Donnerstag, 4. August 2022

If Crises or War Comes - Schwedische Resilienz zusammengefasst auf 20 Seiten

Der chinesische General Sun Tsu schrieb schon vor 2.500 Jahren, dass es sehr unklug sei, darauf zu vertrauen, dass der Feind gar nicht kommt. Sehr weise sei es daher, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um dem Feind vorbereitet zu begegnen. Sollte dieser dann doch nicht erscheinen - auch gut!

Schläfrigkeit und Resilienz

Die Zeit nach dem Kalten Krieg hat in Deutschland das Gefühl genährt, es gäbe keine Feinde und deshalb müsse man sich auch nicht auf eine entsprechende Begegnung vorbereiten. Warum auch? Beschäftigung mit Krisen und Problemen ist einfach lästig und stört das allgemeine Wohlbefinden. Die Krisen waren weit weg, so dass weder Balkan, noch Krim, noch Afghanistan, noch Syrien, noch Nordafrika oder der Sahel eine unmittelbare Bedeutung zu haben schienen. "Was machen wir da? Wieso fließt da Geld hin?", sind bis heute oft gestellte rhetorische Fragen.

In Skandinavien und im Baltikum traut man dem Frieden schon lange nicht mehr. Kein Wunder also, dass Länder wie Estland oder Finnland Vorreiter im Aufbau von Resilienz auf sämtlichen Gebieten sind. Besonders viel Wert wird auf die Gesunderhaltung des Mindsets, der Denkweise der Bevölkerung, gelegt. Und das ohne Zwang, sondern durch Vermittlung von Tatsachen und die offene Ansprache möglicher Folgen. Während in Deutschland jeder Bürger mit einem Internetzugang seine Meinung und frei erfundene Erzählungen in die Welt hinaus schreibt, ist man in Skandinavien für die destruktive Wirkung von Falschinformationen sensibilisiert. Die Finnen zementieren ihre langjährige Resilienz mit dem simplen Spruch: "Von Russland kommt nichts Gutes, außer dem Wetter".

20 Seiten für jeden Haushalt

So setzt das 20-seitige Heftchen der schwedischen Behörde für Sozialschutz und Vorsorge (MSB - Myndigheten för samhällsskydd och beredskap) auch sofort beim Thema Falschinformationen an. Denn wessen Denkweise erst einmal durch Desinformationen beeinflusst ist, wird möglicherweise im Ernstfall absurde Handlungen vollführen oder als Innentäter für eine "fremden Macht" fungieren. Deshalb gibt die MSB dem Leser kurz und knapp die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale für echte und falsche Informationen an die Hand. Wer vor zwei Jahren in der Bundespressekonferenz nach Resilienz gegenüber Desinformation fragte, wurde entweder belächelt oder mit dem Hinweis abgespeist, dass man das nicht überbewerten solle. Unsere Nachbarn sehen das anders.

Das Heftchen "If Crises or War Comes" (Wenn Krisen oder Krieg kommen) ist schon mindestens vier Jahre alt und wurde an alle Haushalte in Schweden verteilt. Es dient auch als Leitfaden für die schwedische Prepper-Szene. Prepper sind Leute, die sich auf sämtliche Krisenszenarien vorbereiten und in Camps oder einzeln das Verhalten im Ernstfall trainieren. Die verschiedenen Situationen werden auf den 20 Seiten auch sehr gut und kurz beschrieben: Naturkatastrophen, Großbrände, Terroranschläge und Kriege. Es folgen Hinweise auf Signaltöne, verlässliche Informationsquellen und Schutzräume. Auch eine Checkliste für die materielle Vorbereitung ist dabei. Die letzten beiden Seiten bestehen aus einem Notizblatt für wichtige Telefonnummern, Passnummern, Versicherungsnummern und persönliche Ansprechpartner sowie einer Seite mit offiziellen Rufnummern und Kontaktdaten. Immer wieder wird an die Eigenverantwortung appelliert, die letztlich zum gemeinsamen Erfolg führe: Bilden Sie sich weiter! Bringen Sie sich als freiwilliger Helfer ein!

Widerstand

Interessant ist ein rotes Kästchen auf der Seite mit dem Titel "Wenn Schweden angegriffen wird, ist Widerstand gefordert." In dem Kästchen steht (übersetzt): "Wenn Schweden von einem anderen Land angegriffen wird, dann werden wir niemals aufgeben. Jede Information, die darauf abzielt, den Widerstand herunterzufahren, ist falsch."

Download: "If Crises or War Comes" (PDF, Englisch)

Autor: Matthias Baumann