Montag, 25. November 2019

#MSC Cyber Security Summit - Bot or Not? Resilienz gegen Desinformation und Fake News

Wenn das Attentat von Christchurch am 15. März 2019 etwas Gutes hatte, dann den Effekt, dass Neuseeland eine erhebliche Resilienz gegenüber der missbräuchlichen Nutzung des Internets aufgebaut hat. Der Täter wollte seine Aktion live über das Internet streamen. Am selben Tag wurden über eine Million Kopien des Videos über Facebook geteilt und bei YouTube wurde pro Sekunde ein Upload mit diesem Material gestartet. Facebook und YouTube hatten alle Hände voll zu tun, diese neuen Inhalte zeitnah zu löschen. Die Datenflut kam schon fast einer DDoS-Attacke gleich.

Kurz darauf setzte sich die Regierung Neuseelands mit Frankreich, der EU, Microsoft, Facebook und Google zusammen. Laut Paul Ash vom National Cyber Policy Office bei der Prämierministerin Neuseelands war das sehr konstruktiv. Im September gab es ein weiteres Treffen mit der Regierung, Unternehmen und der Öffentlichkeit. Alle sollten in den Resilienzprozess eingebunden werden. Nächste Woche kommen etwa 100 Experten in Neuseeland mit YouTube zusammen. Es ist ein angeregter Diskurs über den Missbrauch des Internets in Gang gekommen.

#MSC Cyber Security Summit
#MSC Cyber Security Summit - Munition für das Internet: Content.
Ohne solch ein konkretes Szenario haben sich auch die ASEAN-Staaten getroffen und über den Aufbau von Resilienz beraten. Momentan läuft das nur auf der administrativen Ebene. Unternehmen wurden bisher nicht eingebunden, weil man die rechtlichen Hürden scheut. Man taste sich langsam an das Thema heran. Generell müsse es aber eine Annäherung zwischen politischen Entscheidern und technischer Kompetenz geben. Ein Teilnehmer brachte es sehr gut auf den Punkt: "Bevor du eine Entscheidung treffen kannst, musst du erst einmal das Thema verstehen."

Während die Politik immer Vertrauen einfordert, kommen die Akteure an der Front damit gar nicht klar. "Das Konzept des Vertrauens verwirrt mich", gab Sandra Joyce von Global Intelligence, FireEye, aus Washington D.C. zu bedenken. Die Recherchen ihrer Organisation zeigen, dass  Vertrauen kaum noch möglich ist. Dabei sei zwischen zwei Hauptkomponenten zu unterscheiden: Infrastruktur und Inhalt. Das Thema Infrastruktur wurde bereits am Vortag in Bezug auf G5 behandelt. Beim heutigen zweiten Tag des MSC Cyber Security Summits im Auswärtigen Amt ging es mehr um die Inhalte, den sogenannten Content.

Problematisch seien gar nicht die klar erkennbaren Fake News, sondern reale Infos, die gekürzt und tendenziös dargestellt werden. Hinzu kommen nichtauthentische Informationen, die von Maschinen erzeugt werden - von Bots. So überschwemmen Parteien mit polarisierter Ausrichtung das Internet mit Content, der andere politische Player wegdrückt. Mehr als 25% des Contents können dann von Bots erzeugt sein, was an den nichthumanen Mustern erkennbar ist. Facebook und auch YouTube sind inzwischen radikal gegen Fake-Accounts vorgegangen und haben diese gelöscht.

Da heute jeder schnell und viral seine Inhalte veröffentlichen kann, ist es schwer geworden, die Fakten zu prüfen. Das Timing spielt ebenfalls eine große Rolle. Um einen Rivalen am effektivsten in Misskredit zu bringen, wird bis kurz vor die nächste Wahl gewartet und dann gezielt die pikante Neuigkeit platziert. Das russische Kreditinstitut Sberbank wurde beispielsweise über dessen Großkunden angegriffen. Während die Großkunden im Internet diffamiert wurden, rannten die Kleinanleger zu den Geldautomaten und hoben um die acht Milliarden USD Bargeld ab. Hinzu kamen bei der Sberbank die täglich weit über 1.000 Angriffe auf die Infrastruktur - wohl aus Ländern, die im Gegenzug Russland für Cyberangriffe verantwortlich machen.

Was die westlichen Demokratien betrifft, findet seit zwei Jahren ein starker Angriff auf die Vertrauenswürdigkeit der Justiz statt. Es werde verbreitet, dass das westliche Justizsystem bereits zusammengebrochen sei. Es wird der Eindruck vermittelt, dass die Demokratie zu schwach sei und kurz vor dem Ableben stehe. Da können beherzte Aktionen wie die Abschiebung krimineller Subjekte - beispielsweise in den Libanon - einen nützlichen Gegenakzent setzen. Israel, das für seine unkonventionelle Lagebereinigung bekannt ist, hat schon lange sämtliche Player an einen Tisch gebracht. Es gibt dort sehr kurze Wege zwischen Politik, Wirtschaft, Forschung und Militär. Kein Wunder also, dass Israel auch bei Cyber Security ganz weit vorne mitmischt.

Dennoch sprach man sich heute klar für die freie Meinungsäußerung aus. Auch der Luxus der Meinungspluralität müsse gewahrt bleiben. Das schließe auch den fairen Umgang mit anderen Meinungen ein. Allerdings müsse das im Rahmen der gesetzlichen Regeln ablaufen - siehe Grundgesetz Artikel 5. Freie Meinungsäußerung hat ihre Grenzen, wenn es in Richtung Beleidigung und Verleumdung geht. Maschinen haben gar kein Recht auf Meinungsäußerung - eine klare Absage an Bots.

Autor: Matthias Baumann