Enrico Brissas neues Buch "Flagge zeigen!" lässt sich nicht auf die Schnelle durchlesen. Es hat zwar nur 273 Seiten und ist flüssig geschrieben, aber der Leser wird ständig zu umfangreichen Exkursen verleitet. Wer hat schon auf dem Radar, dass sich 1914 deutsche Schiffe vor den Falklandinseln eine Seeschlacht mit den Briten geliefert hatten? Oder wer hat schon mal etwas von den Hep-Hep-Unruhen gehört?
"Flagge zeigen! Warum wir gerade jetzt Schwarz-Rot-Gold brauchen." von Enrico Brissa |
Der Autor behandelt zwei Jahrhunderte, die mehr oder weniger durch Schwarz-Rot-Gold geprägt wurden. Es begann mit den "Lützowern", die aus der Not heraus ihre normale Kleidung auf Schwarz umgefärbt hatten. Dann kamen noch rote Stulpen und Messingknöpfe an die Jacken und fertig war die untypische Uniform. Kurz darauf wurde diese Farbkombination in Fahnenstoff umgesetzt und beim Hambacher Fest 1832 symbolträchtig dargestellt. Bis heute tobt ein Farbkampf zwischen Schwarz-Rot-Gold und Schwarz-Weiß-Rot. Letzteres dient als Symbol für Macht und Angriffslust, während Schwarz-Rot-Gold in seiner Zusammensetzung den Dreiklang von Einigkeit und Recht und Freiheit symbolisiert.
Enrico Brissa verbindet in seinem Buch immer wieder die Symbolik mit geschichtlichen Ereignissen und zeichnet den oft steinigen Weg des "Dreifarbs" nach. Weil drei Farben für sich noch keine abgerundete Identität stiften, geht er auch detailliert auf die Elemente Adler und Hymne ein. Warum dieser Adler? Warum so viele unterschiedliche Adler? Warum nur die dritte Strophe? Wer hat das überhaupt festgelegt? Dürfen die das überhaupt?
Die beiden längeren Kapitel zu Adler und Hymne sind mit einem exzellenten Wortwitz verfasst. Das Lesen ist ein Hochgenuss. Dennoch bleibt Enrico Brissa am Thema und liefert fachlich fundierte Informationen in chronologischer Reihenfolge. Der Autor weiß, wovon er redet. Als Protokollchef des Bundestages hat er ständig mit Beflaggung, Dienstsiegeln und symbolischen Handlungen zu tun. Er kennt die Fallen und die Bedeutung des bewussten Missachtens protokollarischer Standards.
Das Buch ist insgesamt mit leichter Feder geschrieben, aber nicht leicht verdaulich. Ausgangspunkt ist ein Selbsttest mit Fahnen und Familie auf einer Demo. Die Erlebnisse könnte man als traumatisch bezeichnen. Aber lesen Sie selbst!
Autor: Matthias Baumann