Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Gattin, Elke Büdenbender, waren gut vorbereitet, als sie in den Konferenzraum traten. Auf der großen Leinwand flimmerten schon die Direktübertragungen aus vier Einsatzgebieten: MINUSMA in Mali, IRINI im Mittelmeer, UNMISS im Südsudan und eFP Battle Group in Litauen.
Jeweils drei Soldaten unterschiedlicher Dienstgrade repräsentierten die Kontingente. Neben dem Präsidentenpaar hatte der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Generalleutnant Bernd Schütt, Platz genommen. Er stellte kurz die vier Einsätze vor und übergab dann das Wort an den Präsidenten. Vierzig Minuten hatte er sich Zeit genommen, um aus erster Hand zu erfahren, wie die Lage vor Ort aussieht und wie die lange Abwesenheit mit den familiären Gegebenheiten harmoniert.
Bundespräsident informiert sich im Einsatzführungskommando über die Lage vor Ort und das Wohlergehen der Soldaten - Videoleinwand mit Soldaten aus vier Einsatzkontingenten |
Zuerst wandte er sich an die Besatzung des U-Bootes U35 im Mittelmeer. Diese hat zurzeit Landgang, der rege für die Kontakte in die Heimat genutzt wird. Der Bundespräsident hatte das U-Boot bereits besucht, so dass es geeignete Anknüpfungspunkte mit persönlicher Note gab. Er und seine Frau wollten wissen, wie die Soldaten mit Kleinkindern die lange Einsatzzeit handhaben und was sie nach ihrer Heimkehr machen werden.
Zum Einsatzkontingent in Litauen hat er nicht nur deshalb eine persönliche Beziehung, weil er bereits zweimal dort war, sondern auch, weil er in der Nähe des Heimatstandortes Augustdorf geboren wurde. Die Enhanced Forward Presence Battle Group erlebt zurzeit die 12. Rotation. Dreiviertel der Kräfte halten zu Weihnachten die Stellung, während ein Viertel "nach sozialen Erwägungen" in den Heimaturlaub entlassen wurde. Die in Litauen verbliebenen Kräfte würden sich dennoch schöne Festtage mit Weihnachtsmarkt und ähnlichem machen. Frank-Walter Steinmeier wollte wissen, wie es um die angespannte Situation bei den Unterkünften bestellt sei. Die Litauer arbeiten auf Hochtouren an der Fertigstellung. Überhaupt seien die Litauer froh, glücklich und dankbar für die NATO-Präsenz. Das spüre man dort auf Schritt und Tritt. Das nimmt der Bevölkerung auch die Angst vor den benachbarten Russen. Der Bundespräsident fragte, welche Auswirkungen der russische Angriff auf die Ukraine im Selbstverständnis der Soldaten habe. Darauf wurde ihm berichtet, dass den Soldaten die Wichtigkeit ihres Auftrages ganz neu bewusst geworden sei. Sie denken nun konkret vom scharfen Ende (Tod und Verwundung) des Berufes her. Letztlich sei dadurch nur die Entschlossenheit und Professionalität gesteigert worden.
Auch in Mali bei MINUSMA wird es einen Weihnachtsmarkt geben. Etwas überraschend war deren Information, dass die Bevölkerung nach wie vor wohlwollend auf die Bundeswehr reagiere und auch mit dem militärischen Personal der Region weiterhin eine professionelle Zusammenarbeit möglich sei. Das Problem stelle lediglich die Regierung dar, die derzeit den wichtigen Mehrwert Drohnenaufklärung unterbinde.
Diplomatisch anspruchsvoll ist der Beobachtungseinsatz UNMISS im Südsudan. Dort sind Soldaten aus 52 Nationen zu koordinieren. Der Auftrag ist die Verhinderung einer humanitären Katastrophe. Das Land hat etwa 11 Millionen Einwohner, von denen acht Millionen durch Hunger bedroht sind. Es herrscht ein Höchstmaß an Korruption, Willkür und stammesbezogener Rechtsprechung. Die Soldaten der Bundeswehr seien in Deutschland bereits gut auf das Land vorbereitet worden, so dass im Tagesgeschäft die antrainierten Mechanismen bei der mentalen Bewältigung des Erlebten greifen können. Militärbeobachter greifen nicht aktiv in das Geschehen ein, sondern sie dokumentieren, was sie sehen. Für Schlussfolgerungen und Entscheidungen ist dann der Auftraggeber UNO zuständig. Dennoch vernetzen sich die UNMISS-Soldaten mit Hilfsorganisationen und koordinieren entsprechende Maßnahmen.
Die Sollmannschaft eines Einsatzkontingentes liegt bei 70%. Das heißt, dass 30% der Soldaten mit Kleinkindern oder anderen familiären Verpflichtungen über Weihnachten beurlaubt werden können. Was die Akzeptanz in der Bevölkerung angeht, ist diese bei der eFP Battle Group und bei IRINI am höchsten, da diese Einsätze direkt vor der Tür agieren. Die eFP Battle Group ist zudem ein Instrument der Landes- und Bündnisverteidigung und bedarf keines gesonderten Mandates des Bundestages. IRINI, MINUSMA und UNMISS bedürfen des Bundestagsmandates und rangieren in jüngsten Umfragen bei Zustimmungswerten zwischen 78% und 60%.
Gegen 13 Uhr verließ das Präsidentenpaar das Einsatzführungskommando. Schnell wurden noch Selfie-Wünsche erfüllt. Dann klappten die Türen und die schwarzen Limousinen rollten vom Gelände. Insgesamt zwei Stunden war der Bundespräsident in Schwielowsee und hatte die Zeit auch genutzt, um in kleiner Runde mit dem Befehlshaber und den dortigen Soldaten zu reden.
Autor: Matthias Baumann
Video: Bundespräsident besucht Einsatzführungskommando am 10.12.2022