Freitag, 28. August 2020

Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden

Die Offizierschule des Heeres wurde 1956 in Hannover gegründet - ein Jahr nach Gründung der Bundeswehr. 1998 zog sie nach Dresden um und ist dort auf dem historischen Areal der Albertstadt beheimatet. Jährlich werden hier etwa 4.500 militärische Führungskräfte ausgebildet. Diese gehören nicht nur zum Heer, sondern auch zu anderen Einheiten, die sich auf dem Land bewegen - also Angehörige des Sanitätsdienstes, der Streitkräftebasis und des Kommandos CIR (Cyber-Informationsraum).

Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden
Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden - Übergabeappell im Zeichen von Corona - Foto: Bundeswehr / Sebastian Kelm
Wie an Offizierschulen üblich, gibt es auch in Dresden einige ausländische Studenten. Derzeit studieren hier 60 Personen aus Großbritannien, Frankreich, Irak, Jordanien und weiteren Staaten. Die politischen Verhältnisse in den entsendenden Staaten spielen nur eine untergeordnete Rolle. Schließlich geht es um das Erlernen des militärischen Handwerkszeugs wie Taktik und Führung. So kann es gelegentlich vorkommen, dass ein stolzer Absolvent in sein afrikanisches Land zurückkehrt und wie Moussa Dadis Camara aus Guinea das Wissen zur Durchführung eines Staatsstreiches anwendet. Dass Fähigkeiten und übergebene "Werkzeuge" später nicht immer im Sinne des Vermittelnden eingesetzt werden, entspricht dem allgemeinen Lebensrisiko.

Apropos Risiko: Beim heutigen Übergabeappell zum Kommandowechsel an der Offizierschule wurde das Risiko einer flächendeckenden Ansteckung mit Corona dadurch minimiert, dass die Paradeaufstellung in entsprechendem Abstand angetreten war. Der Platz vor dem Schulgebäude sah fast wie ein Steckhalma-Spiel aus. Es waren heute auch neue Kommandos zu hören: "Masken ab!" und "Masken auf!" Von Corona lässt sich die Offizierschule nicht behindern. Schon einen Monat nach Start des Lockdowns wurde der Lehrbetrieb wieder aufgenommen. Unter strikten Hygieneauflagen finden seitdem wieder Laufbahnprüfungen und Fortbildungen statt.

Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden Brigadegeneral Martin Hein
Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden - Brigadegeneral Martin Hein geht nach zwei Jahren Offizierschul-Kommando als Verbindungsoffizier nach Florida. Foto: Bundeswehr / Sebastian Kelm
Heute entband der Kommandeur des Ausbildungskommandos, Generalmajor Norbert Wagner, den Brigadegeneral Martin Hein vom Kommando der Schule. Martin Hein ist jetzt 61 Jahre alt. Mit 19 Jahren war er in die Bundeswehr eingetreten. Dass er eine Vergangenheit bei den Panzertruppen hat, war an seinem schwarzen Barett zu erkennen. Der scheidende Kommandeur schaut auf diverse Verwendungen im englischsprachigen Raum zurück. Kein Wunder, dass er nun als Leiter des Deutschen Verbindungskommandos im Zentralkommando der US-Streitkräfte nach Tampa/Florida versetzt wird. Er war zwei Jahre Kommandeur der Offizierschule, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Der neue Kommandeur der Schule, Brigadegeneral Olaf Rohde, bedient ebenfalls die deutsche Offiziersnorm: verheiratet und zwei Kinder. Er ist Jahrgang 1966 und trat mit 22 Jahren in die Bundeswehr ein. Auch er hat eine Panzervergangenheit und trägt das schwarze Barett. Olaf Rohde war Zugführer, Kompaniechef, Kommandeur und Referatsleiter im BMVg. Darüber hinaus hat er Einsatzerfahrung bei SFOR und ISAF.

Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden Brigadegeneral Olaf Rohde
Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden - Brigadegeneral Olaf Rohde hat heute das Kommando über die Offizierschule des Heeres in Dresden übernommen. Foto: Bundeswehr / Sebastian Kelm
Der Appell hatte noch weitere abgewandelte Elemente: Das Stabsmusikkorps hatte nur eine Minimalbesetzung von sechs Musikern entsandt. Eigentlich wäre das Luftwaffenmusikkorps aus Erfurt für den Termin zuständig gewesen. Das klappte aber wegen der Corona-Auflagen für die Anreise nicht. Das Abschreiten der Paradeaufstellung fand ohne Musikbegleitung statt. Die Truppenfahne der Offizierschule stand nur in der Nähe, wurde aber nicht in die Hand übergeben. Und auch der kreuzweise Handschlag des Generalmajors musste wegen der Abstandsregeln entfallen - sehr zu seinem Bedauern.

Corona konnte jedoch nicht verhindern, dass die Schule weiter Wissen und Fähigkeiten vermittelt und dass Olaf Rohde laut und deutlich feststellte: "Offizierschule des Heeres hört auf mein Kommando!"

Video:
Übergabeappell an der Offizierschule des Heeres in Dresden

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 27. August 2020

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei Bundeskanzlerin Angela Merkel

Die Kanzlerin hatte heute ein stilechtes Jäckchen an: Dunkelgrün. Die Farbe der NATO ist zwar Blau, aber Grün passt zum Umfeld, in dem die Soldaten trainieren. Am Vormittag traf sich NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit Angela Merkel zu Gesprächen. Diese waren vollgepackt mit aktuellen Themen. Themen, die erschreckend nah an das Gebiet der EU herangerückt sind und sogar als Konflikt zwischen NATO-Partnern ausgetragen werden. Es ging um das östliche Mittelmeer, Belarus und die Verteidigungsfähigkeit Europas.

Letztere ist insofern wichtig, weil die Gefahr einer zweiten Amtszeit amerikanischer Unberechenbarkeit besteht. Der NATO-Generalsekretär sprach sich deshalb noch einmal für die Stärkung der transatlantischen Beziehungen aus und machte klar, dass auch die Sicherheitsinteressen der USA auf dem Spiel stehen. Alliierte sollten wieder eng zusammenarbeiten. Wie fragil die Zusammenarbeit in der NATO ist, zeigt der momentane Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei Bundeskanzlerin Angela Merkel - FNC Framework Nations Concept
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande des 7. Treffens des FNC Framework Nations Concept
Jens Stoltenberg war ohnehin in Berlin. Im Hotel InterContinental treffen sich derzeit 20 Verteidigungsminister, in deren Runde der NATO-Chef natürlich nicht fehlen darf. Das Format nennt sich FNC - Framework Nations Concept. Seit 2014 hat Deutschland als "Lead Nation" die Leitung des FNC inne. Schirmherrinm ist die NATO. Nach der ersten Corona-Welle wurde die Gelegenheit genutzt und das insgesamt siebte Treffen anberaumt - unter strengen Corona-Auflagen und mit eingeschränkter journalistischer Begleitung.

16 der 20 Staaten gehören sowohl der EU als auch der NATO an. Es sei der 4. Fortschrittsbericht erarbeitet worden, der laut Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer auf breite Zustimmung stoße. Im Kern gehe es um ein Lagebild und die daraus abzuleitende Stärkung europäischer Fähigkeiten der Selbstverteidigung. Der Tenor folgt ihrer Amtsvorgängerin, die die europäische Verteidigungsfähigkeit stärken wollte, sich aber klar zur NATO inklusive der USA bekannte.

Jens Stoltenberg hütete sich vor Drohungen gegenüber Belarus und stellte lediglich fest, dass dort demokratische Zustände eingehalten werden sollten. Unklarheit herrscht zurzeit noch über den Fortgang des Afghanistan-Einsatzes: "Wie geht es weiter?", fragte die Kanzlerin. Auch das sollte Gegenstand des Gespräches sein.

Autor: Matthias Baumann

FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein

Am Montag reichte die FDP-Fraktion eine Klageschrift gegen den Soli beim Bundesverfassungsgericht ein. Nach Artikel 106 Absatz 1 Punkt 6 darf der Bund Ergänzungsabgaben zur Einkommenssteuer und der Körperschaftssteuer erheben. Einkommenssteuer zahlen etwa die Hälfte aller Bundesbürger und Körperschaftsteuer betrifft Kapitalgesellschaften wie GmbHs.

FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein - Dr. Florian Toncar
FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein - Dr. Florian Toncar in der Bundespressekonferenz
Auf diesen Absatz des Grundgesetzes stützte sich das Gesetz zur Erhebung des Solidaritätszuschlages - kurz und liebevoll "Soli" genannt. Der Zweck war damals der "Solidarpakt Ost". Inzwischen zeigt sich Strukturschwäche aber nicht mehr eindeutig an der Himmelsrichtung, sondern an Bedürftigkeiten quer durch die Bundesrepublik. Deshalb ist der Zweck nicht mehr gegeben. Zudem war das Gestz Ende 2019 ausgelaufen. Das interessierte die Große Koalition aber wenig, so dass ein entsprechendes Änderungsgesetz auf den Weg gebracht worden war, das erst ab 2021 eine Entlastung von 90% der Soli-Zahler vorsieht. Allerdings bringen die verbleibenden 10% trotzdem noch um die 50% des bisherigen Betrages auf. Das bedeutet, dass in diesem Jahr 20 Milliarden Euro erwartet werden und in 2021 immer noch 10 Milliarden Euro.

Wie zu erwarten war, wurde der Soli nicht 1:1 in den Aufbau Ost gesteckt. Er floss in den großen Topf des Bundeshaushaltes ein. Sicher kam auch ein Teil davon zweckgebunden an, aber nicht alles. Solch eine Ergänzungsabgabe ist attraktiv für den Bund. Kann doch aktuell damit die Corona-Krise gegenfinanziert werden. Eine Umwidmung ist formaljuristisch nicht möglich. Für Corona müsste eine separate Ergänzungsabgabe erhoben werden.

Bezüglich des Timings wollte sich Dr. Florian Toncar, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, nicht festlegen. Es dauere so lange, wie es eben beim Verfassungsgericht dauere. Man habe die Klageschrift am Montag eingereicht. Als nächstes werde es noch einige Schriftwechsel mit dem Gericht geben. Besonders erfreut wäre die FDP-Fraktion über eine persönliche Anhörung. Dass die Kläger ihr Anliegen wortgewandt vortragen können, haben sie heute in der Bundespressekonferenz bewiesen. Florian Toncar wurde unterstützt von Christian Dürr, dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der FDP.

FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein - Christian Dürr
FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein - Christian Dürr in der Bundespressekonferenz
Seitens der FDP erwartet man zwei mögliche Urteile: Das Wunschurteil wäre, dass das Änderungsgesetz ab Januar 2020 für Nichtig erklärt wird und der Bund den Soli rückwirkend zum 1. Januar an die Steuerzahler erstattet. Das zweite vorstellbare Ergebnis wäre, dass das Verfassungsgericht dem Bund eine Frist zur Nachbesserung setzt. Das wäre zumindest ein Teilerfolg. Mit einer Ablehnung sei nicht zu rechnen. Die FDP-Fraktion setzt mit dem Verfassungsgericht alles auf eine Karte: Wegen der Zuständigkeit für das Grundgesetz konnten sie sich gar nicht durch die Instanzen der Finanzgerichte klagen, sondern mussten sich direkt an Karlsruhe wenden. Sollte das Unterfangen wider Erwarten scheitern, erscheint eine Weitergabe an den Europäischen Gerichtshof wenig sinnvoll.

Es bleibt die Spannung, wann das Urteil vorliegt und wieviel Euro tatsächlich zurückerstattet werden. Die Finanzbehörden drücken bereits in den jährlichen Einkommensbescheiden ihre Zweifel an der "Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995" aus und deklarieren dessen Festsetzung "gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO" als "vorläufig".

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 26. August 2020

Lieber tot als vermisst: Schicksalsklärung Zweiter Weltkrieg des DRK-Suchdienstes bis 2025 verlängert

Am 1. Juni 2009 endete der Air-France-Flug 447 von Rio de Janeiro nach Paris im Atlantik. Alle 228 Insassen kamen dabei ums Leben. An ihrem Tod bestand kein Zweifel. Allerdings wusste zunächst niemand, wo genau der Absturz stattgefunden hatte. Die trauernden Angehörigen konnten den Tod an keinem Ort festmachen, so dass ihnen ein wichtiger Schritt im Trauerprozess verwehrt war.

Erst 6 Tage nach dem Absturz fand man die ersten Wrackteile und Leichen. Doch keine Spur vom Flugschreiber und dem Rest des Airbus A330-203. Nach knapp zwei Jahren - bei der inzwischen vierten Suchaktion - wurde auf 4.000 Metern Tiefe ein Trümmerfeld mit Teilen des Flugzeuges entdeckt. Es folgte eine weitere Aktion, bei der der Flugschreiber und dessen Speichermodul geborgen werden konnten. Am 3. Juni 2011 hatte das Warten der Angehörigen ein Ende. Die Ursache war geklärt und es gab einen konkreten Ort. Jetzt konnten sich Angehörige auf den Weg machen und am Ort des Absturzes Abschied von ihren Verwandten und Freunden nehmen.

Pressekonferenz DRK-Suchdienst Gerda Hasselfeldt
Pressekonferenz zum DRK-Suchdienst mit Gerda Hasselfeldt, Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes
Der Zweite Weltkrieg hat ein Vielfaches solcher Schicksale produziert. Bis 1950 wurden 14 Millionen Suchanfragen gestellt und knapp 9 Millionen davon geklärt. Das betraf nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilisten. Die Suche nach Soldaten gestaltete sich etwas einfacher. Diese hatten Erkennungsmarken aus Metall, waren in ihren Einheiten registriert worden, wurden in den Karteien der Lazarette inklusive ihres Krankheitsbildes erfasst und mussten Eingangspapiere in Gefangenenlagern unterzeichnen. Deutsche Soldaten wurden in Russland akribisch katalogisiert, was jedoch nicht bedeutete, dass sie gut behandelt wurden. Viele Kriegsgefangene starben in russischen Lagern an Unterernährung.

Da es noch keine Computer gab, wurde die Registrierung auf Karteikarten vorgenommen. Wenn also jemand eine Suchanfrage an das DRK oder den Volksbund stellte, mussten diese analogen Daten erst einmal mühsam verknüpft werden. Hinzu kamen der "Eiserne Vorhang" und der "Kalte Krieg". Man habe dennoch sehr konstruktiv mit den Unterabteilungen des Roten Kreuzes zusammengearbeitet und konnte viele der Anfragen beantworten. Wichtig dabei war, dass sich Suchende und Gesuchte beim DRK meldeten. Alles noch analog per Brief.

Pressekonferenz DRK-Suchdienst BMI Staatssekretär Dr. Markus Kerber
Pressekonferenz zum DRK-Suchdienst mit Staatssekretär Dr. Markus Kerber, Bundesministerium des Innern
Mit der Auflösung der Sowjetunion wurden auch die Archive geöffnet und zum Vorschein kamen Berge von Karteikarten. Da diese jedoch in Russland verbleiben sollten, schreitet deren Digitalisierung nur langsam voran. Man ist auf die Zuarbeit der russischen Stellen angewiesen. In Deutschland arbeiten 98 Mitarbeiter für den DRK-Suchdienst. 25 Mitarbeiter davon sitzen in München und beschäftigen sich ausschließlich mit Suchanfragen zum Zweiten Weltkrieg: Zivilisten und Soldaten - ganz selten betrifft es Personen aus Skandinavien oder Russland.

Für 2020 erwartet das DRK 11.000 Anfragen zu Vermissten des Zweiten Weltkriegs. Die Erfolgsquote liegt bei 20%. Mit fortschreitender Digitalisierung kann diese Quote sicher noch gesteigert werden. Es lohnt sich also, nach einer gewissen Zeit wieder anzufragen, falls frühere Gesuche ins Leere gelaufen waren. Sinnvoll ist auch eine Anfrage bei anderen Organisationen wie dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Wenn nämlich die Datenpools noch nicht abgeglichen wurden, kann es sein, dass längst Informationen über das Schicksal des Angehörigen vorliegen, nur eben an einer anderen Stelle.

Pressekonferenz DRK-Suchdienst Prof. Dr. Magnus Brechtken Institut für Zeitgeschichte
Pressekonferenz zum DRK-Suchdienst mit Prof. Dr. Magnus Brechtken, Stellvertretendet Direktor Institut für Zeitgeschichte - Forschungsvorhaben "Suchende und Gesuchte des Zweiten Weltkriegs"
Bei der heutigen Pressekonferenz waren auch zwei Suchende zugegen, die Ende 2019 zu Findenden geworden waren. Sie hatten letztendlich dicke Briefumschläge mit sämtlichen Unterlagen zu den letzten Lebensmonaten ihrer Väter bekommen. Es brauchte einige Tage, bis sie die neuen Erkenntnisse verdaut hatten. Dann stellte sich aber innerer Frieden bei ihnen ein. Die Unterlagen enthielten neben Todesort und Ursache sogar Informationen zur Position der Grabstätte. Die beiden Angehörigen sind nun um die 80 Jahre alt. Wenn sie sich rüstig genug fühlen und Corona eine Verschnaufpause macht, könnten sie nach Russland reisen und direkt am Grab Abschied nehmen. Der Volksbund bietet sogar Umbettungen nach Deutschland an.

Per Bundestagsbeschluss von 1953 fördert das Bundesinnenministerium (BMI) die Arbeit des DRK-Suchdienstes. Die Rubrik Zweiter Weltkrieg sollte eigentlich 2023 geschlossen werden. Wegen des nach wie vor hohen Interesses am Verbleib von Verwandten, wurde dieser Zeitraum nun auf 2025 verlängert. Inzwischen fragen nämlich nicht nur Ehepartner und Kinder, sondern auch Enkel an. Nicht abgeschlossene Trauerprozesse können Familien und deren Folgegenerationen belasten. Deshalb fühlt sich das BMI als "Heimatministerium" der "psychischen Stabilität" in der Heimat verpflichtet.

Ergänzend sei erwähnt, dass der DRK-Suchdienst seine Aufgaben über das Thema Zweiter Weltkrieg hinaus sieht. In Zusammenarbeit mit weltweiten Rot-Kreuz- und Rot-Halbmond-Stellen findet es Personen aus aktuellen Krisenregionen, stellt per Internet oder Telefon Kontakte zwischen Suchenden und Gesuchten her und sieht seinen Auftrag erfüllt, wenn sich die Personen endlich wieder physisch in den Armen liegen. Diese Arbeit wird auch nach 2025 weitergehen.

Autor: Matthias Baumann

Sloweniens Präsident Borut Pahor im Schloss Bellevue empfangen

Bundespräsident Steinmeier und sein Gast, der slowenische Präsident Borut Pahor, hielten sich an die Corona-Regeln. Foto mit Maske, Foto ohne Maske, aber dafür mit entsprechendem Abstand. Während Borut Pahor jedes Mal elegant seine Maske im Sakko verschwinden ließ, behielt der Bundespräsident seine Maske in der Hand. Trotz des Abstandes war die morgendliche Begrüßung sehr herzlich.

Sloweniens Präsident Borut Pahor von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen
Sloweniens Präsident Borut Pahor (links) von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen - Staatsbesuch unter Corona-Bedingungen
Borut Pahor wurde vor 56 Jahren im ehemaligen Jugoslawien geboren. 1990 startete der diplomierte Politikwissenschaftler seine Karriere im slowenischen Parlament. Das war in der heißen Phase der Abkoppelung von Jugoslawien. Borut Pahor ist Sozialdemokrat - wie sein heute besuchter Amtskollege. Zeitgleich mit der Aufnahme seines Landes in die EU zog er 2004 ins Europäische Parlament ein. 2008 wurde er zum Ministerpräsidenten Sloweniens gewählt und legte deshalb sein Mandat in Brüssel nieder. 2011 musste er zurücktreten, nachdem einige Parlamentskollegen wegen Korruption aufgeflogen waren. Die Regierung verzeichnete damals in der Bevölkerung eine Unzufriedenheitsquote von über 80%.

Wenngleich die Sozialisten nach den anschließenden Neuwahlen nicht mehr die Regierungspartei stellten, wurde Borut Pahor ein Jahr später doch zum Präsidenten ernannt. 2017 wurde er in diesem Amt bestätigt. In Slowenien scheint die Demokratie also gut zu funktionieren.

Sloweniens Präsident Borut Pahor von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen
Sloweniens Präsident Borut Pahor (links) von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen - Frank-Walter Steinmeier hält Abstand und seine Maske in der Hand. Im Hintergrund der Ehrenposten des Wachbataillons. Mehr militärische Ehre wurde wegen Corona nicht zugelassen - keine Hymnen und kein Abschreiten der Ehrenformation.
Slowenien grenzt an Österreich, Ungarn und Kroatien. Das Land hat 2,1 Millionen Einwohner, was in etwa der Bevölkerungsanzahl von Hamburg entspricht. Die Wirtschaftskraft lag 2019 bei 26.000 Euro pro Kopf. Das Verteidigungsbudget beträgt beschauliche 1,16% des BIP.

Seit 16 Jahren ist Slowenien auch Mitglied der NATO und sollte schon deutlich weiter entwickelt sein. Auswertungen haben Bürokratie und deren Nebenschauplätze als kontraproduktiv erkannt. Dabei bedarf es in Slowenien wichtiger Modernisierungsmaßnahmen. Deren Durchführung wird jedoch seitens der EU und der NATO nach wie vor als "Herausforderungen" angesehen. So gibt es insbesondere bei der Sicherung des Luftraumes erhebliche Defizite. Ungarn und Italien müssen in diesem Bereich aushelfen.

Video:
Sloweniens Präsident Borut Pahor im Schloss Bellevue empfangen

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 20. August 2020

Botschafter von Sri Lanka, Kambodscha, Brunei und Tschechien beim Bundespräsidenten akkreditiert

Die Frauenquote lag heute bei 75%: drei Botschafterinnen und ein Botschafter durften nach Maßgabe der Corona-Regelungen ihr Beglaubigungsschreiben beim Bundespräsidenten abgeben. Damit alles möglichst berührungslos ablaufen konnte, wurde ein stilechter Tisch vor die samtige Dienstfahne gestellt. Über diesen Tisch wurde dann das Schreiben transferiert. Hier die Reihenfolge des Erscheinens der Exzellenzen:

Botschafterin der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka, Manori Premila Unambuwe
Botschafterin des Königreichs Kambodscha, Phen Savny
Botschafterin von Brunei Darussalam, Pengiran Hajah Krtini Pengiran Haji Tahir
Botschafter der Tschechischen Republik, Tomáš Kafka

Botschafterin der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka, Manori Premila Unambuwe, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert
Botschafterin der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka, Manori Premila Unambuwe, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert - Foto: Bundeswehr/Zeichenstelle WachBtl BMVg
Sri Lanka ist ein Inselstaat am Südzipfel von Indien. Der großflächig auf der Flagge dargestellte Löwe ist in unseren Breitengraden durch die Etikettierung der verschiedenen Ceylon-Tees bekannt. Das heutige Sri Lanka befand sich mehrfach unter Kolonialherrschaft. Als Martin Luther in Deutschland für die Reformation unterwegs war, machten sich Portugal und die Niederlande über die Insel her. Etwa 300 Jahre lang wechselten deren Einflussbereiche. Als um 1800 Napoleon in Europa sein Unwesen trieb, kamen die Briten nach Ceylon und übernahmen die Insel als Kronkolonie. Zunächst wurde in großem Stil Kaffee angebaut. 1860 wurden diese Anbauflächen jedoch in Tee-Plantagen umfunktioniert.

1948 wurde Sri Lanka unabhängig, ist aber Teil des Commonwealth. Damit übt Großbritannien weiterhin seinen Einfluss auf das Land aus. Sri Lanka hat 22 Millionen Einwohnen und hatte vor Corona eine jährliche Wirtschaftsleistung von knapp 4.000 USD pro Kopf.

Botschafterin der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka, Manori Premila Unambuwe, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert
Botschafterin der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka, Manori Premila Unambuwe, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert - Flagge von Sri Lanka - Foto: Bundeswehr/Zeichenstelle WachBtl BMVg
Botschafterin Manori Premila Unambuwe ist seit dem 6. Juli 2020 in der Botschaft und hat sich dort zunächst mit ihren neuen Mitarbeitern vertraut gemacht. Es wurde dabei sogar ein religiöses Zeremoniell für sie veranstaltet. Sie freut sich sehr auf die Arbeit in Deutschland. Ihre Schwerpunkte sind der Handel, die Gewinnung von Investoren und der Ausbau touristischer Beziehungen. Frau Manori Premila Unambuwe könnte als Computer-Expertin bezeichnet werden. Bevor sie Botschafterin wurde, hatte sie Spitzenpositionen bei SAP, Oracle, IBM und weiteren IT-Firmen inne. Studiert hatte sie in Australien und ist Master of Business Administration.

Etwas weiter östlich liegt Kambodscha. Kambodscha hat 16 Millionen Einwohner und im Jahr 2019 eine jährliche Wirtschaftsleistung von 1.600 USD pro Person. Die Besiedlung dieses Landes am Unterlauf des Mekong hat vor 2.500 Jahren begonnen. Damals herrschten dort die Khmer. Im 19. Jahrhundert gab es diverse Streitigkeiten zwischen den Nachbarn (Thailand und Vietnam), so dass Frankreich auf den Plan trat und für etwa 80 Jahre die Vorherrschaft auf diesem Gebiet ausübte. Es folgten weitere wirre Machtkämpfe, die 1975 durch die Roten Khmer beendet wurden.

Botschafterin des Königreichs Kambodscha, Phen Savny, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert
Botschafterin des Königreichs Kambodscha, Phen Savny, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert - Foto: Bundeswehr/Zeichenstelle WachBtl BMVg
Die kommunistischen Roten Khmer kannten nur einen Feind: das eigene Volk. Man geht inzwischen von 2 Millionen Ermordeten innerhalb von drei Jahren aus. Da 1978 auch viele in Kambodscha lebende Vietnamesen umgebracht wurden, griff Vietnam ein und konnte den Schrecken relativ schnell beenden. Erst 1991 wurde Kambodscha zaghaft in eine Art Unabhängigkeit unter der Aufsicht der UNO überführt. Die Roten Khmer existierten allerdings noch bis 1998 weiter und verschafften sich immer wieder durch Guerillaaktionen Gehör. 1998 starb auch deren Führer Pol Pot und wurde in Würdigung seiner Taten unter einem Haufen Müll verbrannt.

Botschafterin des Königreichs Kambodscha, Phen Savny, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert
Botschafterin des Königreichs Kambodscha, Phen Savny, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert - Flagge von Kambodscha - Foto: Bundeswehr/Zeichenstelle WachBtl BMVg
Die Diktatur wird Kambodscha wohl so schnell nicht los. Seit über 20 Jahren herrscht dort Premierminister Hun Sen mit den üblichen Werkzeugen Korruption, Wahlfälschung, Einschüchterung, Verschwinden lassen und so weiter. Die neue Botschafterin Phen Savny vertritt Kambodscha nicht nur gegenüber Deutschland, sondern auch gegenüber Tschechien, Ungarn, Slowakei, Kroatien und Slowenien. Wenn also ein Kroate ein Visum benötigt, muss er nach Berlin reisen. Die Botschaft befindet sich in der Nähe des S-Bahnhofs Berlin-Pankow.


Botschafterin von Brunei Darussalam, Pengiran Hajah Krtini Pengiran Haji Tahir, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert
Botschafterin von Brunei Darussalam, Pengiran Hajah Krtini Pengiran Haji Tahir, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert - Foto: Bundeswehr/Zeichenstelle WachBtl BMVg
Noch östlicher liegt Brunei Darussalam. Das Land verzahnt sich in die Nordküste Malaysias und hat eine recht ungewöhnliche Flagge: gelb mit einem weiß-schwarzen Querstrich. In Brunei Darussalam leben 450.000 Menschen in einer Erbmonarchie. Die jährliche Produktivität der Landes mit fast 28.000 USD pro Kopf ist recht hoch. Das liegt wohl hauptsächlich an den Erdöl- und Erdgasvorkommen. Bemerkenswert hoch ist auch der Verteidigungshaushalt. Dieser liegt bei 3,48% des BIP. Brunei Darussalam ist auf militärischem Gebiet westlich orientiert, nimmt an UNIFIL im Libanon teil und hat in den letzten Jahren erheblich seine Fähigkeiten bei der Abwehr von Cyber-Angriffen verbessert.

Botschafterin von Brunei Darussalam, Pengiran Hajah Krtini Pengiran Haji Tahir, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert
Botschafterin von Brunei Darussalam, Pengiran Hajah Krtini Pengiran Haji Tahir, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert - Foto: Bundeswehr/Zeichenstelle WachBtl BMVg
Sucht man nach dem Lebenslauf von Botschafterin Pengiran Hajah Krtini Pengiran Haji Tahir, findet man eine großzügig auf den ersten Google-Ergebnisseiten platzierte Darstellung seiner Majestät, Sultan Haji Hassanal Bolkiah Mu’izzaddin Waddaulah ibni Al-Marhum Sultan Haji Omar ‘Ali Saifuddien Sa’adul Khairi Waddien, Sultan und Yang Di-Pertuan von Brunei Darussalam. Irgendwann taucht eine Information aus 2016 auf, wonach die neue Botschafterin als Generalkonsulin touristische Abkommen mit China angebahnt hatte.


Botschafter der Tschechischen Republik, Tomáš Kafka, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert
Botschafter der Tschechischen Republik, Tomáš Kafka, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert - Foto: Bundeswehr/Zeichenstelle WachBtl BMVg
Tomáš Kafka war heute der einzige männliche Botschafter. Er vertritt die Tschechische Republik und damit das einzige nichtasiatische Land im heutigen Akkreditierungsreigen. Tschechien hat 10 Millionen Einwohner und eine Wirtschaftsleistung von 23.000 USD pro Kopf. Tschechien ist Teil des Visegrád-Verbundes. Die Visegrád-Staaten haben zwei wichtige Gemeinsamkeiten: Sie liegen an der Ostflanke Europas und sind ausschließlich Nettoempfänger der EU. Besonders viel Geld fließt an die Visegrád-Staaten Polen und Ungarn.

Botschafter der Tschechischen Republik, Tomáš Kafka, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert
Botschafter der Tschechischen Republik, Tomáš Kafka, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert - Flagge von Tschechien - Foto: Bundeswehr/Zeichenstelle WachBtl BMVg
Botschafter Tomáš Kafka war bereits Anfang der 1990er Jahre als Kulturattaché in Deutschland. Anschließend war er Botschafter in Irland und für den deutsch-tschechischen Zukunftsfonds zuständig. Zudem hat er deutschsprachige Bücher übersetzt. Darunter auch von Franz Kafka. Nach eigenen Angaben ist er mit diesem jedoch nicht verwandt oder verschwägert. Tomáš Kafka betrachtet Berlin als das "Tor der Tschechen nach Europa". In Sicht auf Visegrád ist ihm wichtig, dass kein Ausverkauf der Ideale Europas geschieht. Deshalb war wohl intern so lange um die Besetzung des Botschafterpostens in Berlin gerungen worden. Der Vorgänger Tomáš Kafkas hatte schon im Januar den Platz geräumt.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 5. August 2020

Libanon: Die Explosion tangiert auch deutsche Staatsbürger und Immobilien

Heute um zehn nahm der Krisenstab der Bundesregierung zur Großexplosion im Libanon seine Arbeit auf. Es trafen sich Vertreter des BMI, des BMZ, des Auswärtigen Amtes und des BMVg. Die Lage ist noch sehr unübersichtlich.

Bekannt ist derzeit nur, dass das Gebäude der Botschaft und das Goethe-Institut stark beschädigt sind. Es gibt auch schon einige Meldungen zu verletzten Deutschen. Genaue Zahlen wollte das Auswärtige Amt gegen halb zwölf aber noch nicht herausgeben, weil die Daten erst einmal gesammelt und geordnet werden.

Insgesamt 250.000 Einwohner Beiruts sollen jetzt ohne Wohnraum dastehen. Darunter auch viele Deutsche, die für diverse Hilfsorganisationen arbeiten. Deutschland engagiert sich schon länger in dem krisengeschüttelten Land: Bildungsprojekte, Wirtschaftsförderung und nicht zuletzt bei UNIFIL.

Die Soldaten der UNIFIL waren auf dem Meer unterwegs, so dass sie nur insofern betroffen sind, dass sie möglicherweise in den nächsten Tagen für Hilfeleistungen eingesetzt werden. Ein weiteres UNIFIL-Schiff ist von Zypern aus in die Region aufgebrochen. Die Luftwaffe hält ihre medizinisch nutzbare A400M-Flotte ebenfalls für einen Einsatz bereit. Diese wurde aber noch nicht angefordert. Das Innenministerium erklärte seine Bereitschaft zur Entsendung von Forensikern, falls diese erbeten werden.

Auf jeden Fall fliegen heute Abend 47 Experten des THW (Technisches Hilfswerk) in den Libanon. Das THW unterhält eine Spezialeinheit "Bergung Ausland". Das Team wird von einem Hochbaustatiker begleitet, der die statische Sicherheit des Botschaftsgebäudes prüfen soll. Da das Auswärtige Amt eine weitere Liegenschaft im Libanon unterhält, kann der Botschaftsbetrieb nach einer kurzen Umzugsphase am alternativen Standort weitergeführt werden.

Zur Ursache der Explosion liegen der Bundesregierung bislang keine Erkenntnisse vor.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 4. August 2020

Bernhard Felmberg wird ab Oktober neuer Evangelischer Militärbischof

Eine Mitarbeiterin der Evangelischen Kirche wusste zu berichten, dass Bernhard Felmberg ein "schöner Mann" sei. Deshalb sei es verständlich, dass er Frauengeschichten gehabt habe. Das hätten die anderen doch auch gehabt. Sie nannte weitere Namen aus der kirchlichen Szene Berlins. Bernhard Felmberg sei immer sehr zuvorkommend gewesen - ein wahrer Gentleman und fähiger Vertreter des Bischofs.

In der Evangelischen Kirche passt diese Sonderrichtung der Nächstenliebe in das bunte Allerlei der Weltoffenheit. Eine oder mehrere Frauen neben der Ehepartnerin zu unterhalten? Warum nicht? Und egal, wem das geistliche Vorbild unter die Gürtellinie greift: Falls es Ärger gibt, mündet dieser in einer Versetzung mit beruflichem Aufstieg.

Diese Logik zieht sich durch verschiedene Lebensbereiche. Wegen des ausgeprägten Strebens nach Harmonie findet diese Logik in der Kirche jedoch einen besonders fruchtbaren Nährboden.

Oft trauen sich die zuständigen Leitungspersonen nicht, schnell und konsequent zu handeln. Gelegentlich haben die Verantwortlichen selbst etwas zu verbergen oder wollen einfach nur ihre Ruhe haben. So wird vertuscht, gedeckt und die Betroffenen zum Problem gemacht. Dabei wird gerne auf die vermeintliche Liebe zum Sünder, die Liebe zum Nächsten oder das Bibelzitat verwiesen, man solle den "Gesalbten des Herrn nicht antasten".

Kein Wunder also, dass Mitgliederzahlen und Spendeneinnahmen sinken. In der Katholischen Kirche wurden inzwischen Gremien eingerichtet, die sich ernsthaft mit Missständen und Missbrauch auseinandersetzen. Man habe erkannt, dass die gesamte Außenwirkung der Kirche wegbreche, wenn man hier nichts unternehme. Das katholische Werk Don Bosco beispielsweise hat wirkungsvolle Maßnahmen gegen problematische Zustände in den eigenen Reihen ergriffen. Mit Erfolg: Denn die Glaubwürdigkeit in die internen Klärungsfähigkeiten konnte dadurch zurückgewonnen werden.

Kommen wir nun zurück zum designierten Militärbischof: Bis 2013 war Bernhard Felmberg Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Bundesregierung und der Europäischen Union. Die Frucht seines Liebeslebens war ein Disziplinarverfahren zu "Fragen der persönlichen Lebensführung". Dieses mündete in einen "Wartestand", während dessen er weiterhin seine Bezüge von mehr als 7.000 Euro monatlich erhielt. Die Pause war aber nur von kurzer Dauer. 2014 ging er als Unterabteilungsleiter ans BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit). 2015 wurde er zum Ministerialdirigenten ernannt. Damit war er in die Besoldungsstufe eines Brigadegenerals aufgestiegen. Andere Bewerber mit deutlich mehr Fachkompetenz waren bei der Vergabe des Postens ignoriert worden.

Im Oktober 2020 soll Bernhard Felmberg sein Amt als Militärbischof antreten. Eine weitere Steigerung der beruflichen Karriere. Seine zentrale Aufgabe hat der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strom bereits definiert: nämlich "in der Spur der friedensethischen Äußerungen der EKD" zu bleiben. Bis Oktober ist das Amt des Militärbischofs für zweieinhalb Monate nicht besetzt. Die Unterschriftsgewalt wird in dieser Zeit durch Thies Gundlach ausgeübt. Thies Gundlach ist Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD.

Mit Bekanntgabe der Entscheidung für Bernhard Felmberg tauchte auch wieder das damalige Disziplinarverfahren auf. Wie ein Fußball, der tief unter der Wasseroberfläche festgehalten und dann einfach losgelassen wurde. Deshalb kam die altbewährte Methode der salbungsvollen Vertuschung zum Einsatz: Das Disziplinarverfahren ist eingestellt und Bernhard Felmberg wird nun als Mann mit "Brüchen in seiner Biografie" vermarktet. Ein cleveres Vorgehen: Dadurch wird der neue Bischof vom Gestalter zum Opfer seines Schicksals umgewidmet.

Es stellt sich die Frage, was Bernhard Felmberg den Soldaten im Auslandseinsatz antwortet, wenn diese von ihren Ehekonflikten im fernen Deutschland berichten? Kann er sich in die Betroffenen hineindenken, wenn es um hierarchische Auseinandersetzungen geht? Und was antwortet er, wenn traumatische Gefechtserfahrungen zu verarbeiten sind? Zitiert er dann die "friedensethischen Äußerungen der EKD"?

Autor: Matthias Baumann