Montag, 9. Oktober 2017

Bundespräsident Steinmeier besucht Papst Franziskus im Vatikan

Die Rettungsgasse beherrschen die Römer. Mit Blaulicht und Tonsignal donnerten unsere Fahrzeuge über die holperige und enge Via Appia gen City. Ampeln hinderten uns nicht an der Weiterfahrt. Hier und da versuchte sich eine Vespa in die Kolonne einzureihen und wurde dann schroff von dekorativen Motorrad-Polizisten abgefangen. Dekorativ waren auch die Alfa Romeos des zivilen Personenschutzes und natürlich unser schwarzer Kleinbus mit den verdunkelten Scheiben.

Allein der Bundespräsident und seine Gattin saßen in einem bis 2009 hergestellten BMW 5er in Sterlinggrau mit Panzerung und blasig verklebten Fondscheiben. Insgesamt wohl das unspektakulärste Fahrzeug unseres Korsos. Am Abend wurde es durch einen eleganten Lancia ersetzt.

Bundespräsident Steinmeier Vatikan Papst-Audienz Rom
Fahrzeug-Kolonne auf dem Weg in die City von Rom
Der zentrale Termin des Rom-Besuchs war eine Privataudienz bei Papst Franziskus in der Privatbibliothek des Apostolischen Palastes. Generell kam die Rom-Visite des Bundespräsidenten zu 100% der momentan so oft geforderten Erhaltung des Christlichen Abendlandes entgegen. Nur der Empfang in der Residenz der Botschafterin beim Heiligen Stuhl war vielleicht ein weltlicher Akt. Aber der Reihe nach:

Bundespräsident Steinmeier Vatikan Papst-Audienz Rom
Elke Büdenbender und Frank-Walter Steinmeier auf dem Flug nach Rom
Noch im Flugzeug hatte Frank-Walter Steinmeier mit einem Textmarker seine Reden vorbereitet. Seine Frau saß am Fenster und hatte ebenfalls einige Papiere vor sich. Direkt nach der Ankunft in Rom stand ein Besuch der evangelischen Christuskirche in der Via Sicilia 70 auf dem Programm. Während die Fotografen über die knarzende Empore schlichen und gelegentlich einen der Stühle umrissen, begrüßte Botschafterin Annette Schavan die Gemeinde und übergab dann das Wort an den Präsidenten.

An diesem würdigen Ort deutscher Reformation im geografischen Zentrum des Katholizismus konnte er noch einmal für 500 Jahre Martin Luther werben. Nichts sei in Europa so beständig wie die permanenten Reformationen. In der Christuskirche wurde Deutsch gesprochen. Am Eingang stand ein überdimensionierter Playmobil-Luther mit einer Plastik-Bibel in der Hand.

Bundespräsident Steinmeier Vatikan Papst-Audienz Rom
Frank-Walter Steinmeier bei seiner Rede in der Christuskirche
Leider gab es in der Christuskirche kein WC innerhalb unseres Bewegungs-Radiusses. So waren die Presseleute froh, dass sie zum Hotel gebracht wurden und nicht zum Empfang in den Garten der Kirche oder gar zum Abendessen in der Residenz der Botschafterin eingeladen waren.

In unmittelbarer Nähe des Hotels des Bundespräsidenten checkten wir ein und verabredeten uns zu einem Abendspaziergang durch die City. Wir waren fasziniert vom bunten Treiben auf den Straßen und von den Details an und in den viele hundert Jahre alten Gebäuden. Die Spanische Treppe lag 600 Meter von unserem Hotel entfernt und bot einen interessanten Blick auf das nächtliche Rom. Den Abend ließen wir auf der Dachterrasse des Valadier ausklingen.

Bundespräsident Steinmeier Vatikan Papst-Audienz Rom
Nächtliches Spiegelungsfoto auf der Dachterrasse des Hotels Valadier
Am Morgen ging es straff im Plan weiter. Koffer packen, Check-out, Briefmarken kaufen, Koffer dem Gepäckmeister übergeben und pünktlich den schwarzen Bus mit den Presse-Schildern besetzen. Bereits am Flughafen hatten wir erfahren, dass nur einige Redakteure der Audienz beiwohnen können. Diese seien per Los ermittelt worden. Von den vier mitgereisten Fotografen wurde nur der Offizielle der Bundesregierung in die heiligen Hallen des Heiligen Stuhls eingelassen. Platz sei zwar genug und die mitreisenden Regierungsmitarbeiter versuchten ihr Bestes, jedoch bestimmte der Vatikan die Anzahl und Zugehörigkeit der Kameras.

Bundespräsident Steinmeier Vatikan Papst-Audienz Rom
Schweizer Garde am Eingang zum Apostolischen Palast
Behängt mit Badges wurden wir in den Vatikan eingelassen. Der orange-blau-rot gekleidete Soldat der Schweizer Garde trat zur Seite und wir konnten mit gebanntem Blick auf seine schräg in den Weg gehaltene Hellebarde und das Schwert am Gürtel den Kontakt mit der Berufsgenossenschaft vermeiden. Eine steile Marmortreppe führte durch das Innere des Palastes auf eine gepflasterte Freifläche. An der Fassade gegenüber entdeckten wir eine große Uhr, die übrigens auch vom Petersplatz aus zu sehen ist. Darunter die Fahne der Bundesrepublik. Über dem Haupteingang des Ostflügels wehte die Fahne des Vatikans. Die Schweizer Garde hatte sich bereits aufgestellt. Ein bunter Teppich lag für den Bundespräsidenten und die Delagtion bereit. Dieser führte in den mittleren - also nördlichen - Flügel des Hauses.

Plötzlich Hektik: "Der Papst kommt". Klasse, doch noch ein Foto! Nein, wir wurden eilends zu einem Nebeneingang geführt und mit zweimal Klick hinter einer Holztür mit Sichtfenstern weggeschlossen. Außer der Garde sahen wir nichts. Dann war der Papst wohl im Haus verschwunden, so dass wir mit zweimal Klick wieder auf den Platz entlassen wurden.

Bundespräsident Steinmeier Vatikan Papst-Audienz Rom
Schweizer Garde im Innenhof des Apostolischen Palastes
Kurz darauf rollte ein VW Passat durch die Einfahrt. Dahinter ein größerer Lancia mit der Fahne des Bundespräsidenten. Sehr stilvoll und immerhin ein italienisches Fabrikat. Keine Musik, nur Befehle an die Garde, Händeschütteln und ab ins Haus. Dann parkten erst einmal die vielen Fahrzeuge um und wir bewegten uns auf den Ausgang zu. Während in der Privatbilbliothek im zweiten Stock die Geschenke an Seine Heiligkeit übergeben wurden und die nicht-öffentlichen Dialoge stattfanden, nutzten wir die Gelegenheit zu einer kurzen Visite im Petersdom. Danach spazierten wir durch die Touristen-Massen zur Residenza Paolo VI und genossen von der dortigen Dachterrasse aus den Blick auf Petersdom, Petersplatz und das päpstliche Haus.

Das Ehepaar Steinmeier und der Papst müssen sich gut verstanden haben, obwohl Europa nicht das Hauptthema von Franziskus ist. Der Konvoi mit dem dunkelgrauen Lancia traf erst eine halbe Stunde nach der Zeit im Programmheft bei Paolo VI ein. Wir hatten bereits Mineralwasser und Espresso getrunken und mehrfach dem Glockenspiel des Doms gelauscht.

Kurz nach 12 lauschten wir dann auf das Presse-Statement des Bundespräsidenten. Es sei um viele Themen von der Flüchtlingspolitik bis hin zur Kooperation von evangelischen und katholischen Christen gegangen. Auch das Wahlergebnis sei zur Sprache gekommen. Dass Statement kann hier angeschaut werden.

Bundespräsident Steinmeier Vatikan Papst-Audienz Rom
Rede: Frank-Walter Steinmeier bei Sant'Egidio
Anschließend ging es wieder mit Blaulicht und Signalhorn durch die engen Straßen von Rom. Die mehr als dreizehn Fahrzeuge sorgten für Aufsehen bei Touristen und Römern. Nächste Station: Sant'Egidio. Wir hielten an einem malerischen Platz mit Brunnen, Restaurants und pulsierendem Stadtleben.

Der Präsident und Elke Büdenbender nutzten den Vordereingang. Wir hingegen liefen durch den romantischen Garten und gelangten von der anderen Seite in die sakralen Räume dieses weltweit agierenden Hilfswerkes. Der Präsident und der Gründer von Sant'Egidio freuten sich über den Gast, der auch hier eine Rede hielt. Die folgenden Gespräche an den Tischen waren als "kein Pressetermin" deklariert und dürfen hier nicht zitiert werden.

Bundespräsident Steinmeier Vatikan Papst-Audienz Rom
Gruppenfoto vor Sant'Egidio
Sant'Egidio hilft sozial schwachen Menschen, arbeitet mit Behinderten zusammen und vermittelt in schwierigen internationalen Konflikten. Deshalb hatte die italienische Regierung irgendwann schwer bewaffnete Militärposten um Sant'Egidio herum positioniert, auch wenn die Gemeinschaft selbst kein akutes Bedrohungspotenzial sieht. Bei Sant'Egidio gab es Essen - italienische Küche vom Feinsten mit Käse, Schinken, Salami und Pasta sowie italienischen Weinen. Wir kamen mit zwei schwarzen Theologie-Studenten ins Gespräch. Einer davon hieß Mose und der andere kam aus Haiti. Beide sprachen gut Deutsch und liebten die Bibelstellen, wo Gott die Armen tröstet.

Jetzt ein Nickerchen! Außer der Pressevertreter fuhren alle wieder ins Hotel Russie, wo das Ehepaar Steinmeier eingemietet war. Mittagsschlaf? Das wäre ihnen nicht zu verdenken. Immerhin mussten sie ja aufnahmefähig für die nächsten geplanten Eindrücke sein: Vatikanische Museen inklusive der Sixtinischen Kapelle ab 16:00 Uhr. Entspannt fuhren wir zum Haupteingang des Vatikans und warteten auf die Aufsehen erregende Fahrzeugkolonne. Faszinierend, wie gut diese Fahrten organisiert waren.

Bundespräsident Steinmeier Vatikan Papst-Audienz Rom
Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenbender bei der Führung durch die Vatikanischen Museen
Die Vorstellung von einer Regierungsdelegation in leeren Museumshallen stellte sich schnell als Illusion heraus. Die begleitenden Polizisten und Museumsaufseher verschafften uns den nötigen Platz, um zügig durch die Hallen zu kommen.

Nicht nur einmal wurde ich gefragt, wer denn der Mann da sei. "Steinmeier - president of Germany" - "We know Merkel" - "He is higher. He is president and Miss Merkel is chancellor", verstehendes Nicken. Im Gegensatz zu Amis, Briten, Holländern konnten die deutschen Touristen Herrn Steinmeier besser zuordnen. Der Geistliche Botschaftsrat Monsignore Oliver Lahl erklärte sehr kompetent sämtliche Bilder und Exponate. Längere Zeit hielten wir uns deshalb auch in der doch recht großen Sixtinischen Kapelle auf. Die begleitenden Italiener mit ihren blauen Uniformen sorgten für genug Platz zum Atmen.

Eine Gruppe pubertierender Mädchen tuschelte gegenüber des Präsidentenpaares und hantierte an ihren Smartphones herum, obwohl das Fotografieren dort ja verboten ist. Der prominente Besucher muss sie wohl parallel zur Bilderklärung bemerkt haben und ging dann auf sie zu. Durch die Kapelle erscholl ein Kreischen wie beim Justin-Bieber-Konzert. Nach dem jüngsten Wahlergebnis genoss er solche Gelegenheiten. Und diese gab es bei den Rundgängen mehrfach.

Bundespräsident Steinmeier Vatikan Papst-Audienz Rom
Oliver Lahl erklärt Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenbender die Gemälde in einer Kapelle der Vatikanischen Museen
Geschafft vom vielen Laufen stiegen wir in die Fahrzeuge und hätten laut Programm zum Flughafen fahren sollen. Statt dessen besuchten wir eine weitere Kirche mit erheblichem Renovierungsbedarf. Hm, was sollen wir hier? Privatkontakt des Bundespräsidenten? Monsignore Oliver Lahl erklärte einige Dinge, wobei sich wieder deutsche Touristen anschlichen. "Du, das ist doch ...", zückten sie die Smartphones. Herr Lahl in seinem pastoralen Gewand führte uns zu einer Treppe und hinab in die Unterwelt von Rom. Eine antike Kultstätte, Gräber und einen unterirdischen Fluss konnten wir dort bestaunen. Das Protagonisten-Paar stellte interessierte Fragen und verweilte an einigen Orten. Durch den Shop mit katholischen Karten hindurch ging es wieder zurück zu den Autos.

Bundespräsident Steinmeier Vatikan Papst-Audienz Rom
Check-in für den Rückflug nach Berlin
Ein erlebnisreicher Tag in Rom neigte sich dem Ende entgegen. Die Schatten wurden länger und die Pinien wurden unterhalb ihrer Kronen von der Abendsonne beschienen.

Unsere Fahrzeug-Kolonne donnerte über die schmale Via Appia zum Flughafen. Die Begleitung eines Spitzenpolitikers hat den Vorteil, dass der Airbus A319 erst dann startet, wenn das Programm zu Ende ist. Da spielt die Uhrzeit nur eine untergeordnete Rolle.

Videos:
Reise des Bundespräsidenten nach Rom und zum Vatikan inklusive Statement
Schweizer Garde zur Begrüßung des Bundespräsidenten im Vatikan

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 15. September 2017

Französischer Premierminister Édouard Philippe in Berlin

Seit vier Monaten ist Édouard Philippe Premierminister in Frankreich. Der große 46-Jährige hatte sein Abitur in Bonn gemacht und war seither politisch in der Sozialdemokratie angesiedelt. Mit 31 Jahren schwenkte er zur rechten Mitte um und fungierte zeitweilig als Bürgermeister.

Französischer Premierminister Édouard Philippe in Berlin
Französischer Premierminister Édouard Philippe in Berlin
Staatspräsident Macron hatte ihn einen Tag nach seinem Amtsantritt zum Premierminister ernannt und somit eine heterogene Landschaft in der Regierung geschaffen. Der mediale Rummel um Macron lässt die anderen Player des Parlamentes verblassen. Philippe zeigte sich heute entsprechend unsicher und blickte im Ehrenhof des Kanzleramtes lieber auf das Muster des roten Teppichs als in die Kameras der Journalisten.

In Frankreich wird bereits Unmut über das vermeintliche Nichtstun und diverse Fehlentscheidungen Macrons laut. Er sei medial überbewertet. Allerdings gehen die Medien noch vorsichtig mit ihm um, da sie ja schließlich vor der Wahl massiv an seinem Image gefeilt hatten.

Französischer Premierminister Édouard Philippe in Berlin
Französischer Premierminister Édouard Philippe in Berlin
Beim heutigen Treffen im Kanzleramt ging es hauptsächlich um den Euro. Frankreich hegt schon lange den Wunsch nach einem europäischen Finanzminister, einer gemeinsamen Wirtschaftsregierung und einem eigenen Budget für die Eurozone. An Finanzminister Schäuble waren Sapin und Macron als damalige Wirtschafts- und Finanzminister bereits abgeprallt. Die Kanzlerin machte verbale Zugeständnisse, die jedoch den Zeitrahmen offen ließen. Angela Merkel regte zudem einen europäischen Währungsfonds an.

Im Gegensatz zu Macron wird Édouard Philippe wohl eher unterbewertet. Er war Pressesprecher Juppés und hat zwei Politthriller verfasst: Stunde der Wahrheit und Im Schatten. Beide Bücher sind zurzeit nur auf Französisch verfügbar. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Video:
Militärische Ehren für Édouard Philippe

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 29. August 2017

Israels Botschafter Jeremy Issacharoff akkreditiert

Schon der Name Jeremy Issacharoff lässt auf eine interessante Persönlichkeit schließen. Jeremy klingt britisch und ist wohl eine Kurzform des großen Propheten Jeremia. Trotz der nur 52 Kapitel hat Jeremia mehr Seiten in der Bibel als der Prophet Jesaja mit seinen 66 Kapiteln. Der Jeremia des Alten Testamentes hatte eine Menge durchgemacht, war aber wie der neue Botschafter Israels immer in der Nähe der Regierung tätig und konnte auch einen guten Draht zum damaligen Weltherrscher Nebukadnezar aufbauen.

Botschafter Israel Jeremy Issacharoff akkreditiert
Israelischer Botschafter Jeremy Issacharoff akkreditiert
Der Wortstamm des Nachnamens Issachar geht wohl auf den fünften Sohn Leas zurück. Da Jakob alias Israel mehrere Frauen hatte, war Issachar der insgesamt achte Sohn von 12. Er war nach einem Deal zwischen Jakobs Frauen Lea und Rahel entstanden (1. Mose 30, 14-18). Die russische Endung off täuscht: Issacharoff war 1955 in London geboren worden. Sein Vater hatte im Nahen Osten gegen die britische Mandatsregierung gekämpft, die 1948 im Zuge eines Teilungsplans die Region verließ. Mit 18 Jahren wollte er in London Jura studieren, brach dieses jedoch wegen des Jom-Kippur-Krieges ab und wollte sich im israelischen Militär nützlich machen. 1982, also mit 27, trat er in den diplomatischen Dienst ein.

Botschafter Israel Jeremy Issacharoff akkreditiert
Israelischer Botschafter Jeremy Issacharoff akkreditiert
Wie sein Namensgeber Jeremia arbeitete er lange Zeit im Zentrum eines weltpolitischen Schwergewichtes: UN in New York. Dort lernte er seine Frau kennen und gründete eine kleine Familie. Seine Themen sind Sicherheit, Rüstungskontrolle und Terrorabwehr mit Hauptkompetenz Iran.

Sicherheit war bei der heutigen Akkreditierung Issacharoffs im Schloss Bellevue groß geschrieben. "Die schießen dann auch", berichtete uns eine israelische Fotografin. Sie könne auch schießen. Das glaubte ich gerne. Der künftige Botschafter und seine Delegation wurden in mehreren gepanzerten Limousinen vorgefahren: BMW 760Li aus der F04-Serie mit Vielspeiche 235 in 19". Schöne Fahrzeuge mit Standarte des Bundespräsidenten. Dazu noch einige schwarze Audis.

Botschafter Israel Jeremy Issacharoff akkreditiert
Israelischer Botschafter Jeremy Issacharoff akkreditiert
Der Botschafter machte einen sympathischen Eindruck und blickte immer wieder verschmitzt in die Kameras. Er hatte Mitglieder seiner Familie dabei und die übliche Delegation. Das Blatt im Gästebuch reichte gar nicht für die vielen Unterschriften und Zusatzkommentare, so dass sogar umgeblättert werden musste. Einige Schreiber hatten eine etwas verkrampfte Handhaltung, da ihre Muttersprache Ivrith (Neuhebräisch) normalerweise von rechts nach links geschrieben wird. Eine Unterschrift steht jetzt sogar im israelischen Zeichensatz auf dem Papier des Gästebuches.

Botschafter Israel Jeremy Issacharoff akkreditiert
Israelischer Botschafter Jeremy Issacharoff akkreditiert - Gästebuch
Auch der Bundespräsident hatte sichtlich Freude an der Familie des neuen Botschafters und dessen Delegation. Braungebrannt posierte Frank-Walter Steinmeier vor der samtigen Fahne mit dem Bundesadler. War doch Israel eines der ersten Ziele, die er nach Amtsantritt besucht hatte.

Videos:
Akkreditierung des israelischen Botschafters Jeremy Issacharoff

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 27. August 2017

Offene Türen im Bendlerblock

Die Bundeswehr ist bekannt für ihre Abkürzungen. TdoT BReg steht für den Tag der offenen Tür der Bundesregierung, an dem sämtliche Ministerien und das Kanzleramt für die Bevölkerung geöffnet haben. Da der Tag der offenen Tür gestern und heute stattfand, handelte es sich eher um ein Wochenende der offenen Tür, ein WEdoT BReg also.

Bei spannenden Einrichtungen wie dem BMI deutete die Anzahl der Menschen vor der geöffneten Tür auf lange Wartezeiten hin. Mit BMI ist nicht der Body-Mass-Index gemeint, sondern das Bundesministerium des Innern. Ähnliches vermuteten wir auch beim Kanzleramt und schauten dort gar nicht erst vorbei. Beim BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hätte man wohl ohne Wartezeit durchgehen können. Wir fuhren vorbei, denn wir wollten zum BMVg Bundesministerium der Verteidigung.

BMVg Bendlerblock Tag der offenen Tür 2017
BMVg - Bendlerblock - Tag der offenen Tür 2017
Es waren Vorführungen des Drillteams des WachBtl - ausgeschrieben Wachbataillon - und des MusKorpsBw, dem Musikkorps der Bundeswehr, angekündigt. Das MusKorpsBw ist nicht zu verwechseln mit dem StMusKorpsBw unter der Leitung von Oberstleutnant Kiauka. Letzteres ist fast immer dabei, wenn ein Staatsgast mit militärischen Ehren empfangen wird. Den Wagen parkten wir an der Tiergartenstraße und marschierten mit Kind und Kegel, also Vater, Mutter, Kindern, amtlichen Lichtbildausweisen und Kamera zur geöffneten Hintertür des Bendlerblocks.

Die logistische Leistungsfähigkeit der Bundeswehr wäre wohl in Frage gestellt worden, wenn sie beim TdoT nicht mit dem Massenandrang klar gekommen wäre. Es lief alles generalstabsmäßig: Lichtbildausweis, Personenkontrolle, Schere abgeben und schon war die Familie im Partybereich.

Wir gingen zunächst zum Ehrenmal der Bundeswehr. Dort sollte gleich eine Andacht stattfinden. Beim Anblick der Talare drehte die Familie ab und verschwand in einem der Infozelte. Ich blieb und konnte zusammen mit Jörg Vollmer, dem Inspekteur des Heeres, eine Predigt über Gebet und gute Entscheidungen hören. Während der evangelische Militärdekan Peter Schmidt durch das Programm führte, hielt der katholische Militärdekan Stephan van Dongen die Predigt und sprach den Abschlusssegen. Jörg Vollmer ging anschließend flankiert durch die beiden Talarträger in den südlichen Teil des Ehrenmals und legte dort einen Kranz nieder.

BMVg Bendlerblock Tag der offenen Tür 2017
BMVg - Bendlerblock - Tag der offenen Tür 2017 - Andacht im Ehrenmal der Bundeswehr
Das Programm war straff durchorganisiert. Sofort nach der Andacht musste ich zum nördlichen Bereich eilen, um das Drillteam des WachBtl sehen zu können. Keine Zeit, die Familie zu suchen. Kamera an und draufhalten. Eine Gruppe von 12 Soldaten wirbelte den umstrittenen Karabiner 98k durch die Luft, schwang ihn unter den Beinen hindurch, bewarf sich gegenseitig damit, fing ihn gekonnt auf und legte eine Choreographie wie beim Ballett hin. Beim Staatsbesuch kommen davon nur wenige Elemente zum Tragen. Aber gut zu wissen, dass die Männer und Frauen des WachBtl ihr Hauptarbeitsmittel so gut im Griff haben.

Klack, da lag ein Karabiner am Boden. Das Team ließ sich nicht aus dem Takt bringen. Aber das Wasser konnte schon im Munde zusammen laufen. Ein gefallener Karabiner kostet mindestens einen Kasten Bier für die Beteiligten. Beim Besuch eines Staatsoberhauptes steht das Wachbataillon mit über 100 Soldaten auf dem Platz und repräsentiert alle drei Teilstreitkräfte, kurz TSK. Das kann dann richtig teuer werden. Am härtesten trifft es den Soldaten, wenn er den Karabiner im Schloss Bellevue fallen lässt. Kanzleramt ist billiger, da dort weniger Soldaten im Ehrenhof Platz haben.

BMVg Bendlerblock Tag der offenen Tür 2017
BMVg - Bendlerblock - Tag der offenen Tür 2017 - Tornado zum Anfassen
Plötzlich tauchte die Familie auf. Schoko-Crêpe auf Pappteller, Armen und Nase. Zu wenig Servietten. Vor uns wurden weiß-rote Bänder gezogen, denn die Hundevorführung sollte gleich starten. Die Hunde kannte ich schon aus verschiedenen Verwendungen beim Abschnüffeln der Kameras beim Besuch des Bundespräsidenten auf der IGA, beim EinsFühKdo oder beim WachBtl. Bei der Einfahrt in die Führungsakademie in Hamburg inspizierten die Hunde ganze Fahrzeuge. Die Hunde werden dual ausgebildet: Personenschutz und Finden unerlaubter Dinge wie Sprengstoff.

BMVg Bendlerblock Tag der offenen Tür 2017
BMVg - Bendlerblock - Tag der offenen Tür 2017
Ein Highlight des TdoT war die einstündige Führung durch das Hauptgebäude. Hier mussten alle Smartphones abgeschaltet und die Fotoapparate abgegeben werden. Auch für die Presse gab es keine Ausnahme. Die Personenkontrolle wurde wiederholt und selbst die Metallknöpfe an den Jeans schlugen Alarm. Lichtbildausweise wurden gegen ein Badge der Bundeswehr eingetauscht. Das Schlüsselband durften die Besucher anschließend behalten.

Nach einem kurzen Imagefilm mit Gruß der Ministerin, wurden die Besucher durch den Südflügel des Gebäudes geführt. Wir schauten in Lichthöfe, in Räume mit gedeckten Tafeln, in einen Konferenzraum und in das Büro der Ministerin. Wir liefen über Flure mit rot-schwarzen Fußböden und gelangten schließlich in die Säulenhalle mit rotem Teppich.

Der rote Teppich misst 15 x 5 Meter und stellt Berlin-Tiergarten im Februar 1947 aus der Vogelperspektive dar. Eine helle Linie zieht sich über den Teppich. Kein Webfehler. Dort war das Original der Luftaufnahme geknickt. Hebt man etwa 20 Zentimeter des Teppichs an der Nord-West-Ecke hoch, wird ein Schild mit THAI PING CARPETS sichtbar. Ein Detail, das den Staatsgästen normalerweise entgeht, wenn sie vom Südeingang aus über den Teppich gen Norden schreiten. Ein Hingucker, der dazu mahnt, dass Berlin nie wieder so aussehen soll.

Zum Abschluss erlebten wir noch eine Vorführung des Ehrenpostens beim Besuch eines Staatsgastes. Die Motorräder und Begleitfahrzeuge der Feldjäger waren aufgebaut. Der Staatsgast wurde mit einem BMW 5er (F10) chauffiert. Als Gruppe durften wir den Gast spielen und durch das Portal, am roten Teppich vorbei, durch das Erdgeschoss dem Ausgang entgegen schreiten.

Die Führung dauerte eine Stunde und wurde von mehreren Feldjägern bewacht. Die Aufgaben der Bundespolizei in anderen Ministerien übernehmen im BMVg die Feldjäger. Diese sind zum Schutz des Verteidigungsministeriums, des Generalinspekteurs, der Ministerin und der gastierenden Verteidigungsminister zuständig. Beim TdoT waren ungewöhnlich viele Feldjäger von Leutnant bis Hauptmann zu sehen, gehört doch insgesamt ein Großteil zur Dienstgradgruppe der Feldwebel.

BMVg Bendlerblock Tag der offenen Tür 2017
BMVg - Bendlerblock - Tag der offenen Tür 2017 - Musikkorps der Bundeswehr
Zum Auftritt des Musikkorps wollte ich eine bessere Position als beim Drillteam haben und kletterte durch einen Fuchs. Das ist kein pelziges Tier, sondern ein gepanzertes Fahrzeug mit vielen Antennen. Ich setzte mich auf das Dach und hatte von dort eine sehr gute Kameraposition. Das Spektrum der Musikstücke war beeindruckend. Einer der Schlagzeuger holte zwischendurch sogar seine E-Gitarre hervor. Samba, Michael Jackson, Berliner Luft und Militärmärsche wurden hintereinander gespielt und man merkte den Musikern die Freude an ihrer Profession an.

BMVg Bendlerblock Tag der offenen Tür 2017
BMVg - Bendlerblock - Tag der offenen Tür 2017 - Musikkorps der Bundeswehr
Aber wo war nur die Familie? "Wir sind bei den Panzern", kam die Info per WhatsApp. Jute-Beutel im Tarndesign, prall gefüllt mit silbernen Beutelchen. Darin war Soldatennahrung für den Einsatz. Ich war froh, dass die Familie sich nicht gelangweilt hatte. Vier Stunden waren wir im Bendlerblock und immer noch nicht alles gesehen und mitgemacht.

Deshalb entschieden wir uns für einen weiteren TdoT im BMVg und stürzten uns am Sonntag noch einmal in das Getümmel.

Videos:
Andacht im Ehrenmal der Bundeswehr
Drillteam des Wachbataillons
Musikkorps der Bundeswehr

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 17. August 2017

Workshop-Serie zum Traditionserlass startet an der Führungsakademie in Hamburg

Den Diskussionen in unserem YouTube-Kanal folgend reduziert sich Tradition auf folgende Punkte: Pickelhaube, Karabiner und Stechschritt.

Traditionserlass Workshop Führungsakademie Hamburg
Workshop zum Traditionserlass an der Führungsakademie Hamburg - Ankunft der Ministerin
Heute startete an der Führungsakademie in Hamburg eine Workshop-Serie zur Überarbeitung des Traditionserlasses. Dieser war 1982 verfasst worden. Damals herrschte noch der Kalte Krieg. Regeln wie "Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen" (Ulrich de Maizière) dienten zur Abschreckung und damit zur Sicherung des Friedens. In den folgenden 35 Jahren gab es gravierende Veränderungen, die 1982 nicht abzusehen waren:

  • Wiedervereinigung
  • Armee im Auslandseinsatz
  • Frauen in der Bundeswehr
  • Aussetzung der Wehrpflicht
  • Internationale Kooperationen über die NATO hinaus

Bereits im Weißbuch 2016 wurde auf drei Seiten die Überarbeitung des Traditionserlasses angeregt. Das war zunächst nur eine Absichtserklärung und wurde durch neuerliche Vorkommnisse auf Truppenebene zur Chefsache. Auch diese reduzierten sich auf den Umgang mit Traditionen aus der frühen Mitte des 20. Jahrhunderts: Wehrmacht und Nationalsozialismus.

Tradition ist jedoch ein deutlich breiteres Feld mit vielen Referenzthemen. So waren sich die Teilnehmer in Hamburg darüber einig, dass Geschichte nicht gleich Tradition sei. Geschichte passiert und Tradition hält bestimmte Elemente dieser Geschichte fest. Daraus kann sich ein Brauchtum entwickeln.

Letztlich bestimmt die vorherrschende Ethik, welche Elemente der Geschichte als so wertvoll erachtet werden, dass sich daraus eine Tradition und ein Brauchtum extrahieren lassen. Die Diskussion über den Traditionserlass müsse deshalb bei der Ethik beginnen. Diese sei der Rahmen, in dem der Soldat sein Handwerk ausführt. Dieses Handwerk besteht nicht nur im Bohren von Brunnen oder der Hilfe bei Hochwasser.

Traditionserlass Workshop Führungsakademie Hamburg
Workshop zum Traditionserlass an der Führungsakademie Hamburg - Generalinspekteur Volker Wieker, Bundesministerin Ursula von der Leyen, Konteradmiral Carsten Stawitzki (v.l.n.r.)
Neben Ursula von der Leyen und Generalinspekteur Volker Wieker waren etwa 300 Teilnehmer in die Führungsakademie eingeladen worden. Darunter viele ausländische Offiziere, Professoren, Bundestagsabgeordnete, Beamte, ehemalige Generäle, Admirale, Offiziere von Leutnant bis Oberst und einige Generäle. Es war eine sehr heterogene Zusammensetzung aus allen drei Teilstreitkräften und sämtlichen Waffengattungen.

Mit ihren 62 Jahren ist die Bundeswehr inzwischen älter als die Reichswehr und die Wehrmacht zusammen. Durch verschiedene Einsätze hat sie geschichtliche Marken gesetzt, die durchaus traditionsstiftend sein können. Im Ausland beispielsweise werden Brücken nach deutschen Soldaten benannt und im Inland Schulen. Etwa 3.000 Angehörige der Bundeswehr waren im Dienst verstorben. Es fielen die Worte sacrificium und victima: Opfer im Sinne eines höheren Zieles oder Opfer eines Unfalls.

Traditionserlass Workshop Führungsakademie Hamburg
Workshop zum Traditionserlass an der Führungsakademie Hamburg - Teilnehmer aus dem Ausland
Beispiele aus Nachbarländern zeigten, dass Tradition nicht von oben diktiert werden könne. Per Erlass könnten nur Rahmenbedingungen geschaffen und Traditionen gefördert werden. Das eigentliche Bewusstsein entstehe jedoch auf Regimentsebene. Hilfreich sei dabei Kontinuität in vielfacher Hinsicht: Orte, Namen, Kameraden.

Nach den drei offiziellen Reden wurde auf Chatham-House-Rules umgeschaltet, so dass die heterogenen Diskutanten in den vier Panels frei und ungeschminkt ihre Meinung einbringen konnten. Ein sehr konstruktives Workshop-Klima, das durch hochkarätige Moderatoren geleitet wurde.

Es sind drei weitere Workshops geplant. Der nächste soll noch vor der Bundestagswahl beim Zentrum Innere Führung in Koblenz stattfinden. Bei so viel heterogener Kompetenz, die in einer respektvollen und konstruktiven Atmosphäre am Thema arbeitet, ist ein gut durchdachtes Endergebnis zu erwarten.

Autor: Matthias Baumann