bundeswehr von Bell UH-1D SAR zu Airbus H145 LUH SAR - AKK besucht den Fliegerhorst Holzdorf
Goodbye Huey - Systemwechsel in der Hubschrauberflotte der Bundeswehr von Bell UH-1D SAR zu Airbus H145 LUH SAR - AKK besucht den Fliegerhorst Holzdorf - SAR steht für Search and Rescue. Der Spieß (gelbe Kordel) gehört zum TrspHubschrRgt 30 (unteres Patch).

Für die Vermittlung der Bundeswehr in die kritisch bis desinteressierte Gesellschaft hinein bietet sich SAR natürlich an. Auch wenn Soldaten gerne das Brunnenbohrer-Image loswerden möchten, bedienen doch Suche, Bergung und Rettung eine dialogfähige Ebene, für die breite Schichten der Bevölkerung und der Medien offen sind. In Deutschland gibt es fünf SAR-Kommandos, die rund um die Uhr mit Hubschraubern besetzt sind: SAR-Marineflieger in Warnemünde und Helgoland sowie SAR-Heeresflieger in Niederstetten, Nörvenich und Holzdorf.

Zum Abschluss ihres Besuches in Holzdorf gab die Ministerin ein Statement und flog dann mit einem Hubschrauber Cougar der Flugbereitschaft nach Berlin. Der Zeitplan ließ kaum Pausen zu, da sie am Nachmittag vor dem KSK-Untersuchungsausschuss erscheinen musste.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 6. April 2021

Peter Tauber geht und 325 Rekruten erscheinen zum Dienst im Heimatschutz

Über den neuen Karrierezweig der Bundeswehr "Dein Jahr für Deutschland - Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz" hatten wir im Juli 2020 bereits ausführlich berichtet. Damals hatten Annegret Kramp-Karrenbauer, der stellvertretende Generalinspekteur, Markus Laubenthal, und Staatssekretär Peter Tauber diesen kombinierten Wehr- und Reservedienst vorgestellt.

Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz - AKK, Peter Tauber, Markus Laubenthal, Bundespressekonferenz
Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz - Annegret Kramp-Karrenbauer in der Bundespressekonferenz anlässlich des Dienstbeginns der ersten 325 Rekruten

In der Zwischenzeit waren um die 9.000 Bewerbungen eingegangen, die gesichtet und auf 1.000 geplante Stellen verteilt werden mussten. Ein Großteil der Bewerber wurde bereits in den Karrierecentern ausgefiltert, da sie völlig falsche Vorstellungen vom Heimatschutz hatten. Andere waren physisch oder schulisch nicht geeignet. Letztlich blieben 325 Bewerber übrig, die heute ihren Dienst antreten konnten. Wegen der Osterfeiertage hatten sie nicht am 1. April begonnen. Etwa 16% der Rekruten sind Frauen. Das entspricht auch der Frauenquote bei den Bewerbungen.

Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz - AKK, Peter Tauber, Markus Laubenthal, Bundespressekonferenz
Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz - Generalleutnant Markus Laubenthal in der Bundespressekonferenz anlässlich des Dienstbeginns der ersten 325 Rekruten

Peter Tauber zeigte sich begeistert, dass der Heimatschutz in weniger als einem Jahr an den Start gebracht wurde. Ein Beispiel für das Tempo, das auch die Ministerin bei der Durchsetzung ihrer Ziele für die Bundeswehr an den Tag legt. Sie bietet zwar die Hilfe der Bundeswehr während Corona an, wünscht sich aber auch eine schnelle Rückkehr zu den Kernaufgaben der Truppe. Sie selbst würde gerne noch mehr Zeit bei und mit den Soldaten verbringen, wird aber durch die Hygienemaßnahmen ausgebremst.

An seinem letzten Arbeitstag formulierte Peter Tauber heute einige Wünsche für die Zukunft der Bundeswehr: Das Parlament solle seiner Parlamentsarmee die notwendigen Mittel bereitstellen. Er warb für mehr Wertschätzung des Dienstes der Soldaten und wünschte sich eine noch bessere Wahrnehmung der Bundeswehr in der Gesellschaft. Letzterem hatte Corona ungeplant Rechnung getragen. Kurz zuvor waren durch AKK die kostenlose Bahnfahrt in Uniform und medienwirksame Gelöbnisse auf den Weg gebracht worden. Es geht also voran, wenngleich auch in der Geschwindigkeit, die solche "Schlachtschiffe" wie das Parlament oder die Gesellschaft zur Fahrtaufnahme benötigen.

Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz - AKK, Peter Tauber, Markus Laubenthal, Bundespressekonferenz
Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz - Staatssekretär Peter Tauber (2.v.l.) an seinem letzten Arbeitstag in der Bundespressekonferenz anlässlich des Dienstbeginns der ersten 325 Rekruten

Peter Tauber verlässt das Ministerium aus gesundheitlichen Gründen. Dass er angeschlagen ist, war heute kaum zu übersehen, als er am Gehstock die Bundespressekonferenz betrat. Insider hätten sich gefreut, wenn er irgendwann Verteidigungsminister geworden wäre. Immerhin ist er Hauptmann der Reserve und startet beim Truppenbesuch auch mal einen Pionierpanzer.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 29. März 2021

38 neue Eurofighter und Truppenbesuch von AKK beim TaktLwG 37 auf dem Fliegerhorst Laage

 Der heutige Truppenbesuch von Annegret Kramp-Karrenbauer auf dem Fliegerhorst Laage bei Rostock fand für die Presse unter doppelten Sicherheitsvorkehrungen statt. Jeder sollte einen Corona-Test in der Tasche haben - nicht älter als 48 Stunden und idealerweise "negativ". Vor Ort wurde dann noch einmal frisch getestet. Aber lieber so, als gar keinen Bildtermin während der Pandemie.

Eurofighter: Truppenbesuch #AKK beim TaktLwG 37 auf dem Fliegerhorst Laage
Eurofighter - Truppenbesuch von #AKK beim TaktLwG 37 auf dem Fliegerhorst Laage - Die Ministerin lässt sich von Commodore, Oberst Joachim Kaschke, den Fliegerhorst und Details zum Eurofighter erklären.

Eine Stunde vor der geplanten Einweisung waren tatsächlich schon alle Journalisten anwesend. Auch die Ministerin traf deutlich früher ein als geplant - mit einer Bombardier Global 6000. Oberst Kaschke, der Comodore des Taktischen Luftwaffengeschwaders 73 (TaktLwG 73), stand zur Begrüßung bereit. Joachim Kaschke ist ein lebender Beweis für die Vielschichtigkeit und den häufigen Wechsel der Aufgaben von Bundeswehr-Offizieren. Unter Ursula von der Leyen hatte er selbst noch als Presseoffizier neben der Ministerin gestanden. Diesmal durfte er die Amtsträgerin als Gastgeber empfangen.

Eurofighter: Truppenbesuch #AKK beim TaktLwG 37 auf dem Fliegerhorst Laage
Eurofighter - Truppenbesuch von #AKK beim TaktLwG 37 auf dem Fliegerhorst Laage - Eurofighter vor dem Hangar

Das Taktische Luftwaffengeschwader 73 trägt den Namen "Steinhoff". Die Luftwaffe ist sehr stolz auf Johannes Steinhoff. Er gilt als genialer Handwerker sowohl bei Kampftaktik als auch bei der Flugtechnik. Bei der Luftschlacht um England 1940/1941 war er als Staffelkapitän der 10./JG 2 dabei. 1945 erlitt er bei einem Startunfall schwere Verbrennungen. Er blieb jedoch seiner Leidenschaft des militärischen Flugwesens treu, war Mitte der 1950er Jahre für den Aufbau der Luftwaffe der Bundeswehr verantwortlich und fungierte zwischen 1966 und 1970 sogar als Inspekteur der Luftwaffe. Sein Bild ist in Laage allgegenwärtig: auf Gemälden, auf Flugzeugen und was sonst noch symbolischen Wert hat. Neben vielen anderen ausgemusterten Kampfflugzeugen ist auch ein Starfighter auf dem Gelände des Fliegerhorstes ausgestellt. In der Zeit des Kalten Krieges stand der Verteidigungshaushalt nicht zur Diskussion, so dass man sich 296 Starfighter-Abstürze mit insgesamt 116 toten Piloten leisten konnte. Johannes Steinhoff hatte dann mit seinem technischen Verständnis maßgeblich dazu beigetragen, dass der Starfighter seinen Ruf als Widowmaker verlieren konnte.

Eurofighter: Truppenbesuch #AKK beim TaktLwG 37 auf dem Fliegerhorst Laage
Eurofighter - Truppenbesuch von #AKK beim TaktLwG 37 auf dem Fliegerhorst Laage - Die Ministerin findet auch das Cockpit des Eurofighters spannend.

In Laage befindet sich ein Aus- und Weiterbildungszentrum für Piloten und technisches Personal. Zudem sind hier jede Menge Eurofighter stationiert, von deren regem Alltagsbetrieb sich die Ministerin heute überzeugen konnte. Durch gute Verhandlungen mit der Industrie sei die Einsatzbereitschaft deutlich erhöht worden und auch das Thema Flugstunden sei kein Problem mehr. Die Auslagerung von Flugstunden nach Spanien sei inzwischen als partnerschaftliche Geste zu betrachten.

Im Rahmen des Projektes Quadriga wurde die zeitnahe Anschaffung von 38 neuen Eurofightern beschlossen. Acht dieser Eurofighter sollen Zweisitzer sein. Die Zweisitzer werden für Lehrzwecke genutzt. Diese 38 Eurofighter lösen die erste Tranche des Eurofighters ab und ersetzen zwei angestürzte Maschinen. Die erste Tranche erfüllt nicht mehr die Palette der heute notwendigen Eigenschaften und lässt sich auch nicht mehr dazu aufrüsten. Eurofighter der 4. Tranche können Luft-Nahunterstützung, Bekämpfung von Bodenzielen oder Aufklärung.

Der in die Jahre gekommene Tornado ist von Hause aus ein Zweisitzer, bei dem die Besatzung im Team arbeitet. Im Eurofighter bedient der eine Pilot alles. Die Ablösung des Tornados stellt die Bundeswehr allerdings vor die Herausforderung, dass sich damit gewisse Fähigkeitslücken auftun. Zum Beispiel darf Deutschland keine eigenen Atomwaffen besitzen. Unter dem Begriff der "atomaren Teilhabe" darf die Bundeswehr aber amerikanische Atombomben zum Zielort fliegen und dort dem freien Fall überlassen. Das wäre zwar technisch auch mit dem Eurofighter möglich. Dieser ist dafür aber nicht zertifiziert. Solch eine US-Zertifizierung ist aufwendig, teuer und aus patentrechtlichen Gründen möglicherweise unerwünscht. Deshalb lieber ein paar zertifizierte Flugzeuge kaufen.

Eurofighter: Truppenbesuch #AKK beim TaktLwG 37 auf dem Fliegerhorst Laage
Eurofighter - Truppenbesuch von #AKK beim TaktLwG 37 auf dem Fliegerhorst Laage - Wartungshalle mit Eurofightern


Auf der Wunschliste für die Zeit nach der Wahl stehen also schon folgende Positionen: 55 weitere Eurofighter, 30 F/A-18F und 15 EA-18G. Diese sollen zwischen 2025 und 2040 angeschafft werden. das hängt aber davon ab, wie die politischen Konstellationen ab September aussehen. Die Ministerin jedenfalls fordert ein solides finanzielles Fundament für die materielle Ausstattung der Soldaten und die Einhaltung der internationalen Verpflichtungen.

Derzeit verfügt die Bundeswehr über140 Eurofighter Typhoon, 68 Tornado IDS und 20 Tornado ECR. Italien besitzt 94 Eurofighter Typhoon und Spanien 69 Eurofighter Typhoon. Die erwähnten F/A-18 betreibt Spanien bereits. Etwas seltsam ist, dass ausgerechnet Frankreich mit seiner pro-europäischen Argumentation keine Eurofighter betreibt, sondern nur 41 Mirage-Fighter aus eigener Produktion. Immerhin war 2018 der damalige Inspekteur der Luftwaffe, Karl Müllner, über deutsch-französische Befindlichkeiten bei FCAS (Future Combat Air System) gestolpert. Er hatte den F-35 ins Gespräch gebracht und damit seinen Karriere beendenden Schleudersitz ausgelöst.

Eurofighter: Truppenbesuch #AKK beim TaktLwG 37 auf dem Fliegerhorst Laage
Eurofighter - Truppenbesuch von #AKK beim TaktLwG 37 auf dem Fliegerhorst Laage - Für die Truppe hat Annegret Kramp-Karrenbauer ein offenes Ohr und überzieht die Zeitplanung damit gerne mal um eine Stunde.

Für die obligatorische Begegnung mit der Truppe nahm sich AKK heute sehr viel Zeit. Aus einer geplanten halben Stunde wurden gut 90 Minuten. Insider berichten, dass sie sich sehr für die Belange der Soldaten interessiere und demnächst auch Ü-Ei-Besuche plane, bei denen sie - wie der Generalinspekteur oder die Wehrbeauftragte - plötzlich vor Ort auftaucht und ein ungeschöntes Lagebild vorfindet. So ähnlich sei das bereits bei einer längeren Autotour auf der A2 passiert. Zur Überraschung der eigenen Mannschaft meinte die Ministerin plötzlich: "Ach, biegen Sie mal hier ab. Ich will mal kurz bei ... vorbeischauen." Der Ausstieg als CDU-Vorsitzende verschafft ihr in dieser Hinsicht eine gewisse terminliche Flexibilität und höhere Konzentration auf das Kerngeschäft des Verteidigungsressorts.

Nach einem Statement zum Eurofighter und einer mehrfachen herzlichen Danksagung an die Soldaten des Fliegerhorstes Laage begab sie sich zum Flugfeld und startete mit einem frisch lackierten Hubschrauber Cougar zum nächsten Termin im Einsatzführungskommando.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 11. März 2021

Botschafter von Paraguay, Griechenland, Haiti und Kenia akkreditiert

Drei Tage nach dem Weltfrauentag interessiert sich eventuell jemand dafür, dass die Frauenquote der heutigen Botschafter-Akkreditierung bei 50% lag. Der Frauenanteil in den diplomatischen Vertretungen liegt bei etwa einem Viertel. Hier die Reihenfolge, in der heute Vormittag die Beglaubigungsschreiben übergeben wurden:

Botschafterin der Republik Paraguay, Wilma Patricia Frutos Ruiz
Botschafterin der Hellenischen Republik, Maria Marinaki
Botschafter der Republik Haiti, Frantz Bataille
Botschafter der Republik Kenia, Thomas Boniface Amolo

Botschafterin der Republik Paraguay, Wilma Patricia Frutos Ruiz, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin der Republik Paraguay, Wilma Patricia Frutos Ruiz (2. von links), bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Paraguay liegt in der Mitte von Südamerika und hat keinen Meerzugang. Das Land hat etwas über sieben Millionen Einwohner und neben indigenen Volksgruppen auch jede Menge Deutsche, die sich entweder nach dem Zweiten Weltkrieg in die Weiten des Chaco geflüchtet haben, in Paraguay einen tropischen Lebensabend zum schmalen Preis verleben oder dem Zugriff der deutschen Steuerbehörden entgehen möchten. Land, Häuser und Arbeitskräfte sind dort sehr günstig zu haben. Konflikte mit dem Nachbarn der eigenen Maisplantage werden mit der Maschinenpistole ausgetragen. Mit ein paar Dollar oder Euro in der Hand schaut der Polizist dann auch mal weg. Die Streitkräfte umfassen knapp 14.000 Soldaten und sind mit schwachem und veraltetem Material ausgestattet. Überaltert sind auch die personellen Strukturen. Es gibt zu viele hohe Dienstgrade bei zu wenig Nachwuchs.

Botschafterin der Republik Paraguay, Wilma Patricia Frutos Ruiz, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin der Republik Paraguay, Wilma Patricia Frutos Ruiz, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Paraguay - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Die Entsendung von Botschafterin Wilma Patricia Frutos Ruiz hatte landesintern für einige Aufregung gesorgt. Man wirft ihr vor, nur mit Beziehungen an diesen und andere begehrte Posten gekommen zu sein. Durchaus glaubhaft, wenn man das korrupte System in Paraguay kennt. Obwohl - als deutscher Normalbürger lässt es sich dort schon gut leben - vorausgesetzt, man hat sich mit den entsprechenden Schusswaffen und Behördenkontakten eingedeckt.

Botschafterin der Hellenischen Republik, Maria Marinaki, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin der Hellenischen Republik, Maria Marinaki (2. von links), bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Die Botschafterin zeigt auf ihre Flagge. - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Die Hellenische Republik ist das, was wir als Griechenland kennen. Griechenland hat über 10 Millionen Einwohner und ein jährliches Pro-Kopf-Einkommen von 18.000 USD. Dass Griechenland ein nachhaltiges Wirtschaftsproblem hat, liegt wohl auch daran, dass 30% der Berufstätigen im Öffentlichen Dienst arbeiten. Auch wenn Horst Seehofer jüngst twittern ließ: "Der öffentliche Dienst ist das Rückgrat unserer Gesellschaft", so zeigt doch Griechenland, dass diese Aussage nur bedingt einer Prüfung in der Praxis standhält. Gemessen an der Einwohnerzahl hat Griechenland einen sehr hohen Anteil an militärischem Personal: 142.700 Soldaten plus 221.350 Reservisten. Damit kommt Griechenland auf eine ähnliche Truppenstärke wie sein unberechenbarer Nachbar im Osten. Außerdem verfügt die hellenische Halbinsel über sage und schreibe 1.228 Kampfpanzer. Das ist das Fünffache dessen, was Deutschland als Hersteller des Leopard 2 besitzt. Offensichtlich besteht auch hier ein Wettbewerb gegenüber dem NATO-Vertragspartner Türkei mit seinen 2.378 Kampfpanzern.

Botschafterin der Hellenischen Republik, Maria Marinaki, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin der Hellenischen Republik, Maria Marinaki, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Griechenland - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Botschafterin Maria Marinaki blickt auf eine über 40-jährige Karriere im diplomatischen Dienst zurück. In dieser Zeit war sie in Washington D.C. eingesetzt, bei der OSZE, in Wien, in Brüssel und in ihrem Außenministerium. Ihre Schwerpunkte sind Migration, Frauenrechte, Frieden, Sicherheit und Genderthemen. Sie spricht Griechisch, Englisch, Französisch und Deutsch.

Botschafter der Republik Haiti, Frantz Bataille, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Haiti, Frantz Bataille (rechts), bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Haiti liegt in der Karibik südöstlich von Kuba. Haiti hat 11 Millionen Einwohner und teilt sich die Insel mit der Dominikanischen Republik. Die 732 USD des jährlichen Pro-Kopf-Einkommens in Haiti entsprechen dem Zehntel des Durchschnittseinkommens seines Nachbarn. Das liegt wohl nicht nur an den fehlenden All-Inclusive-Reisen, sondern auch am fragilen Staatssystem und den ständigen Naturkatastrophen. Haiti liegt nämlich am Rande der Karibischen und der Nordamerikanischen Platte, was oft zu schweren Erdbeben führt - zuletzt 2010. Weil das Land ganz andere Sorgen hat, gibt es dort nur 500 Soldaten, die sich gerade zu einem Infanteriebataillon zusammenraufen. Die Küstenwache mit ihren acht Patrouillenbooten wird von 50 Paramilitärs gestellt. Den Rest übernehmen Helfer aus Ecuador und Brasilien.

Botschafter der Republik Haiti, Frantz Bataille, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Haiti, Frantz Bataille, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Haiti - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Die Botschaft von Haiti liegt in der Nähe von Bahnhof Zoo, IHK Berlin und Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Botschafter Frantz Bataille wurde bereits im September 2020 nach Deutschland entsandt. 2015 war er bereits als Geschäftsträger seiner Botschaft in Berlin tätig. In dieser Zeit hatte er an der Qualitätskontrolle für haitische Bananen teilgenommen. Haiti hatte nach 60 Jahren seinen internationalen Handel mit Bananen reaktiviert. Haiti ist ein Beispiel dafür, wie wechselnde Kleptokratien und ausländische Akteure ein Land nachhaltig in den Ruin treiben können.

Botschafter der Republik Kenia, Thomas Boniface Amolo, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Kenia, Thomas Boniface Amolo (links), bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Kenia hat 53 Millionen Einwohner und liegt in Ostafrika auf Höhe der Seychellen. Im Norden grenzt Kenia an Somalia und im Westen an Uganda und den Viktoriasee. Das jährliche Einkommen eines Kenianers ist dreimal so hoch wie das eines Bürgers von Haiti. Die 24.100 Soldaten sind hauptsächlich mit dem nördlichen Nachbarn beschäftigt. Im Rahmen von AMISOM ist Kenia mit 4.000 Soldaten in Somalia aktiv. Somalia ist bekannt für seine Piraterie. Diese konnte durch wehrhafte Handelsreisende und deren militärische Begleitschiffe inzwischen so unattraktiv gemacht werden, dass die Bundeswehr sogar Kräfte aus der Region abziehen kann. Kenia ist westlich orientiert und lässt sich gerne durch Briten und Australier unterstützen, gibt aber im Gegenzug auch Leistung zurück. Das Land nimmt an verschiedenen UN-Missionen wie MINUSMA, MINUSCA, MONUSCO, UNSOS, UNMISS und UNAMID teil.

Botschafter der Republik Kenia, Thomas Boniface Amolo, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Kenia, Thomas Boniface Amolo, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Kenia - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Botschafter Thomas Boniface Amolo wurde 1961 in Nairobi geboren. Studiert hatte er in Nairobi und an der Columbia Universität, New York. Zunächst hatte er an seinem Außenministerium verschiedene Sekretariats- und Beratungsaufgaben wahrgenommen. Seine Auslandserfahrung erstreckt sich hauptsächlich auf den afrikanischen Kontinent: Nigeria und Süd Afrika. Sein Vermögen beläuft sich auf umgerechnet knapp 650.000 USD. Er ist Netzwerker und kann neue Initiativen starten, die nachweisliche Ergebnisse bringen. Die Zusammenarbeit mit Deutschland interessiert ihn sehr, weil man von Deutschland viel bezüglich Landwirtschaft, Industrie und der Förderung junger Menschen lernen könne. Thomas Boniface Amolo setzt sich aktiv gegen Afrophobie ein und möchte seine in Deutschland lebenden Landsleute über Social Media stärker ansprechen.

Die Akkreditierungen fanden zwischen 10 bis 12 Uhr im üblichen Halbstundentakt statt. Nach dem Niederholen der kenianischen Flagge wurde die deutsche Flagge wieder auf den mittleren Mast umgehisst. Die wenigen bei Corona zugelassenen Bildreporter verließen das Schloss und die Vertreterin des Auswärtigen Amtes fuhr mit ihrem Hybridfahrzeug davon.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 5. März 2021

IISS und MIT diskutieren mögliche Angriffsszenarien Russlands auf Europa

Hinter dem Moderator der Webkonferenz bewegte sich ein weißes Etwas. War es ein Teil seines Sessels? Es verschwand und tauchte wieder auf. Mit seinen Bewegungsabläufen hatte es nichts zu tun. Was war das? Nach fünf Minuten tauchte hinter seiner Schulter der Kopf einer schwarz-weiß-gefleckten Katze auf. Das Rätsel war gelöst. Überhaupt vermitteln die Webkonferenzen während Corona einen tiefen Einblick in das Privatleben von Personen, die sonst nur mit Anzug und Krawatte auf neutralem Parkett anzutreffen sind. Die Webkonferenzen offenbaren, ob jemand belesen ist, keinen Geschmack hat oder Kleinkinder im Haushalt wohnen. Ferner lassen sich Rückschlüsse auf die Lage des Büros ziehen: Keller, Balkon, Flur oder Wohnzimmer. Deshalb sind technikaffine Webinaristen schon dazu übergegangen, dilettantische Bluescreen-Funktionen zu nutzen und eine Grafik hinter sich einblenden zu lassen.

Nach der einstündigen Online-Diskussion des IISS (International Institute for Strategic Studies) wusste der Teilnehmer, dass der Moderator in einem Haushalt mit Sinn für gepflegte Inneneinrichtung lebt, einen großen Flachbildschirm besitzt, gerne liest und von Klavierspielern umgeben ist. Die wirklich spannenden Dinge waren jedoch von den Diskussionsteilnehmern zu erfahren:

IISS und MIT diskutieren mögliche Angriffsszenarien Russlands auf Europa
IISS und MIT diskutieren mögliche Angriffsszenarien Russlands auf Europa - Archivbild ILÜ 2019

Ausgangspunkt für diese Konferenz war nämlich eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem IISS und Professor Barry R. Posen vom MIT (Massachusetts Institute of Technology). Leser von Computerzeitschriften kennen das MIT in Boston als Vorreiter für technische Innovationen. Professor Posen unterrichtet dort Politikwissenschaften. So wie das IISS hat auch er einen nüchternen und völlig emotionslosen Blick auf die Realitäten und mögliche Zukunftsszenarien. Das ist insofern faszinierend, weil die Erkenntnisse der Institute doch letztlich auch das Leben dieser Personen tangieren können. In diesem Falle das der europäischen Mitarbeiter.

Im Mai 2019 war das IISS der Frage nachgegangen, ob Europa ohne externe Hilfe der USA verteidigungsfähig wäre, wenn Russland plötzlich angreifen würde. Damals stand ein NATO-Ausstieg der USA zur Debatte und das IISS rechnete den finanziellen Aufwand zum Schließen dieser Lücke aus: 288 bis 375 Milliarden USD seien notwendig. Das klingt für europäische Ohren erst einmal sehr viel, entspricht aber nur etwa der Hälfte des amerikanischen Verteidigungshaushaltes. Bei der Berechnung ging das Institut vom Worst Case, also dem schlimmsten anzunehmenden Fall, aus.

Professor Posen vom MIT schätzt die Zahl als viel zu hoch ein, da sie die politischen und strategischen Dämpfungsfaktoren nicht beachte. So wäre Russland selbst beim Abfeuern sämtlicher Langstreckenraketen und dem Einsatz aller verfügbaren konventionellen Waffen gar nicht in der Lage, dauerhaft seine Position zu sichern. Deshalb müsse es mit seinen Ressourcen und Fähigkeiten haushalten und clever taktieren. Diese Sichtweise teilen auch die Experten vom IISS und erklärten, dass 2019 das Worst-Case-Szenario als ein solches berechnet wurde, ohne den Anspruch auf ein reales Eintreffen desselben zu erheben. "What if", würde der Engländer sagen: "Was wäre wenn ...?"

IISS und MIT diskutieren mögliche Angriffsszenarien Russlands auf Europa
IISS und MIT diskutieren mögliche Angriffsszenarien Russlands auf Europa - #DEF20 US Defender Europe 2020 war ein Test der NATO, wie adäquat sich auf die russische Fähigkeit der schnellen Verlegung von Truppen und Material antworten lässt. - Archivfoto 1/2020

Nachdem das geklärt war, redeten MIT und IISS über die realistische Bedrohungslage aus Russland. Demnach nimmt das Baltikum heute die Stellung ein, die West-Berlin während des Kalten Krieges hatte. West-Berlin war ein Politikum, ein Stachel im Fleisch des Ostblocks. Realistisch hätte West-Berlin nie verteidigt werden können, wenn es die damalige Sowjetarmee überrannt hätte. Es musste aber als Symbol des Westens unbedingt gepflegt und erhalten werden. Diese Rolle kommt nun Lettland, Litauen und Estland zu. Sie sind die gefährdete Nordostflanke der NATO und zugleich die gefährdete Nordostflanke der EU. Dennoch steht das Baltikum nicht auf der Prioritätenliste aller EU-Staaten. Betrachtet man Großbritannien, Frankreich und Deutschland als die drei größten Verteidigungsnationen in Europa, werden die Unterschiede deutlich. Frankreich interessiert sich mehr für Terrorbekämpfung und die Einsätze in den ehemaligen Kolonialgebieten Afrikas. Großbritannien ist mit den Folgen des Brexit beschäftigt und kümmert sich um die Lage im Südchinesischen Meer. Nur Deutschland zeigt ein gewisses Engagement beim Schutz seiner östlichen Pufferzone.

Deutschen und Balten ist aber klar, dass sie personell und technisch einem russischen Angriff nicht gewachsen sind. Deshalb muss bei der Betrachtung etwas Abstand gewonnen werden, um das gesamte strategische Gebilde auswerten zu können. Es ist seit vielen Jahren bekannt, dass Russland in der Lage ist, sehr schnell große Truppenverbände zu verlegen und diese mit konventionellen Waffen zu unterstützen. Deshalb rechnen IISS und MIT damit, dass Russland per "Blitzkrieg" - das Wort hat sich auch im Englischen etabliert - das Baltikum annektieren und damit der NATO in einen Entscheidungskonflikt aufzwingen könnte. Soll die NATO wegen der geostrategisch unbedeutenden Ostseestaaten den Bündnisfall nach Artikel 5 ausrufen? Wer macht dann überhaupt mit? Oder soll man das Baltikum einfach abschreiben? Wenn man es abschreibt, was macht Russland als nächstes? Annektiert es in einem weiteren Blitzkrieg Polen und steht plötzlich wieder direkt an der Grenze zu Deutschland? Fragen, deren Antworten die NATO jetzt schon mal überlegen sollte.

IISS und MIT diskutieren mögliche Angriffsszenarien Russlands auf Europa
IISS und MIT diskutieren mögliche Angriffsszenarien Russlands auf Europa - Archivbild aus 12/2018 von einer gemeinsamen Übung deutscher und polnischer Panzerverbände

Professor Posen appellierte an das europäische Selbstbewusstsein: Die EU habe per se ein hohes Potenzial, sei führend in der Industrie, verfüge über Unmengen an klugen Köpfen und habe die entsprechenden finanziellen Mittel. Das solle Europa nicht vergessen. Aus diesem Selbstbewusstsein heraus lassen sich entsprechende Gegenstrategien entwickeln. Man könne Russlands Energielieferungen kappen, dessen Handelsschiffe versenken oder den Geldhahn für die Oligarchen zudrehen.

Es läuft also auf ein hybrides Szenario aus wirtschaftlichen, politischen und militärischen Komponenten hinaus, das insbesondere das Baltikum als Vorposten und Symbol der NATO hart treffen wird und auf Seiten von NATO, EU und USA ein Höchstmaß an Weitblick und diplomatischem Geschick erfordert. Auch Einheit ist wichtig. An dieser Einheit sägt Russland seit geraumer Zeit mithilfe medialer Kunstgriffe. Auf weniger zuverlässige Partner an der Südostflanke der NATO konnte in der einstündigen Webkonferenz gar nicht mehr eingegangen werden. Wäre die Betrachtungszeit des dunkelbraunen Klaviers mit dem reich verzierten Kerzenhalter im Hintergrund des Moderators zugunsten der Diskussionsteilnehmer gekürzt worden, hätten noch weitere Fragen aus dem Chat beantwortet werden können. So wurden die baltischen Teilnehmer der Webkonferenz vermutlich etwas unbefriedigt ins Wochenende entlassen.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 1. März 2021

Bericht der Wehrbeauftragten zur aktuellen Situation in den Streitkräften

Es ist schon beeindruckend, wenn Pressekollegen bereits während der Vorstellung eines Berichtes detaillierte Fragen zu dessen Inhalt stellen. Der Jahresbericht 2020 der Wehrbeauftragten, Eva Högl, umfasst 150 eng bedruckte A4-Seiten. Der Bericht ist keine einfache Lektüre, die man schnell mal nebenbei durchliest. Ein Selbsttest hat ergeben, dass bei begleitendem Tagesgeschäft gut eine Woche zum Lesen eingeplant werden sollte. Vermutlich hatten die schnellen Journalisten nach den Reizthemen gesucht und die betreffenden Passagen quergelesen.

Der Bericht ist sehr vielschichtig und enthält durchaus positive Aspekte. Er beschäftigt sich mit Corona, der Inneren Führung, der finanziellen Ausstattung, mit Personal und der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, mit Material, Infrastruktur, Digitalisierung, Einsätzen, Rechtsverstößen sowie der Fürsorge mit ihren reichhaltigen Facetten von Beschädigtenversorgung bis Militärseelsorge.

Bericht 2020 der Wehrbeauftragten Eva Högl zur aktuellen Situation in der Bundeswehr
Bericht 2020 der Wehrbeauftragten, Eva Högl, zur aktuellen Situation in der Bundeswehr - Vorstellung des Berichtes am 23. Februar 2021 in der Bundespressekonferenz

Die Wehrbeauftragte wird vom Bundestag für fünf Jahre gewählt. Damit überspannt sie den Zeitraum einer normalen Legislaturperiode. Das verschafft ihrem Sonderstatus eine entsprechende Geltung und fraktionspolitische Unabhängigkeit. Sie berichtet an den Verteidigungsausschuss des Bundestages, ist diesem aber administrativ nicht unterstellt. Der Bundestag und dessen Verteidigungsausschuss können der Wehrbeauftragten aber Weisungen erteilen. Darüber hinaus ist sie von Weisungen frei. Sie selbst darf Truppenbesuche ohne Voranmeldung durchführen. Dabei sind ihr alle gewünschten Unterlagen vorzulegen oder die entsprechenden Zugänge zu gewähren. Bei besonders geheimen Einrichtungen kann ihr nur durch Beschluss der Ministerin der Zugang verweigert werden. Das schafft ein Höchstmaß an Transparenz und Klärungsmöglichkeiten.

2020 wurden 3.907 Fälle bearbeitet, die sich entweder per Eingabe, durch meldepflichtige Ereignisse, bei Gesprächen am Rande von Truppenbesuchen oder durch Presseberichte ergeben hatten. Der größte Teil stammte aus persönlichen Eingaben, die vorrangig von Unteroffizieren und Mannschaftssoldaten eingereicht wurden. Es gab auch 35 anonyme Eingaben, die per Gesetz (WBeauftrG § 8) nicht bearbeitet, aber durchaus zur Kenntnis genommen werden. Gemäß Dienstvorschrift A-2600/2 dürfen Soldaten, die eine solche Eingabe machen, keine Benachteiligungen entstehen. Wer sich an die Wehrbeauftragte wendet, kann das direkt tun - ohne Einhaltung eines Dienstweges. Damit fungiert die Wehrbeauftragte als Petitionsausschuss für Soldaten. Ganz pfiffige Petenten richten ihr Anliegen zusätzlich an den Petitionsausschuss des Bundestages. Hier besteht aber ein reger Austausch, so dass die Vorgänge letztlich doch bei der Wehrbeauftragten landen und dort bearbeitet werden.

Wer den Bericht liest, wird immer wieder über dieselben Knackpunkte stolpern: Kommunikation, Bürokratie, widersprüchliche Rechtsgrundlagen und mangelnde Flexibilität. Wo Kummunikation und Flexibilität klappen, funktioniere es laut Eva Högl auch sehr gut mit der Teamarbeit, der Berufszufriedenheit und der bravourösen Erledigung von Aufträgen. Geldmangel ist inzwischen kein Thema mehr. Dafür aber die genannten Defizite in Struktur und Denkmustern. Gerade in den haarsträubenden Passagen zur Personalentwicklung, der Materialausstattung, der Digitalisierung und den Liegenschaften steht sich die Bundeswehr oft selbst im Weg oder wird durch Referenzbehörden der zuständigen Bundesländer blockiert.

Bericht 2020 der Wehrbeauftragten Eva Högl zur aktuellen Situation in der Bundeswehr
Bericht 2020 der Wehrbeauftragten Eva Högl zur aktuellen Situation in der Bundeswehr - Besonders traurig sieht es für Piloten und Fallschirmspringer aus. - Archivfoto 9/2020

Beispielsweise verlieren Piloten ihre Lizenzen oder Fallschirmspringer erleiden vermehrt Unfälle, weil keine Fluggeräte verfügbar sind oder kein Personal, das diese Geräte wartet oder bewegt. Damit fehlen die notwendigen Flugstunden oder Pflichtsprünge. Hinzu kommen ausgelaufene Wartungsverträge wegen Überalterung von Technik. Die Luftwaffe und luftmobilen Heereseinheiten befinden sich deshalb in einer sich technisch und personell gegenseitig befruchtenden Abwärtsspirale. Das sorgt für berechtigte Frustration bei hoch qualifiziertem Personal und Bereitschaftslücken bei der Landes- und Bündnisverteidigung.

Wenn es um qualifiziertes Personal geht, hat die Wirtschaft immer noch die Nase vorn: Wer sich nachhaltig in der freien Wirtschaft behauptet hat und nun mal etwas anderes machen möchte, wird durch Papierkrieg, elend lange Bearbeitungszeiten, praxisferne Einstellungstests, lustlose Kommunikation und unflexible Regeln für den Einstiegsdienstgrad und die Vergütung abgeschreckt. Gelingt solch ein Seiteneinstieg doch einmal, muss sich der neue Kamerad mit dem Neid der Bestandskameraden auseinandersetzen, die sich über Jahre hinweg hochgedient haben. Auch auf diese Befindlichkeiten geht der Bericht ein und zeigt damit, wie umfänglich die Themen betrachtet werden.

Überhaupt ist zwischen den Zeilen zu lesen, wie hoch die Wertschätzung der Wehrbeauftragten gegenüber den Soldaten und ihrem Dienst ist. Defizite werden nüchtern beim Namen genannt, Ursachen werden ermittelt und durchgeführte Maßnahmen lobend erwähnt. Es erfolgt keine parteipolitische Polemik über Sinn und Zweck der Bundeswehr, sondern eine professionelle Auseinandersetzung mit den oben genannten Themenkomplexen von Corona bis Fürsorge.

Eva Högls Vergangenheit als Juristin schwingt im gesamten Jahresbericht mit. Mehrfach geht sie auf juristische Widersprüche oder überholte Regeln ein, die dringend überarbeitet werden müssen. Ablesen lässt sich ferner die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium. Bis auf wenige Meinungsverschiedenheiten scheint sie ein gutes Verhältnis zu den dortigen Entscheidungsträgern aufgebaut zu haben, ohne sich jedoch deren Einfluss zu unterwerfen. Sind wir also gespannt, wie viel von ihrem ehrlichen - und an vielen Stellen schonungslosen - Bericht in der näheren Zukunft umgesetzt wird. Immerhin liefert das Papier auch jede Menge Lösungsvorschläge.

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 27. Februar 2021

Überraschungsbesuch von AKK in Afghanistan

Überraschungsbesuche sind normalerweise ein Markenzeichen des Generalinspekteurs (GI) oder ein Privileg der Wehrbeauftragten. In der Truppe werden sie liebevoll als "Ü-Ei-Besuche" bezeichnet. Es kann praktisch jeden in jeder Situation treffen. Wenn beispielsweise die Vorzimmerdame beim Kommandeur anruft und sagt "Der GI ist ist da.", sollte sich der Kommandeur schon einmal von seinem Platz erheben, weil sich im nächsten Augenblick vier gelbe Sterne auf Flecktarn durch seine Tür bewegen.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK stattet der Truppe in Afghanistan einen Überraschungsbesuch ab
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK stattet der Truppe in Afghanistan einen Überraschungsbesuch ab. - Baustelle des neuen Hangars für die Drohne Heron TP im Camp Marmal -  Foto: Bundeswehr / Sabine Oelbeck

Gestern nutzte auch die Verteidigungsministerin dieses Ü-Ei-Format und reiste nach Afghanistan. Der Überraschungsbesuch war so überraschend, dass sich selbst die Ministerin von dieser Spontanität überrascht zeigte. Sie war nämlich direkt nach der Verlängerung des Resolute-Support-Mandates bis Januar 2022 ins Einsatzgebiet aufgebrochen.

Die USA hatten zwar mit den Taliban verhandelt und ein Abkommen für die Zeit nach dem Abzug der internationalen Truppen geschlossen. Aber - wie in Sure 9 des Koran vorgesehen - muss sich ein Taliban nicht an Abmachungen mit Ungläubigen halten. Vertragsschlüsse dienen demnach lediglich als taktisches Mittel, so lange man den ungläubigen Gegner nicht gleich zu vernichten vermag. Dass die Taliban diese theologischen Grundlagen ernst nehmen, zeigt die aktuelle Situation in Afghanistan.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK stattet der Truppe in Afghanistan einen Überraschungsbesuch ab
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK stattet der Truppe in Afghanistan einen Überraschungsbesuch ab. - Vorführung der Drohnenabwehrwaffe HP 47+ -  Foto: Bundeswehr / Sabine Oelbeck

Die Ministerin dankte den Soldaten ausdrücklich für ihren Dienst unter diesen besonderen Umständen und meinte damit die Mehrfachbelastung von Klima, Bedrohungslage und Corona-Maßnahmen. Sie erwarte ein Ansteigen der Gewalt und wollte sich deshalb selbst ein Bild von der Situation vor Ort verschaffen. Dazu bewegte sie sich weit in die Truppe hinein und sprach mit Führungspersonal, Mannschaftssoldaten und Militärseelsorgern. So gewann sie einen differenzierten Eindruck, wie es den Soldaten geht und welcher konkrete Bedarf zu stillen ist.

Dass ein Ad-Hoc-Abzug wenig sinnvoll ist, haben verschiedene Einsätze der jüngeren Vergangenheit gezeigt. Das dadurch entstehende Machtvakuum wird in jedem Fall ausgefüllt. Die Frage ist nur: Durch wen? Oftmals sind es kriminelle Kräfte, die das Land und die angrenzende Region in ein noch größeres Chaos stürzen. Einsatzerfolge wie Brückenbau, Bildungskampagnen, Brunnenbohrungen, Training einheimischer Sicherheitskräfte und Aufbau demokratischer Strukturen könnten dann innerhalb kürzester Zeit wieder zunichte gemacht werden.

Die Bundeswehr ist nun schon seit Dezember 2001 in Afghanistan. Nach dem Anschlag auf das Wold Trade Center in New York hatten die USA den Bündnisfall nach Artikel 5 des NATO-Vertrages ausgerufen und sich auf Afghanistan als Steuerungsort der Angreifer konzentriert. Sinnhaftigkeit und Aufwand dieses fast 20-jährigen Einsatzes sind den Soldaten, der Zivilgesellschaft und dem Bundestag kaum noch zu vermitteln. Dennoch steht Deutschland in der Verantwortung, das Land nicht durch einen zu schnellen Abzug seinem Schicksal zu überlassen.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK stattet der Truppe in Afghanistan einen Überraschungsbesuch ab
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK stattet der Truppe in Afghanistan einen Überraschungsbesuch ab. - Gespräch mit Soldaten im Camp Marmal -  Foto: Bundeswehr / Sabine Oelbeck

Man habe deshalb bei der Verlängerung des Mandates die Obergrenzen ausgereizt und eine möglichst hohe Flexibilität eingebaut. Damit kann die Bundeswehr auf die neue Qualität des immer "robuster" werdenden Einsatzes reagieren. Hilfreich wäre, wenn sich die mutigen Kräfte vor Ort der Akzeptanz und Wertschätzung der bundesdeutschen Gesellschaft bewusst sein könnten.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 26. Februar 2021

Angelobung bei der Garde in der Maria-Theresien-Kaserne in Wien

Die Garde in Österreich ist das Gegenstück zum Wachbataillon in Deutschland. Letzteres bezeichnet sich nur noch intern als Garde und blickt damit auf eine etwa 200-jährige Geschichte zurück. Das damalige Erste Garderegiment zu Fuß war fest am preußischen Hof etabliert und spielte am 3. Juli 1866 eine wichtige Rolle in der Schlacht bei Königgrätz (heute: Hradec Králové). In dieser Schlacht konnte sich Preußen nachhaltig gegen eine österreichische Übermacht durchsetzen. Als Ergebnis entstand der Königgrätzer Marsch. Diesen spielt das Musikkorps der Bundeswehr bei jedem seiner Einmärsche zu militärischen Ehren oder Gelöbnissen.

Garde Bundesheer Österreich Wien Maria-Theresien-Kaserne Angelobung am 25.02.2021
Angelobung bei der Garde in der Maria-Theresien-Kaserne in Wien - Die Fahnenabordnung tritt vor. - Foto: Nick Rainer / Bundesheer
Königgrätz ist heute kein Thema mehr, das die Stimmung zwischen der österreichischen Garde und ihrem deutschen Partnerbataillon verderben würde. In der Wiener Maria-Theresien-Kaserne gibt es sogar einen Raum, der üppig mit Uniformen, Urkunden und anderen Geschenken des Wachbataillons ausgestattet ist. Die größte Schnittmenge zwischen den Garden besteht in deren Aufgaben: Repräsentation und Sicherung. Uniformen, protokollarische Bewegungsabläufe und Kommandos weisen schon gewisse Unterschiede auf:

Die Fahnenabordnung und der kommandierende Kompaniechef stehen mit gezücktem Säbel auf dem Platz. Man sieht Reiterhosen und hohe Stiefel. Die Stiefel haben keine Nagelsohle, so dass der Sound auf dem Pflaster etwas blass wirkt. Zudem entfällt die aufwendige Gewehrperformance mit dem einheitlichen Klack beim "Gewehr ab!". Die Garde tritt nämlich mit modernen Sturmgewehren an. Wer bei der Garde anfangen möchte, muss mindestens 176 cm groß sein, muss volle Tauglichkeit haben und darf nicht vorbestraft sein. Das sind die gleichen Anforderungen wie beim Wachbataillon. Gleich ist auch, dass die Garde Barett trägt - knalliges Scharlachrot - ähnlich der deutschen Logistik-Baretts. Da die Garde nur aus Jägern besteht, gibt es dort keine Marine- oder Luftwaffenkompanie. Als Binnenland kann man das schon so machen. Das erleichtert vieles bei der Entscheidungsfindung, welche Teilstreitkraft einen nachgeordneten Staatsgast - wie die Bundeskanzlerin oder einen Premierminister - begrüßen soll.

Garde Bundesheer Österreich Wien Maria-Theresien-Kaserne Angelobung am 25.02.2021
Angelobung bei der Garde in der Maria-Theresien-Kaserne in Wien - Ausmarsch der Ehrenformation - Foto: Nick Rainer / Bundesheer

Das Protokoll BMVg denkt immer noch mit Schrecken an einen Fauxpas, bei dem der zuständige Protokolloffizier für den Gast aus Österreich eine Ehrenkompanie in Marineuniform befohlen hatte. Der Gast zeigte sich amüsiert - nicht so die Kanzlerin. Seitdem geht man in Berlin sehr sparsam mit Ehrenkompanien in Marineuniform um, selbst bei Australien, Neuseeland, Island oder Irland. Präsentation und protokollarische Anlässe sind auch für die Garde ein Alleinstellungsmerkmal. Es wird jedoch klar kommuniziert, dass der Protokolldienst "nur eine Zusatzaufgabe" neben der eigentlichen infanteristischen Aufgabe darstellt. Das ist zwar beim Wachbataillon auch so, aber die Öffentlichkeit nimmt in Deutschland wie in Österreich nur die öffentlichen Auftritte wahr und geht davon aus, dass die Gardeangehörigen gar nicht kämpfen können.

Die Wiener sind in der komfortablen Lage, dass sie im Rahmen der Wehrpflicht ständig Nachschub bekommen. Gestern legten knapp 200 Rekruten ihr Gelöbnis ab. In Österreich nennt sich das "Angelobung" und weist doch so einige Unterschiede zum deutschen Gelöbnis auf. Der Text ist in §41 Absatz 7 des Wehrgesetzes von 2001 festgelegt und lautet: "Ich gelobe, mein Vaterland, die Republik Österreich, und sein Volk zu schützen und mit der Waffe zu verteidigen. Ich gelobe, den Gesetzen und den gesetzmäßigen Behörden Treue und Gehorsam zu leisten, alle Befehle meiner Vorgesetzten pünktlich und genau zu befolgen und mit allen meinen Kräften der Republik Österreich und dem österreichischen Volke zu dienen." Die Rekruten haben den Text voller Inbrunst mitgesprochen - man könnte schon fast sagen: durch die Mund-Nase-Bedeckungen gebrüllt. Als Deutscher hätte man sicher ein Problem mit der Befehlspassage. Auch fehlt das "So wahr mir Gott helfe." Das wäre gerade in Österreich zu erwarten gewesen, wurde aber durch ein Gebet während der Angelobung kompensiert.

Garde Bundesheer Österreich Wien Maria-Theresien-Kaserne Angelobung am 25.02.2021
Angelobung bei der Garde in der Maria-Theresien-Kaserne in Wien - Rekruten - Foto: Magdalena Hofer / Bundesheer
Österreich hat knapp 8,9 Millionen Einwohner und etwa 22.000 aktive Soldaten. Das Land verfügt über eine bemerkenswert große Reserve von 125.600 Personen. Der Wehrdienst dauert sechs Monate. Die aktuellen Rekruten waren am 11. Januar 2021 in der Kaserne erschienen und mussten sich erst einmal den Corona-Tests unterziehen. Dann ging es in die BAk (Basisausbildung kurz). Diese Ausbildung dauert vier Wochen, ist für alle Soldaten zu absolvieren und beinhaltet auch schon den scharfen Schuss mit dem Sturmgewehr. Ab der fünften Woche trennen sich die Wege und die Soldaten werden an ihre Spezialrichtungen herangeführt: Lehrgänge für Sicherungsaufgaben, Katastrophenhilfe, Führerscheine, Gefechtsdienst und erweiterte Schießausbildung. Das nennt sich Basisausbildung 1 (BA1) und geht für alle bis in die elfte Woche. Die Angelobung erfolgt in der Regel zwischen der fünften und der siebten Woche. Ab der zwölften Woche sind die Soldaten in ihrer Zieleinheit eingesetzt und bauen dort weitere Spezialfähigkeiten auf.

Garde Bundesheer Österreich Wien Maria-Theresien-Kaserne Angelobung am 25.02.2021
Angelobung bei der Garde in der Maria-Theresien-Kaserne in Wien - Ehrenformation der Garde - Foto: Nick Rainer / Bundesheer

Wer in der Garde eingesetzt ist, beginnt in der fünften Woche mit dem "Protten". Was in Deutschland Protokoll-Grundausbildung (ProtGA) heißt, nennt sich in Österreich Paradegrundausbildung für den Paradeexerzierdienst (PExD). Die Exerzierausbildung dauert idealerweise ebenfalls um die 40 Tage, kann aber situationsbedingt auf ein Mindestmaß von 30 Tagen verkürzt werden. Dann gibt es - wie in Berlin - eine Zielüberprüfung Paradeexerzierdienst (ZÜP PExD).

Die Garde besteht aus acht Kompanien: Die 1. bis 5. Kompanie sind Jägerkompanien mit dem Zusatzauftrag der Repräsentation. Diese Kompanien bestehen aus jeweils etwa 100 Soldaten plus der dazugehörigen Berufssoldaten. Darüber hinaus gibt es eine Stabskompanie und eine Kaderpräsenzkompanie (KPE). Die KPE besteht aus Berufssoldaten mit einer Laufzeit von drei bis 15 Jahren und wird nur selten zu Protokolleinsätzen herangezogen. Diese Kompanie ist eine Art Schnelle Einsatztruppe, die flexibel auf Sicherungsbedarf im Regierungsviertel oder in Auslandseinsätzen reagieren kann. Eine Besonderheit und damit auch ein großer Unterschied zum Wachbataillon ist die Eingliederung der Gardemusik als Gardekompanie. Wegen der besonderen Anforderungen verpflichten sich die Musiker zu mindestens 13 Monaten Wehrdienst, die die Ausbildungsetappen des 6-monatigen Grundwehrdienstes beinhalten.

Garde Bundesheer Österreich Wien Maria-Theresien-Kaserne Angelobung am 25.02.2021
Angelobung bei der Garde in der Maria-Theresien-Kaserne in Wien - Gardemusiker stellen eine der acht Kompanien der Garde. - Foto: Magdalena Hofer / Bundesheer

Die preußischen Urahnen des Wachbataillons waren auch für das Testen neuer Waffensysteme und neuer Taktiken zuständig. Diese Aufgabe ist in Berlin komplett weggefallen. In Wien hingegen ist die Garde bis heute für die Aufstellung, Ausbildung und Einsatzvorbereitung von bis zu 2.500 Milizsoldaten zuständig. Milizsoldaten könnten mit unseren Reservisten oder besser noch mit der norwegischen Home Guard verglichen werden. Es sind Zivilisten, die bei Bedarf abgerufen werden können und in Summe das österreichische Bundesheer fast auf den personellen Umfang der Bundeswehr aufstocken können.

Autor: Matthias Baumann

Video: Angelobung bei der Garde in der Maria-Theresien-Kaserne in Wien

Donnerstag, 25. Februar 2021

IISS stellt die #MilitaryBalance 2021 vor

Die Military Balance ist ein über 500 Seiten starkes Werk, das das IISS (International Institute for Strategic Studies) in jedem Frühjahr herausbringt. Es enthält zu über 170 Staaten sicherheitspolitisch relevante Eckdaten wie Bruttoinlandsprodukt, Verteidigungshaushalt, Bevölkerungsstruktur, militärisches Gerät, Anzahl der Soldaten und jede Menge Analysen zur regionalen Rüstungsindustrie, zu Innovationen, tatsächlichen Fähigkeiten, Absichten und Entwicklungen. Die in der Military Balance gelieferten Daten gelten als zuverlässig.

Normalerweise findet die Vorstellung des neuen Buches am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) statt. So wie die MSC versteht sich auch das IISS als Think Tank. Think Tank ist der neudeutsche Begriff für Denkfabrik. Es bündelt also verschiedene Kräfte aus verschiedenen Bereichen, die durch ihre facettenreiche Herangehensweise ein möglichst objektives und optimales Ergebnis erzeugen.

Während Medien, Mittelstand und Privatpersonen mit Corona beschäftigt sind, geht der Aufwärtstrend bei den Verteidigungsausgaben unvermindert weiter. Besonders signifikant war das im Berichtszeitraum in Europa und in China. Europa kämpft sich der 2%-Verpflichtung gegenüber der NATO entgegen und hat inzwischen schon den durchschnittlichen Wert von 1,64% erreicht. Das dürfte den reaktivierten Partner westlich des Atlantik freuen und zu einer umso engeren Zusammenarbeit bewegen.

IISS stellt die #MilitaryBalance 2021 vor
IISS stellt die #MilitaryBalance 2021 vor - Die 15 Länder mit den höchsten Verteidigungshaushalten - Grafik (C) IISS 2021

Die USA geben 738 Milliarden USD und stehen damit ungebrochen an Platz 1. Dieser Betrag entspricht 40,3% der weltweiten Verteidigungsausgaben. Es folgt China mit nahezu bescheiden anmutenden 193,3 Milliarden USD für seinen Haushalt. Nach einer weiteren großen Lücke schließen sich Indien mit 64,1 Milliarden USD, Großbritannien mit 61,5 Milliarden USD, Russland mit 60,6 Milliarden USD, Frankreich mit 55 Milliarden USD und Deutschland mit 51,3 Milliarden USD an. Deutschland ist damit Teil der Top 7. Erst danach kommen Japan, Saudi Arabien und Südkorea.

China arbeitet konsequent auf sein Ziel hin, bald wieder "Kriege gewinnen" zu können. So baut das Land weiter seine Präsenz im Südchinesischen Meer aus und agiert dort mit paramilitärischen Kräften. China schafft ein Schiff nach dem anderen an. Die Zahl der chinesischen Korvetten hat sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Verdoppelt haben sich auch die großen Anlandungsschiffe. Weitere Anlandungs- und Kampfschiffe sind bestellt. Damit diese Schiffe möglichst ungestört durch die Meere kreuzen können, hat China auch intensiv bezüglich der U-Boot-Bekämpfung aufgerüstet. Damit aber nicht genug: Auch der Flottensupport wurde seit 2015 nahezu verdoppelt und ebenso der schwere Lufttransport. Corona war ein willkommener Anlass, die logistischen Fähigkeiten der chinesischen Streitkräfte zu testen - und keiner hat es gemerkt - außer dem IISS.

Klar, dass die asiatischen Nachbarn unruhig werden und sich über Papiere wie die Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung freuen. Großbritannien entsendet demnächst einen Flugzeugträger in die Region. Allerdings kann auch dieser nur in Kooperation mit multinationalen Partnern etwas ausrichten - und sei es die verzögernde Abschreckung. Ob und wann Deutschland die versprochene Fregatte entsendet, ist noch unklar. Ein Konflikt im Indischen Ozean würde Deutschland aufgrund seiner Handelsstärke sehr empfindlich treffen. Weichen müssen jetzt gestellt werden, da China nicht auf den einvernehmlichen Abschluss der Debatten um das G36 oder die Bewaffnung von Drohnen warten wird.

Auf einer Skala der weltweiten Bedrohungen steht China ganz oben. Es folgt Russland mit seinem stark modernisierten Raketenprogramm. Das größte Problem stellen die Überschallraketen dar, denen Europa und die NATO keine wirklichen Abwehrtechnologien entgegenzusetzen haben. Man kann dann nur hoffen, dass die Rakete nicht im eigenen Büro einschlägt. Zumindest verschafft es Russland eine nützliche Position zum Erstschlag. Deshalb muss die NATO eine glaubhafte Abschreckung mit Hinweis auf einen Zweitschlag aufbauen. So dreht sich die Eskalationsschraube weiter nach oben. Die USA hatten Russland bislang immer als Störer wahrgenommen und benannt. Barack Obama hatte mit seiner Äußerung, dass Russland nur noch eine Regionalmacht sei, wohl an der russischen Ehre gekratzt und deren Aggressivität herausgefordert. Laut Wolfgang Ischinger, dem Leiter der MSC, war es "nicht hilfreich, das öffentlich so zu formulieren." Russland agiert also wie das bockige Kind, das in seiner Wut überdimensionale Kräfte entwickelt, die es normalerweise gar nicht hat.

Als drittgrößte Bedrohung nach China und Russland wurde der Iran mit seinem Nuklearprogramm genannt. Hier tut sich aber gerade wieder etwas seit dem Präsidentenwechsel in den USA. Immer spannender wird das Gebiet der hybriden Bedrohungen. Der ganze Verteidigungshaushalt nützt nichts, wenn die Gesellschaften von innen demontiert werden, wenn Infrastruktur angegriffen wird oder in großem Stil Desinformationen eingespeist werden. Hier ist gesamtgesellschaftliche Resilienz gefordert. In Nordosteuropa ist man in dieser Hinsicht schon sehr weit. Auch die NATO und die EU in Brüssel beschäftigen sich damit. In Deutschland scheint das Thema nur in sicherheitspolitisch interessierten Kreisen angekommen zu sein und wird deshalb in der Praxis kaum angegangen.

Die heutige Vorstellung der Military Balance 2021 erfolgte in mehrfacher Hinsicht Corona-gerecht: Die Diskussionsteilnehmer saßen entweder in separaten Büros oder waren in ihrem Londoner Konferenzsaal durch Glasscheiben getrennt. Zur Stärkung gab es für sie Wasser, Muffins und Croissant. Wer per Zoom zugeschaltet war, konnte Fragen an die Experten des IISS stellen. Viele der Fragen kamen von britischen Zeitungen, aber auch aus Berlin.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 23. Februar 2021

Wehrbeauftragte Eva Högl stellt ihren Bericht für 2020 vor

Die Art und Weise, wie Eva Högl im Mai 2020 in ihr Amt als Wehrbeauftragte gehievt wurde, hatte ihr keine gute Startposition verschafft. Ihr Vorgänger, Hans-Peter Bartels, galt als fachkundig und geschätzt bei der Truppe. Eva Högl war in Sachen Bundeswehr und Verteidigung ein unbeschriebenes Blatt. Vielleicht war das der Grund, warum der bekennende Pazifist und SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich gerade Eva Högl auf diesen Posten setzen wollte. Eva Högl hatte immer einen großen Respekt vor diesem Amt, aber nie darauf spekuliert. Ganz im Gegenteil, sie war im Mai 2020 gar nicht auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Als Rolf Mützenich fragte, fühlte sie sich geehrt und sagte zu.

Wehrbeauftragte Eva Högl stellt ihren Bericht für 2020 in der Bundespressekonferenz #BPK vor
Wehrbeauftragte Eva Högl stellt ihren Bericht für 2020 in der Bundespressekonferenz vor.

Inzwischen liegen 30 Truppenbesuche unter Corona-Bedingungen hinter ihr und die Erstellung eines Berichtes mit knapp 150 Seiten. Erstmalig trat sie heute als Wehrbeauftragte vor die Presse und stellte den Jahresbericht 2020 vor. Es war eine beachtliche Zahl an Fotografen erschienen. Die Wortpresse konnte an zwei Händen abgezählt werden. Wer aber dabei war, konnte ihr unvorbereitet auf den Zahn fühlen. Das Ergebnis war beeindruckend:

Eva Högl beantwortete alle Fragen mit viel Sachverstand. Sie wirkte gut informiert und wich keiner Frage aus. Sie meisterte die Pressekonferenz völlig souverän und ohne eine verunsicherte Delegation an ihre anwesenden Mitarbeiter. Ein weiterer unerwarteter Pluspunkt war die Feststellung, dass Eva Högl von der Meinung ihrer Parteiführung abweicht und klar Partei für die Soldaten ergreift. So will sie den Soldaten Antworten zu Afghanistan liefern, setzt sich für bewaffnete Drohnen ein und hat in ihrem Bericht nicht nur Mängel aufgeführt, sondern auch Dinge benannt, die gut funktionieren. Sie zeigte sich beeindruckt von dem, was die Bundeswehr kann und leistet.

Die Amtshilfe während Corona sei ganz nett gewesen, aber es seien dadurch Themen wie die Auswahlkonferenz für Feldwebel auf der Strecke geblieben. Corona habe auch ihren Wirkungsradius eingeschränkt, so dass sie die Truppen im Auslandseinsatz erst nach dem Lockdown besuchen wird. Der Eindruck vor Ort und das persönliche Gespräch sind ihr sehr wichtig. Das klingt schon fast nach Militärbischof. Am Rande der Pressekonferenz war zu erleben, dass das keine Sprüche sind. Den Kollegen Thomas Wiegold von "Augen geradeaus!" begrüßte sie mit "Hallo Herr Wiegold, ... ich lese Sie öfter als ich Sie sehe."

Dass Eva Högl eine gute Arbeit leistet war auch schon aus der Truppe zu hören. Die heutige Pressekonferenz und das persönliche Erleben der neuen Wehrbeauftragten konnten das bestätigen.

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 20. Februar 2021

#MSC2021 - Klimawandel beschäftigt jetzt auch alte weiße Männer

"Das sagt doch Greta Thunberg schon lange." - "Ja, nur wer hört auf ein kleines schwedisches Mädchen?" Die gestrige virtuelle Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) hat neben Corona und der stark verbesserten Qualität der transatlantischen Beziehungen einen spürbaren Fokus auf den Klimawandel gelegt. Vor zwei Jahren war das Thema bereits im Hauptsaal der MSC diskutiert worden - am Samstag, dem wichtigsten Tag der Konferenz. Eingeleitet wurde die Podiumsdiskussion damals durch einen Vortrag von Prof. Schellnhuber. Prof. Schellnhuber ist Direktor des Potsdam Institute for Climate Impact Research (Institut für Klima-Folgen-Forschung in Potsdam).

Seine Folien wurden leider nicht mitgefilmt und sind zurzeit auch nicht für die Veröffentlichung gedacht. Sie behandeln verschiedene Szenarien der Erderwärmung je nach konkretem Anstieg der Temperaturen. Sicher sei jedoch, dass einige Gebiete in Äquatornähe bald nicht mehr bewohnbar sein werden. Das betrifft große Teile Brasiliens und Länder wie Ghana, Nigeria und die Elfenbeinküste. Indonesien würde wie das sagenumwobene Atlantis in die Geschichte eingehen. Gefolgt von den Inseln der Karibik und den Malediven.

#MSC2021 Klimawandel Bill Gates
#MSC2021 - Bill Gates zur Bekämpfung der Pandemie und zum Umgang mit dem Klimawandel - Foto (C) MSC Special Edition 2021, Munich, 19/02/2021

Nur, was interessiert uns hier im Norden, was auf den Malediven passiert? NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach es gestern aus: Klima ist ein sicherheitspolitisches Thema. So wie die Pandemie nicht an Grenzen halt macht, so werden auch die Flüchtlinge aus den klimatisch unbewohnbaren Regionen in den Norden strömen. Ein großer Teil wird sich in den zumeist fragilen Staatsgebilden erst einmal gegenseitig töten. Ethnische Minderheiten werden davon besonders betroffen sein. Wer das überlebt, wird sich auf den langen Weg nach Norden machen.

Bill Gates, der eigentlich wegen der Corona-Bekämpfung dabei war, sprach davon, dass durch den Klimawandel und dessen Folgen wie Missernten fünf Mal mehr Menschen pro Jahr sterben werden als durch Pandemien. Dieses Statement wurde so nüchtern und abgeklärt vorgetragen, dass an dieser Aussage kaum Zweifel aufkommt. Ein Young Leader (MSC-Nachwuchs) aus Bangladesch sprach von bis zu 30 Millionen Menschen, die sich in Bewegung setzen würden, wenn sein Land im Golf von Bengalen versinkt. Der ehemalige US-Außenminister John Kerry ist unter Joe Biden für den Klimaschutz zuständig. Bei genauem Zuhören war festzustellen, dass der buchstäbliche Untergang vieler Inseln und Küstenregionen gar nicht mehr in Frage steht. Es geht jetzt vielmehr darum: Was passiert mit den vielen Leuten, die dort jetzt noch wohnen?

#MSC2021 Klimawandel John Kerry
#MSC2021 - John Kerry zum Klimawandel - Foto (C) MSC Special Edition 2021, Munich, 19/02/2021

Joe Biden, der übrigens seine allererste außenpolitische Rede hier auf der virtuellen #MSC2021 gehalten hat, war mit einer seiner ersten Amtshandlungen zum Pariser Klimaabkommen zurückgekehrt. Klimawandel betreffe uns alle. Sehr dankbar zeigte er sich über die "Führungsstärke Europas" in dieser Sache. Seine "gute Freundin Angela Merkel" sprach nach ihm und möchte "durch Taten überzeugen". Auch Emmanuel Macron erwähnte das Klima am Rande seiner sehr kurzen Ausführungen.

John Kerry hatte entsprechend seines Ressorts kein anderes Thema. Er plädiert für Null CO2 bis 2050 und setzt sich dafür ein, dass das bisherige Ziel für 2030 deutlich nachgebessert werde. Sei das Ökosystem erst einmal nachhaltig geschädigt, könne man es nicht wie nach einer Pandemie wiederherstellen. John Kerry ist ein großer Freund der CO2-Bepreisung. Private und staatliche Akteure sollten massiv zur Kasse gebeten werden, um die Situation noch in eine erträgliche Bahn zu lenken. Als 77-Jähriger könnte ihm das Klima eigentlich egal sein. Aber er sorgt sich um die nachrückenden Generationen. Um diesem altruistischen Ansatz weitere Geltung zu verschaffen, lädt er zu den Klimakonferenzen nicht nur die Industrienationen des Nordens ein, sondern auch Betroffene aus den Regionen, die bald nicht mehr bewohnbar sein werden.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 16. Februar 2021

Gebirgsjägerregiment 231 und die herausfordernde Winter-Idylle

Während in Berlin die Homeoffice-Mama* mit dem Kleinkind den Kreuzberg hinabrodelt und der Hipster* im Landwehrkanal einbricht, stapfen die Gebirgsjäger aus Bad Reichenhall durch 80 cm Neuschnee. Auf der Reiteralpe führen die Reichenhaller Jager - mit A ohne Umlaut - eine Weiterbildung für ihr Führungspersonal durch. Dabei haben sie ganz andere Aspekte im Blick als der gemeine Wintertourist. Freut sich nämlich der Skifahrer über ausgefahrene Strecken, muss der Jager möglichst spurlos durch den Schnee kommen.

Gebirgsjägerbataillon 231 Führerweiterbildung auf der Reiteralpe - Reichenhaller Jager - Bad Reichenhall
Gebirgsjägerbataillon 231 - Reichenhaller Jager bei der Führerweiterbildung auf der Reiteralpe - Foto: Bundeswehr / Gebirgsjägerbataillon 231

Auch muss er Positionen im Gelände finden, von denen aus er alles gut im Blick hat, ohne selbst gesehen zu werden. Siedelt er sich zu tief an, sieht er zu wenig. Steigt er zu hoch, werden seine Spuren schneller entdeckt. Ganz abgesehen von der Gefahr, während der Bewegung durch die winterliche Idylle bemerkt zu werden. Dabei ist die weiß-schwarz gefleckte Tarnkleidung schon sehr hilfreich. Besonders pfiffige Soldaten kleben auch ihre Gewehre mit weißen Mustern ab.

Eine weise Auswahl der Position führt zu dem Ergebnis, dass der Jager erst einmal nicht gesehen wird und dennoch seinen Auftrag ausführen kann. Bei der aktuellen Übung geht es um die Verteidigung eines Gebietes. Hier kommen gleich die nächsten Herausforderungen ins Spiel: Welche Waffen verlieren in diesem Ambiente vielleicht ihre Wirkung? Die Granatmaschinenwaffe von Heckler & Koch oder ein Mörser müssen gar nicht mitgeschleppt werden. Durch den tiefen Schnee entfaltet deren Munition keine Wirkung. Gut für den Gegner und gut zu wissen. Es bleibt also eher bei den klassischen und leicht transportierbaren Waffen wie MG4, MG5 oder G36.

Gebirgsjägerbataillon 231 Führerweiterbildung auf der Reiteralpe - Reichenhaller Jager - Bad Reichenhall
Gebirgsjägerbataillon 231 - Reichenhaller Jager bei der Führerweiterbildung auf der Reiteralpe - Foto: Bundeswehr / Gebirgsjägerbataillon 231

Die Jager wurden in dieser Trainingseinheit auf das Gesamtgebilde des winterlichen Gebirgskampfes sensibilisiert: Welche Wege? Welcher nächste Standort? Welche Waffen? Das Wichtigste jedoch ist die Vermeidung unnötiger Bewegungen im Gelände - also kurze Wege und immer die nächste Deckung im Blick. Während die Homeoffice-Mama mit Kleinkind und Schlitten in Berlin dem warmen Kakao entgegenspaziert und der Hipster von der Feuerwehr aus dem Landwehrkanal gezogen wird, haben die Soldaten des Gebirgsjägerregimentes 231 die erste Etappe gemeistert. Für sie geht es weiter mit dem Bau von Stellungen und ergänzenden Lehreinheiten im Winterwunderland von Bad Reichenhall.

Autor: Matthias Baumann

* Homeoffice-Mama und Hipster sind fiktive Personen mit realistischem Bezug zur Zeitgeschichte