Mittwoch, 28. Februar 2018

Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo schnuppert beim Antrittsbesuch die Berliner Winterluft

Auch wenn es die Anzahl der Ghanaer noch nicht in die Top 25 der Zuwanderungsstatistik geschafft hat, so begegnet man ihnen doch öfter in Berlin. Ghanaer möchten nicht als Ghanesen angesprochen werden. Vielleicht fühlen sie sich dadurch zu sehr an die Chinesen erinnert, die in Ghana stark investieren.

China baut die Infrastruktur aus, hat einen Staudamm samt Wasserkraftwerk errichtet und deckt etwa 1/3 aller Importe ab. Das chinesische Engagement in Afrika zielt in der Regel auf eine ungehemmte Rohstoff-Ausbeute ab. Bei Botschafter-Treffen gibt es bezüglich China immer wieder heftige Diskussionen unter den Afrikanern. Wegen der Chatham House Rules können diese hier im Detail nicht wiedergegeben werden.

Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo Berlin Angela Merkel
Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo zum Antrittsbesuch in Berlin
Rohstoffe hat Ghana reichlich: Gold, Diamanten, Erdöl, Bauxit, Mangan, Kalk, Kakao, Zucker, Kaffee, Tee, Kautschuk, Edelhölzer wie Mahagoni. Dass die Ghanaer Englisch sprechen, liegt an der jüngeren Geschichte. Im 17. Jahrhundert siedelten sich viele Europäer an der sprichwörtlichen Goldküste an. Den Kampf um das Gold gewannen 1820 die Briten. 1957 wurde Ghana unabhängig. In den 1970er Jahren erlebte Ghana eine Kleptokratie. In einer Kleptokratie verfügen die Machthaber willkürlich über das Eigentum der Bevölkerung und führen das Land in den wirtschaftlichen Ruin.

Ghana hat 28 Millionen Einwohner, die zu über 70% christlichen Kirchen angehören. Daneben gibt es noch den Islam und diverse Naturreligionen. Ghana hat eine Kinder- und Säuglingssterblichkeit von etwa 9% und leidet an Krankheiten wie Tuberkulose, Malaria, Hepatitis A/B, Gelbfieber, Typhus, Cholera und Meningitis. Viele dieser Krankheiten ließen sich durch Vorsorge-Impfungen vermeiden.

Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo Berlin Angela Merkel
Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel
Heute kam Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo zum Antrittsbesuch nach Berlin.

Er ist seit Januar 2017 im Amt und war knapp 13 Jahre alt, als sein Land unabhängig wurde. Er hatte in England Jura studiert und verfügt über einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften. Bevor er 2001 Justizminister in Ghana wurde, war er in diversen internationalen Anwalts-Kanzleien tätig. Von 2003 bis 2007 fungierte er als Außenminister. Danach widmete er sich dem Wahlkampf um den Posten des Präsidenten. Ganze zehn Jahre hatte es gedauert, bis dieser Traum für ihn in Erfüllung ging.

Nun ist er hier, als Präsident Ghanas im kalten Berlin. Berlin hat momentan so niedrige Temperaturen, dass sogar die militärischen Ehren abgeblasen werden mussten. Es wäre ja peinlich, wenn während der Nationalhymnen die Instrumente versagen. Mein Diesel war zwar bei -9°C noch angesprungen, dafür meldete sich am Kanzleramt die Batterie - angeblich entladen.

Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo Berlin Angela Merkel
Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo bekommt praktische Hilfe von deutscher Seite
Die Pressekonferenz startete mit einer praktischen Hilfeleistung der Kanzlerin. Nana Addo Dankwa Akufo-Addo kam mit dem Kopfhörer nicht klar. Souverän unterbrach Angela Merkel ihre Ausführungen und half dem Präsidenten.

China wurde gar nicht thematisiert. Stattdessen warb die Kanzlerin für deutsche Investments in Ghana. Angesichts der reichen Bodenschätze sicher nicht uninteressant. Es ging auch um die generelle Verbesserung der Lebensbedingungen in Ghana, so dass Flucht-Ursachen bereits im Herkunftsland beseitigt werden. Die wenigsten in Deutschland lebenden Ghanaer haben laut Angela Merkel eine Bleibeperspektive.

Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo Berlin Angela Merkel
Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo bei Angela Merkel
Beide Politiker waren sich einig, dass ausländische Unterstützung verantwortungsvoll eingesetzt werden müsse. Damit gehen sie konform mit den Prinzipien des BMZ: Reform-Partnerschaft statt Gießkanne. "Wir wollen Fortschritte sehen", betonte Bundesminister Gerd Müller am Nachmittag im Zusammenhang mit einem anderen afrikanischen Staat. Gerd Müller führte zudem aus, dass Ghana vor 50 Jahren denselben Stand wie Südkorea gehabt habe. Südkorea sei ein Beispiel dafür, wie sich die Wirtschaft innerhalb von 50 Jahren entwickeln könne.

Die neue Richtung bei der Entwicklung des Kontinents ist der "Marshallplan mit Afrika", den das BMZ im Januar 2017 herausgebracht hat. Dieser Plan befindet sich in einer permanenten Weiterentwicklung und zielt auf Hilfe zur Selbsthilfe und letztlich auf Bleibeperspektiven für die Menschen vor Ort.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 21. Februar 2018

Ministerpräsident Mazedoniens bekennt sich bei seinem Antrittsbesuch zur EU und zur NATO

EJRM wird Mazedonien bei Google-Maps abgekürzt. EJRM steht für den etwas ungewöhnlichen Namen ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien. Google-Maps hat sich damit der offiziellen Bezeichnung angeschlossen, die Mazedonien als UNO-Mitglied hat.

In Mazedonien leben neun Volksgruppen, von denen die eigentlichen Mazedonier nur knapp 2/3 stellen. 25% der EJRM-Bürger sind Albaner. Diese leben in den Nordwest-Regionen des Landes. Türken machen knapp 4% der insgesamt zwei Millionen Einwohner aus. Die restlichen 6% setzen sich unter anderem aus Rumänen, Bosniaken oder slawischen Muslimen zusammen.

Mazedonischer Ministerpräsident Zoran Zaev Berlin Angela Merkel
Mazedonischer Ministerpräsident Zoran Zaev spricht sich in Berlin für die EU und die NATO aus.
Die ethnischen Mazedonier fühlen sich der orthodoxen Kirche zugehörig, alle anderen dem sunnitischen Islam. Bereits im ersten Jahrhundert hatte der christliche Missionar Paulus einen Traum: "Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns", lesen wir in Apostelgeschichte 16 Vers 9.

Nach Ende des Römischen Reiches ging Mazedonien an Byzanz über. Es folgten diverse ethnische Umstrukturierungen und Einwanderungen. Ab dem 7. Jahrhundert stand das Land unter bulgarischer Fremdherrschaft und fiel im späten Mittelalter an die Osmanen. Die Osmanen wurden erst mit den Balkankriegen von 1912-1913 abgeschüttelt. Unabhängig ist das Land seit 1991. Zuvor war es als Sozialistische Republik Mazedonien die südlichste Teilrepublik Jugoslawiens.

Ministerpräsident Zoran Zaev ist Sozialdemokrat, 43 Jahre alt und seit Mitte letzten Jahres im Amt. Heute absolvierte er seinen Antrittsbesuch in Berlin. Im Bundeskanzleramt wurde er mit militärischen Ehren empfangen.

Mazedonischer Ministerpräsident Zoran Zaev Berlin Angela Merkel
Mazedonischer Ministerpräsident Zoran Zaev begrüßt die deutschen Gesprächspartner
Deutschland ist der größte Handelspartner des Landes mit einem Volumen von 3,6 Mrd. Euro. Gemessen an der Einwohnerzahl sind das 1.800 Euro pro Kopf. Da auch Russland, China und die Türkei aktiv sind, stand bei der anschließenden Pressekonferenz die Frage nach der Loyalität im Raum. Zoran Zaev bekannte sich mehrfach proaktiv dazu, dass die Mitgliedschaften in der EU und der NATO ohne Alternative seien. Diese beiden Mitgliedschaften seien sogar das "strategische Ziel" seines Landes.

Die Kanzlerin räumte ein, dass die bürokratischen Mühlen der EU leider etwas langsam mahlen, so dass Länder wie China strukturell auf der Überholspur fahren und dann einen gewissen politischen Einfluss ausüben könnten. Generell müsse das "reziprok" laufen, so wie es auch den ethischen Grundsätzen der EU entspreche.

Die Bemühungen um einen EU-Beitritt hatten 2005 begonnen. Auf die Frage nach einem konkreten Jahr wie 2025 antwortete Angela Merkel, dass die Reife zum Beitritt anhand der Kennziffern wichtiger sei, als die Einhaltung bestimmter Jahreszahlen.

Mazedonischer Ministerpräsident Zoran Zaev Berlin Angela Merkel
Mazedonischer Ministerpräsident Zoran Zaev zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel
Immer wieder fiel der Begriff "Berliner Prozess". Dieser umfasst sämtliche Staaten der Region und zielt auf eine gute Entwicklung in sämtlichen Bereichen. Das beginnt mit dem Ausbau des Verkehrsnetzes und wichtiger Transitrouten, geht über die Förderung des Gesundheitswesens und endet bei der Vernetzung von Jugendinitiativen und Wissenschaftlern.

Der Name des Landes kollidierte in der Vergangenheit mehrfach mit Befindlichkeiten Griechenlands. Die EJRM grenzt an die griechische Region Mazedonien mit ihrem kulturellen Zentrum Thessaloniki. Der Anspruch auf Verwaltungshoheit, Geschichte und Namen ist vergleichbar mit den Identitätskonflikten von Franzosen und Deutschen im Elsass.

Aber auch hier hatte sich die Kanzlerin vermittelnd eingeschaltet. Beide Seiten seien inzwischen interessiert an einer Lösung und bewegten sich aufeinander zu. Da die Verhandlungen noch im Gange seien, wolle die Kanzlerin nicht konkreter werden. Das Handelsblatt berichtet bereits von ersten greifbaren Maßnahmen seitens der EJRM-Regierung.

Zoran Zaev lud Angela Merkel für dieses Jahr zu einem Gegenbesuch ein.

Video:
Empfang des Ministerpräsidenten Mazedoniens mit militärischen Ehren

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 17. Februar 2018

Britische Premierministerin Theresa May zu Gesprächen in Berlin empfangen

Was in der Kirche Schisma heißt, nennt sich in der EU-Politik Brexit. Direkt nach der schweirigen Begegnung mit dem polnischen Ministerpräsidenten erschien gestern Nachmittag Theresa May im Kanzleramt - in einer normalen Mercedes-S-Klasse und ohne militärische Ehren. Diese hatte sie ja bereits zu ihrem Antrittsbesuch.

Britische Premierministerin Theresa May Berlin Angela Merkel
Britische Premierministerin Theresa May zu Gesprächen bei Angela Merkel
Theresa May war auf der Durchreise. Für heute ist die Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz (msc) vorgesehen. Die msc-Badges für die Begleitjournalisten wurden noch vor der Pressekonferenz ausgeteilt. Dazu war genug Zeit, denn die Gespräche dauerten eine Viertelstunde länger als geplant. Dann rannten Fotografen, eine Schneise wurde gebildet, die Speicherkarten der Kameras glühten und die beiden Damen traten vor die blaue Wand mit dem Bundesadler.

Zuvor hatten einige Fotografen sinniert, ob die beiden Rednerpulte näher beieinander stehen als sonst. Beide Damen hätten sich vom Pult aus die Hand geben können. Ans Wasserglas der anderen wären sie aber nur mit einer Fortbewegung gekommen.

Britische Premierministerin Theresa May Berlin Angela Merkel
Britische Premierministerin Theresa May bei Angela Merkel - Pressekonferenz
Und natürlich ging es um den Brexit. Die britische Regierung war ja selbst von dem Votum für einen Brexit überrascht worden und muss nun mit den Konsequenzen umgehen. Angela Merkel bemerkte, dass man sehr wohl unter Zeitdruck stehe, die Sache jedoch gründlich angehen wolle. Das erfordere eine gute und regelmäßige Kommunikation. Trotz des Austritts seien beide Seiten weiterhin an einer partnerschaftlichen Beziehung interessiert. Die Kanzlerin bezeichnete die Unterredung insgesamt als "konstruktives, freundschaftliches, enges und partnerschaftliches Gespräch".

Britische Premierministerin Theresa May Berlin Angela Merkel
Britische Premierministerin Theresa May bei Angela Merkel - Pressekonferenz
Passend zur mcs ging es um die vielen Felder der Sicherheitspolitik. Konkretes Thema war der vergessene Konflikt auf dem Balkan, dessen finale Beilegung beim sogenannten Berlin-Prozesses gemeinsam vorangetrieben wird. Die Fortschritte in der Ukraine kamen zur Sprache sowie die Besorgnis über die NATO-internen Unstimmigkeiten mit der Türkei.

Britische Premierministerin Theresa May Berlin Angela Merkel
Britische Premierministerin Theresa May bei Angela Merkel - Pressekonferenz
Theresa May ergänzte das noch um die Eindämmung der "russischen Aggression", den Kampf gegen den Terrorismus, die iranische Destabilisierung des Nahen Ostens, die Zusammenarbeit mit Israel und die sehr enge Zusammenarbeit zur Sicherung Europas. Man sehe sich denselben Bedrohungen gegenüber und müsse zukünftig sogar noch agiler zusammenarbeiten.

"Wir hängen natürlich voneinander ab, wir verlassen uns aufeinander", war ein klar formuliertes Statement der Premierministerin zum Auftakt der Pressekonferenz. Dann ging es um den Handel, gemeinsame europäische Geschichte und Bürger, die im jeweils anderen Land leben.

Britische Premierministerin Theresa May Berlin Angela Merkel
Britische Premierministerin Theresa May bei Angela Merkel - Pressekonferenz
Frau May übergab dem britischen Journalisten "James" das Wort. Er legte den Finger in die Wunde, da ihm das Gesagte offensichtlich zu unkonkret und schwammig war. Die Premierministerin antwortete darauf, dass sie mehrfach gesagt hätte, man müsse darüber reden, damit man in der Folge weiter darüber sprechen könne. Angela Merkel sagte, dass sie nicht frustriert sei über die Gespräche, sondern gespannt, wie sich Großbritannien konkret die zukünftige Partnerschaft vorstelle.

"Sky", rief Theresa May den zweiten britischen Journalisten auf. Dieser erkundigte sich nach einer eventuellen Rosinenpickerei der Briten. Beide Damen sprachen sich daraufhin für ein partnerschaftliches und faires Miteinander aus. Beide Seiten hätten bestimmte Interessen, die jedoch im Dialog anzugleichen seien. Es gäbe zudem keine bestimmten Knackpunkte bei den Verhandlungen, sondern eher komplexe strukturelle Abläufe. Wichtig sei, dass am Tag des Ausstiegs noch Flugzeuge starten könnten oder das Gesundheitssystem nicht zusammenbreche.

Britische Premierministerin Theresa May Berlin Angela Merkel
Britische Premierministerin Theresa May bei Angela Merkel - Pressekonferenz vor der letzten Frage
Worte, Taten und Gesten müssen nicht immer miteinander harmonieren. So zeigten die über siebzig Serienfotos eine gewisse Spannung zwischen den Damen. Diese wurde dadurch aufgelockert, dass das obligatorische Händeschütteln aktiv nach der dritten Pressefrage angegangen wurde. Es sollte aber noch eine vierte Frage folgen. So mussten sich die Damen dem Druck der Presse beugen und begaben sich lachend auf ihre Stellplätze zurück.

Pressekonferenz im Wortlaut auf bundesregierung.de

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 16. Februar 2018

Polnischer Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und der schwierige Antrittsbesuch in Berlin

Bei unserem Eintreffen am Kanzleramt wehte noch die italienische Fahne. Kurz darauf rollten die Motorrad-Eskorte und der Konvoi mit Ministerpräsident Paolo Gentiloni vom Ehrenhof. Ich war gespannt auf das Zeremoniell beim Wechsel der Flaggen. Klack - eine Dame in Knallrot ließ den Stab mit dem rot-weißen Tuch in den Ständer rutschen. Am Zaun zum öffentlichen Publikum hantierten zwei weitere Personen in Knallrot an der mittleren Fahnenstange und zogen stilgerecht die polnische Flagge hoch. Stilgerecht heißt in diesem Fall, dass die Fahne schwungvoll per Hand nach außen gezogen wurde, so dass sie zumindest die Chance hatte, im Winde zu wehen.

Ministerpräsident Polen Mateusz Morawiecki Antrittsbesuch Bundeskanzleramt
Polens Ministerpräsident, Mateusz Morawiecki, zum Antrittsbesuch im Bundeskanzleramt
Angela Merkel holt zurzeit offensichtlich die liegen gebliebenen Staatsbesuche nach. Am Morgen Italien, Mittags Polen und am Nachmittag Großbritannien. Mateusz Morawiecki war heute allerdings der einzige Spitzenpolitiker, der mit militärischen Ehren empfangen wurde. Das lag daran, dass er zum Antrittsbesuch nach Berlin kam.

Auch er wurde mit dem Mercedes-Maybach S560 vorgefahren. Bei Sebastian Kurz war im Januar noch spekuliert worden, ob er sein eigenes Fahrzeug gestellt habe. Offensichtlich folgt jedoch der Fuhrpark der Bundesregierung der konjunkturellen Lage Deutschlands. Scheinbar wird der Maybach auch nur bei Gästen eingesetzt, die mit militärischen Ehren empfangen werden. Für Theresa May stand später jedenfalls nur eine normale S-Klasse bereit.

Ministerpräsident Polen Mateusz Morawiecki Antrittsbesuch Bundeskanzleramt
Polens Ministerpräsident, Mateusz Morawiecki, zum Antrittsbesuch im Bundeskanzleramt
Morawiecki ist seit dem 11. Dezember 2017 im Amt. Im Sommer wird er fünfzig und ist damit vergleichsweise alt in der Riege der europäischen Protagonisten. Sein Vater, Kornel Morawiecki, hatte zum Kern der antikommunistischen Bewegung der 1980er Jahre gehört. Das hatte auf seinen Sohn abgefärbt, der bereits als Jugendlicher an der Demontage des sozialistischen Staates beteiligt gewesen war. Von daher theoretisch ein guter Gesprächspartner für Angela Merkel. In der Regierung von Beata Szydło war er als Wirtschaftsminister und später auch als Finanzminister tätig. Ende 2017 trat Beata Szydło als Ministerpräsidentin zurück, Mateusz Morawiecki rückte auf und Frau Szydło wurde seine Stellvertreterin.

Was Polen in Form der Diktatur des Proletariats in den 1980er Jahren abgeschafft hatte, wird nun mit Zwangsmaßnahmen unter anderem Etikett neu aufgelegt. So hat Polen eine in der EU sehr umstrittene Justizreform auf den Weg gebracht. Ferner sollen im Ausland lebende Polen bei ihren Vertretungen denunziert werden, wenn sie den Kurs der Regierung kritisieren. Morawiecki bagatellisierte das in der Pressekonferenz.

Auch wenn es wohl einige Fortschritte bei der Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik gäbe, stünden ernsthafte Meinungsverschiedenheiten im Raum. Eine Steilvorlage für das anschließende Gespräch mit Theresa May.

Video:
Antrittsbesuch des polnischen Ministerpräsidenten Mateuzs Morawiecki

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 15. Februar 2018

Sparen für die DSGVO

Ab dem 25. Mai 2018 tritt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft. Sie gilt für den Raum der EU und sieht drastische Strafen für Verstöße vor. Die Bußgelder sollen abschreckend und erzieherisch wirken. Diese haben eine Obergrenze von 20 Millionen Euro je Verstoß bzw. einen Standardsatz von 4% des Jahresumsatzes.

4% des Umsatzes

Da Umsatz und Ertrag auch von vermeintlichen Fachleuten gerne egalisiert werden, hier noch einmal der entscheidende Unterschied: Umsatz beinhaltet alle Einnahmen einer Firma ohne Gegenrechnung der Kosten. Ertrag ist das, was zwischen Umsatz und Kosten übrig bleibt. Bei Handwerkern ist gelegentlich zu beobachten, dass die Kosten sogar höher sind als der Umsatz. Dann gibt es keinen Ertrag, sondern Verlust.

Die DSGVO setzt jedoch auf dem Umsatz auf. Wohl dem, der das durch eine hohe Rendite - also einen hohen Ertrag - abfangen kann.

Es (be)trifft alle EU-Bürger.

Wie immer, wenn man sich in Brüssel etwas ausdenkt, geht es um viel Papier und exzessive Dokumentationspflichten. Ein klares Statement für 4.0 und Big Data. Nach DSGVO Kapitel 1 Artikel 2 (1) gilt das für Unternehmen, Verbände und alle EU-Bürger mit einem Computer oder Smartphone. Diese müssen zukünftig akribisch darauf achten, welche personenbezogenen Daten sie erheben, speichern, verarbeiten, ändern und löschen. Sämtliche Verarbeitungsschritte sind zu dokumentieren und auf Verlangen der Datenschutzbehörde auszuhändigen.

Ab zehn Mitarbeitern mit Zugriff auf personenbezogene Daten ist ein Datenschutzbeauftragter zu benennen. Die Haftung liegt jedoch beim Inhaber des Unternehmens oder dem Vorstand der Organisation. Wie Privatpersonen zur Rechenschaft gezogen werden, ist unklar. 4% des Brutto-Jahresgehaltes oder der Transferleistungen? Eine wohl eher theoretische Überlegung, die in der Praxis kaum zum Tragen kommen dürfte. Das wäre wohl zu unrentabel für die Datenschutzbehörden.

Es beginnt mit der E-Mail.

Privatpersonen könnten damit argumentieren, dass sie keine Datenbanken nutzen. Allerdings beginnt die Speicherung von personenbezogenen Daten bereits beim Empfang einer E-Mail. Über die Absenderadresse ist die Person am anderen Ende oft eindeutig identifizierbar. Vorsicht ist auch beim Speichern von Visitenkarten geboten. Dass eine Visitenkarte überreicht wurde, ist noch lange keine Genehmigung zur elektronischen Speicherung und Verarbeitung der darauf abgedruckten Daten.

Nach Kapitel 1 Artikel 2 (2) gibt es jedoch Ausnahmen. Wenn die personenbezogenen Daten zur Erfüllung eines Vertrages oder zur Geschäftsanbahnung notwendig sind, können diese gespeichert werden. Als Regel gilt: Zweck weg = Daten weg! Allerdings könnte für spätere Streitereien ein partielles Aufbewahren der Daten notwendig sein. Gleiches gilt für fiskalische Aufbewahrungsfristen.

Theorie und Praxis

Allein dieser sehr kurze Abriss zeigt, dass die DSGVO ähnlich praxisfremd ist wie die gerade EU-Banane. Was tun?

  • Als Sofortmaßnahme sollte die Datenschutzbestimmung auf der eigenen Webseiten überprüft und ergänzt werden.
  • Im ohnehin schon umfangreichen Mail-Impressum, sollte ein Link zu dieser Datenschutzerklärung eingefügt werden. Ferner ein Hinweis auf die Widerrufsmöglichkeit mit Löschoption der personenbezogenen Daten des Gegenübers.
  • Sinnvoll ist der Aufbau einer Blacklist. Diese enthält nur minimale Angaben wie die Mailadresse und dient der Verhinderung einer erneuten Kontaktierung oder detaillierten Speicherung von Daten.
  • Vorhandene Daten kategorisieren und konsequent ausmisten.
  • Datenverarbeitungsverträge mit sämtlichen Kunden und Dienstleistern abschließen.
  • Webseiten auf SSL-Verschlüsselung umstellen.
  • Updates einspielen, die die Historie von personenbezogenen Datensätzen dokumentiert.

Umsatz und Geschäftsmodelle

Allein die genannten Sofortmaßnahmen dürften den Umsatz der IT-Unternehmen steigern. Anbietern von SSL-Zertifikaten, Webhostern, Softwarehäusern, IT-Beratern und Medienanwälten erschließt sich mit der DSGVO ein erhebliches Umsatzpotenzial für 2018. Damit steigert sich gleichzeitig das Potenzial der Bußgelder aus 4% des Umsatzes. Das wiederum kommt der gesamten Gesellschaft zugute. Volkswirtschaft pur. Vielleicht wollen die Experten der EU ja doch nur das Beste?

Vielen Dank an die DPRG für den interessanten Infoabend!

Autor: Matthias Baumann