Ist er an? Nach dem Druck auf den Start-Knopf passierte nichts, zumindest rein akustisch. Vorsichtig löste ich den Fuß vom Bremspedal und gab etwas Gas. Der Wagen reagierte prompt und rollte zügig aus der Parklücke. Die Lenkung fühlte sich erstaunlich leicht an. Die Ausfahrt der BMW Niederlassung Berlin (Kaiserdamm) wurde gerade von einer Motorradstaffel der Feldjäger blockiert, die noch an ihren schweren BMW-Maschinen hantierten. Dann setzte sich der Konvoi mit Blaulicht in Bewegung und ich konnte stilecht die Probefahrt mit dem neuen BMW 740Le beginnen.
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BMW 740Le |
Der 740Le ist erst seit wenigen Wochen auf dem Markt und für Probefahrten extrem schwer zu beschaffen. Zu groß ist die Nachfrage nach diesem Hybrid, der auch über dreißig Kilometer rein elektrisch fahren kann. Da ich wegen mehrerer Termine unter Zeitdruck war, stand eine Teststrecke mit langen Autobahnanteilen und einem kurzen Stadtverkehr-Abstecher auf dem Programm.
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BMW 740Le - Kombiinstrument im Fahrerlebnismodus ECO PRO - rechts die reine Elektroreichweite |
So ging es zunächst auf die Avus: 80, 100, 80, 120. Die Bedienung war intuitiv und stark an die Gewohnheiten des Vorgängermodells F01 angelehnt. Die wichtige LIMIT-Taste befand sich unten rechts im linken Bedienfeld des Lenkrades. Neben den üblichen Fahrerlebnisschaltern COMFORT, SPORT und ECO PRO gab es im 740Le noch einen eDrive-Modus. Im Kombiinstrument, welches je Modus seine Farbgebung und Anzeigeinstrumente ändert, war rechts die Anzeige für die elektrische Reichweite und links die Tankanzeige. Da ich bis zum Berliner Ring ECO PRO fuhr, ließen sich die Benzin-Kilometer auf knapp 400 steigern, während die Elektro-Kilometer langsam aber sicher unter die 30 absanken.
Letzteres wurde dann noch forciert, als auf dem Ring endlich die lästigen 120 km/h aufgehoben waren und die Beschleunigung oberhalb dieses Bereiches getestet werden konnte. Trotz seiner homöopathischen vier Zylinder zog der Wagen problemlos über die 200 und beschleunigte weiter. Bei 260km/h reagierte der elektronische Begrenzer. Die Vorgängermodelle F01 und E65 riegelten bereits bei 256 km/h ab. Mit Lichteinstellung "A" wie Automatik wurde auch das für diese Geschwindigkeiten notwendige Überholprestige hergestellt. Es muss entweder am Luftdruck der großen M-Felgen oder der Fahrwerkseinstellung des COMFORT+ gelegen haben, dass die Straßenlage bei 220 km/h in Kurven etwas schwammig war. Das stellte ich per Touch-Controller um, konnte danach aber verkehrsbedingt nur noch um die 200 km/h fahren. Erstaunlich, welche Performance der Wagen entfaltet. Bis auf die geringe Reichweite von vierhundert Kilometern, eignet sich das Fahrzeug auch gut für Langstrecken.
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BMW 740Le mit M-Paket in Carbonschwarz |
Beim Sinnieren über die möglichen Tests im Stadtverkehr, hätte ich beinahe die Abfahrt am Kreuz Schönefeld verpasst. Sehr selten war ein aggressives Motorgeräusch zu hören. Ein Geräusch, wie es der V8-Fahrer mag. Nur dass der Fahrer eines älteren V8-Siebeners wohl nicht hätte dranbleiben können. Die Ingenieursleistung bei der Motorisierung des 740Le ist schon enorm.
Entschleunigt und fast lautlos rollte ich die Stadtautobahn im Süden Berlins entlang und machte dann einen kleinen Abstecher nach Baumschulenweg. Kleine Straßen, Kopfsteinpflaster, Ampeln, Foto-Session und Sackgassen.
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BMW 740Le - Surround View |
Beim Rangieren fiel die gut aufgelöste und innovative Optik des Surround View auf. Die Gestensteuerung hatte ich diesmal nicht getestet, da der Hauptfokus auf die eigentliche Fahrleistung gerichtet war. Beim Sound war noch interessant, dass sich dieser den Umgebungsgeräuschen anpasste und auf der Autobahn entsprechend lauter wurde.
Das Display zeigte noch sieben Kilometer Strom. Ich schaltete auf reinen Elektrobetrieb um. Interessant war die TESLA-gerechte Beschleunigung. Wenn man allerdings den Fuß vom Pedal nahm, rollte der Wagen ganz normal aus und bremste nicht scharf ab. Während des Ausrollens wurde der Akku nachgeladen. Der leere Akku war völlig unspektakulär. Es wurde unmerklich auf Benzin umgeschaltet und der Wagen rollte lautlos weiter.
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BMW 740Le - Ladesteckdose |
Nach neunzig Minuten und 108 Kilometern war ich wieder am Kaiserdamm angekommen und tankte etwa zehn Liter E95 nach. Die Tankklappe musste im Gegensatz zum Vorgängermodell von innen geöffnet werden. Die Komfortschließung funktionierte wie gehabt über einen geriffelten Bereich der Türklinken. Türklinken übrigens in Wagenfarbe Carbonschwarz. Eine Lackierung, die nur zusammen mit einem M-Paket konfigurierbar ist.
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BMW 740Le mit M-Paket in Carbonschwarz |
Überhaupt war der Vorführwagen mit sämtlichen Extras zusammengestellt worden. Er hatte eine üppige Fondausstattung inklusive abgedunkelter Scheiben und Rollos. Der Bruttolistenpreis für diese Langversion des Elektro-Siebeners muss bei um die 150.000 Euro gelegen haben. Der Wagen eignet sich hervorragend als Chauffeurs-Limousine aber auch für Selbstfahrer, die bisher die "kurzen" BMW 740er-Derivate bevorzugt hatten. Gerade wegen der niedrigen Schadstoffwerte ist der 740Le auch für Behörden interessant. Diese diskutieren ja in letzter Zeit regelmäßig über
eMobility und sollten dann auch mit gutem Beispiel vorangehen.
Autor: Matthias Baumann