Während für Bundeswehr-Soldaten das Pflegeheim-Brunnenbohrer-Image genährt wird, geht Österreich einen anderen Weg. Die Soldaten übernehmen dort zwar gleiche Aufgaben bei der Amtshilfe, die Wortwahl ist jedoch anders: "Die Soldaten verfolgten tausende Kontakte, unterbrachen zig Infektionsketten ...". Wer Soldat wird, hat schon gewisse handwerkliche Ambitionen, die eher in Richtung Jagen, Bekämpfen, Verzögern, Unterbrechen und Gewinnen gehen. Und dabei läuft die Unterstützung der deutschen Gesundheitsämter tatsächlich nach den logistischen Prinzipien der Bundeswehr ab. Davon konnte sich heute die Ministerin überzeugen.
#AKK im Koordinationszentrum der KdoTA in der Julius-Leber-Kaserne über die Corona-Amtshilfe - Foto: Redaktion der Bundeswehr
Unter Einhaltung der 15-Kilometer-Regel und dem konsequenten Tragen einer FFP2-Maske besuchte sie zunächst das Kommando Territoriale Aufgaben (KdoTA) in der Julius-Leber-Kaserne. Dort wurde sie vom zuständigen Generalmajor, Carsten Breuer, begrüßt und durch die Koordinationszentrale geführt. Das KdoTA ist die übergeordnete Instanz der 16 Landeskommandos und des Wachbataillons. Kein Wunder also, dass eine dreistellige Anzahl von Soldaten des Wachbataillons für Corona-Aufgaben abgestellt wurde. Falls wider Erwarten ein Staatsbesuch mit militärischen Ehren stattfinden sollte, gäbe es eine Restkapazität, die das leisten könnte.
Für die Amtshilfe sind 37.000 Bundeswehrangehörige vorgesehen. Auf Abruf, denn deren Einsatz muss durch die jeweiligen Einrichtungen und Ämter beantragt werden. Von den verfügbaren 20.000 Helfern und 17.000 Sanitätern - in Summe 37.000 - sind derzeit nur 14.400 Soldaten im Einsatz. Mehr als ein Drittel unterstützt die Gesundheitsämter bei der Nachverfolgung der Infektionsketten. Die 123 Impfzentren haben durchschnittlich 13 Helfer abgerufen und in 244 Pflegeeinrichtungen arbeiten jeweils vier bis fünf Soldaten. Nicht zu vergessen sind die 22 Liegenschaften der Bundeswehr, die zur Lagerung von Sanitätsmaterial, Schutzausrüstung und ähnlichem dienen.
#AKK im Gespräch mit Soldaten des Wachbataillons bei der Corona-Amtshilfe im Gesundheitsamt Reinickendorf - Foto: Redaktion der Bundeswehr
Keine drei Kilometer nordöstlich der Julius-Leber-Kaserne liegt das Gesundheitsamt Reinickendorf. Nachdem sich die Abendschau des RBB wohl nachhaltig mit der Berliner Gesundheitssenatorin überworfen hat, erscheint seit Tagen nur noch der Amtsarzt von Reinickendorf vor der Kamera. Der Gewinn für die Zuschauer ist nicht zu leugnen. Offensichtlich arbeitet auch das Gesundheitsamt Reinickendorf gut mit der Bundeswehr zusammen. Es war die nächste Station der Ministerin. Hier konnte sie sich anschauen, wie die Jagd nach dem Patienten Null in der Praxis aussieht. Soldaten, die sonst auf dem Paradeplatz des Bendlerblocks auf Kommandos wie "Das Gewehr über!" oder "Achtung! Präsentiert das Gewehr!" reagieren, saßen in Flecktarn am Schreibtisch und telefonierten Kontaktpersonen hinterher.
Es gab aber noch eine dritte Station des ministeriellen Montagsausflugs: nämlich die nahe gelegene Vivantes Pflegeeinrichtung Alt-Wittenau. Eine wichtige taktische Regel lautet: "Raus aus dem Hotspot!" Corona hat diese Regel umgekehrt. Die Soldaten gehen in die Hotspots hinein - in die Senioreneinrichtungen. Für diesen Bereich sind insgesamt 10.000 Unterstützer eingeplant, von denen schon etwa 10% aktiv sind. Im Gespräch mit der Heimleitung wurde deutlich, dass das Stammpersonal die Herausforderungen nicht alleine hätte meistern können. Der Corona-Hilfseinsatz ist einer der längsten inländischen Unterstützungseinsätze in der Geschichte der Bundeswehr. Weil die Kapazitäten aber nicht einmal bis zur Hälfte ausgeschöpft sind, beendete AKK ihren Besuch mit dem Appell: "Zögern Sie nicht, Ihre Anträge zu stellen."
Autor: Matthias Baumann