Dienstag, 18. Juni 2019

Ukrainischer Präsident Wolodymyr Selensky zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel

Wolodymyr Selensky ist erst einen knappen Monat im Amt und besucht bereits die Bundeskanzlerin und den Bundespräsidenten. Da er zuerst von der "Frau für das Tagesgeschäft" zum Mittagessen empfangen wurde, bekam er seine militärischen Ehren im Kanzleramt. Anschließend war er zu Tee, Kaffee und einem Gespräch beim Bundespräsidenten eingeladen. Sein Vorgänger, Petro Poroschenko, war öfter in Berlin, als es der normale Zeitungsleser wahrgenommen hätte.

Wolodymyr Selensky ist 41 Jahre alt und Kabarettist. Eine ähnliche Konstellation hatten wir ja bereits beim Ministerpräsidenten von Slowenien. Als Satiriker war er so erfolgreich, dass er eine eigene Fernsehproduktionsgesellschaft gründete und zu einem YouTube-Star mit TV-Technologie wurde. Er zog die ukrainische Politik-Elite und deren Korruptionsverhalten durch den Kakao und sicherte sich damit schon vorab jede Menge Wählerstimmen. Erst Ende 2018 gab er seine Ambitionen auf das Präsidentenamt bekannt.

Ukrainischer Präsident Wolodymyr Selensky zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel
Ukrainischer Präsident Wolodymyr Selensky zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel
Wolodymyr Selensky ist ein Beispiel für Disruption in der 5. Dimension. Während sich die alten Politprofis in Offline-Debatten fetzen, disruptieren wendige Social-Media-Meinungsmacher die alt eingesessene Klientel. Das Handwerkszeug des modernen Präsidenten ist längst nicht mehr der Besuch vor Ort, sondern die Volksnähe per Bildschirm.

Satire ist natürlich nicht immer einfach. Erstens verstehen wohl nur 10% der Bevölkerung Ironie. Zweitens gibt es regelmäßig Gegenwind von Personen, die sich auf den Schlips getreten fühlen. Gerade in der Politik gibt es viele Schlipsträger, wie uns auch das Beispiel Jan Böhmermann zeigt.

Kommen wir nun aber zu den weniger lustigen Themen im Zusammenhang mit der Ukraine. Die Ukraine hat etwa 44 Millionen Einwohner und ein massives Problem mit Russland. Russland spielt sämtliche Trümpfe der hybriden Kampfführung aus: Desinformation, bewaffneter Kampf und die Förderung destruktiver interner Kräfte. Die Annexion der Krim ist nicht nur für die Ukraine schmerzhaft. Sie verschafft Russland eine geostrategische Position mit gefährlicher Reichweite, die auch uns tangieren könnte.

Die personelle Stärke von 209.000 Soldaten und 900.000 Reservisten sollte nicht über die Verletzlichkeit der Ukraine hinwegtäuschen. Die Technik ist veraltet und weitestgehend aus russischer Produktion. Die Ukraine sieht sich mit regelmäßigen und äußerst aggressiven Cyber-Angriffen aus Russland konfrontiert. Seit 2016 tut sich deshalb sogar etwas im Bereich Cyber-Sicherheit. Ohne die tatkräftige Unterstützung der NATO wäre die Ukraine aber wahrscheinlich schon in die Zeit vor Konrad Zuse zurückgesetzt worden - resettet sozusagen.

Wolodymyr Selensky räumt auf in der ukrainischen Politik. Sein wichtigstes Ziel ist der Frieden in der Ostukraine. Das dürfte schwer werden. Eher beseitigt er wohl die Korruption. Interessant und honorig ist aber, dass sich Petro Poroschenko recht fair von seinem Amt verabschiedet hatte.

Video:
Militärische Ehren für den Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selensky

Autor: Matthias Baumann