Dass Anwälte nicht immer gern gesehen sind, zeigt sich schon darin, dass der Petitionsausschuss keinen eigenen Raum hat. Er muss sich immer vor neun Uhr in einem der Ausschussräume treffen - bevor die anderen Ausschüsse ihre stundenlangen Sitzungen abhalten. Davon lässt sich der Petitionsausschuss nicht entmutigen. Während des Lockdowns hat er lediglich eine Sitzung ausfallen lassen.
Petitionsausschuss des Bundestages legt seinen Bericht für 2019 vor. |
Im Zeitalter der Digitalisierung sollte man kaum glauben, dass ein Großteil der Anliegen per handgeschriebenem Brief übermittelt werden. Nur 36% wurden über das Online-Formular eingereicht. Mehr als die Hälfte der Themen war sehr persönlich: Stress mit dem Jobcenter, Familienzusammenführung, Visaangelegenheiten, Bearbeitungszeit von Anträgen und ähnliches. Spitzenreiter der Zuständigkeit waren das Innenministerium, das Ministerium für Arbeit und Soziales, das Gesundheitsministerium und das Justizministerium.2/3 der Antragsteller waren männlich. 25% waren Frauen und der Rest teilt sich auf Organisationen, Unternehmen, Parteien und sonstige Sammelpetitionen auf.
Auch wenn der Ausschuss immer wieder entsprechende Experten, Staatssekretäre und Mitglieder des Bundestages an einen Tisch bekommt, gibt es noch Luft nach oben. So wurde in der heutigen Pressekonferenz beklagt, dass sich die Zusammenarbeit mit Ministerien zuweilen schwierig gestaltet. Es geht dabei um die üblichen Dämpfungsfaktoren: Zuständigkeit, Bearbeitungszeit und Desinteresse.
Es ist übrigens ein Irrtum, dass nur gut finanzierte und mit vielen Unterschriften versehene Petitionen den Weg in den Bundestag und die Gesetzgebung schaffen. Der Petitionsausschuss nimmt jedes eingereichte Anliegen ernst. Wie zum Beispiel den Wunsch, das Teamspiel "Lasertag" für Kinder und Jugendliche zu öffnen. "Lasertag" ist die schmerzlose Variante von "Paintball". Es gab aber auch wieder diverse Themen von allgemeinem Interesse, so wie den Dauerbrenner Tempo 130 auf Autobahnen, die Abschaffung der Zeitumstellung oder der Wunsch nach härterem Vorgehen gegen straffällige Migranten und kriminelle Clans.
Ein weiterer Mythos rankt sich um die Veröffentlichung von Petitionen. Dafür gibt es gewisse Regeln. Wenn also ein Anliegen bereits parlamentarisch beraten wird, der Datenschutz eine wichtige Rolle spielt oder eine gleiche Petition vorliegt, kann von einer Veröffentlichung abgesehen werden. Ob eine Veröffentlichung stattfindet oder nicht, spielt für die inhaltliche Bearbeitung und die Gleichbehandlung keine Rolle.
Der Ausschuss hält sich zudem an eine Regel, die schon vor 2.000 Jahren in der Bibel fixiert wurde (Matthäus 7, 7), dass nämlich Vielschreiber durch ihr Vielschreiben kein gesteigertes Gehör finden. Vielschreiber sind Personen, die regelmäßig seitenlange Ausführungen einreichen. Mit diesem Wust an Schreiben wird ganz einfach umgegangen: Er wird in eine Petition zusammengefasst.
Das Recht auf Petitionen ist im Artikel 17 des Grundgesetzes geregelt. Über eine Petition kann demnach jeder Bürger in direkten Kontakt mit der Regierung treten. Der Petitionsausschuss ist so begeistert von seiner Funktion, dass er das auch als "missionarischen" Auftrag zur Stärkung anderer Demokratien ansieht. Deshalb werden regelmäßig Reisen ins Ausland durchgeführt. 2019 standen Libanon, Türkei, Tunesien, Marokko, Äthiopien und Ruanda auf dem Programm. Durch solche Reisen konnte erreicht werden, dass auch Großbritannien und die Mongolei einen Petitionsausschuss eingerichtet haben. Sie dienen aber auch zum Erfahrungsaustausch und der Beratung mit internationalen Partnern. Einige Regierungen haben Angst vor Petitionen. Die Ausschussmitglieder helfen, diese Angst zu zerstreuen.
Mehrfach wurde in der Pressekonferenz der Wunsch geäußert, dass Bürger mutig und zahlreich Gebrauch von ihrem Recht auf Petition machen sollten. Am besten jedoch per Online-Formular, weil das die Bearbeitungsprozesse deutlich beschleunigt.
Autor: Matthias Baumann