Samstag, 30. Juni 2018

Tag der offenen Tür in der Julius-Leber-Kaserne

Was läuft da eigentlich hinter den Mauern der Julius-Leber-Kaserne ab? Überall Schilder, die auf militärisches Sperrgebiet hinweisen und Sichtschutz ringsherum. Auf dem Areal der Kaserne ist das Kommando Territoriale Aufgaben beheimatet. Der Chef der Julius-Leber-Kaserne heißt Andreas Henne und fungiert als General Standortaufgaben. Er ist Brigadegeneral und trägt goldene Knöpfe, eine goldene Gürtelschnalle und einen goldenen Stern auf jeder Schulter.

Julius-Leber-Kaserne Tag der offenen Tür Kommando Territoriale Aufgaben KdoTA
Tag der offenen Tür in der Julius-Leber-Kaserne: Brigadegeneral Andreas Henne (General Standortaufgaben) und Oberstleutnant Patrick Bernardy (Wachbataillon)
Andreas Henne begrüßte die Besucher zum Tag der offenen Tür. Heute konnten die Gerätschaften und Mitarbeiter des Kommandos Territoriale Aufgaben aus der Nähe betrachtet und angefasst werden. KdoTA ist die Abkürzung für den sperrigen militärischen Begriff. Unter dem Dach des KdoTA tummeln sich unter anderem Feldjäger, das Stabsmusikkorps und das Wachbataillon.

Julius-Leber-Kaserne Tag der offenen Tür Kommando Territoriale Aufgaben KdoTA
Tag der offenen Tür in der Julius-Leber-Kaserne: Motorradeskorte der Feldjäger
Die Feldjäger warteten heute mit einer Vorführung der Motorrad-Eskorte auf. Zunächst wurden Übungen wie Fahren in Kolonne im Sitzen, Fahren im Stehen, Fahren im Liegen und Hüpfen beim Fahren vorgeführt. Der Kommentator - Stabsfeldwebel Jäger - zeigte sich erfreut darüber, dass die Feldjäger seit vielen Jahren der Marke BMW treu bleiben durften. Die 1.200-ccm-Maschinen sind ausreichen motorisiert und bieten zugleich die nötige Laufruhe für protokollarische Anmut.

Julius-Leber-Kaserne Tag der offenen Tür Kommando Territoriale Aufgaben KdoTA
Tag der offenen Tür in der Julius-Leber-Kaserne: Motorradeskorte der Feldjäger
In einem zweiten Teil zeigten uns die Feldjäger, dass sie auch Slalom beherrschen und über eine Wippe fahren können. Gesteigert wurde das noch durch ein paarweises Absolvieren des Parcours. Dann wurde "verlegt auf Einsatz". Das heißt, die blauen Rundumleuchten der Motorräder wurden eingeschaltet und eine Eskorte simuliert. Ein Feindfabrikat - Audi - mit Feldjäger-Beschriftung führte die Eskorte an. Es folgten drei BMW-Motorräder, ein schwarzer BMW 5er (F10), ein weiteres Fremdfabrikat Audi mit Feldjägeraufschrift und ein versetzt fahrendes BMW-Motorrad. Nach zwei Runden mit Erklärung reihten sich weitere Motorräder in die Eskorte ein. Dabei lernten die Besucher die Handzeichen des Kommandeurs kennen. Fünf Motorräder werden bei Chefs von Teilstreitkräften eingesetzt und sieben Motorräder bei Verteidigungsministern.

Hinter einer Böschung waren sämtliche Fahrzeugtypen der Feldjäger aufgereiht, Kinder kletterten durch die gepanzerten Wagen und hantierten an den Knöpfen und Steuerknüppeln. Die üppige Ausstattung mit Monitoren war auffällig. Ein Soldat erklärte, dass die Kartuschen oberhalb der Fahrzeuge mit Nebelmunition gefüllt seien, damit die eigene Position verschleiert werden könne.

Julius-Leber-Kaserne Tag der offenen Tür Kommando Territoriale Aufgaben KdoTA
Tag der offenen Tür in der Julius-Leber-Kaserne: Feierliches Gelöbnis Ungedienter
Halb zwölf startete das Highlight des Tages: Feierliches Gelöbnis Ungedienter. 18 Männer und Frauen hatten neben ihren zivilen Berufen an mehreren Wochenenden eine militärische Grundausbildung absolviert und legten heute ihr Gelöbnis ab. Anschließend werden sie in die Reserve integriert. Organisiert wurde die Ausbildung vom Reservistenverband und der Bundeswehr.

Julius-Leber-Kaserne Tag der offenen Tür Kommando Territoriale Aufgaben KdoTA
Tag der offenen Tür in der Julius-Leber-Kaserne: Stabsmusikkorps dirigiert von Hauptmann Alexander Kalweit
Die Pausen zwischen den Programmpunkten waren nicht sehr groß, so dass der Weg zwischen den Hot Spots sehr schnell zurückgelegt werden musste. Ein Platzkonzert des Stabsmusikkorps stand auf dem Programm. Der neue Dirigent, Hauptmann Alexander Kalweit, machte sich bereit und startete passend zu seinem Vornamen mit dem Alexander-Marsch. Es folgten weitere Märsche inklusive "Des Großen Kurfürsten Reitermarsch". Zwischendurch wurde noch Oberfeldwebel Andreas Scholz interviewt. Er ist Trompeter und war schon oft bei protokollarischen Anlässen zu erleben.

Julius-Leber-Kaserne Tag der offenen Tür Kommando Territoriale Aufgaben KdoTA
Tag der offenen Tür in der Julius-Leber-Kaserne: Kanone von 1942 wird vom Salut-Zug des Wachbataillons genutzt
Sound mit deutlich weniger Melodie stellt das Salut-Schießen dar. Mit dem Karabiner 98k wird wohl gar kein Salut mehr geschossen - zumindest konnten die Soldaten an den Kanonen keinen Anlass für Salut mit Gewehr nennen. Die eingesetzten Haubitzen stammen aus dem Jahr 1942 und wurden mehrfach umgebaut und ergänzt. Die Salut-Munition ist zwar groß, wiegt aber nur die Hälfte der scharfen Munition.

Die Besucher bekamen eine detaillierte Einweisung in den Sinn und die Ausführung des Salut-Schießens. Aus sechs Kanonen werden insgesamt 21 Schüsse abgegeben. Das kommt daher, dass Schiffe früher 20 Bordkanonen hatten. Als Zeichen ihrer friedlichen Absicht, schossen sie vor dem Einlaufen in einen Hafen 20 Mal. Darauf antwortete der Hafen mit einem Bestätigungsschuss. In Summe 21 Schüsse. Salut am Flughafen Tegel gilt als die höchste protokollarische Ehre und wird einem Staatsoberhaupt nur beim ersten Betreten des deutschen Bodens zuteil. Das gilt auch für Monarchen.

Julius-Leber-Kaserne Tag der offenen Tür Kommando Territoriale Aufgaben KdoTA
Tag der offenen Tür in der Julius-Leber-Kaserne: Drillteam des Wachbataillons
Der Sound wurde mit techno-Klängen fortgesetzt. Diesmal bewegte sich das Drillteam des Wachbataillons dazu. Karabiner 98k wirbelten durch die Luft, knallten auf den Boden oder dienten als Instrumente, die die Akrobatik der Protter - interne Bezeichnung für Soldaten im Protokolldienst - unterstützten. Michael Jackson hätte seine Freude gehabt und hätte sich vielleicht sogar für den nächsten Durchgang des Gelöbnisses Ungedienter beworben.

Julius-Leber-Kaserne Tag der offenen Tür Kommando Territoriale Aufgaben KdoTA
Tag der offenen Tür in der Julius-Leber-Kaserne: Nachwuchswerbung für die 8. Kompanie des Wachbataillons (Reservekompanie)
Neben den Programmpunkten standen den Gästen zahlreiche weitere Angebote zur Verfügung. Gepanzerte Fahrzeuge konnten durchklettert werden. Die Schusswaffen des Wachbataillons konnten angeschaut werden. Es gab Fressbuden, Infostände und ein Karriere-Zentrum. Die lieben Kleinen konnten bei Hüpfburgen und anderen Attraktionen abgegeben werden. Für Jung und Alt war etwas dabei und so manch ein Besucher hielt sich mehr als vier Stunden auf dem Areal auf.

Am Ende warteten Shuttle-Busse auf die beinlahmen Zivilisten und brachten diese zurück zum Eingang der Kaserne. Sonne, Wolken und Wind waren so gut aufeinander abgestimmt, dass der Sonnenbrand erst zu Hause auffiel.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 26. Juni 2018

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez wirbt bei seinem Antrittsbesuch für Solidarität und Verantwortung innerhalb Europas

Pedro Sánchez wurde einen Tag nach seinem italienischen Kollegen Giuseppe Conte vereidigt. Während der Vereidigung auf die Verfassung demonstrierte er seine atheistische Haltung. Im katholisch geprägten Spanien ist es ein klares Signal, wenn weder Bibel noch Kreuz dabei sind. Der 46-jährige Pedro Sánchez fungiert zeitgleich als Generalsekretär der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE).

Der PSOE war er mit 21 beigetreten. Er studierte Politik und Wirtschaft an verschiedenen Universitäten und schloss das Studium um die Jahrtausendwende ab. 2012 promovierte er. 2014 wurde er Mitglied des spanischen Parlaments und konnte seinen Platz so mehr oder weniger behaupten.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez Antrittsbesuch Angela Merkel
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel in Berlin
Seit drei Wochen ist Pedro Sánchez als Ministerpräsident im Amt. Heute absolvierte er seinen Antrittsbesuch in Berlin. Angela Merkel begrüßte ihn mit militärischen Ehren. Dann verschwanden sie für etwa eine Stunde im Kanzleramt. Die Unterredungen liefen zunächst unter vier Augen und danach in der üblichen Delegationsrunde.

Es gab drei Themen während der Gespräche: Handel, Eurozone und Migration. Der Handel nahm den kleinsten Raum ein und beschäftigte sich mit den neuen Konstellationen in Bezug auf die USA. Bei Banken-Union und Kapitalmarkt-Union folgt Spanien den Beschlüssen des deutsch-französischen Ministertreffens von Meseberg am letzten Dienstag. Laut Kanzlerin haben Spanien und Deutschland ein Interesse daran, die "Eurozone krisenfest" zu machen.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez Antrittsbesuch Angela Merkel
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel in Berlin
Bei der Migration haben Deutschland und Spanien unterschiedliche Ausgangssituationen. In Spanien landen täglich Flüchtlinge mit Schiffen. Zuletzt die Aquarius, deren Abweisung durch Malta und Italien für gewisse Spannungen gesorgt hatte. Frankreich war medial ins Fettnäpfchen getreten und Spanien hatte die 629 Menschen in den Hafen von Valenzia eskortiert. Die Asylanträge wurden dann jedoch in Frankreich gestellt.

Spanien als Außengrenzland ist hauptsächlich mit der Ankunftsreduzierung beschäftigt. Deutschland hingegen hat mit der Sekundärmigration zu tun. Sekundärmigration bedeutet Weiterflucht. In der heutigen Pressekonferenz konnten viele neue Begriffe gelernt werden: Außengrenzland, Ankunftsreduzierung, Sekundärmigration und Weiterflucht. Viele der aktuell Schiffbrüchigen hätten wegen ihres Herkunftslandes ohnehin keine Bleibeperspektive in Europa und auch kaum eine Chance auf Anerkennung als Asylanten.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez Antrittsbesuch Angela Merkel
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel in Berlin
Pedro Sánchez bemerkte immer wieder, dass Spanien solidarisch und verantwortungsbewusst sei. Diese Eigenschaften erwarte er auch von anderen EU-Mitgliedsstaaten. Er setze sich - wie seine Amtskollegin - für eine europäische Lösung bei der Migration ein. Das beginne damit, dass die potenziellen Flüchtlinge in ihren eigenen Ländern gehalten werden oder die einschlägigen Transitländer gar nicht erst passieren können. Dazu sollte der gute Draht europäischer Staaten zu den jeweiligen Transit-Akteuren genutzt werden.

Gemeinsame Lösung, gemeinsame Antwort, Multilateralismus, Solidarität und Verantwortung waren die Worte, die zusammenfassend über das große Thema Migration zu stellen wären.

Angela Merkel trifft Pedro Sánchez recht oft. Am Sonntag hatte sie ihn in Brüssel gesehen. Heute hatte sie ihn im Kanzleramt begrüßt und am Donnerstag trifft sie ihn schon wieder beim Europäischen Rat.

Video:
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez mit militärischen Ehren zum Antrittsbesuch begrüßt

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 20. Juni 2018

#VJTF2019 - Schnelle Eingreiftruppe der NATO greift Schnöggersburg in der Altmark an

"Diese Schuhe werden staubig, sehr staubig", ein breites Grinsen lag auf dem Gesicht von  Presseoffizier Ingo Prieß. Zum gestrigen Termin in Gardelegen war ein Dresscode empfohlen, der bei protokollarischen Anlässen für Irritationen sorgen würde: "Wetterfeste Kleidung und festes Schuhwerk".

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO in Schnöggersburg - Teilnermer vor Rathaus und Fahnen: Deutschland, Niederlande, Norwegen, NATO (v.l.n.r.)
Der Aufenthaltsraum füllte sich mit Zivilisten: B.Z. BILD, augengeradeaus.de und diverse große Regionalsender trafen nach und nach ein. Mit Kameras, ohne Kameras, mit Plüschmikrofonen und Notizbüchern. Kaffee und Brötchen standen bereit, denn ohne Mampf kein Kampf. Zwei Reisebusse warteten vor dem Haus. Wir sollten uns anschnallen.

Kaum hatten die Busse die Tore der Altmark-Kaserne passiert, verließen sie auch die befestigten Wege. Staub umhüllte uns. Ab und zu waren Büsche, kleine Wäldchen und tief durchfurchte Wege aus Zuckersand zu erkennen. Als sich der gelbe Nebel etwas gelichtet hatte, kam ein markanter Hügel zum Vorschein. Drei Geländewagen parkten vor dem Zugang zum Berg. Der künstliche Berg ist eingezäunt und dient in diesem Übungsgelände als Beobachtungspunkt für den Kommandeur.

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO in Schnöggersburg - (v.l.n.r.) Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Jörg Vollmer, und designierter VJTF2019-Kommandeur, Brigadegeneral Ullrich Spannuth, bei den Presse-Statements
Wir sollten das Areal auf keinen Fall verlassen. Oben war wenig Platz. Einige Stative wurden wieder eingeklappt und beiseite geräumt. Der Inspekteur des Heeres, Jörg Vollmer, stand oben und begrüßte die Journalisten. Neben ihm der angehende Kommandeur der VJTF(L)2019, Brigadegeneral Ullrich Spannuth, und der Chef der 1. Panzerdivision, Brigadegeneral Jürgen-Joachim von Sandrart. Letzterer trug ein sandfarbenes Halstuch und das schwarze Barett der Panzertruppen.

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO in Schnöggersburg - Kommandeur der 1. Panzerdivision, Brigadegeneral Jürgen-Joachim von Sandrart, vor Teilnehmern der NATO-Übung
Wir drängten uns um die Fachkompetenz und wurden in die Bedeutung von VJTF und dieser Übung eingeführt. VJTF steht für Very High Readiness Joint Task Force und bedeutet soviel wie Schnelle Eingreiftruppe aus internationalen Kräften. Hinter VJTF wird gerne noch ein (L) wie Landstreitkräfte und eine Jahreszahl gesetzt. In diesem Falle 2019, also VJTF(L)2019. Die Zuständigkeit für die Schnelle Eingreiftruppe der NATO rotiert jährlich. Deutschland ist 2019 dran.

Schnell ist hier in dem Sinne gemeint, dass innerhalb von 48 Stunden Truppen und Materialien an jeden beliebigen Ort der Welt verlegt werden können. Das ist insbesondere deshalb wichtig, da Länder wie Russland das auch können. Die Very High Readiness wird stufenweise auf- und abgebaut. Im Vorjahr zu 2019 - also jetzt - werden die Stunden zu Tagen. Es reicht also ein Monat für die komplette Verfügbarkeit. Im Jahr danach gilt das Gleiche. Das ist aber so vorgesehen, denn in 2018 oder 2020 sind andere NATO-Staaten für die VJTF zuständig.

Der Verband umfasst 8.000 Soldaten aus 9 Nationen. Bei der heutigen Übung waren hauptsächlich Norweger, Niederländer und Deutsche dabei. Der Laie fragt sich natürlich, wie die 48 Stunden realisiert werden können. Jörg Vollmer erklärte dazu, dass dann alle Materialien konfektioniert bereit stehen und nur noch verladen werden müssten. Er ließ keinen Zweifel daran, dass die Materialausstattung zu 100% den Bedarf deckt. Der General wandte sich auch gegen den Mythos, dass jeder Soldat jedes Gerät gleichzeitig zur Verfügung haben müsse. So sei ein wechselseitiger Austausch von Materialien je nach Einsatz-Szenario normal.

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO auf dem Weg nach Schnöggersburg
Dann ging es los. Alle sollten ihre Ohrstöpsel einsetzen. Dumpf hörten wir den Befehl des Kommandeurs zum Angriff auf das Gelände um Schnöggersburg. Es war nicht nur ein Befehl, sondern viele Teilbefehle. Es dauerte einen Moment, bis er alle Einheiten zu Fahrtrichtung, Timing und gewünschtem Ergebnis instruiert hatte. Neben dem Beobachtungshügel positionierten sich kleine Spähwagen Fennek. Einige Soldaten stiegen aus und positionierten sich mit Panzerfäusten im Gelände. Nicht ganz ungefährlich bei der folgenden Verkehrslage.

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO im Gelände vor Schnöggersburg
Die Verkehrslage wurde unentwegt kommentiert, so dass wir in etwa wussten, was da genau passiert und bezweckt wird. Von links nach rechts zogen dichte Staubwolken. Darin waren jede Menge Leoparden und Marder verhüllt. Zusätzlich wurden Nebelgranaten als Sichtschutz vor Schnöggersburg abgeworfen. Marder und Leopard 2 fahren auf Ketten. Ein Leopard 2 hat 1.500 PS und schafft damit 68 km/h. Sein kleinerer Bruder heißt Marder, hat 600 PS und schafft 65 km/h. Der Kommandeur muss genau wissen, wann er welches Gerät von welcher Seite aus anrollen lässt. Er spielt seine Trümpfe zeitversetzt aus wie beim Skat. Die Reaktion des Gegners könnte ja konträr zu seinem Plan laufen.

Nachdem wir ordentlich eingestaubt waren, begaben wir uns zu den Bussen. Die drei Generäle wurden mit drei G-Klassen zum nächsten Standort gebracht. Die Busse folgten. Am Wegesrand standen Panzer. Einige umrahmt von verbrannter Erde. Teilweise brannte das Gras noch. Das weithin sichtbare gelbe Gebäude am Ortseingang von Schnöggersburg kam näher.

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Sakralbau Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO in Schnöggersburg - Touristenbusse parken vor dem Sakralbau von Schnöggersburg
Bus, Sand und Bebauungsplan von Schnöggersburg gaukelten einen Urlaubsort an der spanischen Meeresküste vor. Stilecht hielten die Busse auch direkt vor dem Sakralbau. Der Sakralbau sollte eigentlich ein Mix aus Kirche, Synagoge und Moschee sein - wegen der politischen Korrektheit. In der Praxis redet aber jeder hier von Moschee. Die Häuser befinden sich alle im Rohbau. Es gibt kaum ein Haus mit Wasser oder Stromanschluss. Es sind nur die zur Übung nötigen Elemente wie Wände, Türen, Fenster, Räume und Treppen vorhanden.

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO in Schnöggersburg - Ein Oberst kommentiert den gesamten Ablauf vom gegenüberliegenden Haus aus. Hier nach der Einnahme des Ortes durch die VJTF-Truppen.
Die Stadtreinigung machte heute Siesta: Patronenhülsen in allen Größen und Farben lagen auf der Straße herum. Wir wurden zu einem Platz geführt, wo bereits die G-Klassen der Generäle parkten. Ein Haus mit Dachterrasse war als Beobachtungspunkt vorgesehen. Von hier aus konnte der Bereich des Ortes eingesehen werden, der für den folgenden Angriff relevant sein solte. Vom gegenüberliegenden Dach aus bekamen wir noch einige Erklärungen zum Geschehen. Dann tauchte der Oberst dort ab.

Nun folgte der Kampf um Schnöggersburg. Das Kräfteverhältnis war sehr ungleich. Die NATO-Truppen griffen zeitversetzt von verschiedenen Richtungen aus an. Es gab direkt vor uns einen Verwundeten, der parallel zu den lauten Kampfszenen versorgt und aus dem Hotspot gebracht wurde. Die Dachterrasse gegenüber füllte sich mit Patronenhülsen. Knall, Peng, Puff und reichlich Staub und Qualm kennzeichneten die knappe halbe Stunde des Gefechtes um Schnöggersburg.

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Sakralbau Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO in Schnöggersburg - Die VJTF-Kräfte sichern die eroberten Positionen. Im Hintergrund der Sakralbau von Schnöggersdorf.
Die psychologische Anspannung beim Häuserkampf muss enorm sein. Deshalb beobachtet der Kommandeur sehr genau die Lage und muss schnell über Rückzug oder Verstärkung entscheiden können. Eine festgelegte Einsatzdauer für die kämpfenden Soldaten gibt es nicht. Deren Belastbarkeitsgrenzen müssen situativ eingeschätzt und behandelt werden. Erleidet ein Soldat PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung), ist eine rechtzeitige Erkennung notwendig. Dafür sind nicht die Sanitäter, sondern die Führungskräfte zuständig. Der Betroffene sollte zeitnah aus der Truppe genommen werden. Durch die geminderte Leistungsfähigkeit kann er zum Risiko für das gesamte Team werden. Problematisch wird es, wenn der Leiter selbst von PTBS betroffen ist.

Die NATO geht davon aus, dass sich zukünftige Konflikte zu 70% im urbanen Bereich abspielen werden. Deshalb sind hochmoderne Übungsorte wie Schnöggersburg so wichtig. Es können hier diverse Szenarien geübt werden. Die Realität ist jedoch wesentlich herausfordernder. Die Innenaufteilung des Hauses ist unbekannt. Wer wird einem im Haus begegnen? Wer von den fünf Personen vor dem Gewehrlauf ist nun der potenzielle Feind? Eine Patrone, fünf Patronen?

Drei bis vier Soldaten pro Tag kommen mit diesem extremen Entscheidungsdruck nicht klar und kehren mit PTBS aus den Einsätzen zurück. Je besser sie auf Grenzsituationen geschult sind, umso besser können sie in Bruchteilen von Sekunden die richtigen Entscheidungen treffen. Die Bundeswehr hat eine PTBS-App entwickelt und das Thema in die kompetenten Hände von Generalarzt Bernd Mattiesen delegiert. Aus der Militärseelsorge war zu erfahren, dass die Heilungs-Chancen bei PTBS sehr gut stehen.

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO in Schnöggersburg - Generalleutnant Jörg Vollmer im Gespräch mit der Presse
Den Abschluss des Ausflugs nach Schnöggersburg bildeten zwei Statements der Generäle Vollmer und Spannuth. Es konnten Fragen gestellt werden. Dabei schauten wir auf das Rathaus. Es war an der Kuppel und den vier Fahnen davor zu erkennen: Deutschland, Niederlande, Norwegen und NATO. Zum Rathaus hätten wir nicht durchdringen können, da sich die VJTF-Soldaten mit ihren Fahrzeugen in Hollywood-Pose davor aufgereiht hatten.

VJTF #VJTF2019 NATO Schnöggersburg Schnelle Eingreiftruppe
VJTF - Schnelle Eingreiftruppe der NATO in Schnöggersburg - Teilnehmer aus den Niederlanden und im Hintergrund ein GTK Boxer unter der Leitung eines deutschen Sanitäts-Teams
Nach den Fragen verteilten sich die Anwesenden auf dem Platz, kletterten in die Panzer, redeten mit den Soldaten und nahmen O-Töne der Offiziere auf. Immer begleitet vom allgegenwärtigen Staub.

Irgendwann rollte der erste Panzer vom Platz. Das war das Signal zur Rückfahrt. Die Busse brachten uns wieder zur Altmark-Kaserne. Ein spannender Tag in der Natur ging zu Ende. An einer Baustellenampel wischte ich mir durchs Auge: gelber Sand.

Video:
VJTF2019 - Schnelle Eingreiftruppe der NATO nimmt die Übungsstadt Schnöggersburg ein

Autor: Matthias Baumann

Montag, 18. Juni 2018

Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte zum Antrittsbesuch in Berlin empfangen

Knapp zwei Wochen nach Amtsantritt stattete der italienische Ministerpräsident heute Abend seinen Antrittsbesuch im Kanzleramt ab. Die Regierungsbildung in Italien hatte etwa drei Monate gedauert und sich wegen der unterschiedlichen Ansichten der koalitionsfähigen Parteien schwierig gestaltet.

Italien Ministerpräsident Giuseppe Conte Antrittsbesuch Angela Merkel
Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel
Giuseppe Conte ist Rechtswissenschaftler und hatte 1988 in Rom sein Examen mit summa cum laude abgelegt - zu Deutsch: Eins plus. Sein Absolvieren von Universitäten in den USA 1992 hatte er so formuliert, das der Eindruck vermittelt worden war, er habe dort auch studiert. Die NYU New York University bestätigte jedoch, dass er an keiner der genannten Universitäten eingeschrieben war. Wie Conte darauf erklären ließ, habe er beim Besuch lediglich seine Sprachkenntnisse aufgebessert.

Giuseppe Conte gilt als Europa-Kritiker. Seine inländischen Hauptthemen sind der Schuldenabbau durch Wirtschaftswachstum und die Reduzierung der Einwanderung. Er fordert eine faire Umverteilung von Migranten innerhalb Europas.

Der 53-jährige Giuseppe Conte wurde mit militärischen Ehren empfangen. Heute gab es die seltene Situation, dass die Pressebegegnung vor den Gesprächen der Amtskollegen stattfand. Entsprechend ernüchternd fiel diese Begegnung aus. Angela Merkel nahm ihren Kritikern proaktiv den Wind aus den Segeln und sprach über eine Stärkung von Frontex, sichere Grenzen und einen Ausbau der Afrika-Hilfen, um einer Abwanderung nach Europa schon in den Herkunftsländern zu begegnen.

Italien Ministerpräsident Giuseppe Conte Antrittsbesuch Angela Merkel
Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel - Pressebegegnung
Giuseppe Conte ging in seinem Statement auf die beiden oben genannten Themen Migration und Wirtschaftswachstum ein. Statt über Wachstum zu reden, verwendete er einige Zeit auf Zahlen zur Armut in Italien, den Suppenküchen und Obdachlosigkeit. So gebe es in Italien etwa 100.000 Obdachlose.

Fragen der Redakteure waren diesmal nicht vorgesehen. Die Kanzlerin geleitete ihren Kollegen zu den Fahnen. Nach dem obligatorischen Handschlag entschwanden beide Spitzenpolitiker den Blicken der anwesenden Journalisten.

Video:
Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel empfangen

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 14. Juni 2018

#SMAU - Start-ups vernetzen sich auf Italienisch

Beinahe wäre ich zu früh in der Italienischen Botschaft erschienen. 18:00 Uhr hatte ich mir eingeprägt und dann doch noch einmal auf das Ticket geschaut. Punkt sieben stellte ich den Wagen vor dem rosa Gebäude am Tiergarten ab. Am Eingang standen dekorative Carabinieri und zeigten den Weg zu den Damen mit den Teilnehmerlisten. Keine bekannten Gesichter. Kein Deutsch. Dafür aber eine anmutige weiße Mädchen-Skulptur, die in vielen bunten Tüchern versank. Die Garderobe?

#SMAU Italy Restarts Up Italienische Botschaft
SMAU | Italy Restarts Up - Networking Cocktail in der italienischen Botschaft
Die Pressefrau von SMAU sprach mich an und wir tauschten die Visitenkarten aus. Konversation auf Englisch. Gab es hier nur Italiener? Sollte das nicht ein Vernetzungsabend mit deutschen Start-ups werden? Ich schlenderte durch das Obergeschoss, schaute in das römische Atrium. Alles stilecht und liebevoll gepflegt. Hier eine abgebrochene Säule, dort eine spanische Wand und in einem Nebengelass sehr gemütliche Sitzecken: gelbes Leder und Glasplatten auf antikem Gestein. Wer hier wartet, kann in edlen Bildbänden von Maserati blättern.

Gegen halb acht entdeckte ich den ersten Deutschen: Staatssekretär Rickerts. Im großen Saal setzte er sich direkt vor mich neben ein A4-Blatt mit der Aufschrift "S.E." - die Abkürzung für "Seine Exzellenz". Damit war der Botschafter Italiens, Pietro Benassi, gemeint. Dieser eröffnete den Abend mit einer äußerst blumigen Rede. Ich blickte mich um. Nur Staatssekretär Rickerts und ich schienen die Simultanübersetzung zu nutzen. Leidenschaftliche Worte klangen durch den Kopfhörer. Synapsen, Disruption und das einheitliche Wirken in einem europäischen Hirn wurde mit so viel Sprezzatura vorgetragen, dass man schon fast die deutsche Nüchternheit vergaß.

#SMAU Italy Restarts Up Italienische Botschaft
SMAU | Italy Restarts Up - Reden vor stilechter Kulisse in der italienischen Botschaft
Es folgten weitere Reden, deren Inhalte weitestgehend vorhersehbar waren: Zahlen und Fakten und Fakten und Zahlen und immer wieder Big Data, Industrie 4.0 und Digitalisierung. Großes Erstaunen herrschte jedoch darüber, dass sogar Banken neuerdings beweglich seien und auf die Bedürfnisse von Start-ups eingingen. Die Zuhörer lernten zudem, dass Italien viele kleine, aber schlagkräftige Produktionsunternehmen habe. Dass das Investitionsklima gut und die staatliche Förderung beispielhaft sei. Letzteres wurde durch die Präsenz regionaler Wirtschafts-Organisationen deutlich.

Ein starker Fokus lag auf Talenten: Talente, Talente, Talente! Talente finden, Talente fördern, Talente verbinden. So sei eine homogene Atmosphäre mit geistiger Dürre gleichzusetzen. Innovation könne nur in einem heterogenen Rahmen entstehen, der Raum zum Ausprobieren, Raum für Fehler und Raum für unterschiedliche Sichtweisen lasse. Der letzte Redner, der sich selbst als letzte Bremse vor dem Networking-Cocktail bezeichnete, berichtete aus seiner Praxis des Vermarktens von Start-ups. So sei seine Organisation durch das Land gereist, habe sich die sämtlichen Produkte von Start-ups angesehen und bewirbt diese nun in den Sozialen Medien und im Fernsehen.

Dass Start-ups und Marketing nicht immer harmonieren, stellte sich auch in den Gesprächen bei Rotwein und italienischem Buffet heraus. So seien Start-ups angereist, die gar nichts mit dem Thema Networking anfangen können und auf ein Networking durch ihre offiziellen Regionalvertreter hofften. Ab und zu begegnete ich tatsächlich Gästen, die Deutsch sprachen. Das war an ihrem Akzent bei der Konversation auf Englisch zu erkennen. Es handelte sich weitestgehend um App-Firmen aus dem FinTech- oder Fahrzeug-Umfeld: Jung, Brille, Hipster-Style.

#SMAU Italy Restarts Up Italienische Botschaft
SMAU | Italy Restarts Up - Hieronymus schaut zu beim Networking-Cocktail in der italienischen Botschaft
Beim Verspeisen des Tiramisus schaute Hieronymus von einem Ölgemälde aus zu. Hieronymus hatte um 400 die Bibel auf Latein übersetzt. Diese Übersetzung ist als Vulgata bekannt. Beim Verlassen der Botschaft lief ich an einem Sims vorbei: "SPERA IN DEO ET FAC BONITATEM" - "Vertraue auf Gott und tue Gutes". SMAU verfolgt einen guten und altruistischen Ansatz. Es geht hier nicht um das egoistische Einbehalten von Know-how, sondern den Austausch, die Vernetzung. Ganz im Stil des Silicon Valleys, wo innovative Köpfe gemeinsam sinnieren, auch wenn sie eigentlich Wettbewerber sind.

"SMAU | Italy Restarts Up" wird heute fortgesetzt im Palazzo Italia: Unter den Linden 10. Dort präsentieren sich die italienischen Start-ups. Sie diskutieren über Wettbewerb, Verkehrskonzepte, virtuelle Realität, Mode, Finanz-Technologien, innovative Ökosysteme und weitere Themen. SMAU findet nun schon das vierte Mal in Berlin statt.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 13. Juni 2018

Kroatischer Verteidigungsminister Damir Krstičević zum Antrittsbesuch im Bendlerblock empfangen

Damir Krstičević wollte schon immer Soldat werden. Der vor 49 Jahren im ehemaligen Jugoslawien geborene Junge machte seinen Traum wahr, indem er zunächst die Militärhochschule Sarajevo absolvierte und an der Militärakademie Belgrad seine Ausbildung fortsetzte. 1991 - nach dem Zerfall von Jugoslawien - trat er in die 4. Brigade der Kroatischen Nationalgarde ein und diente sich dort hoch.

Kroatischer Verteidigungsminister Damir Krstičević Antrittsbesuch Berlin
Kroatischer Verteidigungsminister Damir Krstičević zum Antrittsbesuch in Berlin - Militärische Ehren
In dieser Zeit gab es viel für ihn zu tun, da die Segmentierung Jugoslawiens nicht gerade friedlich verlaufen war. 1997 wurde er an das U.S. Army War College (USAWC) geschickt, um sich weiter qualifizieren zu lassen. Im Jahr 2000 war er Mitunterzeichner des sogenannten Zwölf-Generäle-Briefes. Dieser Brief kritisierte die Regierung und die Berichterstattung über Einsätze der kroatischen Streitkräfte.

Spätestens seit Karl Müllner ist bekannt, dass kritische Generäle gerne mal vorfristig in den Ruhestand versetzt werden. Damir Krstičević kam bereits im zarten Alter von 31 Jahren in diesen Genuss. "Geschafft", würde so manch ein Otto Normalbürger sagen. Damir Krstičević sah das anders und betätigte sich als Geschäftsführer in einem kroatischen Software-Unternehmen.

Die Leidenschaft für militärisches Abenteuer ließ ihn aber auch als Manager nicht los. So stürzte er 2007 mit einem Hubschrauber ab. Er überlebte und sicherte sich einen Platz in der Hall of Fame am USAWC. Bei den Parlamentswahlen 2016 gewann seine Partei. Dadurch wurde ihm der Weg geebnet, seinen Kindheitstraum als Verteidigungsminister zu leben.

Kroatischer Verteidigungsminister Damir Krstičević Antrittsbesuch Berlin
Kroatischer Verteidigungsminister Damir Krstičević zum Antrittsbesuch in Berlin - Anschließend fanden Gespräche im Bendlerblock statt. Im Hintergrund steht ein Teil der Delegation.
Damir Krstičević ist einer der wenigen Verteidigungsminister, die erstens männlich und zweitens vom Fach sind. Betrachtet man die Frauenquote der jüngsten Antrittsbesuche, so fallen Gäste wie Mario Kunasek (Österreich) oder eben Damir Krstičević (Kroatien) besonders auf.

Deutschland und Kroatien arbeiten enger zusammen, als landläufig wahrgenommen wird. Als EU- und NATO-Partner sichert Kroatien die Südostflanke Europas, kämpft an der Seite der Bundeswehr in Afghanistan und im Kosovo und zeigt in Litauen Präsenz. In den heutigen Gesprächen mit Ursula von der Leyen soll es - wie nicht anders zu erwarten - um Sicherheitspolitik und Fragen der EU gehen.

Video:
Begrüßung des Kroatischen Verteidigungsministers Damir Krstičević mit militärischen Ehren

Autor: Matthias Baumann

Montag, 11. Juni 2018

Raum der Information am Ehrenmal der Bundeswehr durch Ursula von der Leyen eröffnet

Ein Jahr kann sehr lang sein. Ein Jahr lang zierten OSB-Platten den Bereich zwischen dem Ehrenmal der Bundeswehr und der Zufahrt an der Hildebrandstraße. Ein Jahr lang musste die Ehrenformation einen Schlenker laufen. Auch Ministerbesuche und der Große Zapfenstreich waren davon betroffen. Staatsgäste stiegen neben dem Gitterzaun am Paradeplatz aus und die Presse stand auf einem Boden aus Holzlatten.

Und plötzlich war der OSB-Zaun weg. Nach einem Jahr hatte man sich schon so daran gewöhnt, dass das gerade Einmarschieren zum Großen Zapfenstreich für Karl Müllner für einen Aha-Effekt sorgte. Leider war es bei diesem Anlass zu dunkel, um dem verschwundenen Sichtschutz weiter nachzugehen. Es war auch keine architektonische Unregelmäßigkeit zu erkennen.

Raum der Information Ehrenmal der Bundeswehr
Raum der Information am Ehrenmal der Bundeswehr - Schlüsselübergabe durch Petra Wesseler vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (links) an Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (rechts)
Heute wurde das Geheimnis gelüftet: Der Raum der Information wurde mit einer symbolischen Schlüsselübergabe eröffnet. Schlichte Architektur auf 120 m². Das entspricht in etwa der Grundfläche einer 5-Zimmer-Wohnung in Berlin. Die Referenzen von TRU Architekten offenbaren, dass diese ihre Kreativität mit schlicht, eckig und modern entfalten. Damit waren sie genau die Richtigen zur Gestaltung eines Anbaus für das Ehrenmal der Bundeswehr.

Das Ehrenmal der Bundeswehr erinnert an die nunmehr 3.267 Männer und Frauen, die während ihres Dienstes ums Leben gekommen waren. Hier mischen sich Victima und Sacrificium: Victima betrifft Unglücksfälle, die beispielsweise auf fehlerhafte Bedienung von Geräten zurückzuführen sind oder auch in anderen Lebenssituationen hätten passieren können. Sacrificium ist beispielsweise der Tod von Tobias Lagenstein, der als Personenschützer stellvertretend für General Markus Kneip in Afghanistan gestorben war.

Markus Kneip war heute Abend nicht dabei. Dafür aber mehrere Generäle und Admiräle sowie Angehörige der Verstorbenen. Insgesamt nahmen etwa 200 Gäste an der feierlichen Eröffnung teil. Die erste Rede hielt die Ministerin. Danach sprach Jutta-Kathrin Pauli als Vertreterin der Hinterbliebenen. Den Abschluss inklusive Schlüsselübergabe bildete Petra Wesseler vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung.

Raum der Information Ehrenmal der Bundeswehr
Raum der Information am Ehrenmal der Bundeswehr - Zugang vom Paradeplatz aus - Eisernes Kreuz an den jeweiligen Außenseiten der massiven Türen (siehe geöffnete Tür zum Paradeplatz)
Der Raum der Information ergänzt - wie der Name schon sagt - das Ehrenmal der Bundeswehr um Hintergrundinformationen zu den verstorbenen Personen. Besucher können den Raum wechselseitig von der Hildebrandstraße oder vom Paradeplatz aus betreten. In Vitrinen sind Gegenstände zu sehen, die Angehörige im Ehrenmal liegen gelassen hatten.

Per Audio und Video werden die Gäste auf Deutsch und Englisch über die Umstände des Ablebens informiert. Die Bilder sind in Schwarz-Weiß gehalten und unterstreichen damit den Charakter des Themas.

In die massiven Eingangspforten ist ein Eisernes Kreuz - das Symbol der Bundeswehr - eingelassen. Der Raum der Information wird von der Südseite aus betreten. Zuerst nimmt der Besucher ein Schriftband mit Zitaten wahr. Dieses spiegelt sich in der Außenscheibe. Hinter einer Holzwand eröffnet sich ein Raum mit Sitzgelegenheiten. Dieser Bereich ist durch eine weitere Holzwand auf der Nordseite abgeteilt. Dahinter findet der Besucher Ruhe zum Nachdenken. Dabei schaut er in einen kleinen Lichthof mit einer dreistämmigen Hainbuche.

Raum der Information Ehrenmal der Bundeswehr
Raum der Information am Ehrenmal der Bundeswehr - Rundgang nach der Eröffnung mit Staatssekretär Peter Tauber, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Generalinspekteur Eberhard Zorn (v.l.n.r.)
Der Raum der Information fügt sich fast unmerklich in das Ensemble von Ehrenmal der Bundeswehr und Wachgebäude ein. Es bildet eine harmonische Einheit. Die Hinterbliebenen sind dankbar für diesen weiteren "Baustein" des Gedenkens.

Video:
Feierliche Eröffnung des Raumes der Information am Ehrenmal der Bundeswehr

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 8. Juni 2018

9. Juni 2018 - Tag der Bundeswehr in Dresden und 15 weiteren Orten

Das Tor zur Graf-Stauffenberg-Kaserne war mit einem Tarnnetz überzogen. Fast hätte ich es übersehen, wenn nicht ein hellblauer Schriftzug die Gäste zum Tag der Bundeswehr begrüßt hätte - zum #TDBW18. Ein Trupp Soldaten in Camouflage trug Biertisch-Garnituren und hantierte mit weiteren Tarnnetzen herum. Die Festzelte waren schon aufgebaut, Gabelstapler entluden sperrige Teile und eine Panzerbesatzung dekorierte die Munition ihrer Selbstfahr-Haubitze. "Bitte nicht berühren!", soll wohl morgen die kleinen und großen Kinder von der Mitnahme der Munition abhalten.

#TDBW18 Tag der Bundeswehr 2018 Dresden
#TDBW18 Tag der Bundeswehr 2018 Dresden - Brigadegeneral Harald Gante, Leiter der Offiziersschule des Heeres
Wegen einer Vollsperrung auf der A13 war ich fünf Minuten zu spät beim Presse-Briefing eingetroffen. Brigadegeneral Harald Gante hatte gerade seine Kurzeinführung zur Offiziersschule des Heeres begonnen. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Ausstattung der Bundeswehr kontinuierlich verbessert werde. Es waren vorwiegend Bildreporter vor Ort, so dass nur wenige Fragen gestellt wurden. Das war auch gut so, denn das KSK (Kommando Spezialkräfte) aus Calw machte sich bereits für eine Lagebereinigung aus der dritten Dimension startklar - zu Deutsch: Hubschraubereinsatz.

#TDBW18 Tag der Bundeswehr 2018 Dresden
#TDBW18 Tag der Bundeswehr 2018 Dresden - Einsatz des KSK mit Hubschrauber H145M
Es wurden zwei leichte Einsatzhubschrauber des Typs H145M verwendet. Schon wieder kamen getarnte Soldaten zum Einsatz. Diesmal sogar mit beschmierten Gesichtern und G36-Gewehren. Unsere offiziellen Begleiter mit Barett nahmen diese ab und verstauten sie sicher in ihren Taschen. Bäume und Gebüsche bewegten sich wild unter dem Einfluss der schneller werdenden Rotorblätter. Fast wurde meine Kamera weggesogen. So nah waren wir dran! Die beiden Helikopter hoben ab und entschwanden Blicken und Gehör.

#TDBW18 Tag der Bundeswehr 2018 Dresden
#TDBW18 Tag der Bundeswehr 2018 Dresden - Leopard 2 bei der Sicherung einer mobilen Brückenverlegung
Danach ging es im Konvoi zu einem anderen Schauplatz. Dieser war zwar nicht so windig, dafür aber ebenso laut. Motor-Sound vom Feinsten: Fuchs, Leopard und Brückenlegepanzer zeigten auf einem rustikalen Parkplatz ihr Können. Wer auch immer in der Berliner Innenstadt die Tempo-Schilder "30 Luftreinhaltung" angebracht hat, wäre hier in Ohnmacht gefallen. Dicke schwarze Dieselwolken aus einem 45-Tonnen-Fahrzeug, das mit Schmackes über den Platz sauste und elegante Drifts vollführte. Das erinnerte ein wenig an die BMW Driving Experience mit M4.

#TDBW18 Tag der Bundeswehr 2018 Dresden
#TDBW18 Tag der Bundeswehr 2018 Dresden - Leute aus dem "Fuchs" mit Panzerfaust, Ersatzmunition, G36 und Granatpistole
Es wurden die Besatzungen, technischen Daten und Gewichte der Fahrzeuge vorgestellt. Da wir ja zur Generalprobe des morgigen Tages erschienen waren, durften wir sogar für Fotos und Videos den abgesperrten Bereich betreten. Der Kommandeur des Brückenfahrzeuges mit seiner einsatzbereiten UZI wollte aber nicht für ein Foto aufstehen, da er sonst die Deckung verlassen hätte. Der Mann versteht sein Handwerk und lässt sich auch nicht durch Paparazzi aus dem Konzept bringen.

#TDBW18 Tag der Bundeswehr 2018 Dresden
#TDBW18 Tag der Bundeswehr 2018 Dresden - Brückenlegepanzer: Drift und Diesel-Skandal
Anschließend stiegen wir wieder in die Autos und steuerten das Militärhistorische Museum an. Schon bei der Zufahrt auf den Olbrichtplatz beeindruckt der Bau, der wie ein Mix aus Schloss Bellevue und Jüdischem Museum aussieht. Man stelle sich das Schloss Bellevue vor, dessen linker Flügel gerade von einer Fregatte durchpflügt wird.

#TDBW18 Tag der Bundeswehr 2018 Dresden
#TDBW18 Tag der Bundeswehr 2018 Dresden - Militärhistorisches Museum
Zunächst musste eine beeindruckende Freitreppe erklommen werden. Oben zwei Offiziere: Oberstleutnant Dr. Armin Wagner, der Chef des Museums, und Brigadegeneral Alexander Sollfrank, der Kommandeur der Spezialkräfte aus Calw. Alexander Sollfrank hat einen guten Ruf bei der Truppe. Dieser geht über die Grenzen des KSK hinaus. Das KSK hat drei Schwerpunkte: deutsche Geiseln im Ausland befreien, Kriegsverbrecher aufspüren und festnehmen sowie Aufklärung in feindlichen Gebieten.

Die Spezialkräfte sind personell und materiell gut ausgestattet und erinnern damit ein wenig an die GSG 9. "Wir suchen tatsächlich nach den Besten", erklärte Alexander Sollfrank auf eine Frage zum Nachwuchs. Die Frauenquote liegt beim KSK im einstelligen Prozentbereich, da die körperlichen Anforderungen für Frauen und Männer identisch seien. Gepäck, Gerätschaften, Munition, Verpflegung wiege für alle gleich. Hinzu kämen extreme Bedingungen wie Wüste oder arktische Kälte. Wie bei der GSG 9 war nur der Kommandeur zu erkennen. Alle anderen Spezialkräfte trugen Masken und Schutzbrillen.

#TDBW18 Tag der Bundeswehr 2018 Dresden
#TDBW18 Tag der Bundeswehr 2018 Dresden - Brigadegeneral Alexander Sollfrank (links) und drei unerkannte Soldaten des Kommandos Spezialkräfte aus Calw
Die Ausführungen wurden durch das Abseilen von zwei Soldaten unterbrochen. Sie seilten sich von der stilisierten Fregatte am linken Flügel des Museums ab.

#TDBW18 Tag der Bundeswehr 2018 Dresden
#TDBW18 Tag der Bundeswehr 2018 Dresden - Bitte nicht (alles) berühren!
Morgen wird es diese Vorführungen noch einmal geben. Dann aber vor einem breiten Publikum aus dem Sachsenland. Insgesamt werden an den 16 Standorten 300.000 Besucher erwartet. Das ist das Anderthalbfache der Sollstärke der Bundeswehr. Von Flensburg bis Ingolstadt können Gäste Großgeräte anfassen, mit Soldaten reden und diverse Vorführungen sehen. Leitthemen sind die aktuellen Auslandseinsätze und die Reserve. Für Berliner ist wohl der Fliegerhorst Holzdorf südlich der A10 am schnellsten zu erreichen. Der heutige Tag in Dresden gab jedenfalls schon einen interessanten Vorgeschmack auf den morgigen Tag der Bundeswehr 2018 oder eben #TDBW18.

Video:
Generalprobe zum Tag der Bundeswehr 2018 in Dresden - #TDBW18

Autor: Matthias Baumann

Montag, 4. Juni 2018

Netanjahu will Iran den Geldhahn zudrehen

Das erwartete Verkehrs-Chaos in der City war ausgeblieben - zumindest auf den wichtigen Tangenten südlich des Kanzleramtes. Das Kanzleramt selbst war mit rot-weißen Gittern umstellt. Zwischen Reichstag und Paul-Löbe-Haus wehten palästinensische Fahnen. Auf dem Balkon vor dem Büro der Kanzlerin standen Damen und Herren in dunklen Anzügen. Die Vögel zwitscherten. Im Ehrenhof des Kanzleramtes war die israelische Flagge gehisst.

Welche Farbe wird wohl die Jacke der Kanzlerin heute haben? Flieder vor Blau hatte sich beim letzten Besuch von Benjamin Netanjahu sehr gut gemacht. Im Februar 2016 hatte man sich endlich einmal auf aktuelle Dinge konzentriert und damit eine gute Atmosphäre geschaffen. Damals hatte die Pressekonferenz sehr pünktlich begonnen, was die Fotografen völlig aus dem Konzept gebracht hatte.

Benjamin Netanjahu Berlin Angela Merkel
Benjamin Netanjahu besucht Angela Merkel in Berlin - Auftakt einer Europareise
Heute begann die Pressekonferenz mit 25 Minuten Verspätung. Bei guten Gesprächen kommt das öfter mal vor. Angela Merkel trug heute kein Flieder, sondern die Nationalfarben Israels: weiße Hose und blaues Jäckchen. Benjamin Netanjahu war mit blauer Krawatte und weißem Hemd auf seine Amtskollegin abgestimmt.

Der Kampf mit dem Kopfhörer für die Simultanübersetzung 2016 war noch gut in Erinnerung. Jedenfalls unternahm Netanjahu mit einem verschmitzten Lächeln den Versuch, das Gerät am rechten Ohr zu befestigen. Es fiel ab. Irritiert schaute die Kanzlerin auf den Gast und den Kampf mit der Technik. Nach zwei Minuten - die vor unentwegt klickenden Kameras sehr lange sein können - war das Hörgerät angebracht. Die Pressekonferenz konnte beginnen.

Benjamin Netanjahu Berlin Angela Merkel
Benjamin Netanjahu bei Angela Merkel - Kampf mit dem Hörgerät
Zunächst redete die Kanzlerin über die Themen, die heute auf der Tagesordnung standen. Dazu gehörte unter anderem die Vorbereitung der Regierungskonsultationen, die im Oktober in Israel stattfinden sollen. Deutschland interessiert sich insbesondere für den Hochtechnologie-Sektor und israelische Drohnen.

Einen beachtlichen Teil der Unterredungen nahm der Umgang mit JCPOA, dem Atomabkommen mit dem Iran, ein. Die Kanzlerin machte deutlich, dass Deutschland und Israel unterschiedliche Herangehensweisen favorisieren. Deutschland setzt bezüglich der Verdrängung iranischer Truppen aus Syrien und dem Jemen auf diplomatischen Einfluss.

Um im Nahen Osten zu bleiben, bekräftigte die Kanzlerin den deutschen Standpunkt einer Zwei-Staaten-Lösung zur Beilegung des Konfliktes mit den Palästinensern. Sie habe jedoch auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass beispielsweise Kinder von der Hamas als Schutzschilder für terroristische Aktivitäten missbraucht werden. Zur Hilfe für die Menschen in Gaza seien konkrete Projekte auf den Weg gebracht worden.

Benjamin Netanjahu Berlin Angela Merkel
Benjamin Netanjahu lobt die soliden Beziehungen mit Deutschland.
Benjamin Netanjahu lobte die solide Grundlage der Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Die Merkel-Regierung und auch ihre Vorgänger hätten immer eine klare Haltung bezogen. Zudem sei man sich der Unterstützung in Sicherheitsfragen gewiss. Schnell kam der Premierminister auf den Iran zu sprechen. Die aktuell verbreitete iranische Leitlinie "Krebsgeschwür Israel vernichten" sei ein Grund zur Sorge.

Nachrichtendienste hätten neue Erkenntnisse über das iranische Atomprogramm zu Tage befördert, die nun zur Prüfung in den Kontroll-Ausschüssen liegen. Netanjahu zeigte sich entschlossen, dass sein Land den Iran an einer atomaren Eskalation hindern werde. In diesem Zusammenhang gebe es viel versprechende Beziehungen zu arabischen Staaten, die ebenfalls den Einfluss des Irans mit Argwohn betrachten. Diese profitieren nun von einem gemeinsamen Sicherheitskonzept und technologischen Fortschritten. Letzteres wirke sich positiv auf den Wohlstand aus und schaffe dadurch eine Zufriedenheit und Stabilität in den jeweiligen Ländern.

Benjamin Netanjahu Berlin Angela Merkel
Benjamin Netanjahu will dem Iran den Geldhahn zudrehen und fordert weitere wirtschaftliche Sanktionen.
Laut Benjamin Netanjahu will der Iran den Nahen Osten unter seine Kontrolle bringen. In Syrien und Jemen habe Iran bereits 18.000 Angehörige von Schiiten-Milizen installiert. Das Ziel seien 80.000 Mann. Dadurch werde allein schon der inner-islamische Konflikt mit den Sunniten angeheizt und weitere Flüchtlingswellen ausgelöst. Wo die Flüchtlinge dann landen, sei bekannt. JCPOA habe dem Iran so viel Geld zufließen lassen, dass er überhaupt erst einmal in der Lage war, diese Milizen zu rekrutieren.

Israel wird den Iran vor seiner Haustür nicht dulden, insbesondere wegen der ernst zu nehmenden Äußerungen mit dem Krebsgeschwür. Deshalb müsse dem Iran der Geldhahn zugedreht werden. Weitere wirtschaftliche Sanktionen seien zu verhängen.

Es folgten die obligatorischen vier Fragen der Redakteure: zwei Mal Israel und zwei Mal Deutschland. Steffen Seibert musste mehrfach einschreiten, da sich die Journalisten nicht an die Regel der einen Frage hielten und ganze Fragenkomplexe entfalteten.

Benjamin Netanjahu Berlin Angela Merkel
Benjamin Netanjahu hält eine leidenschaftliche Rede nach dem Angriff eines deutschen Journalisten.
Der letzte Fragesteller kam aus Deutschland. Er verlagerte das Anliegen der Demonstranten am Paul-Löbe-Haus in die Presse-Ecke des Kanzleramtes. Verpackt in seine Fragen sprach er von illegalen Siedlungen, permanent gebrochenem Völkerrecht und illegal beschafften Atomwaffen.

An der Ausgestaltung von Fragen dokumentiert sich journalistische Professionalität. Der Premierminister reagierte mit einer leidenschaftlichen Rede, die über fünf Minuten dauerte. Er redete von der ausgestreckten Hand Israels, gescheiterten Friedensverhandlungen, dem Existenzrecht Israels, der allgegenwärtigen terroristischen Bedrohung sowie den Angriffen auf Israel von Gebieten aus, die an die Nachbarn zurückgegeben worden waren.

Benjamin Netanjahu Berlin Angela Merkel
Bundeskanzlerin in den Nationalfarben Israels
Nach einer halben Stunde war die Pressekonferenz zu Ende und die Amtskollegen gaben sich die Hand. Angela Merkel bildete dabei eine optische Einheit mit der blau-weißen Fahne Ihres heutigen Gastes.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 1. Juni 2018

Enrico Brissa, Parkett und Protokoll

"Wozu liest du ein Buch über Höflichkeit?", fragte meine Frau nach der Grillparty mit den Omas. Ich war nicht zur Begrüßung aufgestanden, als ein weiterer weiblicher Gast aufgetaucht war. Genervt hatte ich die Grillsauce durchgereicht und während der familiären Konversation das Buch "Auf dem Parkett" von Enrico Brissa gelesen.

Der Vorwurf meiner Frau war nicht ganz unbegründet. Schon beim Lesen des Buches liefen einige Szenen aus dem Alltag am inneren Auge vorbei. Das Schlimme daran: Ich war fast immer beteiligt. Sei es der Kaugummi beim Staatsbesuch im Kanzleramt, sei es das Papiertaschentuch bei der Botschafter-Akkreditierung, sei es die zum Gruß ausgestreckte Hand bei der Begegnung mit einem Minister oder sei es eine beim Dinner überreichte Visitenkarte - das Buch sensibilisiert für ein entspanntes, aber korrektes Verhalten auf dem Parkett.

Enrico Brissa Lesung Handbuch Auf dem Parkett
Stolz präsentiert Protokoll-Chef Enrico Brissa sein Buch "Auf dem Parkett" bei einer Lesung im Buchladen Bayerischer Platz
Neben den soeben erwähnten Manieren und Unaufmerksamkeiten können auf dem Parkett weitere Peinlichkeiten passieren. So zum Beispiel 2015 beim Neujahrsempfang des Diplomatischen Korps im Schloss Bellevue. Als ich mich im Langhanssaal nach der Defilee-Liste bückte, riss mit lauter akustischer Begleitung meine Hose. Ein Diplomat aus Österreich und einer der umstehenden BKA-Beamten versicherten, dass nichts zu sehen sei, da das Sakko die Stelle verdeckte. Es war jedoch sehr peinlich und soll auch schon anderen Personen in protokollarischen Zusammenhängen passiert sein.

Der Fauxpas (gesprochen: Fo-pah) ist nach Enrico Brissa ein auf dem Parkett begangener Fehltritt, eine protokollarische Havarie oder sonstige Entgleisung. Je nach Umfeld und Schwere kann ein Fauxpas übersehen, im Nachhinein angesprochen oder sofort geahndet werden. Sehr unpraktisch ist es, wenn der Verursacher kein Feedback zu seinem Fehlverhalten bekommt und zukünftig einfach vor verschlossenen Türen steht. Diese Türen sind wörtlich und als Metapher zu verstehen.

Enrico Brissa hat das gute Benehmen bereits mit der Muttermilch aufgesogen. Als Sohn eines Italieners musste er als Kind an Familienfeiern im romantischen Piemont teilnehmen und wurde dort auf Etikette getrimmt: Besteck, Handkuss, Umarmung, Aufstehen, Sitzen, Konversation und weitere Dinge, die anderen Kindern erspart bleiben. Allerdings werden die geschonten Kinder sicher nicht Protokoll-Chef im Schloss Bellevue oder im Bundestag.

Der Autor hatte die Bundespräsidenten Wulff und Gauck begleitet und ist nun für den Bundestag tätig. Mehrfach ist er uns durch das Video oder die Fotos gelaufen. Elegant, mit einer bestimmten Höflichkeit gegenüber den Staatsgästen und oft mit der wegweisenden Geste für die Beteiligten. Eine seiner Handbewegungen ist seit geraumer Zeit Bestandteil meiner Kindererziehung oder wortlosen Führung von Gästen geworden. Das Buch hat mir jedoch gezeigt, dass noch diverse Defizite existieren. Daran lohnt es sich zu arbeiten.

Heute Abend begegneten wir Enrico Brissa bei der Lesung seines Werkes im Buchladen Bayerischer Platz. In den nächsten Wochen ist er mit Lesungen gut beschäftigt und dafür im gesamten Bundesgebiet unterwegs.

Autor: Matthias Baumann