Zweieinhalb Wochen war das Auto nicht mehr bewegt worden. Arztbesuche und Einkäufe konnten zu Fuß absolviert werden. Präsenztermine waren seit dem 12. März 2020 ohnehin alle abgesagt worden. Kundenkontakte laufen komplett per Telefon und E-Mail. Der Wagen sprang an, als hätte es nie eine längere Standzeit gegeben. Dann ging es durch den zäh fließenden Verkehr in die City. Wo wollen die Leute nur alle hin? Auffällig waren die vielen fertigen Baustellen und der ausgebesserte Straßenbelag.
Die Mittagssonne knallte direkt in die große Fensterfront der Bundespressekonferenz. Zunächst mussten sich der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, und die Vertreter verschiedener Ministerien den Fragen der Journalisten stellen. Letztere hatten entsprechenden Abstand zueinander eingenommen. Für die zweite Stunde wurden Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Finanzminister Olaf Scholz erwartet.
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Bundespressekonferenz zu #COVID19 - Olaf Scholz zu den Schnellkrediten bis 500.000 Euro |
Zwei Stunden Corona: Interessant war zunächst, welche Exit-Strategie die Bundesregierung hat. Auf mehrfache Nachfrage wurde versichert, dass man "Tag und Nacht darüber nachdenke". Man könne das auch im Podcast der Kanzlerin nachhören. Der Hinweis auf die klar umrissene Exit-Strategie der Österreicher wurde damit vom Tisch gewischt, dass diese viel strengere Corona-Regeln hätten. Beispielsweise sind dort auch die Baumärkte geschlossen. Das hätte man dem Heer gelangweilter Familienväter in Deutschland nicht zumuten können (Anmerkung der Redaktion).
Etwas konkreter wurde das Gesundheitsministerium. So hätten von 1.160 Krankenhäusern bereits 1.015 freie Betten gemeldet. Das sind bundesweit 87,5% der Krankenhäuser. Die Gesamtkapazität umfasst derzeit 10.000 Beatmungsbetten. Es wurden weitere Zahlen genannt: Allein in der letzten Wochen seien 37 Millionen Gesichtsmasken und 25 Millionen Handschuhe an die Krankenhäuser ausgeliefert worden. Zudem sei durch die jüngsten Maßnahmen der Kontaktsperre die Verbreitungsrate des Virus auf Eins gesunken. Der Standardwert liegt bei zwei bis drei Infektionsweitergaben pro Person.
Bei der inneren Sicherheit gibt es einige Ambivalenzen, zu denen die Korrespondenten nachhakten. Wird es eine Tracking-App geben? Wer programmiert die? Ist die europaweit kompatibel? Die Bundesregierung begrüßt eine solche App und hat diesbezüglich schon einiges in die Wege geleitet. Allerdings müsse die App für den Schengenraum standardisiert werden.
Apropos Schengen: Während Deutschland an fast allen Außengrenzen Kontrollen eingeführt hat, gibt es zu Belgien und den Niederlanden keine Kontrollen? Das Innenministerium erklärte das mit Risikogebieten und der Entscheidungsfreiheit der angrenzenden Bundesländer. Wer keinen wichtigen Grund wie beispielsweise ein Arbeitsverhältnis nachweisen könne, werde an der Grenze abgewiesen. Bislang waren das 70.000 Personen. Ambivalent wird auch die Quarantäne nach der Einreise gehandhabt. Ausländer müssen sich sofort in ihre Zielunterkunft begeben und dort zwei Wochen in Quarantäne bleiben. Für Rückreisende Deutsche gilt das pauschal nicht.
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Bundespressekonferenz zu #COVID19 - Peter Altmaier zu den Schnellkrediten bis 500.000 Euro |
Peter Altmaier und Olaf Scholz demonstrierten eine glaubhafte Harmonie. Endlich ist die Große Koalition wieder zu Sachthemen zurückgekehrt und zeigt sich in diesen recht effizient. Mit einem bemerkenswerten Tempo hatten die beiden Minister auf die Situation reagiert und den verfügbaren EU-Rahmen ausgeschöpft. Sie kündigten sogar für "die nächsten Tage eine kleine Neuigkeit" an.
Aktuell ging es um ein Schnellkreditprogramm für Unternehmen bis 50 Mitarbeiter. Diese könnten relativ unkompliziert Kredite bis 500.000 Euro zu extrem günstigen Zinssätzen beantragen. Als Voraussetzung gelten die Zahlen der Vergangenheit: Wer schon 2019 existiert, Umsätze erwirtschaftet und Gewinne gemacht habe, sei qualifiziert für solch einen Kredit. Diese Kredite dürfen jedoch nicht zur Umschuldung verwendet werden, sondern sind als Ergänzung bestehender Kredite gedacht. Firmen über 50 Mitarbeiter können in diesem Zuge Kredite bis 800.000 Euro beantragen. Momentan wird noch über die Länge der Laufzeit diskutiert, weil fünf Jahre für viele Unternehmen zu kurz sind.
Den Ministern war klar, dass es zunächst einen Rückgang des Wirtschaftswachstums geben werde. Sie zeigten sich jedoch optimistisch, dass es schnell wieder aufwärts gehe und nach 20 Jahren die Kosten für die Corona-Zuschüsse und Kredite wieder eingespielt seien. Als Zeitrahmen wurden die Jahre 2023 bis 2043 genannt. Man sei nur deshalb so risikobereit, weil man auf die solide Wirtschaftsfähigkeit vertraue und damit eine geringe Ausfallwahrscheinlichkeit bestehe.
Peter Altmaier ergänzte die Ausführungen mit einem glühenden Plädoyer für den deutschen Mittelstand. Olaf Scholz lobte die Bankmitarbeiter, die so schnell entsprechende Wege geebnet und technische Voraussetzungen geschaffen hätten. Dass es hier um Taten statt Worte geht, zeigt der Umstand, dass die Zuschüsse an Kleinstunternehmer bereits am 1. April 2020 auf den Konten der Antragsteller gebucht wurden. Das war Peter Altmeier wichtig wegen der anstehenden Mietzahlungen. Das neue Programm der Schnellkredite bis 500.000 Euro soll bereits am Gründonnerstag anlaufen.
Ja, der Gründonnerstag! Ein Tag ohne Staus und das Kaffeetrinken mit der Oma. Keine Osterfeuer, kein Kirchgang, kein Ausflug ans Meer. Steffen Seibert zeigte Verständnis für die Situation und packte das in die Formulierung "Osterfest im Zeichen der Pandemie". Ob der Exit eine Woche nach Ostern zusammen mit dem Ende der Osterferien startet, ist aktuell noch unklar. Vermutlich denkt man auch darüber Tag und Nacht nach.
Vor der Bundespressekonferenz standen zwei schwarze Blaulicht-Limousinen. Damit fuhr der Finanzminister zum nächsten Termin. Peter Altmaier hingegen schwang sich aufs Fahrrad und radelte durch den Sonnenschein davon.
Autor: Matthias Baumann