Dienstag, 29. Dezember 2020

#EveryNameCounts - Arolsen Archives aktivieren Crowdsourcing zur Digitalisierung von Akten aus dem Dritten Reich

Wer Freunde oder Kunden gewinnen möchte, sollte drei Grundprinzipien beherrschen: Namen, Namen, Namen. Wer den Namen seines Gegenübers kennt und nennt, signalisiert ihm, dass dieser wahrgenommen und wertgeschätzt wird. Lehrer, die sich die Namen ihrer Schüler nicht merken können, sollten den Beruf wechseln. Faszinierend sind Besuche bei einem hoch frequentierten Hausarzt, dessen Personal auch dann den Namen des Patienten kennt, wenn dieser unangemeldet erscheint.

Bereits im zweiten Kapitel der Bibel wird erwähnt, dass der Mensch allen Lebewesen Namen geben solle. Wer die Bibel bis zum Ende durchlesen möchte, muss einige Hürden nehmen: Die größte Herausforderung stellen wohl die unzähligen Namenslisten dar. Hartnäckige Leser lassen sich dadurch nicht abschrecken und stellen fest, dass die Nennung oder das Weglassen von Namen eine versteckte Botschaft in die Schilderungen legt. Das Neue Testament beginnt sogar mit einer langen Namensliste der Vorfahren von Jesus Christus. Diese wird letztlich sogar noch in eine Zahlensymbolik zerlegt.

#EveryNameCounts - Arolsen Archives aktivieren Crowdsourcing zur Digitalisierung von Akten aus dem Dritten Reich
#EveryNameCounts - Arolsen Archives aktivieren Crowdsourcing zur Digitalisierung von Dokumenten - DP-2-Karte, die von den Alliierten zur Registrierung von umgesiedelten Personen (Displaced Persons) genutzt wurde. - Photo Credit: Arolsen Archives

Übrigens lassen sich auch Probleme leichter lösen, wenn sie beim Namen genannt werden. Wenn Betroffene in einem langen Vortrag ihr diffuses Anliegen vortragen, langweilen sie möglicherweise die potenziellen Helfer und müssen mit dem Thema dann alleine fertig werden. Deshalb versuchen autoritäre Systeme bis heute die Vielzahl ihrer Probleme auf ein Problem zu verdichten und diesem einen Namen zu geben. Das Dritte Reich war bei der Findung des einen Namens nicht sonderlich kreativ und konzentrierte sich auf eine Personengruppe, die schon seit Jahrhunderten als Zusammenfassung für alle Probleme herhalten musste.

Neu war beim Dritten Reich allerdings die industrielle Vernichtung der als Platzhalter eingesetzten Gruppe: Erfassung, Kategorisierung, gesellschaftliche Demontage, marktbezogene Verwertung von Arbeitskraft und Besitz sowie logistisch perfektioniertes Massenmorden. Die einzelnen Stationen wurde dokumentiert mit Ausweisen, Passierscheinen, Zugangslisten und Totenscheinen. Damals natürlich noch per Füllhalter oder Schreibmaschine auf Papier. In nur 12 Jahren hatten sich auf diese Weise über 10 Millionen Namen angesammelt - auf Papier, das inzwischen vergilbt ist. Nach dem Krieg wurden diese Papierberge in den Arolsen Archives zusammengetragen. Die Arolsen Archives wurden von den Alliierten bewusst im zentral gelegenen Bad Arolsen bei Kassel angesiedelt.

Während einer Pressekonferenz im August hatte das DRK im Zusammenhang mit der Suche nach Vermissten des Krieges auf den enormen Aufwand zur Digitalisierung von Karteikarten hingewiesen. Man habe zwar Zugriff auf die Belege, diese müssten jedoch recht mühevoll für eine digitale Nutzung aufbereitet werden. Das Zauberwort heißt OCR (Optical Character Recognition - zu Deutsch: Texterkennung). Soweit die Theorie, die von Texten ausgeht, die am Computer oder in einem Rechenzentrum ausgedruckt wurden. Das Einlesen von Schreibmaschinen-Seiten lässt sich auch noch halbwegs automatisieren. Vorausgesetzt, die Fallen der Formatierung werden intelligent abgefangen. Wer einmal ein Programm zum Einlesen einer CSV-Datei geschrieben hat, weiß, wie die Behandlung möglicher Falschformatierungen allein bei Datumsangaben ausufern kann.

#EveryNameCounts - Arolsen Archives aktivieren Crowdsourcing zur Digitalisierung von Akten aus dem Dritten Reich
#EveryNameCounts - Arolsen Archives aktivieren Crowdsourcing zur Digitalisierung von Dokumenten - Transportliste über einen der sogenannten „Alterstransporte“ von betagten jüdischen Menschen aus Berlin ins Ghetto Theresienstadt. - Photo Credit: Arolsen Archives

Im relevanten Zeitfenster wurden die Listen allerdings auch noch in alter deutscher Schreibschrift geführt. Die schönste Handschrift hilft nichts, wenn die Zeilen so eng sind, dass Buchstaben in die benachbarten Zeilen hineinragen und dadurch ganze Namen unleserlich werden. Ganz abgesehen von Zeilen, die von der Rückseite durchscheinen. Um das zu klären, hilft derzeit noch keine künstliche Intelligenz (KI). Da hilft nur der forensische Blick eines echten Menschen.

Diese echten Menschen werden von den Arolsen Archives gesucht. 10.000 Helfer konnten bereits gewonnen werden. Das nennt sich Crowdsourcing. Ein Begriff, der die sperrige deutsche Umschrift besser auf den Punkt bringt: Auslagerung von Aufgaben an eine Gruppe von Freiwilligen. Wer mitmachen möchte, benötigt nur einen Browser und muss keine weitere Software installieren. Die Dokumente stehen als Scan zur Verfügung und können am Bildschirm vergrößert werden. Bei Unklarheiten kann nach Namen oder Datumsangaben in der Datenbank gesucht werden - alles sehr einfach und intuitiv bedienbar gehalten. Die ermittelten Daten werden dann in ein einfaches Webformular eingetragen. Die Qualitätssicherung ist so gestaltet, dass ein Datensatz erst dann freigeschaltet wird, wenn er durch mindestens eine weitere Person mit identischen Angaben zu Datum und Namen erfasst wurde.

Auf diese Weise füllt sich die Datenbank mit Eckdaten zu Biografien, die ohne das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg anders verlaufen wären. Angehörige können bei erneuter Suche vielleicht doch noch einen späten Treffer landen und erfahren, was mit den Eltern, Geschwistern, Freunden oder Kindern geschehen ist und wo ihr letzter Aufenthaltsort war. Ungewissheit, Warten und Trauer finden so nach über 75 Jahren vielleicht doch noch einen Abschluss für die Hinterbliebenen.

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Autor: Matthias Baumann

Montag, 21. Dezember 2020

Kirche setzt sich mit Rüstungsexporten auseinander

Es war eine dieser Pressekonferenzen, in der sich die Protagonisten darauf konzentrierten, einen Katalog von Forderungen vorzutragen. Die Prälaten Dutzmann und Jüsten waren persönlich erschienen und Dr. Simone Wisotzki war per Skype zugeschaltet. In der GKKE, der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung, sind evangelische und katholische Amtsträger zusammengeschlossen und versuchen, am sicherheitspolitischen Diskurs des Bundestages teilzunehmen. Als eine Art ethische Lobby und weitere Stimme in der Meinungsvielfalt des Parlaments.

Zum "Hinschauen, wo es weh tut" werden die Gläubigen regelmäßig von der Kanzel aus ermutigt. Langjährige Predigthörer wissen natürlich, in welche Richtung zu schauen ist, damit es möglichst nur bei anderen weh tut. Die GKKE hat sich für das Hinschauen den Prügelknaben der Nation ausgesucht: die Bundeswehr und im weiteren Sinne die Rüstungsindustrie. Akribisch wurden 100 Seiten mit statistischen Daten zu Rüstungsgenehmigungen und tatsächlichen Exporten zusammengestellt und mit entsprechenden Forderungstexten versehen. Hinzu kamen Klagelieder über die Differenz zwischen "politischer Rhetorik" und dem Handeln der Bundesregierung. Die GKKE selbst ist fein raus, da sie nur analysiert, beobachtet, kritisiert und fordert. Umsetzen muss sie nichts. Kein Wunder, dass das für Rüstung zuständige Wirtschaftsministerium seit 2018 den Dialog auf Eis gelegt hat.

GKKE Rüstungsexportbericht 2020
GKKE stellt ihren Rüstungsexportbericht 2020 vor - Das Archivfoto aus 3/2019 zeigt ein Maschinengewehr MG3 und dessen Munition. Kann der Nachschub an Munition gestoppt werden, endet bald auch der Konflikt.

Der 100-seitige Bericht und die Aussagen in der Pressekonferenz vermittelten den Eindruck, dass die Fachgruppe im Lagebild des Jahres 2000 lebt. Auf dieser Basis scheint sie die Zusammenhänge von Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik zu bewerten. Flankiert wird das mit der Definition eines ethischen Sollzustandes, der eine allseits praktizierte, regelbasierte Konfliktlösung voraussetzt. Das verschafft der GKKE eine Anschlussfähigkeit bei DIE LINKE und den Grünen. Terrorismus, Krim, Corona und Desinformation spielen als Bedrohungsszenarien eine untergeordnete Rolle. Über bewaffnete Drohnen fange man gerade an, sich eine Meinung zu bilden. Zumindest hat die GKKE das zeitlose Problemfeld der Kleinwaffen im Blick und weiß, dass ein Ende der Munitionslieferung auch ein Ende der Nutzung der Waffen bedeutet.

Während sich die praktizierende Christin Annegret Kramp-Karrenbauer über die Möglichkeiten des neuen Europäischen Verteidigungsfonds freut, wird dieser von der GKKE scharf kritisiert. Dass Deutschland und Europa seitens der USA zunehmend in die Eigenverantwortung entlassen werden, scheint außerhalb der Wahrnehmung dieser kirchlichen Fachgruppe zu liegen. Die Strategie der Hilfe zur Selbsthilfe ist ihnen wohl ebenfalls neu. So habe die Gruppe "wiederholt auf die Problematik der Ertüchtigung von Polizei und Sicherheitskräften in Drittstaaten hingewiesen". Nach allgemeinem Verständnis arbeiten Ausbilder von Polizei und Bundeswehr in fragilen Staaten, um ein gewisses Maß an Stabilität zu erreichen, bauen mit regionalen Kräften erste tragfähige Strukturen auf und haben das erklärte Ziel, entbehrlich zu werden. In einigen Ländern gelingt das und in anderen Ländern wie Mali stellt sich die Ausbildung regionaler Kräfte eher als Zeitverschwendung heraus. Hilfe zur Selbsthilfe stellt Hilfsbedürftige auf eigene Füße und entlastet damit die Helfenden.

Die GKKE heftet sich die Lorbeeren für eine Verbesserung der Transparenz bei Kriegswaffenausfuhren an und betont, dass sie Gerichtsverfahren gegen Heckler & Koch oder Sig Sauer beobachte. Diese sollen Kleinwaffen an problematische Empfänger geliefert haben. Sie schauen aber auch hin bei Waffenlieferungen an Staaten, die am Jemen-Konflikt beteiligt sind. Ein ganz schwieriges strategisches Thema, das die Außen- und Sicherheitspolitik von NATO-Partnern, Erdölabnehmern und Exportnationen in ein Dilemma führt. Als Lösung schlägt die GKKE ein Rüstungsexportkontrollgesetz vor. Auch möchte sie eine umfangreiche Kontrollinstanz für Rüstungsexporte und mögliche Weiterverkäufe von Waffen in deutschen Behörden etabliert sehen.

Politik in Deutschland wird mit Kompromissen gestaltet. Parteien, Ausschüsse, Arbeitskreise, Lobbyisten, Minister, Hinterbänkler und Journalisten bringen ihre Meinung ein. Dann wird debattiert. Einige Themen lösen sich zuweilen zwischenzeitlich von selbst. Und zum Schluss gibt es einen Konsens der stärksten Kräfte. In diesem Potpourri mischt auch die GKKE mit.

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 20. Dezember 2020

Ein Jahr Staatsvertrag zur jüdischen Militärseelsorge und gleichbleibend hoher Gegenwind

Der Oberst im Generalstab Sven Lange ist ein langgedienter Soldat. Er ist im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) für den Aufbau einer Jüdischen Militärseelsorge verantwortlich: Grundlage für die in der Öffentlichkeit genannte Zahl von 300 jüdischen Soldaten und Soldatinnen in der Bundeswehr sei tatsächlich eine Schätzung auf Grundlage von Daten, die das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in  einer wissenschaftlichen Untersuchung erhoben habe, sagt er. Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland habe im Antragsverfahren und in der Öffentlichkeit eine gleichlautende Zahl genannt. Dennoch, „die Zahlen muss man mit einer Prise Salz nehmen“, äußerst er sich auf einen Beitrag der Tageszeitung (TAZ) vom 30.11.2020 hin. Dass die Autoren der TAZ, Kersten Augustin und Yossi Bartal, die Zahlen „ein Militärgeheimnis“ nennen, sogar in den Raum stellen, es könne sich auch nur um 50 Soldaten handeln, zeugt allerdings von Unkenntnis der Materie.

Denn bei 200.000 angenommenen in Deutschland lebenden jüdischen Staatsbürgern, die Hälfte davon sind als Gemeindemitglieder in Kultusgemeinden verbürgt, lassen sich leicht statistisch etwa 300 jüdische Soldaten und Soldatinnen hochrechen. Dafür sind bis zu 10 Rabbiner oder Rabbinerinnen vorgesehen.

Ein Jahr Staatsvertrag zur jüdischen Militärseelsorge #AKK und Zentralrat der Juden
Stolz präsentieren Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (2. von links) und der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster (2. von rechts), am 20.12.2019 den gerade unterzeichneten Staatsvertrag zur jüdischen Militärseelsorge.

Im Grunde seien die Zahlen aber unerheblich für die Bundeswehr, erläutert Lange, denn diese orientiere ihren Bedarf an Seelsorgern an der Gesamtzahl der Soldaten und Soldatinnen und das sind aktuell. 184.000, die alle ein Anrecht auf Seelsorge hätten. Bekanntlich sind alle Militärgeistlichen im für alle Soldaten verpflichtenden Lebenskundlichen Unterricht eingesetzt und nehmen an Auslandseinsätzen teil. „Seelsorge nimmt sich Zeit zum Gespräch“, sagte der promovierte Historiker. Zudem habe auch die Überlegung eine Rolle gespielt, dass jüdische Seelsorger das Wissen um den jüdischen Glauben und dessen Kultur in der Bundeswehr verstärken könnten. „Es geht auch um den Effekt politischer Bildung“, sagte Lange.

Schon anlässlich der Unterzeichnung des Staatsvertrages zwischen der Bundesregierung und dem Zentralrat mit seinem Präsidenten Josef Schuster am 20. Dezember 2019 hatte der damalige evangelische Militärbischof Sigurd Rink von einem starken politischen Signal gesprochen. Der Staat setze damit auch ein Zeichen, dass Antisemitismus in den Streitkräften keinen Platz habe. In der Folge hatte dann am 28. Mai 2020 der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Jüdischen Seelsorge in der Bundeswehr einstimmig beschlossen. Eine eher seltene parlamentarische Einigkeit.

Ein Sprecher des Presse-Infostabs nannte auf Anfrage die Erweiterung der Militärseelsorge einen wichtigen Schritt der Wertschätzung gegenüber den Soldatinnen und Soldaten jüdischen Glaubens: „Es verdeutlicht die Glaubensvielfalt, die in der Bundeswehr herrscht. Für die Errichtung einer jüdischen Militärseelsorge war und ist dabei die Anzahl der in der Bundeswehr geschätzt dienenden Soldatinnen und Soldaten jüdischen Glaubens allein nicht ausschlaggebend“, so der Sprecher.

Ein Gesicht für das jüdische Leben in den Streitkräften ist der Oberst der Reserve Walter Homolka. Der Rektor des Potsdamer Abraham Geiger Kollegs und Rabbiner gehört der Bundeswehr schon seit den Jahren an, als Rudolf Scharping bis 2002 noch Verteidigungsminister war. „Die Herleitung ist sauber“, sagt er zu den Zahlen jüdischer Soldaten. Seine Beobachtung sei, viele wollten kein „coming out“ betreiben. Eine Stabsärztin in Berlin habe ihm gesagt: Ich möchte in meiner dienstlichen Verwendung nicht Vorzeige-Jüdin in der Bundeswehr sein. „Die Pluralisierung der Seelsorge ist eine Kohabitation von Staat und Religionsgemeinschaften. Auf die Organisationsstruktur haben die Kirchen doch gedrungen.“ Für ihn stehe im Mittelpunkt, dass die Seelsorger „Rabbiner zum Anfassen“ sein könnten. Liberal oder orthodox.

Wie die Planung für ein Amt Jüdische Militärseelsorge vorangeht, hängt von kommenden Entscheidungen ab: In den ersten Monaten des Jahres 2021 erwartet Oberst i.G. Lange die Benennung eines Militärbundesrabbiners, der dann von der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und vom Bundeskabinett bestätigt werden müsse. In der Folge müsse eine Leiterin oder ein Leiter des Militärrabbinats ernannt werden. Noch sei nicht klar, wo in Berlin eine Liegenschaft für die Bundesbehörde gefunden werden könne. Es könnte aber durchaus im Umfeld des Sitzes des Zentralrats der Juden in Deutschland sein. Das Bundesamt werde bis zu 50 Mitarbeiter haben. Erwartet werden Kosten in Höhe von 4,67 Millionen Euro jährlich sowie einmalig bis zu 900.000 Euro.

Erst nach diesen Entscheidungen könne die Suche nach Militärrabbinern für einzelne Standorte der Bundeswehr beginnen. Zur Überlegung, eine Oberbehörde für alle Religionen zu schaffen, zeigte sich Lange skeptisch. „Das gegen den Willen der Religionsgemeinschaften durchzusetzen, halte ich für unrealistisch.“ Und tatsächlich geben eine solche Lösung die Militärseelsorgeverträge mit den Kirchen in Deutschland kaum her.

Autor: Roger Töpelmann

Roger Töpelmann war bis Sommer 2020 Pressereferent des damaligen Evangelischen Militärbischofs Dr. Sigurd Rink und hat den Prozess zur Einführung der jüdischen Militärseelsorge begleitet.

Samstag, 19. Dezember 2020

Die Spanische Grippe von 1918 und die verblüffenden Parallelen zu #COVID19

Parallel zur Spanischen Grippe tobte der Erste Weltkrieg. Es wurden rund 80.000 Bücher über diesen Krieg verfasst und nur etwa 400 Bücher über die Spanische Grippe. Dabei hat die Spanische Grippe mehr Todesopfer gefordert, als der Erste und der Zweite Weltkrieg zusammen. Im Ersten starben etwa 17 Millionen Menschen und im Zweiten etwa 60 Millionen. Nach heutigen Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass die Spanische Grippe bis zu 100 Millionen Menschen dahingerafft hat. Dass das so schnell in Vergessenheit geraten war, liegt wohl auch daran, dass es bei einer Pandemie keine Sieger gibt und sich die Tragödien auf einer sehr privaten Ebene abspielen.

Die Zeiten ändern sich: Damals hatte der Krieg die Pandemie überdeckt. Heute überdeckt die Pandemie den Krieg. Afrika hat während Corona eine Verdoppelung der Einzelkonflikte auf über 150 erlebt. Die Kämpfer nutzten die allgemeine Ablenkung und fragile Strukturen. Wie verletzlich soziale und staatliche Systeme sind, brachte das Virus schonungslos zu Tage. Deshalb spricht die MSC (Münchner Sicherheitskonferenz) auch von einer Polypandemie.

Die Spanische Grippe von 1918 und die verblüffenden Parallelen zu #COVID19 - Pale Rider by Laura Spinney
Die Spanische Grippe von 1918 - Pale Rider von Laura Spinney

Wäre die Spanische Grippe stärker im Bewusstsein der Historiker gewesen, hätte man daraus viel für Corona lernen können. Aber wer rechnet schon damit, dass es nach 100 Jahren mal wieder eine globale Virusinfektion gibt. 1918 gab es übrigens drei Wellen. Die erste war ähnlich schwach wie Corona in Deutschland. Die zweite Welle war verheerend und machte auch vor berühmten Personen und deren Angehörigen nicht Halt. So ist davon auszugehen, dass nicht alle literarischen Werke oder Malereien der Nachkriegszeit auf den Krieg zu beziehen sind, sondern dem geistigen Zustand der eigenen Virusinfektion entspringen oder der Aufarbeitung des Verlustes der Familie durch diese Krankheit dienen. Die Intensität der dritten Welle bewegte sich zwischen den vorherigen Wellen. Der erste Fall war am 4. März 1918 registriert worden und der letzte Fall im März 1920. Die Pandemie lief also weltweit um die zwei Jahre.

Eine normale Grippe zeichnet sich demografisch durch ein U aus: Links stehen die ganz kleinen Kinder und rechts die Senioren. Die Spanische Grippe kam mit einer W-Kurve daher. Besonders waren schwangere Frauen, deren Kinder, Senioren sowie Menschen mittleren Alters betroffen. Das Durchschnittsalter lag bei 29 Jahren. Viele Infizierte waren zunächst symptomfrei und kippten dann teilweise von einem zum anderen Moment um. Auch die "rechte Hand" Lenins, Jakow Swerdlow, fiel der Grippe zum Opfer und war nach nur einer Woche tot. Über diesen Weg wurden diverse geopolitische Weichen gestellt. Der nach Amerika ausgewanderte Frederick Trump starb im Mai 1918 an der Spanischen Grippe und hinterließ ein Vermögen, das seine Kinder in Immobilien anlegten. Sein Enkel heißt Donald.

1918 konnte man Viren noch nicht sehen. Diese sind um das 20-fache kleiner als Bakterien. Deshalb unterzogen sich die Ärzte riskanten Selbsttests mit dem Blut infizierter Personen und tasteten sich an die Erkenntnis heran, dass es einen unsichtbaren Erreger geben müsse, den man lediglich an seiner Wirkung erkennen könne. 1943 wurden unter einem neu entwickelten Elektronenmikroskop erstmals Viren entdeckt. Inzwischen kennt man deren RNA (Ribonukleinsäure) und damit deren Erbfolge. RNA sind deutlich kürzer als unsere DNA (Desoxyribonukleinsäure). Tückisch an der RNA ist, dass sich diese während der Pandemie ändern kann. Das hat Auswirkungen auf die Gegenmaßnahmen und auf die möglichen Überträger: vorzugsweise Menschen, Schweine und Vögel. Vögel sind Hauptträger von Viren, werden von diesen aber in Ruhe gelassen.

Es ist sehr schwer, den Ausgangspunkt zu ermitteln. Bei Corona lässt sich das für die ersten zwei Monate präzise nach China verorten. Bei der Spanischen Grippe könnte es China, Kansas in den USA oder Étaples in Frankreich gewesen sein. Dass sich die Pandemie nun als Spanische Grippe etabliert hat, liegt am bekannten Thema Desinformation. Sämtliche Kriegsparteien hatten 1918 ihre Presse zensiert. Deshalb durfte diese nichts über die Grippe schreiben. Spanien war neutral. Deshalb durfte die Presse dort frei über die Grippe informieren.

Desinformation ist nicht die einzige Parallele zur aktuellen Corona-Pandemie. Es gab Impfgegner, gewalttätige Proteste, fehlende Akzeptanz gegenüber Quarantäne, Priorisierung nach politischen Interessen, Argwohn gegenüber weniger infizierten Personengruppen und eine Intensivierung religiöser Handlungen. Wer sich in der Bibel auskannte, verglich das mit dem 6. Kapitel der Offenbarung. Im achten Vers erscheint der vierte der apokalyptischen Reiter auf einem fahlen Pferd - der Tod. Überhaupt wird in der Offenbarung - dem letzten Buch der Bibel - viel über Kriege, Seuchen und Naturkatastrophen berichtet, die als Mahnung und Gericht über die Erde ziehen.

Ein aufstrebender Bischof in Spanien lud deshalb die ganze Stadt zu Gottesdiensten ein. Es wurde Mundkommunion (Oblate aus der Hand des Priesters in den Mund des Gläubigen) und reichliches Küssen der Heiligenstatuen praktiziert. Als plötzlich viele Gläubige und eigenes Personal erkrankten, wurde das als Gericht und Prüfung Gottes interpretiert. Den Totenprozessionen folgten die noch gesunden Einwohner. Nach dem Küssen der Leichen wurden sie dann auch krank.

Einige Hafenstädte kamen recht gut durch die Pandemie, weil sie ausgereifte Quarantänekonzepte hatten. Schon damals war klar, dass nur eine Kontaktunterbrechung wirkungsvoll die Ausbreitung des Virus stoppen kann. Island blockierte einfach die eine Straße in den Norden und schützte so einen Teil des Landes. Der Hafen im Süden wurde durch Quarantäne geschützt. In Alaska war man nicht so gut vorbereitet. Dort starben 40% der Bevölkerung. In Südafrika starben etwa 10% der Bevölkerung und in Indien über 6%. Australien kam wegen seiner Quarantäne-Regeln gut durch die Spanische Grippe. Neuseeland und die Philippinen erwischte es hart, weil dort keine Maßnahmen ergriffen wurden.

Zeitverzögerte Symptome und milde Verläufe hatten 1918 vielen Kontaktpersonen das Leben gekostet. Auch damals wusste man nicht, wen es als nächstes erwischt und welche Langzeitfolgen es hat. Angst und Verzweiflung gingen um. Die Spanische Grippe hat wohl einen ähnlich hohen Einfluss auf die geopolitische Entwicklung gehabt, wie es sich nun bei Corona abzeichnet.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 18. Dezember 2020

Bundeswehr will bis 2027 auf 203.000 Soldaten und knapp 70.000 zivile Mitarbeiter anwachsen

Wer möchte nicht während Corona ein gesichertes Einkommen haben? Ärzte, Pfleger, Telefonanbieter und Beschäftigte im Öffentlichen Dienst genießen diese Sicherheit. Besonders innovativ wirbt die Bundeswehr um beruflichen Nachwuchs. Deren Social-Media-Kanäle stellen alle anderen Behördenkanäle in den Schatten. Es gibt Kampagnen wie DIE REKRUTINNEN oder andere Maßnahmen wie die freie Fahrt per Bahn - vorausgesetzt man trägt seine werbewirksame Uniform. Nach eigenen Angaben gilt die Bundeswehr bei Schülern als einer der beliebtesten Arbeitgeber.

In ihrer Mittelfristigen Personalplanung (MPP) hat sich die Bundeswehr nun auf eine Zahl von 203.000 Soldaten bis 2027 festgelegt. Das sind 10% mehr als jetzt. Das zivile Personal soll um etwa 2.000 Stellen auf knapp 70.000 anwachsen. Damit sollen ehemalige Einrichtungen wiederbelebt, ein Militärrabbinat etabliert, der Militärische Abschirmdienst (MAD) ausgebaut und die Kommandostruktur der NATO gestärkt werden.

Bundeswehr will bis 2027 auf 203.000 Soldaten und knapp 70.000 zivile Mitarbeiter anwachsen
Bundeswehr will bis 2027 auf 203.000 Soldaten und knapp 70.000 zivile Mitarbeiter anwachsen

Fachkräfte aus der freien Wirtschaft beklagen, dass die Einstiegstests nicht auf Berufserfahrene angepasst seien. So werde in den Tests Abiturwissen abgefragt, das schon lange als redundant aus dem Langzeitgedächtnis gestrichen wurde. Das schafft Raum für Schulabgänger, die dann von Grund auf bei der Bundeswehr ausgebildet werden. Die hartnäckig verbreitete Erzählung vom Fachkräftemangel offenbart sich auch bei anderen Behörden als weniger dringlich. Hat sich nämlich eine Fachkraft entschieden, den Gewinn von Sicherheit mit einem finanziellen Abstieg zu bezahlen, ist da noch die Hürde des Scheins. Der Nachweis über eine theoretische Befähigung spielt in der Regel eine größere Rolle als Berufserfahrung und Führungsqualität. Länder wie Griechenland zeigen ohnehin, dass eine zu hohe Anzahl Beschäftigter im öffentlichen Dienst zu einer finanzpolitischen Schieflage führt.

Personalstärke ist nicht alles. Vieles kann heute automatisiert werden - auch bei der Bundeswehr. Eine Reaktivierung der Wehrpflicht ist nicht geplant. Die MPP 2027 geht wohl außerdem von einer gleichbleibenden Bedrohungslage nach Corona aus. Experten aus sicherheitspolitischen Denkfabriken sehen das anders. Die Pandemie hat jetzt schon Weichen gestellt. Fragt sich nur, wie weitsichtig, schnell und flexibel der Bundestag mit seinem letzten Wort darauf reagieren kann und will.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 15. Dezember 2020

Indo-Pazifik-Leitlinien: Japan als 3. Station der virtuellen Asienreise von AKK

Es gehe nicht darum, sich gegen jemanden zu positionieren, war eine der ersten Aussagen der Ministerin bei ihrem heutigen virtuellen Besuch in Japan. Man trete für Wohlstand und eine regelbasierte Ordnung ein. Nicht das Recht des Stärkeren solle dabei zur Geltung kommen, sondern friedliche, regelbasierte, diplomatische Lösungen. Was aber, wenn nicht alle bei diesen Spielregeln mitmachen? So sei inzwischen eine "Konkurrenz zu spüren".

Indo-Pazifik-Leitlinien: Japan als 3. Station der virtuellen Asienreise von AKK
Japan als 3. Station der virtuellen Asienreise von AKK zu den Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung - Japans Verteidigungsminister Nobuo Kishi hatte sein Büro mit einem stilechten Buddy-Bären dekoriert. Sein Staatssekretär hatte ein T-Shirt des FC Augsburg und ein Plakat zur "Sendung mit der Maus" im Hintergrund aufgehängt.

Auch Japan zeigte sich in der heutigen Videokonferenz sehr erfreut über die Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung, setzt aber auch hohe Erwartungen in deren Umsetzung. Insbesondere die Ankündigung "maritimer Präsenz" weckt große Hoffnungen bei Japans Verteidigungsminister Nobuo Kishi. So begrüßte er die angekündigte Entsendung deutscher Marineschiffe in die Region. Welche Art Schiffe in welcher Anzahl das sein werden, ist allerdings noch offen. In der Videokonferenz mit Singapurs Verteidigungsminister war die Rede von einer Entsendung in 2021. Als Dämpfung der Euphorie könnte gewertet werden, dass AKK heute nur von Marineoffizieren redete, die bei Partnern in der Region mitfahren. Auch könne Deutschland nur ein "Zeichen der Verbundenheit" geben. Immerhin habe man noch verschiedene andere Verpflichtungen im Rahmen der NATO zu erfüllen.

Zurzeit schauen viele Regionen der Erde auf Europa und warten sehnsüchtig darauf, dass Deutschland endlich seine Führungsrolle übernimmt. Das "Zeichen der Verbundenheit" könnte wieder zur Enttäuschung für Partner werden. Deutschland wird zunehmend Unentschlossenheit und ein weites Zurückbleiben hinter seinem Potenzial attestiert. AKK sprach von dem Spagat, den Deutschland machen müsse, um mit China einerseits als strategischem Partner und andererseits als systemischem Rivalen umgehen zu müssen. Die bisherige Strategie deutscher Außen- und Sicherheitspolitik war eher von Harmoniebedürfnis geprägt - eine Strategie von "guter Bulle" und "schlechter Bulle". Mit robusten Aufgaben konnten sich die Briten, Franzosen oder Amerikaner unbeliebt machen, während Deutschland dann als Aufbauender mit viel Geld hinterherkam. Zur Entlastung sei gesagt, dass Briten, Franzosen und Amerikaner ganz andere Entscheidungswege haben: Wenn dort der Präsident oder Premierminister etwas entscheidet, wird es eben umgesetzt. In Deutschland muss es erst einmal durch den Bundestag und kommt letztlich als weichgespülte Kompromisslösung zur Anwendung.

Indo-Pazifik-Leitlinien: Japan als 3. Station der virtuellen Asienreise von AKK
Japan als 3. Station der virtuellen Asienreise von AKK zu den Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung - In Deutschland war die Videokonferenz um 9 Uhr gestartet. In Japan war es in demselben Moment bereits 17 Uhr. Diese Videokonferenzen haben den Vorteil, dass die Reisekosten entfallen und dass mehr Personen daran teilnehmen können.

Japan hatte auch sehr genau die NATO-Übung US Defender im Frühjahr 2020 beobachtet. Man wollte sehen, wie die Interaktion zwischen US-Streitkräften und Europäern funktioniert. US Defender hatte durch Corona ein jähes Ende erfahren. Das Manöver hatte jedoch so gut funktioniert, dass diverse Übungseinheiten komplett abgeschlossen werden konnten. Kürzlich hatte Japan sein eigenes multinationales Manöver - das Seemanöver Malabar unter Beteiligung von Indien, Australien, der USA und Japan. Indien ist mit seinen 1,45 Millionen Militärangehörigen ein wichtiger sicherheitspolitischer Player in der Region. Es verfügt über einen Flugzeugträger, 17 U-Boote, 13 Zerstörer, 13 Fregatten und 66.100 Marinesoldaten. Die Malabar-Übung fand weitestgehend außerhalb der Beachtung deutscher Medien statt. Die Berichterstattung wurde deshalb vom russischen Kreativjournalismus übernommen.

Damit wären wir auch schon bei den weiteren Schwerpunkten japanischer Sicherheitspolitik: Desinformation, Cyber, Radarstörungen und Weltraum. Bezüglich Desinformation wird auch China eine hohe Kompetenz nachgesagt. Allerdings kann es sich derzeit noch gut hinter Russland verstecken. In Sachen Radar, Cyber und Weltraum hat China die Nase vorn und ist schon jetzt ein ernst zu nehmender Wettbewerber des Westens. Das Zittern vor Chinas Quantentechnologie ist schon seit einiger Zeit zu spüren. Diese würde sämtliche bisherigen Verschlüsselungs- und Zugriffsmechanismen in die Historie der Informationstechnik katapultieren. Ein Problem, das sich bis zur Oma durchschleift, die während Corona gelernt hat, virtuell mit dem Enkel zu kommunizieren.

Weil Außen- und Sicherheitspolitik eng miteinander verknüpft sind, wurde am Ende der Videokonferenz vorgeschlagen, so bald wie möglich ein Präsenztreffen der Außen- und Verteidigungsminister zu veranstalten. Frau Kramp-Karrenbauer nahm diesen Vorschlag gerne an und wird das an ihren Kollegen vom Auswärtigen Amt weitergeben.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 7. Dezember 2020

Botschafter von Oman, Tunesien, Japan und Südkorea beim Bundespräsidenten akkreditiert

Das Social Distancing hat auch für lange Pausen bei der Akkreditierung von Botschaftern gesorgt. Im November wurden dann auf die Schnelle zweimal vier Botschafter akkreditiert. Darunter auch die britische Botschafterin, die wenige Tage später Prinz Charles und Camilla begrüßen durfte. Heute gaben weitere vier Exzellenzen ihre Beglaubigungsschreiben beim Bundespräsidenten ab:

Botschafter des Sultanats Oman, Yousuf Said Mohamed Al Amri
Botschafterin der Tunesischen Republik, Hanène Tajouri Ep. Bessassi
Botschafter von Japan, Hidenao Yanagi
Botschafterin der Republik Korea, Hyun Ock Cho

Botschafter des Sultanats Oman, Yousuf Said Mohamed Al Amri, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter des Sultanats Oman, Yousuf Said Mohamed Al Amri, (2. von rechts) bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (nicht im Bild) im Schloss Bellevue akkreditiert - Die protokollarische Begleitung vom Auswärtigen Amt zeigt dem Botschafter die gehisste Flagge seines Landes. Diese Geste ist offizieller Bestandteil des protokollarischen Ablaufs während der Pandemie-Beschränkungen. - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Das Sultanat Oman liegt am Tor zum Persischen Golf. Es hat etwa so viele Einwohner wie Berlin und einen Verteidigungshaushalt von über 11% des BIP. Eine besondere Herausforderung stellt die Sicherung der langen Küste zum Arabischen Meer dar. Dabei wird Oman von den USA und Großbritannien unterstützt. Während sich die USA schon weitestgehend unabhängig von den Rohstoffen aus dem Persischen Golf gemacht haben, hat dieser für Europa eine hohe Bedeutung. Außer Großbritannien scheint das aber kaum jemand in Europa zu realisieren. Auch wenn Oman ein direkter Nachbar von Saudi-Arabien und Jemen ist, mischt es sich bislang nicht in diesen Konflikt ein.

Botschafter des Sultanats Oman, Yousuf Said Mohamed Al Amri, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter des Sultanats Oman, Yousuf Said Mohamed Al Amri, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Oman - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Botschafter Yousuf Said Mohamed Al Amri war schon am 9. März 2020 zum Botschafter in Deutschland berufen worden, konnte aber wegen Corona nicht früher akkreditiert werden. Oman hat zwei Corona-Wellen erlebt. Deren Spitzen lagen im Juni und im Oktober. Dabei waren 1.423 Menschen gestorben. Das entspricht einem Prozent der in Oman erkrankten Personen.

Tunesien hat wohl die am weitesten entwickelte Demokratie in Nordafrika. Es bestehen enge Beziehungen zu den USA und Frankreich. Tunesien hat 11,6 Millionen Einwohner und einen beschaulichen Verteidigungshaushalt von 993 Millionen USD. Die größte Herausforderung stellen Terroristen dar. Deshalb haben sich tunesische Kräfte von algerischen Experten trainieren lassen. Zudem ist das Land der Islamic Counter Terrorism Coalition beigetreten. Diese Koalition wird maßgeblich von Saudi Arabien aus geleitet.

Botschafterin Hanène Tajouri Ep. Bessassi ist seit 22 Jahren auf dem diplomatischen Parkett aktiv. An ihrem Außenministerium war sie zunächst für die deutsch-tunesischen Beziehungen zuständig, dann für die Beziehungen zur EU und Portugal. Es gab dann mehrere Wechsel zwischen Außenministerium, Botschaft in Washington D.C. und EU. Jetzt ist sie in Berlin.

Botschafter von Japan, Hidenao Yanagi, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter von Japan, Hidenao Yanagi, (2. von links) bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (nicht im Bild) im Schloss Bellevue akkreditiert - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Japan hat knapp 126 Millionen Einwohner und einen Verteidigungshaushalt, der mit seinen 48,6 Milliarden USD in etwa dem deutschen entspricht. Allerdings sind das weniger als 1% des japanischen BIP. Japan liegt zwar nicht direkt am Südchinesischen Meer, nimmt aber die Ankündigungen und Aktionen Chinas sehr ernst. Deshalb freut es sich über den pazifischen Blick der USA und dass auch Deutschland seine Indo-Pazifik-Leitlinien verabschiedet hat. Misst man deren Relevanz an der Tagespolitik, scheint nur die Verteidigungsministerin an deren Umsetzung zu arbeiten.

Botschafter von Japan, Hidenao Yanagi, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter von Japan, Hidenao Yanagi, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Japan - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Botschafter Hidenao Yanagi verfügt über langjährige Deutschlanderfahrungen. Von 1983 bis 1985 hatte er in Konstanz studiert und war Ende der 1990er Jahre an der japanischen Botschaft in Bonn eingesetzt. Von 2006 bis 2009 war er an der Botschaft in Berlin und von 2014 bis 2017 am Konsulat in München tätig. Es folgte ein Einsatz in Jordanien und nun ist er wieder in Berlin. Sein erklärtes Ziel ist es, den guten deutsch-japanischen Beziehungen auch über die nächste Bundestagswahl hinweg eine solide Grundlage zu geben.

Da das Wort "Demokratisch" in der Staatsbezeichnung der Republik Korea fehlt, kann dieses Attribut als gegeben angesehen werden. Die Republik befindet sich im Süden des geteilten Korea und ist nur wenige Kilometer von Japan entfernt. Südkorea hat 51,6 Millionen Einwohner und 599.000 aktive Militärangehörige. Die Hauptherausforderung stellt der "demokratische" Norden mit seinen atomaren Spielchen dar. Deshalb verfügt das Land über eine starke Raketenabwehr inklusive des THAAD-Systems. Wichtigster Unterstützer sind die USA. Mit seinen 2.221 Kampfpanzern kann Südkorea problemlos mit den Zahlen der Türkei oder Russlands mithalten. Über die militärische Stärke Nordkoreas gibt es nur Schätzungen. Demnach besitzt das Land mehr als 3.500 Kampfpanzer aus russischer Produktion. Hinzu kommen 545 kampffähige Flugzeuge. Darunter mindestens 401 Kampfflugzeuge des Typs MiG. Südkorea hält mit 563 kampffähigen Flugzeugen dagegen. Viele davon entstammen amerikanischer Produktion. Wer sich nicht mehr an die brenzligen Situationen am Checkpoint Charlie in Berlin erinnern kann, sollte nach dem Ende von Corona nach Korea reisen.

Botschafterin Hyun Ock Cho blickt auf eine über 40-jährige diplomatische Karriere zurück. Sie war in ihrem Außenministerium und an Vertretungen ihres Landes in Österreich und bei der UNO tätig. Studiert hatte sie in Paris, New York und Seoul. Zur heutigen Akkreditierung hätte sie von ihrer Botschaft aus laufen können, wenn es nicht die protokollarische Regel gäbe, dass die Botschafter vom Hotel Adlon aus zum Schloss Bellevue gebracht werden.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 4. Dezember 2020

IISS Manama Dialogue in Bahrain #IISSMD20

Heute begann in Bahrain der dreitägige Manama Dialog des IISS (International Institute for Strategic Studies). Das IISS mit seinem Hauptsitz in London ist ähnlich gut vernetzt wie die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) und bringt entsprechend wichtige Entscheidungsträger aufs Podium. Das IISS bringt seit vielen Jahren die Military Balance heraus, ein Buch mit inzwischen über 500 Seiten und detaillierten Informationen zur militärischen Stärke von über 170 Staaten der Welt. Die Zahlen im Buch gelten in Sicherheitskreisen als zuverlässig.

Der Manama Dialog ist der wichtigste sicherheitspolitische Gipfel im Nahen und Mittleren Osten. Deshalb sind neben dem britischen Generalstabschef und dem Generalsekretär des GCC (Gulf Cooperation Council) eine beachtliche Zahl von Außenministern persönlich nach Bahrain gereist. Die Eröffnungsrede hielt der noch amtierend Außenminister der USA, Mike Pompeo - virtuell. Virtuell waren auch die israelische Außenministerin Gabi Ashkenazi und der kanadische Verteidigungsminister Hajrit Sajjan dabei.

#IISSMD20 IISS Manama Dialogue in Bahrain
#IISSMD20 IISS Manama Dialogue in Bahrain - viele Außenminister vor Ort - hohe Hygienestandards wegen Corona - Liveübertragung für virtuelle Teilnehmer

Mike Pompeo hatte drei Hauptthemen auf seiner Agenda: Iran, China und Israel. Das größte Problem in der Region stelle nicht der israelisch-palästinensische Konflikt dar, sondern der Iran mit seinen vielfältigen Bedrohungsmustern. Das Atom-Programm sei nur ein Teil davon. Es gehe weiter mit konventionellen Raketen und der Vernetzung iranischer Kräfte im gesamten Nahen Osten. Letztere beeinflussen, untergraben und destabilisieren ganze Staaten der Region. Wenn die Staaten dann komplett am Boden liegen, überlassen sie deren Bevölkerung ihrem Schicksal. Bezüglich Israel referenzierte Mike Pompeo mehrfach auf die Bibel und führte die positive Entwicklung im Zusammenhang mit den Abraham Accords an. Das sind kürzlich abgeschlossene Friedensverträge zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie zwischen Israel und Bahrain. "Let's keep pressing Iran", war das, was er dem Nahen Osten zum Ende seiner Amtszeit noch mitgeben wollte. Auf Deutsch: "Lasst uns weiter Druck machen gegen den Iran."

In Blick auf China ging der Außenminister noch einmal auf die eigene Fehleinschätzung ein, dass eine Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation (WTO) automatisch zu einer Demokratisierung der Gesellschaft führe. Es gehe nicht um einen Konflikt zwischen USA und China, sondern um "Freiheit versus Tyrannei". Dann erläuterte er noch, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei Corona versagt habe und dass die USA gerne an einer weltweiten Pandemiebekämpfung teilnehmen würden - ohne das "politisierte" Instrument der WHO. Sehr deutliche Worte fand er auch bei "America's security first". Das mache jede Nation so. Ohne das im Detail auszuführen, war das eine starke Botschaft in Richtung NATO-Partner, die sich nach wie vor auf den Fähigkeiten der USA ausruhen - auch in der Golf-Region.

Am Samstag diskutieren unter anderem die Außenminister von Saudi Arabien, Südkorea, Oman, Bahrain, Jordanien und Irak in verschiedenen Panels über die Sicherheit im Nahen Osten im globalen Kontext, globale Führungsrollen im Angesicht von Corona und mögliche Lösungen für den Konflikt im Nahen Osten. Wer daran denkt, dass die Uhren in Bahrain schon zwei Stunden weiter sind als in Deutschland, kann online dabei sein. Die Zeitverschiebung trifft den kanadischen Verteidigungsminister Harjit Singh Sajjan besonders hart: Sein Statement steht zwischen 3 und 5 Uhr in der Nacht auf dem Programm.

Das Königreich Bahrain ist ein Inselstaat im Persischen Golf und wesentlich kleiner als Rügen. Eine etwa zehn Kilometer lange Brücke verbindet die Insel mit dem saudischen Festland. Bahrain wird "Bachrejn" ausgesprochen und die Hauptstadt heißt Manama. Bahrain hat 1,4 Millionen Einwohner und ein geostrategisches Problem. Es liegt nämlich zwischen den Kontrahenten Saudi-Arabien und Iran. Das Königreich wird von Saudi-Arabien und den USA unterstützt. Im Gegenzug beherbergt es das Hauptquartier der 5. U.S.-Flotte. Seit 2018 sind auch wieder britische Soldaten auf der Insel stationiert. Die Streitkräfte Bahrains umfassen nur 8.200 Berufssoldaten. Diese gelten aber als gut trainiert und haben ihre Kompetenz bereits in verschiedenen Kommandoaktionen und bei der Abwehr von Piraten unter Beweis gestellt. Diese Leistungsfähigkeit hat ihnen auch entsprechende Führungsrollen verschafft. Bahrain ist Mitglied des GCC.

Wegen des hohen Interesses an der Sicherheit in der Region arbeitet das Land schon seit vielen Jahren konstruktiv mit dem IISS zusammen. Die dreitägige IISS-Konferenz erfreut sich deshalb einer großzügigen Unterstützung des Königshauses. Da Sicherheit auch die persönliche Gesundheit betrifft, wurden umfangreiche Hygienemaßnahmen vor Ort ergriffen und virtuelle Räume für ferngebliebene Teilnehmer geschaffen.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 3. Dezember 2020

Weihnachtsgeschenke für die Bundeswehr: Wie sieht es mit der Compliance aus?

Kurz vor dem 1. Advent traf eine Mail der Pressestelle der Gebirgsjägerbrigade 23 ein. Es war ein Foto dabei, um dessen Veröffentlichung gebeten wurde. Das Foto stellt Landrat Bernhard Kern dar, der einen Präsentkorb an den Kommandeur der Brigade, Oberst Maik Keller, überreicht. Eine freundliche Geste! Die Pralinen und geräucherten Schinkenstücke sollten zeitnah zu den Gebirgsjägern nach Gao in Mali weitergeleitet werden.

Im familiären Umfeld oder in der freien Wirtschaft sind Weihnachtsgeschenke ganz normal. Besonders ambitionierte Einkäufer gehen auch mal mit zum Kofferraum des Handelsvertreters, falls dieser nicht so viel ins Büro des Kunden tragen konnte. Deshalb erzeugte gleich der erste Blick auf das Foto die Frage: Wie sieht es eigentlich mit der Compliance bei der Bundeswehr aus? Wer darf wem in welchem Umfang ein Geschenk machen? Werden Landräte anders bewertet als Unternehmer? Immerhin geht das Geschenk dort ja von einer Behörde zur nächsten.

Weihnachtsgeschenke für die Bundeswehr: Landrat überreicht einen Geschenkkorb an den Brigadekommandeur.
Weihnachtsgeschenke für die Bundeswehr: Landrat Bernhard Kern überreicht einen Geschenkkorb an Brigadekommandeur Oberst Maik Keller. Foto: Bundeswehr / Gebirgsjägerbrigade 23

Ein Handelsvertreter kann Geschenke im Wert von 35 Euro pro Kunde pro Jahr als Kosten von der Steuer absetzen. Haben die Geschenke einen höheren Wert, verfällt der steuerliche Vorteil komplett und der Schenkende bleibt auf den Kosten sitzen - sehr unpraktisch. Wer kreativ ist, kann aber auch schon mit 35 Euro eine positive Stimmung erzeugen und sich damit einen nächsten Auftrag sichern. Bei Behörden wie der Bundeswehr gelten andere Regeln. Wer will schon in den Ruf der Bestechlichkeit geraten?

Der Umgang mit Belohnungen und Geschenke ist in der ZDV A-2100/2 geregelt. Belohnungen und Geschenke sind demnach Zuwendungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht und die dem Beschenkten einen materiellen oder immateriellen Vorteil verschaffen. Die Vorschrift ist so eng gefasst, dass auch Angehörige, Bekannte oder der Sportverein des Beschenkten in diesen Vorteil eingeschlossen sind. Als geringfügig gelten Zuwendungen bis 25 Euro Verkehrswert. Wenn beispielsweise ein Einzelhändler einen Präsentkorb verschenkt, der ihn selbst nur 20 Euro gekostet hat, überschreitet er dennoch die Grenze der Geringfügigkeit, wenn der Präsentkorb im Laden normalerweise für 39 Euro angeboten wird. Es gilt also immer der reguläre Verkaufspreis.

Es ist auch egal, wer das Geschenk macht: Landrat, Dienstleister, die Oma eines Rekruten. Die Annahme aller Geschenke ab 10 Euro ist anzuzeigen. Die Anzeigepflicht entfällt nur dann, wenn die Aufmerksamkeit den Wert von 10 Euro nicht überschreitet. Der Schenkende kann sich allerdings eines Tricks bedienen: Nehmen wir an, es soll ein eleganter Dresdner Stollen im Verkaufswert von 35 Euro verschenkt werden. Diesen könnte ein Unternehmer gerade noch so als Kosten von der Steuer absetzen. Wenn er diesen Stollen an den Chef einer Kompanie mit 100 Soldaten übergibt, wird der Wert des Stollens durch die Anzahl der Beschenkten geteilt. Damit erhält jeder der Soldaten eine Zuwendung im Wert von 0,35 Euro und kann sich den Stollen schmecken lassen, ohne dass die Aufmerksamkeit angezeigt werden muss. Genau dieses Prinzip kam auch beim Geschenkkorb des Landrates zur Anwendung.

Autor: Matthias Baumann