Samstag, 10. August 2019

Voller Einsatz: 3 Tage mit der 4. Kompanie des Wachbataillons in Flensburg

Das hatte schon etwas von Klassenfahrt: 3 Tage unterwegs mit 40 jungen Männern in Flecktarn und davon zweimal sieben Stunden im Bus. "Ich habe vier Paar Schuhe mit", waren die ersten Worte des Presseoffiziers, als wir uns am Parkplatz sortierten. Ich hatte nur zwei Paar mit. Überhaupt war es unklar, wie man sich auf das Wetter in Flensburg vorbereiten sollte. Ein Wetterbericht kündigte Regen an, der andere behauptete das Gegenteil. Beides traf letztlich für Flensburg zu. Das Wetter an der Förde kann von einer Minute auf die andere von wolkenlos auf Monsunregen umschalten. Die Beschleunigung des Windes von Null auf Orkan stellt jedes Elektroauto in den Schatten.

Wachbataillon 4. Kompanie Marineschule Mürwik Flensburg
4. Kompanie des Wachbataillons zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg - Sonnenuntergang gegenüber der Marineschule Mürwik - Segelschiff auf der Förde
Deshalb wurde wohl bei der vorgelagerten Kleidungskontrolle auch der Nässeschutz kontrolliert. Kontrolliert wurden auch die geknoteten Tücher, die Gürtel, die Handschuhe und die Vollzähligkeit der Soldaten. Dann ging es los. Wir waren relativ schnell in Hamburg, brauchten aber lange, bis wir wieder draußen waren. Die Reisezeit demonstrierte sehr anschaulich, wie groß Deutschland ist - und Hamburg. Als wir in Flensburg ankamen, hatte man dort gerade auf Regen umgeschaltet. Die Karabiner wurden eingelagert und die Stuben bezogen. Dann noch ein kurzes Antreten, Infos und Feierabend. Während ich auf der Treppe zur Förde auf den Sonnenuntergang wartete, liefen Offiziersanwärter mit riesigen Pizzaschachteln an mir vorbei. Es duftete. Nach zwei Stunden waren die Schachteln leer und wurden (vermutlich) fachgerecht entsorgt.

Wachbataillon 4. Kompanie Marineschule Mürwik Flensburg
4. Kompanie des Wachbataillons zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg - Der Spieß (vorne links) verteilt die Stubenschlüssel.
Am nächsten Tag sollte die Vorübung für die Vereidigung stattfinden. "Leben in der Lage" heißt in Flensburg, dass sich die geplanten Zeiten dem Wetter anpassen und entsprechend unbeständig sind. So einigten wir uns darauf, immer nur den nächsten Termin anzupeilen und den Rest der einzig verlässlichen Konstante zu unterwerfen: der Lageänderung.

Wachbataillon 4. Kompanie Marineschule Mürwik Flensburg
4. Kompanie des Wachbataillons zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg - Das Wachbataillon ist pünktlich und wartet auf den Start der Vorübung zur Vereidigung. Man beachte das detail im Hintergrund (Mitte).
Während das Wachbataillon bereits "Gewehr bei Fuß" auf dem Rasen vor dem "Roten Schloss am Meer" stand, machten die Offiziersanwärter auf der Treppe ihr gestelltes Gruppenfoto. Die 4. Kompanie hatte den Vormittag schon mit Standardübungen wie Ehrenposten und Bewegungsabläufen der Ehrenformation verbracht. Auch der Gruß des Admirals war geübt worden.

Wachbataillon 4. Kompanie Marineschule Mürwik Flensburg
4. Kompanie des Wachbataillons zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg - Weiterbildung während der langen Busfahrt
Interessant übrigens, dass die Soldaten so trainiert werden, dass sie nur auf die Befehle reagieren, die im Wortlaut korrekt sind und in der passenden Reihenfolge gesprochen werden. Wenn der Kommandierende im falschen Moment "das Gewehr" sagt oder im anderen Moment den Artikel weglässt, kann es sein, dass die Soldaten einfach in ihrer bisherigen Haltung einfrieren. Besonders peinlich ist das beim Grüßen. Wenn die Soldaten das Gewehr nicht abgesetzt haben oder breitbeinig im "Rührt euch!" stehen, grüßen sie nicht zurück. Das Gewehr muss abgestellt und die Beine im "Stillgestanden" positioniert sein. Erst dann erschallt das "Tag Herr Admiral" gegen die nächstgelegene Häuserwand.

Wachbataillon 4. Kompanie Marineschule Mürwik Flensburg
4. Kompanie des Wachbataillons zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg - Das Wachbataillon übt Griffe und Grüße.
Als Oberleutnant zur See kannte sich mein Pressebegleiter bestens an der Marineschule Mürwik aus. Er zeigte mir die im Haus verteilten Sammlerstücke und kannte sämtliche Abkürzungen durch das Gebäude. Es müssen dennoch viele Kilometer gewesen sein, die wir in den drei Tagen zu Fuß zurückgelegt haben. Im umliegenden Park konnten wir Hasen und Rehe beobachten, sahen die Waffenkammer, den Sportplatz und den nachgebauten Hauptmast der Gorch Fock. Unterwegs trafen wir den Presseoffizier der Marineschule, dessen Name den Namen seines Chefs enthielt. Flottillenadmiral Abry und sein Presseoffizier, Fregattenkapitän Gabrys. Ein Flottillenadmiral ist vergleichbar mit einem Brigadegeneral (ein Stern) und ein Fregattenkapitän mit einem Oberstleutnant. Es dauerte etwa drei Tage und einige Fettnäpfchen, bis ich die Dienstgrade ab Bootsmann drauf hatte. Bootsmänner sind vergleichbar mit Feldwebeln.

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4. Kompanie des Wachbataillons zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg - Einweisung und Training der Fahnenabordnung der Marineschule Mürwik
Apropos Bootsmänner: Die Professionalität und die didaktische Kompetenz der Bootsmänner war beeindruckend. Fehler wurden freundlich aber bestimmt korrigiert. Von einer Sekunde auf die andere konnten sie von moderater Erklärstimme auf laute Befehlsstimme umschalten. Geübt wurde so lange, bis die Abläufe sauber funktionierten. So wurde die Fahnenabordnung der Marineschule von drei Bootsmännern des Wachbataillons eingewiesen und trainiert. Immerhin sollte das am Folgetag reibungslos klappen. Dafür gingen bei der Vereidigung andere Dinge schief, die aber nicht im Verantwortungsbereich des Wachbataillons lagen.

Die Vorübung war begleitet von einem stetigen Wechsel des Wetters: pralle Sonne und Starkregen. Es brauchte zwei Durchläufe, bis alle in etwa wussten, was sie wann zu tun oder zu lassen hatten. Es wurden zudem schwarze Schnüre gespannt, um die Stellplätze der einzelnen Züge zu markieren. Gelbe Quadrate setzten die Stoppmarken für die Zugführer. Auch die Fahnenabordnung bekam ihre persönliche Markierung.

Wachbataillon 4. Kompanie Marineschule Mürwik Flensburg
4. Kompanie des Wachbataillons zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg - Das "Rote Schloss am Meer" reflektiert den Sonnenuntergang am Abend vor dem Gelöbnis.
Für den Abend hatte sich die Marineschule ein Betreuungsprogramm für das Wachbataillon ausgedacht: Burger und Förde-Rundfahrt. Letztere wäre beinahe ins Wasser gefallen - wegen des Windes. Für den nächsten Tag war wieder 6:55 Uhr zum Antreten im Vorraum befohlen. Die Soldaten wurden namentlich auf Vollzähligkeit geprüft und dann in den Tagesablauf eingewiesen. Es war davon auszugehen, dass die Vereidigung zum festgesetzten Zeitpunkt starten werde. Vor dem Haus wurde noch einmal angetreten und eine Rasurkontrolle durchgeführt. Dann ging es zum Frühstück und anschließend in die Waffenkammer. Dort waren die Karabiner 98k eingelagert. Jeder dieser Karabiner hat unter dem Visierschieber eine Nummer. Diese ist einem bestimmten Soldaten zugewiesen. Der Soldat hat dafür auch eine Waffenkarte. Aus organisatorischen Gründen werden die Waffen erst nach dem Verlassen der Kammer untereinander getauscht. Diese Aktion könnte man auf die Gestaltung eines Kennenlernabends bei mehrtägigen Seminaren adaptieren.

Wachbataillon 4. Kompanie Marineschule Mürwik Flensburg
4. Kompanie des Wachbataillons zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg - Warten auf die weiteren Beteiligten an der Ehrenformation
Das Wachbataillon setzte sich besonders sportliche Zeitmarken für ihr pünktliches Erscheinen. Das Heeresmusikkorps aus Hannover war in dieser Hinsicht deutlich entspannter. Dieses reiste erst am Morgen an. Zwischen Waffenempfang und Antreten am Sammelpunkt nur eine Stunde Zeit. In dieser Stunde wurden die Stiefel nachgeputzt, die Hemden gebügelt und die Nelson-Knoten zurechtgerückt. Anschließend wurden alle diese Elemente noch einmal von den Ausbildern geprüft und nachgebessert. Uhren oder Zimmerschlüssel wurden in einen zentralen Rucksack geworfen. Ausbuchtungen in den Hosen sind ein No Go. Armbanduhren können beim ständigen Greifen des Karabiners stören oder für Ermüdungserscheinungen beim langen Stehen sorgen. Fällt deswegen ein Karabiner auf den Boden, gibt es die Note 5 für den gesamten Einsatz.

Soweit es das Wachbataillon und dessen trainierte Fahnenabordnung betraf, klappte alles sehr gut bei der Vereidigung. Es war nur nicht so laut, wie im Bundeskanzleramt oder anderen Einsatzorten in Berlin. Die genagelten Stiefel stapften über den Rasen und beim "Gewehr ab" wurde der Karabiner kaum hörbar in das feuchte Gras gerammt.

Wachbataillon 4. Kompanie Marineschule Mürwik Flensburg
4. Kompanie des Wachbataillons zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg - Das ist der Beweis: Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee mit "Burgern in Uniform".
Wie üblich waren viele zivile Zuschauer erschienen. Über das Tourismusbüro hatte man sich wohl Karten für die Vereidigung besorgen können. Entsprechend überlaufen war nach dem Event der Essenssaal. Dort hätte das Wachbataillon gemäß Plan noch ein Süppchen zur Stärkung für die Rückfahrt zu sich nehmen sollen.

Wie schon Sun Tsu sagte, ist Flexibilität eine militärische Tugend. Diese äußerte sich darin, dass die Soldaten ihre Waffen in den Bus packten, Flecktarn anzogen und auf den nächsten Rasthof an der Autobahn hofften. Diese Hoffnung wurde nach Ausreizung der Lenkzeit des Fahrers tatsächlich erfüllt. 45 Minuten hatten die Bürger in Uniform Zeit, Burger und Pommes zu verspeisen. Danach ging es weiter zur Julius-Leber-Kaserne in Berlin-Tegel. Gegen halb neun waren die Waffen, die Truppenfahne und das Gepäck ausgeräumt. Die "Klassenfahrt" war zu Ende. Die Note für den Einsatz: Eins minus.

Videos:
3 Tage mit der 4. Kompanie des Wachbataillons an der Marineschule Mürwik in Flensburg
Vorübung zur Vereidigung an der Marineschule Mürwik

Autor: Matthias Baumann