Montag, 27. April 2020

Antonov 225 in Leipzig/Halle und die Schutzmasken in Theorie und Praxis

Himmel und Menschen - der erste richtige Pressetermin seit zweieinhalb Monaten. Eine lange Schlange stand vor Tor 71 des Frachtflughafens Leipzig/Halle. "So viele Sender gibt es doch gar nicht", bemerkte die Moderatorin eines unbekannten sächsischen TV-Mediums. Gemäß der Presseeinladung waren die Medienvertreter mit Warnwesten und Schutzmasken erschienen. Selbstgenähte Masken, Einwegmasken, Schals und Tücher. In kleinen Grüppchen durfte man das Häuschen am Tor 71 passieren. Gürtel, Schlüssel, Rucksack, Kamera, Stativ - alles wurde durchleuchtet. Nur der Mundschutz und die nichtmetallische Kleidung blieben an der Person.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - Medienandrang am geöffneten Bug der Antonov 225
Der gemeine deutsche Journalist ist Brillenträger. Schutzmaske und Brille vertragen sich nicht so gut. Deshalb gab es zunächst Orientierungsprobleme. Sobald die Brille nicht mehr beschlagen war, konnte die Arbeit fortgesetzt werden. Ein Bekannter von der Bundeswehrredaktion schreckte zurück, als ich ihm wie gewohnt die Hand drücken wollte. Ach ja, Corona, geht also nicht.

An einer roten Linie reihten sich die Kameraleute im Abstand von ein bis zwei Metern auf. Das war bei der Menge der Personen gar nicht so einfach. Fast alle hatten noch ihre Masken auf. Regelmäßig beschlugen die Brillen. Sehr lästig. Nach einer kurzen Einweisung mit Hinweis auf Kaffee und Kaltgetränke setzte eine Lockerung ein. Statt der Maske waren plötzlich Kaffeebecher und Plastikflaschen im Mundbereich zu sehen. Wenige Minuten später musste es eine Insiderinformation gegeben haben, so dass sich 80% der Medienvertreter in den Eingangsbereich des benachbarten Hangars begaben. Wie praktisch, wenn man antizyklisch arbeitet und von der gegenüberliegenden Seite aus filmt.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK redet mit Brigadegeneral Klaus Frauenhoff - im Hintergrund eine Antonov 124 mit ukrainischer Lackierung
Kurz nach halb zehn traf die Ministerin ein. Brigadegeneral Klaus Frauenhoff vom Logistikzentrum der Bundeswehr in Wilhelmshaven stand zur Begrüßung bereit. Nur in welcher der schwarzen Limousinen sitzt sie? Sie entstieg dem ersten Wagen. Gut, dass General Frauenhoff keine Schutzmaske trug. Sonst hätte er vermutlich seine Chefin bloßgestellt. Sie trug nämlich auch keine. Niemand der Insassen der ministeriellen Fahrzeuge trug eine Schutzmaske. Warum auch? Schließlich sollten ja gleich über 10 Millionen Schutzmasken aus China geliefert werden.

Ein dichte Traube umringte die Ministerin und folgte dieser, wohin sie auch ging. Wo die Traube war, war die Ministerin. Wohl dem, der keine Bilder mit Annegret Kramp-Karrenbauer bei seiner Redaktion abliefern musste. Der konnte sich nämlich ungestört auf die Technik konzentrieren. Diese flog gegen zehn Uhr in Form einer Antonov 225 ein. Die Antonov 225 ist ein fliegendes Einzelstück und gilt als das größte Transportflugzeug der Welt. Deshalb hatten sich auch zahlreiche Spotter rings um das Flughafengelände versammelt.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - 14 Doppelräder unter dem Rumpf der Antonov 225
Der Rumpf der AN-225 liegt sehr tief und wird von 14 Doppelrädern getragen. Die zwei Doppelräder unterhalb des Cockpits werden zusammen mit der Laderampe eingeklappt. Eine faszinierende Konstruktion: Zuerst öffnet sich die Spitze des Flugzeuges nach oben. Danach bewegt sich die Laderampe nach vorne, stabilisiert sich selbst mit riesigen Metallstempeln auf der Rollfläche und klappt dann weitere Teile aus. Im heutigen Szenario kamen dadurch weiß gekleidete Männer zum Vorschein. Keine Außerirdischen, sondern Flugbegleiter. Das Weiße waren Schutzanzüge. Sie trugen zudem Schutzmasken im Gesicht. Bei der Einstellung des Piloten für dieses einzigartige Fluggerät wurde wohl auch auf dessen Namen geachtet: Dmitri Antonov.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert
Verfolgt von einer dichtgedrängten Schar Medienvertreter kletterte die Ministerin die steile Leiter ins Cockpit hinauf. Die Unterredung dauert nicht sehr lange. Anschließend gab es ein Pressestatement mit Fragemöglichkeit zur heutigen Lieferung von Schutzmasken aus China. Es gibt drei Teillieferungen von etwa 25 Millionen Schutzmasken. Die Antonov 225 hatte 10.330.000 Masken an Bord. Die anderen werden mit der kleineren Antonov 124 geliefert. Insgesamt wurden Verträge über 256 Millionen OP-Masken, 30 Millionen FFP2-Masken (Schadstoffkonzentration bis zum 10-fachen des Arbeitsschutzgrenzwertes, Schadstoffe werden zu 94% ausgefiltert) und 22 Millionen FFP3-Masken (Schadstoffkonzentration bis zum 30-fachen des Arbeitsschutzgrenzwertes, Schadstoffe werden zu 99% ausgefiltert) unterzeichnet.

Die Antonov-Flugzeuge gehören der Ukraine, werden aber per Outsourcing für verschiedene Luftfrachtthemen durch die NATO genutzt. Für die NATO ist das recht praktisch und kostengünstig. Die Ukraine hingegen profitiert davon, dass sie bei der NATO einen Fuß in der Tür hat. Will sie doch schon länger NATO-Mitglied werden. Die NATO lehnt das wegen der fragilen Situation um die Krim bisher ab.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - Soldaten des Logistikbataillons 171 aus Burg laden die Kisten mit den Schutzmasken aus.
Während die Ministerin auf die Fragen der Presse einging, wurde ein mobiles Förderband in die Antonov 225 geschoben - per Muskelkraft. Gabelstapler und Hubwagen brachten Paletten und zeitnah begann das Ausladen der großen Pappkartons. Annegret Kramp-Karrenbauer kontrollierte die Beschriftung einer der ersten Umverpackungen: Chinesisch. Dann gab sie noch ein Interview und verließ das Areal.

Das Ausladen der kompletten Fracht wurde auf sechs Stunden beziffert. Die Profis vom Logistikbataillon 171 aus Burg waren eigens dafür angereist und hatten auch schon eine Art Zwischenlager auf dem Rollfeld eingerichtet. Die private Spedition Kühne + Nagel sollte dann den Rest erledigen und die Masken auf die Bundesländer verteilen. Wer sie letztlich bekommt, hängt vom angemeldeten Bedarf ab.

Video:
Antonov 225 liefert 10 Millionen Schutzmasken in Leipzig/Halle an

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 21. April 2020

#COVID19 und die Offline-Gottesdienste

Religionsgemeinschaften sind nicht immer die Schnellsten, wenn es um die Nutzung moderner Technologien geht. Es wird zunächst geprüft, ob deren Nutzung mit den Grundlagen der Schrift harmoniert. Wenn sich das nicht zweifelsfrei klären lässt, wird die Meinung der Führer der Religionsgemeinschaft als Maßstab gesetzt. So kam es immer wieder zur Ablehnung von Neuerungen wie der Eisenbahn, des Autos, des Telefons oder des Fernsehers. Die Gläubigen wussten oft nur, dass deren Nutzung Sünde sei. Nur, warum?

So stellt auch Corona die Religionsgemeinschaften vor Herausforderungen, für die es kein historisches Beispiel gibt - außer vielleicht im Mittelalter die Pest. Damals wurde den Juden die Schuld gegeben. Als die Pandemie wütete, erfreuten sie sich bester Gesundheit. Dabei hatten sie mit ihren rituellen Waschungen nur das getan, was uns während Corona gebetsmühlenartig antrainiert wird.

Es gibt einige christliche Gemeinden, die die Klaviatur der neuen Medien beherrschen. Das sind in der Regel evangelische Freikirchen, die vor 20 oder 30 Jahren gegründet wurden. Gottesdienste im Kinosaal, Großleinwände, Liedtexte per Beamer, Musik mit Band sowie Predigten, die auch nach einer halben Stunde nicht langweilen. Diese Gemeinden können Corona medial sehr gut abfangen. Band und Pastor nehmen unter der Woche den Gottesdienst auf und streamen diesen dann per YouTube-Premiere in die Wohnzimmer ihrer Mitglieder. Ist Corona irgendwann vorbei, gibt es wieder Präsenztreffen mit weit über 100 Teilnehmern. Nicht selten trifft man sich am Sonntag sogar in mehreren Schichten, weil der Platz sonst nicht reicht.

An vielen etablierten Kirchen ist der mediale Zug vorbeigefahren. Welche der 20 älteren Damen würde sich das auch ansehen? Mitte März 2020 wurden aber auch diese Gemeinden aktiv und meldeten auf die Schnelle YouTube-Accounts an und probierten sich mit hochgeladenen Predigten aus. Die Zuschauerzahlen gleichen jedoch den Zahlen der Offline-Zuhörer.

#COVID10 Bundespressekonferenz 20.04.2020
#COVID10 In der Bundespressekonferenz informierte das BMI am 20.04.2020 über Lockerungen für Versammlungen von Religionsgemeinschaften
Am 17. April 2020 trafen sich Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften mit Staatssekretär Kerber im Bundesinnenministerium. Es sollte um einen baldigen Wiederanlauf der Offline-Gottesdienste gehen. Neben den Vertretern der evangelischen und der katholischen Kirche waren auch Archimandrit Sfiatkos von den orthodoxen Christen sowie ein Vertreter des Zentralrates der Juden und ein Vertreter der Muslime dabei. Letzteren ist die Lockerung der Corona-Beschränkungen wegen des bevorstehenden Ramadans wichtig.

Diese Herren haben ad hoc ein Arbeitsgremium gebildet, das ein Konzept zur schrittweisen Lockerung der Versammlungsregeln erarbeitet. Diese Regeln sollen dann für alle Religionsgemeinschaften in der gleichen Weise gelten und entsprechende Hygienevorgaben beinhalten.

Nicht am Tisch saß die Deutsche Evangelische Allianz (DEA). Die DEA versteht sich als Dachorganisation von gut 1,3 Millionen Christen in Deutschland. Mitglied kann jeder werden, der sich als Christ bezeichnet. Unter dem Dach der DEA sammeln sich viele der oben erwähnten Freikirchen mit ihren mehreren Hundert Gottesdienstbesuchern. Die Vertretenen nehmen ihre Dachorganisation nur einmal im Januar wahr. Wenn nämlich die Programmhefte für die Allianz-Gebetswoche herumgeschickt werden. Regionale Allianz-Vertreter - nicht die von der gleichnamigen Versicherung - putzen dann die Klinken der Gemeinden und werben für die Gebetswoche.

Ansonsten ist die Evangelische Allianz eine Gut-Wetter-Organisation, die sich auf das harmonische Miteinander unterschiedlicher Christen und Freikirchen konzentriert. Sind Probleme wie Machtmissbrauch oder Sektierertum zu lösen, fühlt sich die Allianz nicht mehr zuständig. Sie verweist dann regelmäßig auf den losen Zusammenschluss der Christen unter ihrem Dach sowie die autonom agierenden Regional-Allianzen. Kein Wunder also, wenn die DEA weder von ihren Vertretenen noch von der Politik als relevanter Player wahrgenommen wird.

So spielt die Evangelische Allianz auch bei der Erarbeitung des Konzeptes zur Wiedereinführung der Präsenzgottesdienste keine Rolle. Wenn Obergrenzen für Teilnehmerzahlen diskutiert werden, besteht die Gefahr, der Sichtweise einer Pressekollegin zu folgen: "Warum lässt man Gottesdienste nicht einfach pauschal zu? Da sitzt doch ohnehin kaum jemand in der Kirche." Einige Gemeinden werden sich dann weiter online treffen. Andere werden sich - wie Mitte Februar 2020 im Elsass geschehen - offline begegnen, herzlich umarmen und die Reproduktionszahlen von Corona in Schwung halten.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 15. April 2020

#COVID19 und die dosierte Lockerung

Während einer Pressekonferenz lernt man viel über die cleveren Exit-Strategien von Pressesprechern: "Das haben wir letzte Woche schon ausführlich thematisiert." - "Dazu gibt es aktuell nicht mehr zu sagen." - "Unser Standpunkt dazu ist unverändert." - "Dem Meeting will ich hier nicht vorgreifen." - "Die gewünschten Infos reiche ich nach."

Die ersten Schritte eines Exit hatte heute die Bundesregierung in einer Videokonferenz diskutiert. Das Social Distancing ließ nur die Präsenz von Angela Merkel, Olaf Scholz, Markus Söder und Hamburgs Oberbürgermeister Peter Tschentscher zu. Es war hart und kontrovers diskutiert worden. Die Kanzlerin äußerte sich anschließend erfreut über "das hohe Gut der Verschiedenartigkeit", durch das letztlich "gute Kompromisse gefunden" worden seien. Am stärksten musste dabei wohl der ambitionierte Kanzlerinnennachfolger Laschet zurückrudern. Markus Söder zeigte sich positiv überrascht, über die konstruktive Zusammenarbeit mit dem SPD-geführten Finanzministerium.

#COVID19 Bundespressekonferenz 15.04.2020
#COVID19 Bundespressekonferenz am 15.04.2020 - Wie ist der aktuelle Stand und wann erfolgt der Exit?
Weil das Lagebild in 14-tägigen Abständen wissenschaftlich fundiert dargelegt werde, werden auch die Entscheidungszyklen an diesen Zeitrahmen angepasst. Am 30. April 2020 findet das nächste Treffen dazu statt und tangiert dann die Maßnahmen ab 3. Mai 2020.

Das Land Berlin hat bereits eine detaillierte Liste mit Gewerben veröffentlicht, die mit und ohne Auflagen ihren Betrieb aufnehmen können. Sogar Hotels dürfen Gäste beherbergen, wenn diese einen wichtigen dienstlichen Grund nachweisen könne. Sportvereine, Religionsgemeinschaften und sonstige gruppenorientierte Einrichtungen dürfen weiterhin keine Veranstaltungen anbieten. Der Trend zu Gottesdiensten mit wenigen Besuchern in fortgeschrittenem Alter kann zwar nicht geleugnet werden. Allerdings trifft das nicht für alle Glaubensgemeinschaften zu. In der Frauenkirche Dresden oder den diversen evangelischen Freikirchen treffen sich Sonntag für Sonntag oft mehrere Hundert Personen. Ganz abgesehen von der oft herzlichen Atmosphäre, die eine Ausbreitung von Infektionen begünstigt. Am Freitag wird es im Bundesinnenministerium ein Treffen mit Religionsvertretern zu diesem Thema geben.

Laut Markus Söder sind Großveranstaltungen noch bis Ende August untersagt. Denn gerade dabei seien erhebliche Ansteckungen erfolgt. Wenn man zu leichtsinnig sei, könne die Kurve wieder nach oben gehen. Momentan bewege sich die Reproduktionsrate um den Faktor Eins. Die Zahlen bewegen sich derzeit zwischen 0,8 und 1,2 und die Dunkelziffer belaufe sich laut Gesundheitsministerium auf 1% der Gesamtbevölkerung. Das entspricht etwa 800.000 Personen.

Um die Maßnahmen weiter lockern zu können, arbeite man an der Tracking-App. Diese befinde sich gerade in der Testphase und man kläre noch deren Datenschutzaspekte. Die Nutzung solle freiwillig sein. Auch wenn sich Google und Apple ins Gespräch gebracht haben, bleibt die App doch ein eigenständiges EU-Produkt unter Mitwirkung des Robert Koch-Instituts und anderer offizieller Stellen.

Viele Eltern leiden unter der Last der geschlossenen Kitas und Schulen. Auch dieser Zustand soll erst ab Mai 2020 schrittweise geändert werden. Bei Schulen obliegt die letzte Entscheidung den Bundesländern. Ähnlich verhält es sich mit den Außengrenzen. Diese sollen noch bis 4. Mai 2020 geschlossen bleiben. Ausnahmen sind Belgien und die Niederlande mit ihrer Nähe zu den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass das Auswärtige Amt bisher rund 230.000 Bundesbürger aus 62 Ländern inklusive kleiner Karibikstaaten nach Deutschland zurückgeholt hat.

Im Schatten von Corona arbeiten aber auch geostrategische Gefährder ihre Agenda ab: Russland verlegt Söldner von Syrien nach Libyen und destabilisiert damit die Lage in Nordafrika. Dschihadisten planen Anschläge in Europa. Nordkorea testet Langstreckenraketen und Diktaturen interpretieren Corona zur Pflege ihres Feindbildes. Während Gesundheitsexperten in Deutschland von einer "vorsichtig positiven Tendenz" bei Corona reden, heißt es aus Sicherheitskreisen, dass die allgemeine "Gefährdungslage abstrakt hoch" sei.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 6. April 2020

#COVID19 - Osterfest im Zeichen der Pandemie

Zweieinhalb Wochen war das Auto nicht mehr bewegt worden. Arztbesuche und Einkäufe konnten zu Fuß absolviert werden. Präsenztermine waren seit dem 12. März 2020 ohnehin alle abgesagt worden. Kundenkontakte laufen komplett per Telefon und E-Mail. Der Wagen sprang an, als hätte es nie eine längere Standzeit gegeben. Dann ging es durch den zäh fließenden Verkehr in die City. Wo wollen die Leute nur alle hin? Auffällig waren die vielen fertigen Baustellen und der ausgebesserte Straßenbelag.

Die Mittagssonne knallte direkt in die große Fensterfront der Bundespressekonferenz. Zunächst mussten sich der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, und die Vertreter verschiedener Ministerien den Fragen der Journalisten stellen. Letztere hatten entsprechenden Abstand zueinander eingenommen. Für die zweite Stunde wurden Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Finanzminister Olaf Scholz erwartet.

Bundespressekonferenz #COVID19 Olaf Scholz Schnellkredit
Bundespressekonferenz zu #COVID19 - Olaf Scholz zu den Schnellkrediten bis 500.000 Euro
Zwei Stunden Corona: Interessant war zunächst, welche Exit-Strategie die Bundesregierung hat. Auf mehrfache Nachfrage wurde versichert, dass man "Tag und Nacht darüber nachdenke". Man könne das auch im Podcast der Kanzlerin nachhören. Der Hinweis auf die klar umrissene Exit-Strategie der Österreicher wurde damit vom Tisch gewischt, dass diese viel strengere Corona-Regeln hätten. Beispielsweise sind dort auch die Baumärkte geschlossen. Das hätte man dem Heer gelangweilter Familienväter in Deutschland nicht zumuten können (Anmerkung der Redaktion).

Etwas konkreter wurde das Gesundheitsministerium. So hätten von 1.160 Krankenhäusern bereits 1.015 freie Betten gemeldet. Das sind bundesweit 87,5% der Krankenhäuser. Die Gesamtkapazität umfasst derzeit 10.000 Beatmungsbetten. Es wurden weitere Zahlen genannt: Allein in der letzten Wochen seien 37 Millionen Gesichtsmasken und 25 Millionen Handschuhe an die Krankenhäuser ausgeliefert worden. Zudem sei durch die jüngsten Maßnahmen der Kontaktsperre die Verbreitungsrate des Virus auf Eins gesunken. Der Standardwert liegt bei zwei bis drei Infektionsweitergaben pro Person.

Bei der inneren Sicherheit gibt es einige Ambivalenzen, zu denen die Korrespondenten nachhakten. Wird es eine Tracking-App geben? Wer programmiert die? Ist die europaweit kompatibel? Die Bundesregierung begrüßt eine solche App und hat diesbezüglich schon einiges in die Wege geleitet. Allerdings müsse die App für den Schengenraum standardisiert werden.

Apropos Schengen: Während Deutschland an fast allen Außengrenzen Kontrollen eingeführt hat, gibt es zu Belgien und den Niederlanden keine Kontrollen? Das Innenministerium erklärte das mit Risikogebieten und der Entscheidungsfreiheit der angrenzenden Bundesländer. Wer keinen wichtigen Grund wie beispielsweise ein Arbeitsverhältnis nachweisen könne, werde an der Grenze abgewiesen. Bislang waren das 70.000 Personen. Ambivalent wird auch die Quarantäne nach der Einreise gehandhabt. Ausländer müssen sich sofort in ihre Zielunterkunft begeben und dort zwei Wochen in Quarantäne bleiben. Für Rückreisende Deutsche gilt das pauschal nicht.

Bundespressekonferenz #COVID19 Peter Altmaier Schnellkredit
Bundespressekonferenz zu #COVID19 - Peter Altmaier zu den Schnellkrediten bis 500.000 Euro
Peter Altmaier und Olaf Scholz demonstrierten eine glaubhafte Harmonie. Endlich ist die Große Koalition wieder zu Sachthemen zurückgekehrt und zeigt sich in diesen recht effizient. Mit einem bemerkenswerten Tempo hatten die beiden Minister auf die Situation reagiert und den verfügbaren EU-Rahmen ausgeschöpft. Sie kündigten sogar für "die nächsten Tage eine kleine Neuigkeit" an.

Aktuell ging es um ein Schnellkreditprogramm für Unternehmen bis 50 Mitarbeiter. Diese könnten relativ unkompliziert Kredite bis 500.000 Euro zu extrem günstigen Zinssätzen beantragen. Als Voraussetzung gelten die Zahlen der Vergangenheit: Wer schon 2019 existiert, Umsätze erwirtschaftet und Gewinne gemacht habe, sei qualifiziert für solch einen Kredit. Diese Kredite dürfen jedoch nicht zur Umschuldung verwendet werden, sondern sind als Ergänzung bestehender Kredite gedacht. Firmen über 50 Mitarbeiter können in diesem Zuge Kredite bis 800.000 Euro beantragen. Momentan wird noch über die Länge der Laufzeit diskutiert, weil fünf Jahre für viele Unternehmen zu kurz sind.

Den Ministern war klar, dass es zunächst einen Rückgang des Wirtschaftswachstums geben werde. Sie zeigten sich jedoch optimistisch, dass es schnell wieder aufwärts gehe und nach 20 Jahren die Kosten für die Corona-Zuschüsse und Kredite wieder eingespielt seien. Als Zeitrahmen wurden die Jahre 2023 bis 2043 genannt. Man sei nur deshalb so risikobereit, weil man auf die solide Wirtschaftsfähigkeit vertraue und damit eine geringe Ausfallwahrscheinlichkeit bestehe.

Peter Altmaier ergänzte die Ausführungen mit einem glühenden Plädoyer für den deutschen Mittelstand. Olaf Scholz lobte die Bankmitarbeiter, die so schnell entsprechende Wege geebnet und technische Voraussetzungen geschaffen hätten. Dass es hier um Taten statt Worte geht, zeigt der Umstand, dass die Zuschüsse an Kleinstunternehmer bereits am 1. April 2020 auf den Konten der Antragsteller gebucht wurden. Das war Peter Altmeier wichtig wegen der anstehenden Mietzahlungen. Das neue Programm der Schnellkredite bis 500.000 Euro soll bereits am Gründonnerstag anlaufen.

Ja, der Gründonnerstag! Ein Tag ohne Staus und das Kaffeetrinken mit der Oma. Keine Osterfeuer, kein Kirchgang, kein Ausflug ans Meer. Steffen Seibert zeigte Verständnis für die Situation und packte das in die Formulierung "Osterfest im Zeichen der Pandemie". Ob der Exit eine Woche nach Ostern zusammen mit dem Ende der Osterferien startet, ist aktuell noch unklar. Vermutlich denkt man auch darüber Tag und Nacht nach.

Vor der Bundespressekonferenz standen zwei schwarze Blaulicht-Limousinen. Damit fuhr der Finanzminister zum nächsten Termin. Peter Altmaier hingegen schwang sich aufs Fahrrad und radelte durch den Sonnenschein davon.

Autor: Matthias Baumann