Dienstag, 20. Oktober 2020

Irakischer Ministerpräsident Mustafa al-Kadhimi zum Antrittsbesuch in Berlin empfangen

Am Freitag war noch in Klärung, ob es heute militärische Ehren im Kanzleramt geben werde. Gestern stand fest, dass der Gast aus dem Irak nur mit einem Ehrenposten begrüßt wird. Das ist der minimale Standard für hochrangige ausländische Gäste. Erscheint ein Präsident oder Premierminister das erste Mal nach der Wahl oder Wiederwahl, stehen ihm militärische Ehren zu. Mustafa al-Kadhimi ist seit dem 7. Mai 2020 irakischer Ministerpräsident. Zurzeit absolviert er seine Antrittsbesuche in Europa. Gestern war er in Paris und heute in Berlin.

Mustafa al-Kadhimi hat Jura studiert, ist 53 Jahre alt und parteilos. Letzteres war wohl wichtig für seine berufliche Laufbahn ab 2004. Er wurde nämlich mit der Reform des Inlandsgeheimdienstes INIS (Iraqui National Intelligence Service) betraut. Unter seiner Leitung wurde der Blick auf vermeintlich Oppositionelle heruntergefahren und statt dessen zeitgemäße Fähigkeiten zum Aufspüren und Bekämpfen von Terroristen wie dem IS aufgebaut. Für diese Arbeit war er bestens geeignet, da er sich schon als Jugendlicher aktiv gegen das Hussein-Regime geäußert hatte und mit 18 Jahren das Land verlassen musste. Er lebte bis 2003 im Iran, in Deutschland und in Großbritannien. Zu erwähnen sei auch, dass er mehrere Bücher geschrieben und regelmäßig Artikel in großen irakischen Zeitungen verfasst hat.

Irakischer Ministerpräsident Mustafa al-Kadhimi zum Antrittsbesuch im Kanzleramt empfangen
Irakischer Ministerpräsident Mustafa al-Kadhimi zum Antrittsbesuch im Kanzleramt empfangen

Beim heutigen Antrittsbesuch sollte es um zwei Schwerpunktthemen gehen: Wirtschaft und Sicherheit. Laut Angela Merkel habe Mustafa al-Kadhimi eine "ambitionierte Agenda" vorgelegt. Der Ministerpräsident hatte kürzlich ein "White Paper" mit Wirtschaftsreformen vorgelegt. Dieses möchte er konsequent angehen. Deutschland unterstützt mit Investitionen - insbesondere auf dem Energiesektor. Namentlich wurde das Engagement von Siemens Energy erwähnt.

In Sicht auf Corona dankte Mustafa al-Kadhimi für gelieferte Schutzausrüstungen sowie die Ausbildung von medizinischem Personal. Deutschland bildet aber auch Sicherheitspersonal aus. Der Gast bedankte sich für die Unterstützung beim Kampf gegen den IS. In Kürze steht im Bundestag eine Entscheidung über die Fortsetzung des Einsatzes der Bundeswehr im Irak an. Dass ausländische Streitkräfte selbst im Irak viel lernen können, zeigt der britische Chilcot Report. Der neue Ministerpräsident setzt aber nicht nur auf militärische Lösungen. Er legt viel Wert auf internationale Beziehungen und baut an einem guten Klima der "Nachbarschaftspolitik". Den vom Iran aus gesteuerten Milizen im Irak gefällt diese Politik der Deeskalation gar nicht gut. In Kombination mit seinen Bemühungen um Aufklärung von politisch motivierten Morden lebt er selbst sehr gefährlich.

Gefährlich ist aber nicht nur politisches Engagement, sondern auch das Corona-Virus. Es sorgte dafür, dass heute deutlich weniger Pressevertreter im Kanzleramt zugelassen waren. Zudem hat es den Bundespräsidenten veranlasst, sich in eine freiwillige Quarantäne zu begeben. Ein direkter Mitarbeiter von ihm war Ende letzter Woche positiv auf Corona getestet worden. Für den Nachmittag hätte im Schloss Bellevue ein Gespräch mit Mustafa al-Kadhimi stattfinden sollen. Dieses wurde kurzfristig abgesagt. Um 19:20 Uhr wird er als allerletzter Staatsgast vom militärischen Teil des Flughafens Tegel starten. Ab morgen nimmt das Regierungsterminal am BER offiziell den Betrieb auf.

Autor: Matthias Baumann

Video: Abflug des Ministerpräsidenten Mustafa al-Kadhimi als letzter Staatsgast von TXL