Montag, 16. Dezember 2019

Rein in die Uniform und ab mit der Bahn - Soldaten reisen ab 2020 kostenlos

Beim Lesen der Informationen zum kostenlosen Bahnfahren rattern sofort die Denkprozesse des Kaufmanns: Die "Bahncard 100" für unlimitiertes Reisen in der 2. Klasse kostet 4.395 Euro pro Jahr. Ein Set mit Kampfstiefeln, Feldbluse, Feldhose, Feldjacke und Barett kostet nur einen Bruchteil davon. Man muss sich dann nur noch trauen, damit durch Deutschland zu reisen. Ein zweistündiger Selbsttest im Berufsverkehr von Berlin hat ergeben, dass das schon eine interessante Erfahrung ist. Interessant, aber keineswegs gefährlich. Insbesondere die Kampfstiefel sind sehr praktisch für längere Fahrten in der Tram - im Stehen natürlich.

Stehen muss der Soldat in Uniform auch in der 2. Klasse, wenn er das Angebot des kostenlosen Reisens nutzen möchte. Sitzplatzreservierungen oder ein Upgrade auf die 1. Klasse muss er selbst zahlen. Weil der Bahn vermutlich gleich das preisliche Delta zwischen "Bahncard 100" und Bekleidungskosten aufgefallen war, muss der reisende Soldat auch noch einen Truppenausweis und ein gültiges Null-Euro-Ticket dabei haben. Das Null-Euro-Ticket bekommt der Soldat durch die Einlösung eines eTokens. Das eToken ist eine Art Gutscheincode, mit dem das Ticket um 100% rabattiert wird. Der über den Army-Shop eingekleidete Fake-Soldat scheitert also an Truppenausweis und eToken.

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Freie Fahrt für Soldaten in Uniform mit der Deutschen Bahn - Unterzeichnung des Eckwertepapiers durch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK (sitzend 2. von rechts), Verkehrsminister Andreas Scheuer (sitzend 3. von rechts) und Bahnchef Dr. Richard Lutz (rechts).
Die Bundeswehr hat sich die Aktion knapp vier Millionen Euro kosten lassen. Das ist etwa die Hälfte von dem, was die Videoserie DIE REKRUTINNEN gekostet hat - um mal den Vergleich mit einem ähnlich gelagerten Alltagsprojekt herzustellen.

Annegret Kramp-Karrenbauer schlägt hier zwei Fliegen mit einer Klappe. Damit sind nicht etwa Andreas Scheuer und Dr. Richard Lutz gemeint, sondern die Themen "Finanzielle Entlastung von Soldaten" und "Wahrnehmung der Bundeswehr in der Öffentlichkeit". Letzteres ist ihr erklärtes Ziel und wird seit ihrem Amtsantritt konsequent auf verschiedenen Ebenen umgesetzt.

Verkehrsminister Andreas Scheuer und Bahnchef Dr. Richard Lutz unterstützen die mildtätige Werbeaktion voll und ganz. Deshalb unterschrieben sie heute den Vertrag zwischen der Bundeswehr und der Deutschen Bahn AG sowie ein Eckwertepapier mit regionalen Anbietern. Eine Umrechnung der vier Millionen Euro auf die Bahncard 100 zeigt, dass die Bundeswehr hier äußerst clever verhandelt hat. Vier Millionen Euro pro Jahr entsprechen nämlich etwa 910 Bahncards. Selbst bei 400 Millionen wäre nur die Hälfte der Soldaten mit einer vollwertigen Bahncard 100 zu 4.395 Euro abgedeckt. Die Bahn hat diesem Deal wohl deshalb so schnell und freudig zugestimmt, weil nun im Gegenzug die Füllhörner des Verkehrsministeriums über die Bahn ausgegossen werden.

Ab Januar können Soldaten unter den oben genannten Voraussetzungen - Uniform, eToken, Ticket, Truppenausweis - sämtliche "weiße" Züge der Bahn in der 2. Klasse nutzen. Die Nutzer sollen laut Ministerin auch nicht in eine steuerliche Falle tappen - Stichwort "geldwerter Vorteil". Ob das der abwesende Finanzminister auch so sieht?

Eine teure Falle gibt es jedoch. Die Freifahrten gelten nicht für den regionalen Nahverkehr wie beispielsweise die BVG.

Video:
Soldaten in Uniform reisen kostenlos mit der Bahn - Vertragsunterzeichnung und Statements

Autor: Matthias Baumann