Dienstag, 29. August 2017

Israels Botschafter Jeremy Issacharoff akkreditiert

Schon der Name Jeremy Issacharoff lässt auf eine interessante Persönlichkeit schließen. Jeremy klingt britisch und ist wohl eine Kurzform des großen Propheten Jeremia. Trotz der nur 52 Kapitel hat Jeremia mehr Seiten in der Bibel als der Prophet Jesaja mit seinen 66 Kapiteln. Der Jeremia des Alten Testamentes hatte eine Menge durchgemacht, war aber wie der neue Botschafter Israels immer in der Nähe der Regierung tätig und konnte auch einen guten Draht zum damaligen Weltherrscher Nebukadnezar aufbauen.

Botschafter Israel Jeremy Issacharoff akkreditiert
Israelischer Botschafter Jeremy Issacharoff akkreditiert
Der Wortstamm des Nachnamens Issachar geht wohl auf den fünften Sohn Leas zurück. Da Jakob alias Israel mehrere Frauen hatte, war Issachar der insgesamt achte Sohn von 12. Er war nach einem Deal zwischen Jakobs Frauen Lea und Rahel entstanden (1. Mose 30, 14-18). Die russische Endung off täuscht: Issacharoff war 1955 in London geboren worden. Sein Vater hatte im Nahen Osten gegen die britische Mandatsregierung gekämpft, die 1948 im Zuge eines Teilungsplans die Region verließ. Mit 18 Jahren wollte er in London Jura studieren, brach dieses jedoch wegen des Jom-Kippur-Krieges ab und wollte sich im israelischen Militär nützlich machen. 1982, also mit 27, trat er in den diplomatischen Dienst ein.

Botschafter Israel Jeremy Issacharoff akkreditiert
Israelischer Botschafter Jeremy Issacharoff akkreditiert
Wie sein Namensgeber Jeremia arbeitete er lange Zeit im Zentrum eines weltpolitischen Schwergewichtes: UN in New York. Dort lernte er seine Frau kennen und gründete eine kleine Familie. Seine Themen sind Sicherheit, Rüstungskontrolle und Terrorabwehr mit Hauptkompetenz Iran.

Sicherheit war bei der heutigen Akkreditierung Issacharoffs im Schloss Bellevue groß geschrieben. "Die schießen dann auch", berichtete uns eine israelische Fotografin. Sie könne auch schießen. Das glaubte ich gerne. Der künftige Botschafter und seine Delegation wurden in mehreren gepanzerten Limousinen vorgefahren: BMW 760Li aus der F04-Serie mit Vielspeiche 235 in 19". Schöne Fahrzeuge mit Standarte des Bundespräsidenten. Dazu noch einige schwarze Audis.

Botschafter Israel Jeremy Issacharoff akkreditiert
Israelischer Botschafter Jeremy Issacharoff akkreditiert
Der Botschafter machte einen sympathischen Eindruck und blickte immer wieder verschmitzt in die Kameras. Er hatte Mitglieder seiner Familie dabei und die übliche Delegation. Das Blatt im Gästebuch reichte gar nicht für die vielen Unterschriften und Zusatzkommentare, so dass sogar umgeblättert werden musste. Einige Schreiber hatten eine etwas verkrampfte Handhaltung, da ihre Muttersprache Ivrith (Neuhebräisch) normalerweise von rechts nach links geschrieben wird. Eine Unterschrift steht jetzt sogar im israelischen Zeichensatz auf dem Papier des Gästebuches.

Botschafter Israel Jeremy Issacharoff akkreditiert
Israelischer Botschafter Jeremy Issacharoff akkreditiert - Gästebuch
Auch der Bundespräsident hatte sichtlich Freude an der Familie des neuen Botschafters und dessen Delegation. Braungebrannt posierte Frank-Walter Steinmeier vor der samtigen Fahne mit dem Bundesadler. War doch Israel eines der ersten Ziele, die er nach Amtsantritt besucht hatte.

Videos:
Akkreditierung des israelischen Botschafters Jeremy Issacharoff

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 27. August 2017

Offene Türen im Bendlerblock

Die Bundeswehr ist bekannt für ihre Abkürzungen. TdoT BReg steht für den Tag der offenen Tür der Bundesregierung, an dem sämtliche Ministerien und das Kanzleramt für die Bevölkerung geöffnet haben. Da der Tag der offenen Tür gestern und heute stattfand, handelte es sich eher um ein Wochenende der offenen Tür, ein WEdoT BReg also.

Bei spannenden Einrichtungen wie dem BMI deutete die Anzahl der Menschen vor der geöffneten Tür auf lange Wartezeiten hin. Mit BMI ist nicht der Body-Mass-Index gemeint, sondern das Bundesministerium des Innern. Ähnliches vermuteten wir auch beim Kanzleramt und schauten dort gar nicht erst vorbei. Beim BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hätte man wohl ohne Wartezeit durchgehen können. Wir fuhren vorbei, denn wir wollten zum BMVg Bundesministerium der Verteidigung.

BMVg Bendlerblock Tag der offenen Tür 2017
BMVg - Bendlerblock - Tag der offenen Tür 2017
Es waren Vorführungen des Drillteams des WachBtl - ausgeschrieben Wachbataillon - und des MusKorpsBw, dem Musikkorps der Bundeswehr, angekündigt. Das MusKorpsBw ist nicht zu verwechseln mit dem StMusKorpsBw unter der Leitung von Oberstleutnant Kiauka. Letzteres ist fast immer dabei, wenn ein Staatsgast mit militärischen Ehren empfangen wird. Den Wagen parkten wir an der Tiergartenstraße und marschierten mit Kind und Kegel, also Vater, Mutter, Kindern, amtlichen Lichtbildausweisen und Kamera zur geöffneten Hintertür des Bendlerblocks.

Die logistische Leistungsfähigkeit der Bundeswehr wäre wohl in Frage gestellt worden, wenn sie beim TdoT nicht mit dem Massenandrang klar gekommen wäre. Es lief alles generalstabsmäßig: Lichtbildausweis, Personenkontrolle, Schere abgeben und schon war die Familie im Partybereich.

Wir gingen zunächst zum Ehrenmal der Bundeswehr. Dort sollte gleich eine Andacht stattfinden. Beim Anblick der Talare drehte die Familie ab und verschwand in einem der Infozelte. Ich blieb und konnte zusammen mit Jörg Vollmer, dem Inspekteur des Heeres, eine Predigt über Gebet und gute Entscheidungen hören. Während der evangelische Militärdekan Peter Schmidt durch das Programm führte, hielt der katholische Militärdekan Stephan van Dongen die Predigt und sprach den Abschlusssegen. Jörg Vollmer ging anschließend flankiert durch die beiden Talarträger in den südlichen Teil des Ehrenmals und legte dort einen Kranz nieder.

BMVg Bendlerblock Tag der offenen Tür 2017
BMVg - Bendlerblock - Tag der offenen Tür 2017 - Andacht im Ehrenmal der Bundeswehr
Das Programm war straff durchorganisiert. Sofort nach der Andacht musste ich zum nördlichen Bereich eilen, um das Drillteam des WachBtl sehen zu können. Keine Zeit, die Familie zu suchen. Kamera an und draufhalten. Eine Gruppe von 12 Soldaten wirbelte den umstrittenen Karabiner 98k durch die Luft, schwang ihn unter den Beinen hindurch, bewarf sich gegenseitig damit, fing ihn gekonnt auf und legte eine Choreographie wie beim Ballett hin. Beim Staatsbesuch kommen davon nur wenige Elemente zum Tragen. Aber gut zu wissen, dass die Männer und Frauen des WachBtl ihr Hauptarbeitsmittel so gut im Griff haben.

Klack, da lag ein Karabiner am Boden. Das Team ließ sich nicht aus dem Takt bringen. Aber das Wasser konnte schon im Munde zusammen laufen. Ein gefallener Karabiner kostet mindestens einen Kasten Bier für die Beteiligten. Beim Besuch eines Staatsoberhauptes steht das Wachbataillon mit über 100 Soldaten auf dem Platz und repräsentiert alle drei Teilstreitkräfte, kurz TSK. Das kann dann richtig teuer werden. Am härtesten trifft es den Soldaten, wenn er den Karabiner im Schloss Bellevue fallen lässt. Kanzleramt ist billiger, da dort weniger Soldaten im Ehrenhof Platz haben.

BMVg Bendlerblock Tag der offenen Tür 2017
BMVg - Bendlerblock - Tag der offenen Tür 2017 - Tornado zum Anfassen
Plötzlich tauchte die Familie auf. Schoko-Crêpe auf Pappteller, Armen und Nase. Zu wenig Servietten. Vor uns wurden weiß-rote Bänder gezogen, denn die Hundevorführung sollte gleich starten. Die Hunde kannte ich schon aus verschiedenen Verwendungen beim Abschnüffeln der Kameras beim Besuch des Bundespräsidenten auf der IGA, beim EinsFühKdo oder beim WachBtl. Bei der Einfahrt in die Führungsakademie in Hamburg inspizierten die Hunde ganze Fahrzeuge. Die Hunde werden dual ausgebildet: Personenschutz und Finden unerlaubter Dinge wie Sprengstoff.

BMVg Bendlerblock Tag der offenen Tür 2017
BMVg - Bendlerblock - Tag der offenen Tür 2017
Ein Highlight des TdoT war die einstündige Führung durch das Hauptgebäude. Hier mussten alle Smartphones abgeschaltet und die Fotoapparate abgegeben werden. Auch für die Presse gab es keine Ausnahme. Die Personenkontrolle wurde wiederholt und selbst die Metallknöpfe an den Jeans schlugen Alarm. Lichtbildausweise wurden gegen ein Badge der Bundeswehr eingetauscht. Das Schlüsselband durften die Besucher anschließend behalten.

Nach einem kurzen Imagefilm mit Gruß der Ministerin, wurden die Besucher durch den Südflügel des Gebäudes geführt. Wir schauten in Lichthöfe, in Räume mit gedeckten Tafeln, in einen Konferenzraum und in das Büro der Ministerin. Wir liefen über Flure mit rot-schwarzen Fußböden und gelangten schließlich in die Säulenhalle mit rotem Teppich.

Der rote Teppich misst 15 x 5 Meter und stellt Berlin-Tiergarten im Februar 1947 aus der Vogelperspektive dar. Eine helle Linie zieht sich über den Teppich. Kein Webfehler. Dort war das Original der Luftaufnahme geknickt. Hebt man etwa 20 Zentimeter des Teppichs an der Nord-West-Ecke hoch, wird ein Schild mit THAI PING CARPETS sichtbar. Ein Detail, das den Staatsgästen normalerweise entgeht, wenn sie vom Südeingang aus über den Teppich gen Norden schreiten. Ein Hingucker, der dazu mahnt, dass Berlin nie wieder so aussehen soll.

Zum Abschluss erlebten wir noch eine Vorführung des Ehrenpostens beim Besuch eines Staatsgastes. Die Motorräder und Begleitfahrzeuge der Feldjäger waren aufgebaut. Der Staatsgast wurde mit einem BMW 5er (F10) chauffiert. Als Gruppe durften wir den Gast spielen und durch das Portal, am roten Teppich vorbei, durch das Erdgeschoss dem Ausgang entgegen schreiten.

Die Führung dauerte eine Stunde und wurde von mehreren Feldjägern bewacht. Die Aufgaben der Bundespolizei in anderen Ministerien übernehmen im BMVg die Feldjäger. Diese sind zum Schutz des Verteidigungsministeriums, des Generalinspekteurs, der Ministerin und der gastierenden Verteidigungsminister zuständig. Beim TdoT waren ungewöhnlich viele Feldjäger von Leutnant bis Hauptmann zu sehen, gehört doch insgesamt ein Großteil zur Dienstgradgruppe der Feldwebel.

BMVg Bendlerblock Tag der offenen Tür 2017
BMVg - Bendlerblock - Tag der offenen Tür 2017 - Musikkorps der Bundeswehr
Zum Auftritt des Musikkorps wollte ich eine bessere Position als beim Drillteam haben und kletterte durch einen Fuchs. Das ist kein pelziges Tier, sondern ein gepanzertes Fahrzeug mit vielen Antennen. Ich setzte mich auf das Dach und hatte von dort eine sehr gute Kameraposition. Das Spektrum der Musikstücke war beeindruckend. Einer der Schlagzeuger holte zwischendurch sogar seine E-Gitarre hervor. Samba, Michael Jackson, Berliner Luft und Militärmärsche wurden hintereinander gespielt und man merkte den Musikern die Freude an ihrer Profession an.

BMVg Bendlerblock Tag der offenen Tür 2017
BMVg - Bendlerblock - Tag der offenen Tür 2017 - Musikkorps der Bundeswehr
Aber wo war nur die Familie? "Wir sind bei den Panzern", kam die Info per WhatsApp. Jute-Beutel im Tarndesign, prall gefüllt mit silbernen Beutelchen. Darin war Soldatennahrung für den Einsatz. Ich war froh, dass die Familie sich nicht gelangweilt hatte. Vier Stunden waren wir im Bendlerblock und immer noch nicht alles gesehen und mitgemacht.

Deshalb entschieden wir uns für einen weiteren TdoT im BMVg und stürzten uns am Sonntag noch einmal in das Getümmel.

Videos:
Andacht im Ehrenmal der Bundeswehr
Drillteam des Wachbataillons
Musikkorps der Bundeswehr

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 17. August 2017

Workshop-Serie zum Traditionserlass startet an der Führungsakademie in Hamburg

Den Diskussionen in unserem YouTube-Kanal folgend reduziert sich Tradition auf folgende Punkte: Pickelhaube, Karabiner und Stechschritt.

Traditionserlass Workshop Führungsakademie Hamburg
Workshop zum Traditionserlass an der Führungsakademie Hamburg - Ankunft der Ministerin
Heute startete an der Führungsakademie in Hamburg eine Workshop-Serie zur Überarbeitung des Traditionserlasses. Dieser war 1982 verfasst worden. Damals herrschte noch der Kalte Krieg. Regeln wie "Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen" (Ulrich de Maizière) dienten zur Abschreckung und damit zur Sicherung des Friedens. In den folgenden 35 Jahren gab es gravierende Veränderungen, die 1982 nicht abzusehen waren:

  • Wiedervereinigung
  • Armee im Auslandseinsatz
  • Frauen in der Bundeswehr
  • Aussetzung der Wehrpflicht
  • Internationale Kooperationen über die NATO hinaus

Bereits im Weißbuch 2016 wurde auf drei Seiten die Überarbeitung des Traditionserlasses angeregt. Das war zunächst nur eine Absichtserklärung und wurde durch neuerliche Vorkommnisse auf Truppenebene zur Chefsache. Auch diese reduzierten sich auf den Umgang mit Traditionen aus der frühen Mitte des 20. Jahrhunderts: Wehrmacht und Nationalsozialismus.

Tradition ist jedoch ein deutlich breiteres Feld mit vielen Referenzthemen. So waren sich die Teilnehmer in Hamburg darüber einig, dass Geschichte nicht gleich Tradition sei. Geschichte passiert und Tradition hält bestimmte Elemente dieser Geschichte fest. Daraus kann sich ein Brauchtum entwickeln.

Letztlich bestimmt die vorherrschende Ethik, welche Elemente der Geschichte als so wertvoll erachtet werden, dass sich daraus eine Tradition und ein Brauchtum extrahieren lassen. Die Diskussion über den Traditionserlass müsse deshalb bei der Ethik beginnen. Diese sei der Rahmen, in dem der Soldat sein Handwerk ausführt. Dieses Handwerk besteht nicht nur im Bohren von Brunnen oder der Hilfe bei Hochwasser.

Traditionserlass Workshop Führungsakademie Hamburg
Workshop zum Traditionserlass an der Führungsakademie Hamburg - Generalinspekteur Volker Wieker, Bundesministerin Ursula von der Leyen, Konteradmiral Carsten Stawitzki (v.l.n.r.)
Neben Ursula von der Leyen und Generalinspekteur Volker Wieker waren etwa 300 Teilnehmer in die Führungsakademie eingeladen worden. Darunter viele ausländische Offiziere, Professoren, Bundestagsabgeordnete, Beamte, ehemalige Generäle, Admirale, Offiziere von Leutnant bis Oberst und einige Generäle. Es war eine sehr heterogene Zusammensetzung aus allen drei Teilstreitkräften und sämtlichen Waffengattungen.

Mit ihren 62 Jahren ist die Bundeswehr inzwischen älter als die Reichswehr und die Wehrmacht zusammen. Durch verschiedene Einsätze hat sie geschichtliche Marken gesetzt, die durchaus traditionsstiftend sein können. Im Ausland beispielsweise werden Brücken nach deutschen Soldaten benannt und im Inland Schulen. Etwa 3.000 Angehörige der Bundeswehr waren im Dienst verstorben. Es fielen die Worte sacrificium und victima: Opfer im Sinne eines höheren Zieles oder Opfer eines Unfalls.

Traditionserlass Workshop Führungsakademie Hamburg
Workshop zum Traditionserlass an der Führungsakademie Hamburg - Teilnehmer aus dem Ausland
Beispiele aus Nachbarländern zeigten, dass Tradition nicht von oben diktiert werden könne. Per Erlass könnten nur Rahmenbedingungen geschaffen und Traditionen gefördert werden. Das eigentliche Bewusstsein entstehe jedoch auf Regimentsebene. Hilfreich sei dabei Kontinuität in vielfacher Hinsicht: Orte, Namen, Kameraden.

Nach den drei offiziellen Reden wurde auf Chatham-House-Rules umgeschaltet, so dass die heterogenen Diskutanten in den vier Panels frei und ungeschminkt ihre Meinung einbringen konnten. Ein sehr konstruktives Workshop-Klima, das durch hochkarätige Moderatoren geleitet wurde.

Es sind drei weitere Workshops geplant. Der nächste soll noch vor der Bundestagswahl beim Zentrum Innere Führung in Koblenz stattfinden. Bei so viel heterogener Kompetenz, die in einer respektvollen und konstruktiven Atmosphäre am Thema arbeitet, ist ein gut durchdachtes Endergebnis zu erwarten.

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 13. August 2017

3.000 Kilometer überzeugen vom VW Caddy Maxi

Der Sommerurlaub stellte uns vor eine logistische Herausforderung: 6 Personen, 3 Generationen, 1 Familie und 2 Reiseziele mit jeder Menge Potenzial für Besichtigungen vor Ort. Anhand der Daten des elektronischen Fahrtenbuchs wurde mit einem eigenen Auto, mit zwei eigenen Autos, mit Bahnfahrten und einem gemieteten 7-Sitzer gerechnet. Nachdem verschiedene Konstellationen durchgespielt worden waren, gab es einen klare Entscheidung:

Die Langstrecken in den Elsass und nach Westfalen sollten die beiden Omas und die Eltern mit dem Gepäck im VW Caddy Maxi absolvieren. Die beiden Kinder bekamen Bahn-Tickets. Am Urlaubsort sollte das Gepäck rausfliegen und damit Platz für die Kinder und einen regionalen Reiseleiter schaffen, also für insgesamt sieben Personen.

VW Caddy Maxi
VW Caddy Maxi
Bereits bei der Abholung an der AVIS-Station staunten wir über einige Details. Der lediglich per Fahrzeugklasse gebuchte 7-Sitzer sollte ein schwarzer VW Caddy Maxi mit Automatik und Navi sein. Dazu ein Diesel. Alles ohne den erwarteten Aufpreis. Er stand im Parkhaus und ließ sich problemlos bedienen. Schalter und Knöpfe befanden sich an den Orten, wo man sie vermutete. Nur die Spiegelverstellung war etwas filigran.

Auf der ersten großen Hauptstraße beschleunigte das Mehrzweckfahrzeug bis 80 km/h, obwohl ich eigentlich nur 50 fahren wollte. Das war eine gute Einstimmung auf die folgenden 800 km nach Straßburg. Die Kinder saßen bereits im Zug, während wir Taschen über Taschen und einige Koffer auf die dritte Sitzbank und in den Laderaum stapelten. Strickzeug, Kühltasche, Teekannen wurden zwischen die Omas gestellt und die Fahrt konnte beginnen.

VW Caddy Maxi
VW Caddy Maxi
Während der Ampelstart mit den 102 PS überzeugend war, empfand ich auf der Autobahn ein deutliches Defizit an Leistungsreserven. Deshalb schaltete ich auf S wie Sport und stellte fest, dass die einzige Sportlichkeit in der Motorik der Unterarm-Muskulatur bestand. Darauf regelte ich den Wagen auf eine Geschwindigkeit um die 120 km/h ein und versuchte weitestgehend vorausschauend zu fahren.

Meine Frau ging etwas akzentuierter mit dem Gas um und trieb den Caddy auf 160 km/h. Auf meinem Platz hatte ich nicht das Gefühl, dass der Wagen schwimmt oder andere unsichere Bewegungen macht. Er lag sicher auf der Straße. Irgendwann wechselten wir wieder und auch ich fuhr ihn mit 140 - 160 km/h weiter.

Das Navi reagierte auf die daneben angebrachten Tasten und Druck auf den Monitor. Die Bedienung erfolgte intuitiv, so dass die ständig benötigten Klick- und Touch-Folgen schnell verinnerlicht waren. Bemerkenswert waren auch die sehr präzisen und zeitnahen Mitteilungen zu Störungen auf der Strecke. Das bewahrte uns jedoch nicht davor, erst nach 11 Stunden am ersten Urlaubsziel anzukommen.

VW Caddy Maxi
VW Caddy Maxi - zweite und dritte Sitzreihe
In Straßburg wurden die sämtlichen Taschen und Koffer ausgeladen. Das schaffte Platz für die ortskundige Reiseleitung und die Kinder: 7 Personen. Wegen des guten Kartenmaterials im Navi waren Papierkarten zwar überflüssig, aber meine Schwiegermutter zog eine besondere Befriedigung aus der redundanten Unterstützung der Lautsprecher-Dame.

"Fahrt ja nicht schneller als 90", mahnten uns die Freunde aus Frankreich. Nun wurde der Tempomat interessant. Der VW Caddy Maxi hatte zwei Optionen: Limit, also Regelung der Vmax, und die übliche Fixierung einer Geschwindigkeit. Soweit wir das einschätzen können, hatte uns das bei den vielen Kilometern durch Frankreich vor Strafzetteln und hohen Zusatzkosten bewahrt.

VW Caddy Maxi
VW Caddy Maxi - Nachfüllung von AdBlue über den Einfüllstutzen (rechts)
Apropos Zusatzkosten: AdBlue sollte plötzlich nachgefüllt werden. Die Bedienungsanleitung verriet uns, dass der Caddy einfach nicht mehr den Motor startet, wenn das Diesel-Additiv AdBlue nicht innerhalb einer bestimmten Frist nachgefüllt werde. Das machte uns Angst. Für 11 Euro kauften wir das ätzende Zeug an einer französischen Tankstelle und füllten es im Motorraum nach. Die Betreiberin war sehr darauf aus, dass nichts vorbeikleckert. Das war nahezu unmöglich, so dass wir die Wirkung auf Plastik und Beton miterleben konnten. Die Sinnhaftigkeit von AdBlue könnte an anderer Stelle diskutiert werden. Vielleicht in Stuttgart, wo man sich besonders gut mit der vermeintlichen Schadstoff-Entfaltung moderner Diesel-Fahrzeuge auskennt.

In Frankreich lernte ich aber noch etwas anderes. Die Langeweile beim 90-Tuckern ließ meinen Blick auf den Schalthebel des Automatik-Getriebes schweifen. Plus und Minus waren dort abgebildet. D nach rechts und Plus oder Minus konnten geschaltet werden. Das probierte ich an einer der wenigen 110-Strecken aus und war zufrieden mit dem Ergebnis. Immerhin ersetzte es den S-Gang, der im 2-Liter-TDI-Caddy wohl für S wie schwach oder sinnfrei steht.

VW Caddy Maxi
VW Caddy Maxi
Im weiteren Verlauf erfuhren wir, wie man den nervigen Hinweis auf die AdBlue-Reichweite von 7.500 km wegklickt, wo der wichtige Knopf zum Ausschalten der Start-Stopp-Automatik sitzt und dass im Kombi-Instrument die angefahrene Himmelsrichtung gezeigt wird. Den Durchschnittsverbrauch konnten wir trotz zügiger Fahrweise auf 6,5 Liter Diesel absenken. Im Stadtverkehr liegt der 2,0-l-TDI BMT mit seinen rund 32.000 Euro Neupreis bei einem Liter mehr.

Der VW Caddy Maxi ist laut Zulassung ein Mehrzweckfahrzeug und nach diesen zwei Wochen Dauertest tatsächlich als solches bewährt. Auch unter Last hat er ein stabiles und gutes Fahrverhalten bis 160 km/h. Er bietet Platz für sieben Personen, Gepäck oder andere sperrige Zuladung. Erstaunlich ist auch das Überholprestige. Wenn der hohe Wagen mit den LED-Leisten unter den Scheinwerfern auf der linken Spur ankommt, machen andere Verkehrsteilnehmer Platz. Er strahlt offensichtlich eine höhere Präsenz aus als ein VW Phaeton.

Nach 3.091 km stellten wir den Wagen wieder bei AVIS ab. Allein der Umstieg in den BMW war etwas gewöhnungsbedürftig. Drehzahlmesser und Tacho sind beim VW Caddy vertauscht.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 4. August 2017

Best Ager überlebt den Europapark

Zu meinem 40. Geburtstag wurde ich in einen dieser großen Freizeitparks in Norddeutschland eingeladen. Die Kinder waren noch zu klein, um alle Attraktionen ausprobieren zu dürfen. Die Bahnen jedoch, die sie ausprobierten, brachten mich in die Nähe einer Situation, die bei Krankenkasse und Rentenversicherung beliebt ist: Herzinfarkt mit Todesfolge.

Traumatische Erinnerungen an eine scheinbar harmlose Einbaumfahrt schwirrten auch nach elf Jahren durch die Köpfe der Eltern. Die kleine Tochter saß damals angeschnallt vorne. Papa und anschließend Mama saßen unbefestigt hinten. Alles sehr gemütlich. Dann eine Almhütte mit Foto und dann - freier Fall mit Blick auf eine immer näher kommende aufgewühlte Wasserfläche. Aaaaaah. Mama und Papa hatten überlebt. Die Tochter freute sich, hatte aber keinen dritten Erwachsenen mehr für eine weitere Runde.

Europapark
Europapark - Eingangsbereich mit Silver Star im Hintergrund (C) Foto: Adrian Baumann
Elf Jahre später: Elsass, 2 Omas, 2 Teenager und 2 eingetragene Fahrer für das Mietauto. Meine Frau war froh, dass sie den Tag mit den Omas verbringen konnte, während ich mich der Herausforderung Europapark stellte. Ich wusste, dass die Kinder mit jeder Achterbahn fahren wollen, je gefährlicher umso besser. Ich fungierte als erwachsene Begleitperson.

Der Europapark in Rust ist für motorisierte Touristen ausgelegt. Deshalb wurden wir vor dem Parkplatz abgesetzt und die Omas samt meiner Frau entschwanden schnell unseren Blicken. Über uns rauschten die Gondeln des Silver Star, der größten Achterbahn des Europaparks. Wutsch, Ratter, Ratter, Wutsch, die nächste Gondel. Nach fünf Minuten hatten wir den Haupteingang erreicht. Tickets für Personen ab 12 Jahren kosten derzeit 47 Euro. Kinder zwischen 4 und 11 oder Senioren ab 60 zahlen 40,50 Euro.

Wir begannen mit einer soften Bootsfahrt. Das Schiff drehte sich mittig und wurde dabei seitwärts geschaukelt. Ganz nett für den Anfang.

Europapark
Europapark - Arthur verlässt die Höhle (C) Foto: Adrian Baumann
Dann ging es auch schon zur ersten der 15 Achterbahnen mit dem Namen Arthur. Artur bestand aus hängenden Gondeln mit vier sportlichen Sitzen nebeneinander, eingefasst in eine reptile Schale. Die Gondel wurde durch eine unterirdische Phantasiewelt mit vielen Zwergen oder sowas bewegt, schoss dann in die freie Natur hinaus und kam relativ bald wieder am Ausgangspunkt an. Gewartet hatten wir über eine halbe Stunde. Den wirklichen Achterbahn-Kick bekamen hier wohl nur Kinder aus dem 40,50-Euro-Segment.

Darauf stellten wir uns bei Gazprom an. Die Tafel zeigte eine voraussichtliche Wartezeit von 15 Minuten. Gazprom hat den blue fire Megacoaster gepowert. Alles sehr modern, blau, weiß, technisch. Nach den präzise avisierten 15 Minuten bestiegen wir eine Gondel mit mehreren Sitzreihen und fuhren sehr langsam durch eine Art Werkhalle. Es dampfte und ein Ingenieur mit wirrem Haar hantierte mit einem Schraubendreher am Elektrokasten. Dass das nicht gut geht, konnte man sich ausrechnen. Nicht jedoch, was tatsächlich folgen werde: Puff - schneller als ein Tesla beschleunigte der Wagen und drückte die kreischenden Insassen ins Freie. Vor uns eine blaue Schiene. Überschlag, Drehung horizontal und vertikal, Antäuschen von Entschleunigung und Beschleunigung in luftige Höhen und Seitwärtsneigungen, Foto, Kreischen, Zielpunkt.

Taumelnd verließen wir die Gondel und schwankten auf den Weg zurück. Meine Frau hatte gerade das Foto einer Kirche in Colmar an den Familien-Chat gesendet. Ich schrieb ihr, dass wir erst einmal die Gravitation ordnen müssten. Der blue fire Megacoaster wurde von uns zum Favoriten des Parks deklariert. Meine Tochter verweigerte die nächste Achterbahn. Alles aus Holz und 40 Minuten Wartezeit.

Europapark
Europapark - Holzachterbahn
Die grottige Wartezeit wurde durch einen Imbissstand und die Illusion eines schnellen Vorankommens versüßt. Unterhalb des Holzgebildes wand sich die Schlange durch eine auf Germanisch getrimmte Grotte. Die vor uns Anstehenden hätte man durch ein Gitterfenster greifen können. Doch sahen wir nicht, dass sie schon eine halbe Stunde Vorsprung hatten. Sehr clever gemacht: Wege konnten mit Bändern, Toren und Wänden verkürzt oder verlängert werden. Das Ansteh-System vor dem WC eines Broadway-Theaters dient vielleicht als Vorlage, ist aber in der Durchführung weit von den ausgeklügelten Wartebereichen im Europapark entfernt.

Nach 40 Minuten waren wir am Bahnsteig angekommen und ratterten mit der Gondel nach oben. Schon allein das markante Geräusch und die Fahrtrichtung - nach oben - ließen das Blut in den Adern erstarren. Fast so wie beim Hausarzt, wenn er bei eingestochener Nadel fragt, wo denn nun schon wieder die Ader sei und ob ich ihm heute kein Blut geben wolle.

Stichwort Hausarzt: Die Holzachterbahn ist wohl nur bedingt für Personen ab 50 geeignet. Bei einer der letzten Abfahrten holperte der Wagen so akzentuiert über die Schienen, dass ich jeden einzelnen Rückenwirbel spürte. Es gibt auch Bahnen, wo die Seitwärtsbewegung so ruckartig erfolgt, dass ein betagter Hals kurz vor dem Schleudertrauma steht. Best Ager und Senioren sollten sich daher Geschwindigkeit, Strecke und Bauart der Gondeln ansehen. Gondeln mit Kopfstützen eignen sich am besten, da sie wegen der fixierten Körperhaltung auch gewagte Loopings und Schräglagen ohne Bandscheibenvorfall oder Schleudertrauma überstehen lassen.

Europapark
Europapark - Silver Star (C) Foto: Adrian Baumann
In solch einer stabilen Sitzposition konnte auch der Silver Star powered by Mercedes absolviert werden. Auch bei Pegasus waren die Gondeln hervorragend auf die Mitfahrer abgestimmt. Einen besonders langen Fahrspaß bot Poseidon. Die Achterbahn war mit einer Wasserattraktion kombiniert. Nachdem die Leute einmal durchnässt worden waren, gab es eine zweite Achterbahntour und dann noch eine weitere ausgiebige Dusche.

Nach acht Stunden hatten wir fast alle 15 Achterbahnen ausprobiert und sprachen immer noch von der blauen Gazprom. Eine Werbewirkung, die ein ehemaliger Bundeskanzler wohlwollend zur Kenntnis nehmen würde. Aber auch der Name Europapark ist schlau gewählt. Trafen wir doch jede Menge Franzosen im Park. Europa verbindet eben. Wäre ja auch schade, wenn die Besucher-Klientel aus dem Elsass fern bleibt, nur weil der Park Schwarzwald, Heide oder Fantasia heißt. Europapark war wohl genau die richtige Entscheidung.

Europapark
Europapark - Themenwelt Russland mit gemütlicher Auffahrt innerhalb eines Turms und Abfahrt mit rotierender Gondel
Da die Omas und meine Frau uns pünktlich abholen wollten, eilten wir vorbei an den seniorengerechten Wasserbecken mit langsamen Schiffen, dem gemächlich bewegten Aussichtsturm, an Märchenwäldern und Themenwelten, Schießbuden und Eisständen, Wasser-Shows und dem per Laserstrahl geschützten Schatz der Queen.

Ein Tag an der Grenze zum Elsass neigte sich dem Ende zu. Das Tagesziel war für Omas, Eltern und Kinder erreicht. Beim eventuellen Aufsatz über das schönste Ferienerlebnis stehen der Europapark und Gazprom an erster Stelle.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 3. August 2017

Fort Rapp-Moltke sollte Straßburg schützen

"Da hatte der Soldat noch einmal Glück", sagte der Tour Guide und hielt uns das Fragment eines Patronengürtels unter die Nase. In einer der großen Patronen steckte quer ein kleineres Projektil. Der Gürtel hatte dem Soldaten das Leben gerettet. Obwohl wir auf französischem Territorium waren, sprach er fließend Deutsch. Der ehemalige Hauptmann der Bundeswehr stammte aus Bremen und hatte seine letzte Verwendung im diplomatischen Dienst. Seine Frau kommt aus Frankreich.

Fort Rapp-Moltke Straßburg
Fort Rapp-Moltke bei Straßburg - Schutz durch Patronengürtel
In einem kleinen Infocenter sahen wir zunächst eine Präsentation über die deutsch-französischen Konflikte des späten 19. Jahrhunderts an und konnten viele der historischen Exponate in die Hand nehmen. Interessant waren auch die preußischen Pickelhauben, deren divergent geformte Pickel die Waffengattung symbolisierten und die Säbelhiebe der Kavallerie vom Kopf ablenkten.

Fort Rapp-Moltke Straßburg
Fort Rapp-Moltke bei Straßburg - Test einer Pickelhaube
Der plüschige Jagdhund des nach Frankreich ausgewanderten Bremers schnüffelte mit uns durch die Vitrinen und blieb auch im weiteren Verlauf dabei. Zusammen überquerten wir den Festungsgraben zwischen der äußeren Mauer und dem eigentlichen Kampf- und Wohnkomplex.

Fort Rapp-Moltke Straßburg
Fort Rapp-Moltke bei Straßburg - Festungsgraben - links der Eingang zum Hauptkomplex
Der gepflasterte Weg führte nicht direkt auf das Tor zu, sondern in einem Halbkreis. Das Gittertor konnte schnell geschlossen und sicher arretiert werden. Dahinter befand sich eine große Holzplatte, die im Bedarfsfalle als weitere Tür nach oben gezogen werden konnte. Physikalisch ausgeklügelt hätte sie auch von einem Kleinkind bewegt werden können. Die Angreifer wären nach Überwindung der Gitterpforte in ein großes Loch gefallen und von oben beschossen worden.

Fort Rapp-Moltke Straßburg
Fort Rapp-Moltke bei Straßburg - Eingangsbereich mit Gittertor und weiteren Türen
Diese Befestigungsanlagen waren standardisiert. Um Straßburg herum wurden nach 1870 insgesamt 14 solcher Fortifikationen gebaut, um die Stadt nachhaltig zu schützen. Je nach geplanter Truppenstärke konnten die rechts und links neben dem Eingang befindlichen Mannschaftsräume ergänzt oder reduziert werden. Der Rest der Anlage war immer gleich. Somit konnten Soldaten schnell in andere Forts verlegt werden und kannten sich sofort aus. Küche, Toiletten, Arzt und Munitionsräume waren immer an der gleichen Stelle.

Fort Rapp-Moltke Straßburg
Fort Rapp-Moltke bei Straßburg - Gewölbe
Beim Bau der Anlage wurde zuerst eine Grube ausgehoben. In dieser Grube wurden die standardisierten Teile errichtet und anschließend die ausgehobene Erde draufgeschüttet. Bauzeit: 2 Jahre. Das Gebilde war sehr stabil und wurde von italienischen Baumeistern zusammengesetzt. Diese waren zu jener Zeit sehr begehrt, konnten aber in den Forts um Straßburg mit Münzen abgespeist werden, die nur innerhalb der Dienststelle zum Einkaufen nutzbar waren. Die Anordnung der Steine und Schlusssteine in den verschachtelten Gewölben war faszinierend.

Fort Rapp-Moltke Straßburg
Fort Rapp-Moltke bei Straßburg - Innenbereich
Wir stiefelten durch die spärlich beleuchteten Gänge, schauten in die Mannschaftszimmer, begutachteten alte Glasspritzen, schauten in die riesigen Kochtöpfe und versuchten die Schilder auf den Gewürzen zu übersetzen. Wir stiegen in den engen Beobachtungsturm, kurbelten Munitionskisten nach oben, hatten pelzige Spinnweben im Gesicht, schrammten den Rücken am Einschussloch einer Schnecke (mobiler Bunker für bis zu drei Soldaten) auf und beobachteten die Ziegen, die als Bio-Rasenmäher fungierten.

Fort Rapp-Moltke Straßburg
Fort Rapp-Moltke bei Straßburg - Ziegen auf dem Gelände
Pulver und Geschosse wurden immer separat gelagert und erst im Einsatzfall zusammengebracht. Alles war bis ins Detail durchdacht. Einfache physikalische Gesetze wie Gewicht und Gegengewicht oder Druck und Gegendruck kamen zum Einsatz und ließen uns über die ausgereifte Cleverness der Uropa-Generation staunen. Massive Metallplatten dämpften die Druckwellen großer Geschosse - selbst auf den kollektiven Plumpsklos.

Selbst die Umgebung wurde genau analysiert und eventuelle Schlupflöcher für Angreifer entdeckt. Diese Unebenheiten wurden mit Boden ausgefüllt, so dass die Umgebung plan vor den Augen des Kanonen-Justierers lag. Die deutschen Kanonen hatten mit 8 Kilometern etwa die doppelte Reichweite der französischen Geschütze. Dafür hatten die Franzosen die ausgereifteren Gewehre.

Fort Rapp-Moltke Straßburg
Fort Rapp-Moltke bei Straßburg - drehbarer Beobachtungsturm und drehbares Geschütz von Krupp
Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich die Technik der Artillerie jedoch so weit, dass die Forts um Straßburg nur noch eine historische und theoretische Größe darstellten. Einige dieser Festungen wurden inzwischen gesprengt, andere dienen als Schießstand oder Museum.

Fort Rapp-Moltke wird auch gerne als Party-Location genutzt. Dazu dient einer der Bunker im äußeren Festungskomplex. Der rustikale Charme kann wohl auch von Otto Normalbürger für Hochzeiten und ähnliches gemietet werden. Fort Rapp-Moltke ist heute im Besitz eines Fördervereins, der einen homöopathischen Eintrittspreis verlangt und liebevoll per Ehrenamt die Anlage pflegt.

Autor: Matthias Baumann