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Sonntag, 22. November 2020

G20: Corona schweißt zusammen

Angela Merkel wirkte zufrieden, als sie sich der Presseecke des Kanzleramtes näherte. Zwei Tage G20-Gipfel lagen hinter ihr - virtuell. Zentrales Thema des Gipfels war Corona und dessen Folgen. Die Erkenntnisse deckten sich mit denen, die die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) vor wenigen Tagen veröffentlicht hatte. Die Pandemie ist längst zu einer Poly-Pandemie geworden, die sämtliche Lebensbereiche tangiert. So herrschte über die Schnittmenge Corona eine bemerkenswerte Harmonie in der Gruppe. Nur einer scherte mehrfach aus: Donald Trump. America first bei Impfstoffen, America out bei Klima und WHO. Zudem nutzte er die Bühne, um noch einmal auf sein Engagement hinzuweisen.

Die G20-Staaten hatte sich erstmals 2008 getroffen. Damals stand der Umgang mit der Finanzkrise im Mittelpunkt. G20 zeigt, dass Krisen kaum noch regional zu begrenzen sind. So war dem heutigen Statement der Kanzlerin zu entnehmen, dass sich G20 bei diesem Treffen als Solidargemeinschaft formiert habe und der UNO neues Leben einhauchen könne. G20 wird auch als G19+1 bezeichnet. Die Eins hat in diesem Falle nichts mit America first (Amerika zuerst) zu tun, sondern damit, dass die EU mit am Tisch saß - also 19 Staaten und die EU als Staatenverbund.

G20 Gipfel 2020 #COVID19 schweißt zusammen
Virtueller G20-Gipfel 2020: #COVID19 schweißt zusammen - Kontinente, Staaten und alle Bevölkerungsschichten von der Rekrutin bis zum Bundespräsidenten (Foto: Archiv 12.11.2020)
Pandemievertrag und Impfungen

Die Regierungschefs einigten sich auf einen weltweiten Pandemievertrag. Impfdosen sollten so günstig abgegeben werden, dass sich auch wirtschaftlich schwache Staaten den Impfstoff leisten können. Die USA bestehen derzeit noch auf einer Primärversorgung der eigenen Bürger und distanzieren sich damit einmal mehr von ihrer globalen Führungsrolle. Deutschland hat - wie üblich - bereits in den Hilfsfonds eingezahlt. Gelder anderer Staaten stehen noch aus. Angela Merkel macht aber Druck, dass die Verhandlungen mit COVAX jetzt schon beginnen. Sie zeigte sich irritiert, dass die Impfallianz Gavi nicht in die Gänge komme. Die Impfallianz Gavi gibt es seit 20 Jahren und hat die Aufgabe, die ärmsten Länder mit lebenswichtigen Impfstoffen zu versorgen. Dabei ging es ursprünglich um Impfungen, die in Deutschland fast jeder bekommen hat: Keuchhusten, Tetanus, Diphtherie. Darüber hinaus Impfungen gegen regional verbreitete Krankheiten wie Hepatitis B, Gelbfieber oder Meningitis.

Wirtschaft und Schulden

Da Corona massiv die Wirtschaft geschwächt hat, waren auch die Maßnahmen auf diesem Gebiet ein Thema. Mehrere Staaten berichteten von Konjunkturprogrammen und vergleichbaren Modellen der Kurzarbeit. Finanzminister Olaf Scholz hatte am virtuellen G20-Gipfel ebenfalls teilgenommen. Er informierte über ein Schuldenmoratorium. Demnach wurden 77 Länder von der Verzinsung ihrer Schulden befreit. Zinsen in Milliardenhöhe wurden gestundet. Um das zu finanzieren, wurde das steuerliche Netz um international agierende Unternehmen enger gestrickt. Es soll deutlich weniger Schlupflöcher und Steueroasen geben. Besonders erfreut zeigte sich Olaf Scholz über die nahende Besteuerung großer Digitalkonzerne. Diese soll Mitte 2021 auf den Weg gebracht werden.

Klima und Trinkwasser

Eine große Rolle beim G20-Gipfel spielte auch das Klima. Während sich Donald Trump unfair behandelt fühlte, herrschte bei allen anderen Teilnehmern Konsens. Laut Kanzlerin gebe es "einen Willen, dass Wirtschaften nachhaltiger wird". Die Türkei konnte sich dem zwar anschließen, spielte aber die eigene Leistungsfähigkeit stark herunter in der Hoffnung, in den Genuss entsprechender Zuschüsse zu kommen. Ferner wurde ein "Dialog zu Wasser" geführt. In einigen Regionen der Welt - insbesondere beim Gastgeber Saudi Arabien - wird das Trinkwasser knapp.

Die Pressekonferenz zu G20 wurde natürlich auch zu Fragen genutzt, die die Corona-Maßnahmen in Deutschland betreffen. Olaf Scholz sagte: "Wir sind sicher, dass wir das Richtige getan haben." Es müsse jedoch eine Verlängerung geben. Wie lange diese Verlängerung dauere, hänge auch davon ab, wie sich alle an die Regeln halten. Auf globaler Ebene schweißt Corona offensichtlich stärker zusammen als in der deutschen Gesellschaft.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 23. September 2020

Olaf Scholz stellt den Bundeshaushalt 2021 vor

Zwei dünne A4-Blätter wurden den Anwesenden in die Hand gedrückt: eine Zusammenfassung des Bundeshaushalts für 2021. Der Haushalt beläuft sich auf 413,4 Milliarden Euro und umfasst in der vollständigen Textversion 3.295 Seiten. Darin geht es ans Eingemachte und so stark ins Detail, dass eine mundgerechte Kürzung auf zwei Seiten tatsächlich sinnvoll ist. Wer wissen will, welche Beträge für Dienstreisen, Büromaterial, Insolvenzausgleich Thomas Cook, selbst verschuldete Kfz-Schäden und so weiter vorgesehen sind, muss sich in die 3.295 Seiten vertiefen und idealerweise die Suchfunktion seiner PDF-Software nutzen.

Finanzminister Scholz stellte sich in der heutigen Pressekonferenz immer wieder als Kanzlerkandidat der SPD dar. Sämtliche Fragen beantwortete er mit einem ergänzenden Hinweis auf die Sozialpolitik seiner Partei. Die beste Formulierung präsentierte er auf die Frage, wer denn das alles bezahlen solle: Demnach werde sich ein SPD-geführtes Finanzressort dafür einsetzen, dass es "Mehreinnahmen durch die Bekämpfung von Steuervermeidungsstrategien" geben werde. Klarer wollte er es nicht ausdrücken.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz stellt den Bundeshaushalt 2021 in der Bundespressekonferenz vor
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (Dritter von links) stellt den Bundeshaushalt 2021 in der Bundespressekonferenz vor.

Das erinnert an das Gesetz zum Lastenausgleich von 1952. Damals wurden Personen mit besonders hohen Vermögenswerten wie Immobilien, Hypothekengewinnen oder Kapitalmarktgewinnen zur Abgabe von bis zu 50% ihres Vermögens verpflichtet. Damit "die Kuh, die man melkt, nicht gleich geschlachtet wird", wurden diese 50% in 120 Raten auf 30 Jahre verteilt. Wer also zum Stichtag (21.06.1948) beispielsweise ein Vermögen von 240 Millionen D-Mark besaß, musste ab 1952 jeweils eine Million im Vierteljahr ans Finanzamt überweisen. Nach 30 Jahren waren dann die 120 Millionen weg. Auf diese Weise kamen bis 1982 rund 115 Milliarden D-Mark zusammen. Das entspricht umgerechnet etwa 60 Milliarden Euro.

Der Minister machte auch deutlich, dass die Füllhörner des Konjunkturpaketes nicht zum Ansparen und späteren Investieren gedacht seien, sondern zum sofortigen Ausgeben. Wer also längerfristig plant, dürfe sich nicht wundern, wenn er später nichts mehr bekommt. Das Konjunkturpaket soll einen schnellen aber nachhaltigen "Wumms" erzeugen. Eine leistungsfähige Volkswirtschaft mit einer leistungsfähigen Infrastruktur könnten die Belastung durch Corona schnell wieder ausgleichen. Der "Wumms" ist übrigens auch in den SPD-Wahlkampf eingeflossen. Nutzt man dieses Wort im Gespräch mit Bekannten und Verwandten, blickt man in fragende Gesichter: "Wumms? Noch nie gehört."

Die 413,4 Milliarden Euro des Bundeshaushalts sind auf die verschiedenen Ressorts aufgeteilt. Der Verteidigungshaushalt wurde wieder leicht angehoben und rangiert nun bei 45,6 Milliarden Euro. Olaf Scholz bezeichnete den Finanzplan als Untergrenze, die jedes Mal durch die Realitäten nach oben korrigiert würde. So ist jetzt schon von 1,2 Milliarden Euro aus dem Konjunkturprogramm und 3,7 Milliarden Euro für vorgezogene Investitionen die Rede. Auch stehe die Bundesregierung finanziell hinter den Auslandseinsätzen der Bundeswehr und den Verpflichtungen gegenüber der NATO. Man wolle die "verabredeten Fähigkeitsziele erreichen", die innereuropäische Rüstungskooperation stärken und neues Gerät anschaffen.

Der Haushalt stellt aber auch üppige Beträge für die nationale Wasserstoffstrategie, innovativen Fahrzeugbau, Kommunikationstechnologien als Gegenpart zu 5G, Künstliche Intelligenz, Quantentechnologie oder den Krankenhaus-Zukunftsfonds bereit. 19 Milliarden Euro gehen in internationale Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit und 5 Milliarden Euro in den Gesundheitsfonds unter der Überschrift "Stärkung des sozialen Zusammenhalts".

Zur Finanzierung des Haushaltes werden neben "Mehreinnahmen durch die Bekämpfung von Steuervermeidungsstrategien" auch andere altbewährte Einnahmequellen angezapft: Autofahrer und industrielle Verbraucher unterliegen ab 2021 einer erhöhten CO2-Bepreisung. Wie sich die steuerlichen Vorstellungen und Maßnahmen von Olaf Scholz in Wählerstimmen umsetzen lassen, wird der September 2021 zeigen.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 27. August 2020

FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein

Am Montag reichte die FDP-Fraktion eine Klageschrift gegen den Soli beim Bundesverfassungsgericht ein. Nach Artikel 106 Absatz 1 Punkt 6 darf der Bund Ergänzungsabgaben zur Einkommenssteuer und der Körperschaftssteuer erheben. Einkommenssteuer zahlen etwa die Hälfte aller Bundesbürger und Körperschaftsteuer betrifft Kapitalgesellschaften wie GmbHs.

FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein - Dr. Florian Toncar
FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein - Dr. Florian Toncar in der Bundespressekonferenz
Auf diesen Absatz des Grundgesetzes stützte sich das Gesetz zur Erhebung des Solidaritätszuschlages - kurz und liebevoll "Soli" genannt. Der Zweck war damals der "Solidarpakt Ost". Inzwischen zeigt sich Strukturschwäche aber nicht mehr eindeutig an der Himmelsrichtung, sondern an Bedürftigkeiten quer durch die Bundesrepublik. Deshalb ist der Zweck nicht mehr gegeben. Zudem war das Gestz Ende 2019 ausgelaufen. Das interessierte die Große Koalition aber wenig, so dass ein entsprechendes Änderungsgesetz auf den Weg gebracht worden war, das erst ab 2021 eine Entlastung von 90% der Soli-Zahler vorsieht. Allerdings bringen die verbleibenden 10% trotzdem noch um die 50% des bisherigen Betrages auf. Das bedeutet, dass in diesem Jahr 20 Milliarden Euro erwartet werden und in 2021 immer noch 10 Milliarden Euro.

Wie zu erwarten war, wurde der Soli nicht 1:1 in den Aufbau Ost gesteckt. Er floss in den großen Topf des Bundeshaushaltes ein. Sicher kam auch ein Teil davon zweckgebunden an, aber nicht alles. Solch eine Ergänzungsabgabe ist attraktiv für den Bund. Kann doch aktuell damit die Corona-Krise gegenfinanziert werden. Eine Umwidmung ist formaljuristisch nicht möglich. Für Corona müsste eine separate Ergänzungsabgabe erhoben werden.

Bezüglich des Timings wollte sich Dr. Florian Toncar, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, nicht festlegen. Es dauere so lange, wie es eben beim Verfassungsgericht dauere. Man habe die Klageschrift am Montag eingereicht. Als nächstes werde es noch einige Schriftwechsel mit dem Gericht geben. Besonders erfreut wäre die FDP-Fraktion über eine persönliche Anhörung. Dass die Kläger ihr Anliegen wortgewandt vortragen können, haben sie heute in der Bundespressekonferenz bewiesen. Florian Toncar wurde unterstützt von Christian Dürr, dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der FDP.

FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein - Christian Dürr
FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein - Christian Dürr in der Bundespressekonferenz
Seitens der FDP erwartet man zwei mögliche Urteile: Das Wunschurteil wäre, dass das Änderungsgesetz ab Januar 2020 für Nichtig erklärt wird und der Bund den Soli rückwirkend zum 1. Januar an die Steuerzahler erstattet. Das zweite vorstellbare Ergebnis wäre, dass das Verfassungsgericht dem Bund eine Frist zur Nachbesserung setzt. Das wäre zumindest ein Teilerfolg. Mit einer Ablehnung sei nicht zu rechnen. Die FDP-Fraktion setzt mit dem Verfassungsgericht alles auf eine Karte: Wegen der Zuständigkeit für das Grundgesetz konnten sie sich gar nicht durch die Instanzen der Finanzgerichte klagen, sondern mussten sich direkt an Karlsruhe wenden. Sollte das Unterfangen wider Erwarten scheitern, erscheint eine Weitergabe an den Europäischen Gerichtshof wenig sinnvoll.

Es bleibt die Spannung, wann das Urteil vorliegt und wieviel Euro tatsächlich zurückerstattet werden. Die Finanzbehörden drücken bereits in den jährlichen Einkommensbescheiden ihre Zweifel an der "Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995" aus und deklarieren dessen Festsetzung "gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO" als "vorläufig".

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 17. Juni 2020

Olaf Scholz und das Wummspaket auf Abruf

Finanzminister Olaf Scholz zeigte sich begeistert: Nachtragshaushalt, Konjunkturpaket und seine Leistung. Heute stellte er den Nachtragshaushalt zur Umsetzung des Konjunkturpaketes vor. "Das ist ein Wummspaket, mit dem wir aus der Krise kommen können".

Die Neuverschuldung von 218,5 Milliarden Euro sei momentan sehr günstig zu bewerkstelligen. Die Zinsen liegen bei 3%. Zudem ist das Wummspaket ein Wummspaket auf Abruf. Olaf Scholz hofft auf einen regen Abruf, aber wenn der Abruf nicht erfolgt, gibt es auch keine Verschuldung und damit auch keine Zinsbelastung. Die 218,5 Milliarden Euro sind also eher als eine Kreditlinie zu werten, die man vom Disporahmen eines Girokontos kennt. Allerdings mit dem traumhaften Zinssatz von 3%.

Das Konjunkturpaket selbst schlägt nur mit 103 Milliarden Euro zu Buche. Der Rest der 218,5 Milliarden Euro soll zur Finanzierung von Mehrausgaben und Mindereinnahmen genutzt werden.

Konjunkturpaket Nachtragshaushalt Bundesfinanzminister Olaf Scholz BMF
Bundesfinanzminister Olaf Scholz stellt den Nachtragshaushalt zum Konjunkturpaket vor.
Das Konjunkturpaket mit der Arbeitsbezeichnung Wumms sieht eine Menge von Maßnahmen zum Ankurbeln der Wirtschaft nach Corona vor. Eine wahre Verzückung huschte über das Gesicht des Ministers, als er von der Absenkung der Umsatzsteuer sprach. Diese sei bewusst "kurzzeitig, kurzfristig angekündigt und hoch". Die Fernseh- und Radiowerbung bestätige die Maßnahme als Wirtschaftsmotor. Auf kritische Details wie Kontenrahmen der Steuerberater, Umstellung von Kassensystemen oder das Thema Vorsteuer ging er nicht ein. Auf Nachfrage bestätigte er aber, dass die Umsatzsteuersenkung "definitiv" nicht verlängert werde.

Weitere Maßnahmen sind unter anderem die einmalige Stabilisierung der Gesundheitsfonds, die dauerhafte Unterstützung der Kommunen beim Wohngeld, der Kapazitätsausbau von Kitas und Ganztagsschulen, die Förderung von regionalen Wirtschaftsstrukturen, die Senkung der EEG-Umlage und Liquiditätshilfen für die Bundesagentur für Arbeit.

Ein besonderes Augenmerk gilt kleinen und mittelständischen Unternehmen. Diese sollen mit Wumms auf Abruf ihre Umsatzausfälle kompensieren und damit ihre Existenz sichern können.

Die Mittel des Konjunkturpaketes müssen innerhalb der nächsten zwei Jahre abgerufen werden. Ansonsten werden weniger Schulden aufgenommen und die schwarze Null ist schneller wieder erreicht. 20 Jahre soll die Rückzahlung dauern. Das erscheint einigen Experten zu kurz. Olaf Scholz geht jedoch von einer raschen Erholung der Wirtschaft aus und ist auch in diesem Punkt guter Hoffnung.

Der immer wieder kritisch beäugte Verteidigungshaushalt soll durch das Konjunkturpaket und die Neuverschuldung nicht tangiert werden. Der Finanzminister zeigte sich überzeugt, dass die NATO-Vereinbarung von 2% in "altbewährter" Zielstrebigkeit angegangen werde. Momentan sei man diesem Ziel ohnehin sehr nah, weil ja das Bruttoinlandsprodukt (BIP) so stark abgesunken sei. Betrachtet man die geschätzten Steuereinnahmen für 2020, erkennt man einen Rückgang um 20%. Das ist sehr viel. Wenn das BIP um 20% absinkt, hätte Deutschland mit 55 Milliarden Euro tatsächlich bald die 2%-Marke erreicht. In 2019 lag der Verteidigungshaushalt bei 43,2 Milliarden Euro und entsprach 1,25% des BIP. In 2020 ist er auf 45,2 Milliarden Euro beziffert - also 1,64% des eingebrochenen Bruttoinlandsprodukts.

Olaf Scholz schob aber auch der Frage nach dem Verteidigungshaushalt einen Werbeblock in eigener Sache hinterher. Das BIP werde steigen, weil "altbewährte" Kräfte und Methoden eingesetzt werden. Alles wird gut. Alles ist bezahlbar. Wir gehen einer gesunden Zukunft entgegen - oder so.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 11. Juni 2020

Konjunkturpaket und Senkung der Umsatzsteuer für den Zeitraum Juli bis Dezember 2020

Vor wenigen Tagen hat sich die Bundesregierung auf ein Konjunkturpaket verständigt. Dieses soll die Wirtschaft ankurbeln und Kaufanreize für private Endkunden schaffen. Letzteres soll durch eine Absenkung der Umsatzsteuer von 19 auf 16 Prozent beziehungsweise von 7 auf 5 Prozent erreicht werden. Diese Maßnahme soll von Juli bis Dezember 2020 gelten.

Skepsis über die geplante Wirkung des Steuergeschenkes

Was erst einmal ganz nett klingt, birgt doch jede Menge Fallen. So herrschte in der Bundespressekonferenz Skepsis darüber, ob dieses Steuergeschenk wirklich beim Endkunden ankomme. Sprecher der zuständigen Ministerien hingegen zeigten sich hoffnungsvoll. Es gebe Studien, dass das in anderen Ländern gut geklappt habe. Diese Hoffnung konnte jedoch nur mäßig ins Auditorium übertragen werden.

Aus gutem Grund: Bedenkt man den kaufmännischen Leitspruch "Im Einkauf liegt der Gewinn", wird klar, dass insbesondere der Einzelhandel die Steuersenkung für eine Steigerung seiner Rendite (Gewinn) nutzen könnte. Die Rendite ist wichtiger als der eigentliche Umsatz. Die Rendite ist nämlich das, was letztlich in der Tasche des Unternehmens hängen bleibt.

Endlich mehr Rendite

Nehmen wir einmal das Beispiel eines schwedischen Einrichtungshauses, dem ein Kalkulationsfaktor - auch Multi genannt - von 2 nachgesagt wird. Dabei wird der Einkaufspreis des Artikels mit 2 multipliziert und schon hat man den Verkaufspreis im Laden. Wenn also der fiktive Bilderrahmen Smørrebrød 10 Euro im Einkauf kostet, wird er im Regal für 20 Euro angeboten. In den 20 Euro wären aktuell 10 Euro Einkaufspreis und 3,19 Euro Umsatzsteuer enthalten. Die Rendite beträgt demnach 6,81 Euro (20 minus 10 minus 3,19 gleich 6,81). Wenn sich nun die Umsatzsteuer auf 16 % reduziert, sind nur noch 2,76 Euro als Umsatzsteuer (Vorsteuer) an das Finanzamt abzuführen und die Rendite liegt bei satten 7,24 Euro. Das entspricht einer Renditesteigerung von mehr als 6 %. Warum sollte man die an den Endkunden weitergeben, nachdem man wochenlang den Laden wegen Corona geschlossen halten musste?

Hinzu kommt der organisatorische Aufwand: Es gibt nur wenige Märkte, in denen elektronische Etiketten verwendet werden. In der Regel stecken Pappetiketten mit Barcodes, Artikelinfos und Preisen an den Regalen. In leistungsfähigen Warenwirtschaftssystemen kann ein Prozentsatz eingegeben werden, der dann beispielsweise einen Sortimentsbaustein um 2,5 % verteuert - Pardon - in unserem Falle um 2,5 % reduziert. Ist ein optisches Preisschema für die Neukalkulation hinterlegt, wird aus 9,95 Euro ein Preis von 9,75 Euro. Manch ein Lieblingsartikel kostet jetzt 2,99 Euro. Dieser müsste auf 2,91 Euro geändert werden. Eine sinnfreie Preisoptik, die entweder auf 2,89 reduziert würde oder einfach - Genau! - auf 2,99 Euro belassen wird.

Aus Drei mach Zweikommafünf

Warum nur 2,5 Prozent, wenn die Umsatzsteuer doch um 3 Prozentpunkte reduziert wird? Das lässt sich einfach nachrechnen: 119 Euro entsprechen einem Nettowert von 100 Euro plus 19 Euro Umsatzsteuer. Ab Juli würde auf 100 Euro netto eine Umsatzsteuer von 16 % aufgeschlagen werden. Das ergibt 116 Euro. 116 Euro sind aber 97,4789 % von 119 Euro - also nur rund 2,5% weniger. Warum also den Aufwand betreiben und wegen 2,5 % Kaufanreiz sämtliche Sortimente neu kalkulieren, Preisoptik prüfen und den Mitarbeitern neue Etiketten für die Regale übergeben? Wäre das ein Dauerzustand, könnte man das den wenigen Mitarbeitern in den Einzelhandelsfilialen noch verkaufen. Aber: Im Januar 2021 muss alles wieder rückgängig gemacht werden.

Die Vorsteuerfalle

Bei Geschäften zwischen Unternehmen gibt es weitere Fallen. Dort ist die Umsatzteuer ein durchlaufender Posten, der je nach Zahlungsturnus für eine temporäre Liquiditätsverbesserung sorgt. Irgendwann muss das Geld aber ans Finanzamt überwiesen werden. Wer ab dem Leistungszeitraum Juli 2020 eine Rechnung mit 19 % an seinen gewerblichen Kunden stellt, muss diese 19 % auch ans Finanzamt weitergeben. Nach Rechtslage Juli bis Dezember 2020 darf der Kunde auf der anderen Seite jedoch nur die dann geltenden 16 % bei der Umsatzsteuervoranmeldung abziehen. Auch, wenn er seinem Lieferanten die 19 % gezahlt hat.

Man könnte meinen, das sei nicht so dramatisch und sicher nur in Einzelfällen relevant. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Umsatzsteuer über viele Jahre stabil war und neuere Faktura- und Kassensysteme möglicherweise auf 19 % hartcodiert sind. Ganz zu schweigen von epochalen Projektzeiträumen für simple Umstellungen innerhalb namhafter Standardsoftware.

Die Gastronomie trifft es besonders hart. Diese muss in ihren Kassensystemen neuerdings nicht nur die Umsatzsteuer auf Artikelebene pflegen. Sie muss bis Ende Juni mit 19 % rechnen, ab Juli auf 5 % umstellen, ab Januar 2021 auf 7 % anheben und ab Juli 2021 wieder auf 19 %.

Und da wären noch Mietverträge oder Leasingverträge. Hier ist das jeweilige Ablaufdatum maßgebend. Wenn also die Zahlung zum 15. des Monats fällig ist, gilt der Steuersatz zum Enddatum dieses Turnus. Miete, die am 15. Juni für die kommenden 31 Tage zu zahlen wäre, müsste demnach schon mit 16 % abgerechnet werden, weil das Ende des Turnus im Juli liegt.

In eine Falle tappt auch, wer beispielsweise im September 2020 seinen Traumwagen sieht und dafür einen Leasingvertrag mit Sonderzahlung abschließt: Leasingverträge enden normalerweise nach zwei bis vier Jahren. Dann gilt aber wieder der Steuersatz von 19 %. Bei einer Sonderzahlung von 10.000 Euro netto würde die unterschiedliche Besteuerung 300 Euro ausmachen. Wer allerdings einen Leasingvertrag hat, der zwischen Juli und Dezember 2020 endet, kann sich bei seinem Autohaus unbeliebt machen, indem er die damalige Rechnung für die Leasingsonderzahlung auf 16% umschreiben und sich das Geld auszahlen lässt. Denn zum Leasingende gelten ja plötzlich 16% Umsatzsteuer. Das Autohaus muss die Rechnungskorrektur vornehmen und kann dann sehr umständlich den Ausgleich des Steuerbetrages beim Finanzamt beantragen.

Arbeit auf Hochtouren

Das Bundesfinanzministerium versicherte in den jüngsten Pressekonferenzen, dass es "auf Hochtouren" an den Details zur Behandlung dieser Umsatzsteuerkonstellationen arbeite. Man wolle "zeitnah" die Ergebnisse präsentieren  - voraussichtlich als Rundschreiben. Steuerberater warten händeringend auf entsprechende Sonderregelungen. Schon allein deshalb, weil auch deren Beratungssoftware nicht so kurzfristig auf die neuen Gegebenheiten angepasst werden kann.

Viele Unternehmen und Vermieter haben vermutlich bis heute noch nicht mitbekommen, dass es ab Juli eine Veränderung bei der Umsatzsteuer gibt.

Autor: Matthias Baumann

Weitere Infos zum Thema in der Stellungnahme des Deutschen Steuerberater-Verbandes

Freitag, 29. Mai 2020

#COVID19 - Tod einer Branche

Mitte März 2020 wurden sämtliche protokollarische Termine abgesagt. Die Kanzlerin verschwand in der häuslichen Quarantäne. Der Bundespräsident zog sich ins Präsidialamt zurück. Kaum noch Pressetermine, leere Straßen und keine Sperrungen der Innenstadt für Staatsbesuche. Wen stört das schon? Ganz im Gegenteil: Ökoaktivisten, Neider und andere Kräfte möchten Luxuslimousinen, militärische Ehren und das Protokoll lieber heute als morgen abschaffen.

#COVID19 Chauffeur Limousine Service VLD Branche
#COVID19 trifft auch Chauffeur- und Limousinen-Dienstleister sehr hart. Auch Protokollaufträge werden von privaten Unternehmen abgewickelt.
Der initialen Absage von Staatsbesuchen folgte die Schließung von Restaurants, Kirchen, Museen, Bürohäusern und Flughäfen. Messen wie die ILA, die ITB und die Buchmesse wurden abgesagt. Keine Konzerte, keine Reisen, kein Schulunterricht, keine Tagesausflüge, kein Kitabesuch, keine Stadtrundfahrten. Leere Straßen, leere Autobahnen, Kinderbetreuung zu Hause, Videokonferenzen und Home Office.

Eine Situation, die eine kaum beachtete Branche tangiert: den Chauffeur- und Limousinen-Service. Diese Branche basiert auf ähnlichen Werten wie das Protokoll - vielleicht auch deshalb, weil das Protokoll ein wichtiger Auftraggeber ist: Da sein, nicht auffallen, vom Hintergrund aus das Ganze im Blick behalten, 100% Qualität liefern und nach dem Ereignis diskret aus dem Blickfeld verschwinden.

Unbekannt ist wohl, dass selbst die schwarzen Limos mit der Standarte des Bundespräsidenten auf kleine und mittelständische Unternehmen angemeldet sind. Diese unterhalten je nach Auftragslage und Stammkunden ein oder mehrere schwarze Fahrzeuge der Oberklasse. Die Unternehmer fahren oft selbst oder beschäftigen Familienangehörige und Mitarbeiter.

#COVID19 Chauffeur Limousine Service VLD Branche
#COVID19 trifft auch Chauffeur- und Limousinen-Dienstleister sehr hart. Chauffeur Matthias Walcker unterwegs auf den leeren Straßen Berlins.
Mehrere Quellen berichten, dass die Chauffeure ein außerordentlich kollegiales Verhältnis zueinander haben. Jeder gönne seinem Wettbewerber ein Stück vom Kuchen. Man wisse, dass man sich gegenseitig brauche. Bei Großaufträgen wie mehrtägigen Staatsbesuchen, Messen, Gipfeltreffen, Filmfestspielen und ähnlichem müsse man sich aufeinander verlassen können. Einer bucht den anderen dazu und wird bei nächster Gelegenheit selbst zur Ergänzung des Konvois angefragt.

Wer mit Dumpingangeboten oder Wucherpreisen an den Markt gehe, wird sich bald ein anderes Geschäft suchen müssen. So kommt es, dass Nutzer von Chauffeurdiensten in Deutschland eine moderate und stabile Preisgestaltung vorfinden. Zum Ehrenkodex gehört es auch, dem Kunden aus der Schweiz zu sagen: "Es freut mich, dass Sie mir die dreifachen Preise von Paris zahlen möchten, aber ich mache hier nicht die Branche kaputt." Abgerechnet wird nach Zeit. Wer die Preise unserer westlichen Nachbarn gewohnt ist, kann in Deutschland üppige Ausfahrten buchen.

#COVID19 Chauffeur Limousine Service VLD Branche
#COVID19 trifft auch Chauffeur- und Limousinen-Dienstleister sehr hart. Der elegante Fuhrpark produziert hohe Fixkosten bei null Euro Umsatz.
Durch Corona wurde Mitte März der Schalter umgelegt und das Umsatzniveau der gesamten Branche auf 5% abgesenkt. Darunter befinden sich Familien- und Einzelschicksale mit Einnahmen von null bis 120 Euro pro Monat bei weiterlaufenden Kosten. Fahrzeuge dieser Größenordnung werden in der Regel geleast oder finanziert und verursachen monatliche Aufwendungen von gut 1.500 Euro. Davon entfallen 85% auf administrative Fixkosten wie Steuern, Versicherungen und Leasing-/Finanzierungsraten. Dieses Geld ist zu zahlen, auch wenn das Auto nicht einen Kilometer bewegt wurde.

Chauffeure aus Berlin hatten Glück. Die Zuschüsse der IBB wurden bereits einen Tag nach Beantragung ausgezahlt. In Bundesländern wie Brandenburg lief das nicht so elegant. Dort musste zunächst ein Webformular ausgefüllt werden. Daraus wurde eine PDF erzeugt. Diese musste ausgedruckt, unterschrieben und per E-Mail an die Bank gesendet werden. Ein Chauffeur berichtete, dass es sogar noch einen zusätzlichen Briefwechsel gab. Durch diesen ineffizienten Ablauf erfolgte die Auszahlung erst nach mehreren Wochen - kurz vor dem gefürchteten Monatswechsel. Auch das ist bei Unternehmern anders als bei Angestellten: Während sich der Angestellte auf das Gehalt freut, muss der Unternehmer zum Monatsende so viel Geld erwirtschaftet haben, dass er Mieten, Kreditraten und Mitarbeiter bezahlen kann. Wohl dem, der ein finanzielles Polster hat.

#COVID19 Chauffeur Limousine Service VLD Branche
#COVID19 trifft auch Chauffeur- und Limousinen-Dienstleister sehr hart. Chauffeure warten auf neue Umsätze frühestens ab September 2020.
Fahrservice Ulrich ist ein kleines Familienunternehmen mit zwei Mitarbeitern. Nach einer Durststrecke von zwei Monaten ohne Einnahmen freute er sich über das Wiederanlaufen der Schulen und Kitas. So konnten die fehlenden Limo-Umsätze wenigstens mit Schülerfahrdiensten abgefedert werden. Wobei das auch noch viel zu wenig für die Kostendeckung ist. Einige Monate halte Burkhard Ulrich mit seiner Firma noch durch, brauche zum Jahresende jedoch dringend neue Aufträge. Er ist abhängig von der Entwicklung bei Flugreisen, Hotels und dem Protokoll der Bundesregierung.

Chauffeur und Einzelunternehmer Matthias Walcker musste wegen des positiven Corona-Tests eines Fahrgastes aus dem Bundestag für zwei Wochen in Quarantäne. Das ausgleichende Krankentagegeld fiel homöopathisch aus - ebenso seine Umsätze seit März 2020. Ein geschätzter Kollege von ihm musste bereits Insolvenz anmelden. In zwei Tagen steht der nächste Horror bevor: Monatswechsel. Matthias Walcker ist Schriftführer der Vereinigung der Chauffeur & Limousine Service Unternehmen (VLD e.V.) und geht davon aus, dass erst ab September neue Aufträge zu erwarten sind. Dabei hatte das Jahr so verheißungsvoll begonnen: Die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands hatte so viel Arbeit für die Branche avisiert, dass einige Unternehmer neue Fahrzeuge angeschafft und in weitere Mitarbeiter investiert hatten.

#COVID19 Chauffeur Limousine Service VLD Branche
#COVID19 trifft auch Chauffeur- und Limousinen-Dienstleister sehr hart. Chauffeur und Schriftführer des VLD e.V., Matthias Walcker, blickt besorgt in die Zukunft.
Fixkosten bleiben und bis September sind keine weiteren Einnahmen in Sicht. Das wird wohl das Aus für viele Chauffeurdienste bedeuten. Leider beauftragen die Ministerien zurzeit sehr spärlich, obwohl der Bedarf und die Mittel vorhanden seien. Einige Chauffeure haben den Absprung aus der Selbstständigkeit geschafft und wurden direkt bei den Behörden angestellt. Bitter für die Branche ist auch, dass das hohe Auftragsvolumen des Fahrdienstes für den Bundestag dem Bundeswehr-Fuhrpark zugefallen ist. Dieser arbeitet mit 450-Euro-Kräften und ist erkennbar an den Nummernschildern B-FD.

So bangt die Branche der Chauffeure weiter um ihre Existenz und hofft auf ein Überleben bis zum Wiederanlauf nach Corona.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 26. Mai 2020

WELT-Ballon schwebt wieder über Berlin

#COVID19 hat seit Mitte März sämtliche touristische Dienstleistungen lahm gelegt. Während der Fernsehturm inzwischen wieder geöffnet hat, macht der Kollhoff Tower am Potsdamer Platz noch Pause. Unter Wahrung auffälliger Abstandsregelungen haben auch einige Restaurants wieder ihre Pforten geöffnet. Dennoch sieht man kaum Touristen auf den Straßen Berlins.

Der WELT-Ballon am Finanzministerium sollte eigentlich seit gestern seinen Flugbetrieb aufnehmen, aber das Wetter spielte nicht mit. Bis abends war ein knallrotes Symbol auf der Webseite des Air Service Berlin zu sehen: Wind. Entscheidend ist dabei der Wind in 150 Metern Höhe. Es darf keine Böen geben und die Windgeschwindigkeit muss unter 13 Metern pro Sekunde liegen.

WELT-Ballon fliegt wieder nach #COVID19
WELT-Ballon schwebt wieder über Berlin nach #COVID19-Pause - Hygienemaßnahmen für den sanften Aufstieg
Punkt zehn wurde das Symbol heute auf Grün umgeschaltet: Aufstiegswetter. Der wirtschaftliche Aufstieg wird wohl noch eine Weile auf sich warten lassen, aber ein Anfang ist gemacht. Am Mittag kaufte ich das dritte Ticket nach der Corona-Sperre. Da der Ballon feste Flugzeiten hat und für ein bis 30 Passagiere aufsteigt, konnte ich den Ausblick als einziger Passagier genießen. 15 Minuten in 150 Metern Höhe. Das Wetter war so gut, dass man sogar das Tropical Island sehen konnte. Jedenfalls zeigte der Ballon-Pilot in die entsprechende Richtung mit den Windrädern am Horizont.

Der Air Service Berlin bietet neben dem Ballon-Aufstieg auch Rundflüge mit Helikopter an. Preislich geht es bei 99 Euro los und ist nach oben offen. Eine Buchung bietet sich für romantische Ausflüge ins Umland oder Filmaufnahmen aus der Vogelperspektive an.

Noch ist nicht abzusehen, welchen wirtschaftlichen Schaden #COVID19 verursacht hat, und welche Branchen sich wieder erholen können. Als der Ballon wieder den Boden berührte, hatte er eine ermutigende Anzahl Touristen angelockt, die ihn in freudiger Erwartung zum 3. Aufstieg betraten.

Video:
Aufstieg Nummer 2 mit dem WELT-Ballon nach der #COVID19-Pause

Autor: Matthias Baumann

Montag, 6. April 2020

#COVID19 - Osterfest im Zeichen der Pandemie

Zweieinhalb Wochen war das Auto nicht mehr bewegt worden. Arztbesuche und Einkäufe konnten zu Fuß absolviert werden. Präsenztermine waren seit dem 12. März 2020 ohnehin alle abgesagt worden. Kundenkontakte laufen komplett per Telefon und E-Mail. Der Wagen sprang an, als hätte es nie eine längere Standzeit gegeben. Dann ging es durch den zäh fließenden Verkehr in die City. Wo wollen die Leute nur alle hin? Auffällig waren die vielen fertigen Baustellen und der ausgebesserte Straßenbelag.

Die Mittagssonne knallte direkt in die große Fensterfront der Bundespressekonferenz. Zunächst mussten sich der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, und die Vertreter verschiedener Ministerien den Fragen der Journalisten stellen. Letztere hatten entsprechenden Abstand zueinander eingenommen. Für die zweite Stunde wurden Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Finanzminister Olaf Scholz erwartet.

Bundespressekonferenz #COVID19 Olaf Scholz Schnellkredit
Bundespressekonferenz zu #COVID19 - Olaf Scholz zu den Schnellkrediten bis 500.000 Euro
Zwei Stunden Corona: Interessant war zunächst, welche Exit-Strategie die Bundesregierung hat. Auf mehrfache Nachfrage wurde versichert, dass man "Tag und Nacht darüber nachdenke". Man könne das auch im Podcast der Kanzlerin nachhören. Der Hinweis auf die klar umrissene Exit-Strategie der Österreicher wurde damit vom Tisch gewischt, dass diese viel strengere Corona-Regeln hätten. Beispielsweise sind dort auch die Baumärkte geschlossen. Das hätte man dem Heer gelangweilter Familienväter in Deutschland nicht zumuten können (Anmerkung der Redaktion).

Etwas konkreter wurde das Gesundheitsministerium. So hätten von 1.160 Krankenhäusern bereits 1.015 freie Betten gemeldet. Das sind bundesweit 87,5% der Krankenhäuser. Die Gesamtkapazität umfasst derzeit 10.000 Beatmungsbetten. Es wurden weitere Zahlen genannt: Allein in der letzten Wochen seien 37 Millionen Gesichtsmasken und 25 Millionen Handschuhe an die Krankenhäuser ausgeliefert worden. Zudem sei durch die jüngsten Maßnahmen der Kontaktsperre die Verbreitungsrate des Virus auf Eins gesunken. Der Standardwert liegt bei zwei bis drei Infektionsweitergaben pro Person.

Bei der inneren Sicherheit gibt es einige Ambivalenzen, zu denen die Korrespondenten nachhakten. Wird es eine Tracking-App geben? Wer programmiert die? Ist die europaweit kompatibel? Die Bundesregierung begrüßt eine solche App und hat diesbezüglich schon einiges in die Wege geleitet. Allerdings müsse die App für den Schengenraum standardisiert werden.

Apropos Schengen: Während Deutschland an fast allen Außengrenzen Kontrollen eingeführt hat, gibt es zu Belgien und den Niederlanden keine Kontrollen? Das Innenministerium erklärte das mit Risikogebieten und der Entscheidungsfreiheit der angrenzenden Bundesländer. Wer keinen wichtigen Grund wie beispielsweise ein Arbeitsverhältnis nachweisen könne, werde an der Grenze abgewiesen. Bislang waren das 70.000 Personen. Ambivalent wird auch die Quarantäne nach der Einreise gehandhabt. Ausländer müssen sich sofort in ihre Zielunterkunft begeben und dort zwei Wochen in Quarantäne bleiben. Für Rückreisende Deutsche gilt das pauschal nicht.

Bundespressekonferenz #COVID19 Peter Altmaier Schnellkredit
Bundespressekonferenz zu #COVID19 - Peter Altmaier zu den Schnellkrediten bis 500.000 Euro
Peter Altmaier und Olaf Scholz demonstrierten eine glaubhafte Harmonie. Endlich ist die Große Koalition wieder zu Sachthemen zurückgekehrt und zeigt sich in diesen recht effizient. Mit einem bemerkenswerten Tempo hatten die beiden Minister auf die Situation reagiert und den verfügbaren EU-Rahmen ausgeschöpft. Sie kündigten sogar für "die nächsten Tage eine kleine Neuigkeit" an.

Aktuell ging es um ein Schnellkreditprogramm für Unternehmen bis 50 Mitarbeiter. Diese könnten relativ unkompliziert Kredite bis 500.000 Euro zu extrem günstigen Zinssätzen beantragen. Als Voraussetzung gelten die Zahlen der Vergangenheit: Wer schon 2019 existiert, Umsätze erwirtschaftet und Gewinne gemacht habe, sei qualifiziert für solch einen Kredit. Diese Kredite dürfen jedoch nicht zur Umschuldung verwendet werden, sondern sind als Ergänzung bestehender Kredite gedacht. Firmen über 50 Mitarbeiter können in diesem Zuge Kredite bis 800.000 Euro beantragen. Momentan wird noch über die Länge der Laufzeit diskutiert, weil fünf Jahre für viele Unternehmen zu kurz sind.

Den Ministern war klar, dass es zunächst einen Rückgang des Wirtschaftswachstums geben werde. Sie zeigten sich jedoch optimistisch, dass es schnell wieder aufwärts gehe und nach 20 Jahren die Kosten für die Corona-Zuschüsse und Kredite wieder eingespielt seien. Als Zeitrahmen wurden die Jahre 2023 bis 2043 genannt. Man sei nur deshalb so risikobereit, weil man auf die solide Wirtschaftsfähigkeit vertraue und damit eine geringe Ausfallwahrscheinlichkeit bestehe.

Peter Altmaier ergänzte die Ausführungen mit einem glühenden Plädoyer für den deutschen Mittelstand. Olaf Scholz lobte die Bankmitarbeiter, die so schnell entsprechende Wege geebnet und technische Voraussetzungen geschaffen hätten. Dass es hier um Taten statt Worte geht, zeigt der Umstand, dass die Zuschüsse an Kleinstunternehmer bereits am 1. April 2020 auf den Konten der Antragsteller gebucht wurden. Das war Peter Altmeier wichtig wegen der anstehenden Mietzahlungen. Das neue Programm der Schnellkredite bis 500.000 Euro soll bereits am Gründonnerstag anlaufen.

Ja, der Gründonnerstag! Ein Tag ohne Staus und das Kaffeetrinken mit der Oma. Keine Osterfeuer, kein Kirchgang, kein Ausflug ans Meer. Steffen Seibert zeigte Verständnis für die Situation und packte das in die Formulierung "Osterfest im Zeichen der Pandemie". Ob der Exit eine Woche nach Ostern zusammen mit dem Ende der Osterferien startet, ist aktuell noch unklar. Vermutlich denkt man auch darüber Tag und Nacht nach.

Vor der Bundespressekonferenz standen zwei schwarze Blaulicht-Limousinen. Damit fuhr der Finanzminister zum nächsten Termin. Peter Altmaier hingegen schwang sich aufs Fahrrad und radelte durch den Sonnenschein davon.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 5. Juli 2016

PKM Sommerfest 2016

Der Regenbogen ist sehr divergent belegt. Es gibt die Regenbogenpresse, die Regenbogenfamilie, den Regenbogenfisch und die Regenbogentorte. Den ethischen Grundsätzen des großen "C" folgend, hat er bei der CDU/CSU-Fraktion wohl eher die Bedeutung von Genesis 9. Heute Nachmittag erfreute er die Gäste beim PKM Sommerfest 2016 im Kronprinzenpalais.

PKM Sommerfest 2016 Regenbogen über der Friedrichswerderschen Kirche
PKM Sommerfest 2016 - Regenbogen über der Friedrichswerderschen Kirche
Mittelständler und Verbandsvorstände zückten ihre iPhones und nahmen den Regenbogen über der Friedrichswerderschen Kirche auf. Dicht gedrängt standen sie unter dem Festzelt und warteten auf das Ende des Regenschauers. Auf der überdachten Bühne stach Bundestagspräsident Norbert Lammert das Bierfass an. Dazu war er in eine grüne Schürze gehüllt. Stolz hielt er eine Maß Bier in der Hand.

PKM Sommerfest 2016
PKM Sommerfest 2016 - Norbert Lammert sticht das Bierfass an.
Justizminister Heiko Maas war als SPD-Politiker nicht unter den Gästen. In der Begrüßungsrede hatte Christian von Stetten einige Minister der CDU und CSU angekündigt. Frau von der Leyen, Gerd Müller, Alexander Dobrindt oder Peter Altmaier liefen uns den ganzen Abend nicht über den Weg. Dafür trafen wir die Bundeskanzlerin, Peter Ramsauer und Finanzminister Schäuble, mit dem wir bereits einen langjährigen Sponsorenvertrag haben.

PKM Sommerfest 2016
PKM Sommerfest 2016 - Torte des Konditorhandwerks
Bier stand nicht nur für den Bundestagspräsidenten zur Verfügung. Wein, Cocktails, Säfte und Bier wurden an sämtlichen Ecken des Gartens gereicht. Das Bäckerhandwerk, das Fleischerhandwerk, Aydin Döner, Schokoladenhersteller Höflich und das Konditorhandwerk legten ihre Angebote immer wieder nach. "Genuss und Erlebnis" hatte sich das Konditorhandwerk auf die Fahnen bzw. den Kühlschrank geschrieben und einen Bundesadler in Schwarz-Rot-Gold auf eine gelbe Torte gesetzt. Das ist immerhin der Stand, den die Kanzlerin nach ihrer Rede immer als erstes besucht um sich am Ende des Rundgangs bei Aydin den Kanzlerdöner zu holen.

Auf dem Weg ins VIP-Zelt kam der Spitzenpolitiker auch in diesem Jahr am Stand des Bundesverbandes der Zigarrenindustrie vorbei. Die Auswahl war enorm. Aber auch bei Philip Morris stapelten sich die zur Entnahme geöffneten Zigarettenschachteln und edle Metallfeuerzeuge. Daneben unterhielt sich Gesundheitsminister Gröhe mit einigen Gästen. Immer wieder begegneten wir Norbert Blüm.

Mit einer würzigen Brazil Trüllerie Casino platzierten wir uns am oberen Ende der Treppe und ließen das bunte Treiben an uns vorüberziehen. Mit dem ehemaligen Regionalleiter von Rolls Royce sprachen wir über den Brexit, mit Frau von Hardenberg über Uhren und mit Frank Heinrich MdB über die positive wirtschaftliche Entwicklung seines Wahlkreises Chemnitz. Die kleinen und mittelständischen Firmen seien dort personell so überschaubar, dass viele Krisen elegant abgefedert werden konnten.

PKM Sommerfest 2016
PKM Sommerfest 2016 - Rede der Bundeskanzlerin zum Mittelstand in ländlichen Regionen
Generell kommt dem Mittelstand in ländlichen Gebieten eine immer größere Bedeutung zu, da durch eine massive Abwanderung in die Städte erhebliche Lücken entstehen. Die Initiative #gemeinsam des Innenministeriums zielt ebenfalls auf die Belebung der nichturbanen Regionen ab. Übrigens trafen wir Thomas de Maizière auch nicht, obwohl wir uns schon auf ihn gefreut hatten. Stattdessen kam der ehemalige Innenminister Hans-Peter Friedrich mehrfach an uns vorbei.

PKM Sommerfest 2016
PKM Sommerfest 2016 im Kronprinzenpalais
So flog der Abend dahin. Das Kronprinzenpalais wurde illuminiert. Einige Laternen erleuchteten den Garten. Nach einem fruchtigen Energydrink machten wir noch einen kurzen Abstecher zur Deutschen Post, wo Norbert Blüm gerade eine Ansichtskarte schrieb. Dann verließen wir das Kronprinzenpalais. Es war unser siebtes PKM Sommerfest. Beim PKM Sommerfest 2010 hatten wir unsere erste in Plastik geprägte Visitenkarte an Innensenator Frank Henkel übergeben.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 11. November 2015

FinTechs auf der Digitalen Agenda

Vor zwei Jahren noch dachte man bei FinTech eher an Dachgepäckträger aus Finnland. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass FinTechs ernstzunehmende Wettbewerber auf dem Banken- und Versicherungssektor sind. FinTech steht für neue und natürlich digitale Technologien im Finanzbereich.

Viele FinTechs sind Start-ups und werkeln mit kreativen Ideen und Anwendungen an den klassischen Banken und Versicherungen vorbei. Einige Banken kooperieren mit solchen Firmen oder kaufen diese auf, um den eigenen Nachholbedarf zu bedienen und empfindlichen Wettbewerb zu neutralisieren. Dadurch verfügen FinTechs oftmals über Voll- oder Teilbanklizenzen.

Es gibt jedoch gesetzliche Rahmenbedingungen, die das unkontrollierte Wachsen neuer Technologien ausbremsen. So müsse beispielsweise eine Kontoänderung oder eine Kündigung immer noch schriftlich per Brief eingereicht werden, obwohl Kontoeröffnungen und sämtliche Transaktionen online erfolgen können.

Ausschuss Digitale Agenda Bundestag
50. Sitzung des Ausschusses Digitale Agenda im Bundestag zum Thema "Digitalisierung der Finanzwirtschaft"
Bei der heutigen 50. Sitzung des Ausschusses Digitale Agenda im Bundestag zum Thema "Digitalisierung der Finanzwirtschaft" bezeichnete einer der geladenen Experten das als "Old School". Andere Experten forderten ein Ende des Welpenschutzes für FinTechs. Es könne nicht sein, dass Banken und Versicherungen überreglementiert seien, während bei FinTechs die Augen des finanziellen Regelwerkes zugedrückt würden. Bei FinTechs sei zu Beginn zwar selten klar, wohin sich das Unternehmen letztlich entwickele. Dennoch sollten sie keine finanzrechtlichen Grauzonen zur Etablierung von Wettbewerbsvorteilen nutzen können.

Auch für die Abgeordneten und Experten gab es bei diesem Fachgespräch klare Regeln. Das begann mit der Reihenfolge der Fragen und Redebeiträge und endete bei konkreten Zeitvorgaben, die zwischen zwei und fünf Minuten lagen und mit einer nicht übersehbaren Anzeige auf den Screens heruntergezählt wurden. Dennoch konnten die achtzehn vorab bekannten Fragen in den zwei Stunden nur kurz gestreift werden.

Es ging auch um Bitcoins. Sobald diese im Spiel seien, könne man von einer Währung ausgehen, die ebenfalls Umrechnungskursen und der Besteuerung unterliege. Könnten Bitcoins die Währung der Wahl für Industrie 4.0 sein? Das sei bisher noch gar nicht geklärt. Überhaupt zerlege die Digitalisierung etablierte Wertschöpfungsketten in ihre Bestandteile und setze diese ganz neu zusammen.

Aus den Expertenkreisen war zu vernehmen, dass die etablierten Banken technologisch nachziehen. So seien neuere Debitorenkarten bereits heute in der Lage zu kontaktloser Zahlung. Dieses werde aktuell jedoch nur für Kleinbeträge im Vorbeigehen verwendet wie zum Beispiel im Fußballstadion.

Eine Disruption der Banken durch FinTechs ist nicht zu erwarten. Klassische Banken und Versicherungen bieten in der Regel ein breites Produktspektrum an, während sich FinTechs eher auf Nischen konzentrieren oder als Dienstleister für Geldtransaktionen fungieren.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 3. November 2015

BDI Tag der Deutschen Industrie 2015

Der Postbahnhof am Ostbahnhof ist normalerweise Austragungsort von Konzerten, Dance Partys oder SPD-Parteitagen. Gestern und heute fand dort der Tag der Deutschen Industrie 2015 statt.

Passend zur Location fungierte radioeins-Moderator Jörg Thadeusz als Voice of Event. Veranstalter war jedoch der BDI Bundesverband der Deutschen Industrie oder wie es auf dem großen Screen über den Referenten hieß: "BDI The Voice of German Industry".

BDI Tag der Deutschen Industrie 2015
BDI Tag der Deutschen Industrie 2015 - BDI-Präsident Ulrich Grillo
Etwa 1.000 Teilnehmer hatten den großen Saal im Postbahnhof bis auf den letzten Stuhl besetzt und viele der Gäste mussten sogar am Rand stehen. In der ersten Reihe nahmen abwechselnd die Bundeskanzlerin, der Wirtschaftsminister, der amerikanische Botschafter, der britische Finanzminister, dessen Botschafter Sebastian Wood und andere interessante Redner Platz.

Die Themen der Reden wiesen diverse Schnittmengen auf und immer wieder Dank an die deutsche Industrie für ihr Engagement beim Erhalt des Wohlstandes.

BDI-Präsident Ulrich Grillo sprach viel über die EU und forderte eine Union der Europäer, die auch als Union gelebt werde. Die EU müsse enger zusammen rücken, da uns die Geschichte zu Entscheidungen zwinge, die nur in Einheit zu lösen seien. Zum Thema Flüchtlinge wies er darauf hin, dass auch die Familie Grillo vor einigen hundert Jahren nach Deutschland gekommen sei, weil Protestanten in Italien nicht mehr erwünscht waren. Er sei damit ein Beispiel erfolgreicher Integration.

BDI Tag der Deutschen Industrie 2015
Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem BDI Tag der Deutschen Industrie 2015
Nach Ulrich Grillo folgte eine längere Rede der Bundeskanzlerin. Sie sprach kurz über die Flüchtlinge und den Spagat zwischen illegal und legal. Vieles sei deshalb illegal, weil es gar keine Regelungen für bestimmte Szenarien gebe.

In Sicht auf den Anlass ihrer Rede bemerkte sie immer wieder, dass viel zu tun sei und die Herausforderungen in Zusammenarbeit von Industrie und Regierung durchaus zu meistern seien. Man arbeite als Regierung auf Hochtouren an förderlichen Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft. Dazu gehörten unter anderem TTIP, der Netzausbau und die Dekarbonisierung. Endlich wieder ein neues Wort gelernt. Die Kanzlerin entfaltete einen bunten Blumenstrauß von Anglizismen, die vorwiegend die Stärkung von Industrie 4.0 und des digitalen Binnenmarktes betrafen.

BDI Tag der Deutschen Industrie 2015
BDI Tag der Deutschen Industrie 2015
Darauf folgte Wirtschaftsminister Gabriel und gewann das Publikum mit dem Hinweis auf seine Kindheit, wo er im Fußballverein linker Verteidiger gewesen sei. Fußball spiele er nun nicht mehr, sei aber linker Verteidiger geblieben. Dann wurde er ernst und mahnte zur Vorsicht vor Selbstüberschätzung: "Wenn es einem so scheinbar gut geht, kann man sich schon mal umdrehen und schauen, was da kommt". Kinder als Garant kontinuierlichen Wohlstandes werden knapp. Angesichts dessen wäre man "mit dem Klammerbeutel gepudert", wenn man die bereits anwesenden Flüchtlinge nicht auch für den Erhalt des Wohlstandes nutzen würde.

SPD und Wirtschaft sehen Industrielle normalerweise als Widerspruch an. Auf diese Befindlichkeiten ging Sigmar Gabriel deshalb mehrfach ein. Ähnliche Argumentationen sind auch von Bauministerin Hendricks vor Immobilienunternehmern bekannt. Um Salz in die Wunde zu streuen, erinnerte Sigmar Gabriel an die zahlreichen Verbandsgründungen vor 125 Jahren. Im März 1890 war der erklärte Sozialistenfeind Bismarck zurückgetreten.

BDI Tag der Deutschen Industrie 2015
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf dem BDI Tag der Deutschen Industrie 2015
Wie wichtig es sei, dass die deutsche Industrie nicht den Anschluss verliere, verdeutlichte er am Beispiel seiner 27-jährigen Tochter. Wenn sie Mobilität suche, gehe sie ins Internet und prüfe die Optionen für Woche und Wochenende oder Sommer und Winter und wechsele dann entsprechend die Transportmittel. Es seien nicht mehr die Autokonzerne, die wissen wie der Kunde tickt, sondern Google. Damit dränge sich eine ganz neue Wertschöpfungsplattform in den Markt.

Während Sigmar Gabriel noch redete, lief der neue britische Botschafter Sebastian Wood an uns vorbei. Um den Fluss hochkarätiger Referenten nicht abreißen zu lassen, stand anschließend der britische Finanzminister George Osborne auf dem Programm.

BDI Tag der Deutschen Industrie 2015
Britischer Finanzminister George Osborne auf dem BDI Tag der Deutschen Industrie 2015
Der Botschafter und sein Minister hatten die Poppy im Knopfloch. Die Mohnblume (Poppy) ist ein Symbol des Gedenkens an die Opfer der beiden Weltkriege. Jörg Thadeusz hatte den Finanzminister mit einem Lob über die englischen "sausages" anmoderiert. Dieser freute sich darüber und startete seine Rede mit einer Schilderung seiner Zuwanderungsgeschichte, nämlich aus Ungarn. Ungarn sei fast schon ein Symbol für Zuwanderung und ermöglichte Flucht, insbesondere in Sicht auf die Ereignisse im Sommer und Herbst 1989.

Da sich in Europa immer wieder Unmut über die Position der Briten in der Flüchtlingsfrage breit macht, ging George Osborne auf das britische Engagement in den Krisenregionen selbst ein. Diese Maßnahmen überträfen vielfach den allgemeinen EU-Einsatz vor Ort.

Das Referendum zum Brexit erwarte er Ende 2017 und hob es als besonderen Ausdruck von Demokratie hervor. Auch könne man den britischen Steuerzahler nicht mit Kosten belasten, die durch den Euro hervorgerufen wurden. Interessant wäre noch gewesen, worüber sich George Osborne gestern Abend in der Pizzeria mit Wolfgang Schäuble unterhalten hatte. Diese Arbeitsessen zwischen "Wolfgang and George" sind oft weit wertvoller als öffentliche Statements und Diskussionspanels.

Angela Merkel und Sigmar Gabriel nutzten jedenfalls die Steilvorlage von Ulrich Grillo und appellierten an die Briten: "Stay in"!

Siehe auch: Rede des britischen Finanzministers George Osborne

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 10. Juli 2015

Australischer Finanzminister Mathias Cormann in der Konrad-Adenauer-Stiftung

Als "like-minded" bezeichnete MdB Klein in seiner emotionalen Rede die Wertevorstellungen von Australien und Deutschland. "We share deep values of democracy" formulierte es der australische Finanzminister Mathias Cormann gestern in der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Ein Brite fragte nach einem weiteren bekannten Australier, der zur Zeit als Finanzminister agiert: Yanis Varoufakis besitzt die australische Staatsbürgerschaft und könnte parteipolitisch und inhaltlich nicht divergenter gegenüber Mathias Cormann sein. Cormann, der aus den Niederlanden stammt und Mitglied der Liberalen Partei ist, beantwortete die Frage dahingehend, dass die Handelsnation Australien auch Finanzminister nach Europa exportiere und andere Finanzminister aus Europa importiere. Tagesspiegel-Chefredakteur Casdorff lachte.

Australischer Finanzminister Mathias Cormann Konrad-Adenauer-Stiftung
Australischer Finanzminister Mathias Cormann in der Konrad-Adenauer-Stiftung
Mathias Cormann ist ein praktisches Beispiel für den in Australien möglichen "American Dream". Mit Fleiß und Zielstrebigkeit lasse sich dort noch viel bewegen. Vor zwanzig Jahren kam er aus Europa nach Australien, trat 1996 der Liberalen Partei bei, wurde 2007 Senator und ist seit 2013 Finanzminister auf dem südlichen Kontinent. Zudem ist er bei sehr ähnlichem Klang des Namens vier Jahre und zwei Tage jünger als der Autor dieses Artikels.

Cormann spricht fließend Deutsch und schaltete erst mitten in der Rede auf Englisch um. Übrigens seine einzige öffentliche Rede bei diesem Deutschlandbesuch. Als zweiter Vorsitzender der Australisch-Deutschen Beratergruppe legte er die zuständige Staatsministerin Böhmer auf ihre Worte fest: "Wir müssen Nägel mit Köpfen machen". Bisher seien die Beziehungen nicht so wie sie sein könnten und sein sollten. Die Ausrede "zu weit weg" gelte nicht mehr, zumal ein Flug von Deutschland nach Australien kürzer sei, als ein Flug von Australien nach Deutschland.

Australischer Finanzminister Mathias Cormann Konrad-Adenauer-Stiftung
Botschafter David James Ritchie (Podium), Deutscher Botschafter in Australien Müller (vorne rechts)
Aus der Teenager-Serie "Emmas Chatroom" wissen das auch die Kinder in Deutschland. Apropos Wissen: Australiens Exportschlager Nummer 3 ist Bildung. Gerade auf diesem Sektor strebt Australien eine intensivere Zusammenarbeit mit Europa an. Man wolle damit gemeinsam den asiatischen Markt bearbeiten. Die Betonung lag auf "gemeinsam" und nicht als Wettbewerber. Schade fand Cormann, dass an Rohstoffen vorwiegend "Gold Coins" nach Deutschland exportiert werden. Deutschland sei nach Großbritannien der zweit wichtigste Handelspartner, investiere aber leider nicht so viel in Australien wie umgekehrt.

Während er einige in Europa wirkende Theater-Intendanten mit australischen Wurzeln aufzählte, lobte er auch das Kurzzeit-Arbeitsprogramm per Holiday-Visum, welches etwa 27.000 Touristen nutzten.

"Looking at the world from a different point" machte noch einmal klar, welch strategisch bedeutsame Stellung Australien für das westliche Wertesystem hat. Höchste Zeit also, dass die Beziehungen auch praktisch nachvollziehbar intensiviert werden. Mathias Cormann jedenfalls besucht Deutschland, um Realitäten zu schaffen.

Australischer Finanzminister Mathias Cormann Konrad-Adenauer-Stiftung
Botschafter David James Ritchie, Finanzminister Mathias Cormann, Dr. Gerhard Wahlers (Konrad-Adenauer-Stiftung)
Für die Rede von Botschafter Ritchie waren diesmal nur etwa fünf Minuten vorgesehen. Darin betonte er, dass er nur eine "ganz kurze Rede" halten dürfe und bedankte sich bei der Konrad-Adenauer-Stiftung für das Engagement in den Australisch-Deutschen-Beziehungen. Er fühle sich hier schon wie "zu Hause".

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 1. April 2015

200. Geburtstag von Bismarck

"In Sachsen-Anhalt hat alles begonnen", bemerkte Dr. Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, in seinem Grußwort. Auch heute noch verzeichne Sachsen-Anhalt die höchste Dichte an Nachfahren Bismarcks, der übrigens als "Deichgraf" sämtliche Deiche dieser Region gebaut hatte. Alle hätten bisher gehalten. Die bei den letzten Fluten gebrochenen Deiche seien viel später gebaut worden. Dr. Haseloff schwärmte von seinem Bundesland und warf als Ergänzung noch Martin Luther in die Waagschale.

Immer wieder ging es um das Alter und die epochale Spannweite des Lebens von Bismarck. Immerhin war er für 22 Jahre ein Zeitgenosse Adenauers. Bei seiner Geburt gab es keine Eisenbahn in Deutschland. Aber zu seinem Tode wurden bereits U-Boote mit Torpedos ausgerüstet.

200. Geburtstag Otto von Bismarck
Grußwort des Bundespräsidenten beim Festakt zum 200. Geburtstag von Otto von Bismarck
Bundespräsident Gauck zählte in seinem Grußwort sämtliche Titel Bismarcks auf und endete mit einem "kurz: Eiserner Kanzler". Dass Otto von Bismarck ein direkter Wegbereiter Hitlers gewesen sei, wies er als "falsche Be- und Verurteilung" zurück. Joachim Gauck ging auf die bahnbrechende Sozialgesetzgebung ein und auf das Engagement, "Reichsfeinde" ausfindig zu machen und zu eliminieren. Dieses Feindbild fand seine Definition in Katholiken und Sozialisten.

200. Geburtstag Otto von Bismarck
Rudolf Seiters beim 200. Geburtstag von Otto von Bismarck
Interessanterweise erreichte Bismarck mit einigen seiner harten Durchgriffe genau das Gegenteil, so dass letztlich ein Wachstum dieser Bevölkerungsgruppen angeregt wurde.

Eine gewisse Ambivalenz wies auch die Selbsteinschätzung Bismarcks auf.

Laut Kanzleramtsminister a.D. Rudolf Seiters waren Bismarcks wundeste Punkte "Dank und Anerkennung". Einige Jahre später wollte er davon jedoch nichts mehr wissen.

200. Geburtstag Otto von Bismarck
Finanzminister Wolfgang Schäuble - Festrede zum 200. Geburtstag von Otto von Bismarck
Finanzminister Wolfgang Schäuble bemühte in seiner Festrede verschiedene Vergleiche zu heutigen Personen und Staatsgebilden. Er resümierte dann jedoch, dass alle diese Vergleiche hinkten und solch ein einzigartiger Politiker seinesgleichen suche. Man könne jedoch viele Dinge von ihm lernen, was er mit dem Zitat "Die Historie macht uns nicht klug für ein andermal, sondern weiser für die Ewigkeit" untermauerte. Man könne Handlungsweisen nicht für spätere Situationen kopieren, sondern müsse Prinzipien daraus ableiten, die man in ähnlichen Situationen anwende.

200. Geburtstag Otto von Bismarck
Bismarck-Familie beim Festakt zum 200. Geburtstag von Otto von Bismarck
200. Geburtstag Otto von Bismarck
Botschafter zu Gast beim Festakt zum 200. Geburtstag von Otto von Bismarck
Im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums waren heute neben den bereits genannten Spitzenpolitikern auch der amtierende Kanzleramtsminister Altmaier, der ehemalige amerikanische Botschafter Kornblum, der britische Botschafter Simon McDonald KCMG, Angehörige der Bismarck-Familie, Klaus-Rüdiger Landowsky, Volker Tschapke und weitere bekannte Persönlichkeiten erschienen.

Die Begrüßung teilten sich Prof. Dr. Alexander Koch von der Stiftung Deutsches Historisches Museum und Dr. Rüdiger Kass von der Otto-von-Bismarck-Stiftung.

200. Geburtstag Otto von Bismarck
Wolfgang Schäuble (ganz links) übergibt die ersten 10-Euro-Gedenkmünzen und 62-Cent-Briefmarken
200. Geburtstag Otto von Bismarck
Sonderpostwertzeichen "200. Geburtstag Otto von Bismarck"
Ein besonderes Bonbon war die Übergabe der 10-Euro-Gedenkmünze sowie des Sonderpostwertzeichens - umgangssprachlich Briefmarke - zum 200. Geburtstag Otto von Bismarcks durch Wolfgang Schäuble.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 5. Februar 2015

Griechischer Finanzminister bei Wolfgang Schäuble

Während sich der neue griechische Premierminister Alexis Tsipras außerhalb Deutschlands Verbündete gegen seinen größten Geldgeber sucht, wagt Finanzminister Gianis Varoufakis die Tuchfühlung mit dem abgeklärten Bundesfinanzminister. Die Abkühlung der letzten Monate entspricht wohl einem alten zwischenmenschlichen Phänomen, wonach der Geldgeber am Ende oft der Dumme ist und statt einer Refinanzierung jede Menge Beschimpfungen kassiert.

Griechischer Finanzminister Varoufakis bei Wolfgang Schäuble
Griechischer Finanzminister Varoufakis bei Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble
Die Verjüngung in der griechischen Ministerriege ist deutlich zu erkennen: keine Krawatte, dunkles Hemd, Sakko zu groß, Hemd über der Hose - Griechenland wäre gut beraten, wenn sich dieses Start-up-Image auch positiv auf die regionale Wirtschaftskraft durchschleift.

Wolfgang Schäuble zeigte deutliche Skepsis, ob die in Griechenland eingeleiteten Maßnahmen in die richtige Richtung gehen. Man sei als EU an den Rand des Möglichen gegangen und habe immer wieder Hilfe zur Selbsthilfe geleistet. Aber auch Griechenland müsse sich bewegen. Es sei zwar auf einem guten Weg, diesen müsse es jedoch hauptsächlich selbst gehen. Es bedarf eines eigenen Programmes, dieses gebe es jedoch nicht.

Griechischer Finanzminister Varoufakis bei Wolfgang Schäuble
Entspannte Atmosphäre sieht anders aus - Griechischer Finanzminister Varoufakis bei Wolfgang Schäuble
In der vorausgegangenen Unterredung zwischen Schäuble und Varoufakis seien die unangenehmen Wahrheiten klar angesprochen worden und Wolfgang Schäuble habe diverse Lösungsvorschläge unterbreitet, die jedoch auch angenommen werden müssten. So habe Deutschland schon länger eine aktive Beratung bei Steuerangelegenheiten angeboten und könne dafür sogar kurzfristig 500 Berater zur Verfügung stellen. Es sei jedoch bisher nicht dazu gekommen.

Insbesondere bei Investitionen und der Besteuerung wohlhabender Griechen bestehe dringender Handlungsbedarf.

Griechischer Finanzminister Varoufakis bei Wolfgang Schäuble
Wolfgang Schäuble zeigt, wo es lang geht - Griechischer Finanzminister Varoufakis im Bundesfinanzministerium
Korruption, Korruption, Korruption - so oft nutze Wolfgang Schäuble diesen Begriff normalerweise nicht. Bei Griechenland sei das jedoch ein erhebliches Problem ohne wirklichen Lösungsansatz. Einige griechische Journalisten versuchten den Spieß umzudrehen und bezichtigten deutsche Firmen als zu 90% an der Korruption beteiligt. Ergänzend wurde die Frage gestellt, ob es denn schlimm sei, dass in Griechenland Wahlversprechen eingehalten würden.

Schäuble antwortete darauf, dass das Einhalten von Wahlversprechen nicht schlimm sei. Schlimm sei nur, wenn man Wahlversprechen zu Lasten Dritter abgebe. Bezüglich der Korruption solle jeder vor der eigenen Tür kehren. Man solle sich ferner dessen bewusst sein, dass Griechenland - auch darüber habe man geredet - aufgrund eigener Versäumnisse den Marktzugang verloren habe, obwohl es eine massive europäische Solidarität gab.

Videos:
Eingangsstatement von Finanzminister Schäuble
Antwort auf Journalistenfrage durch Finanzminister Varoufakis

Autor: Matthias Baumann

Montag, 20. Oktober 2014

Frankreichs Minister für Wirtschaft und Finanzen treffen Sigmar Gabriel und Wolfgang Schäuble

Die Stimmung war gut. Sigmar Gabriel, Wolfgang Schäuble und ihre französischen Amtskollegen Finanzminister Michel Sapin und Wirtschaftsminister Emmanuel Macron erschienen pünktlich zur heutigen Pressekonferenz im Bundesministerium für Finanzen.

Gut, dass es keine britischen Minister waren. Ansonsten hätte sich wohl der wolkenverhangene Himmel über den großen Flaggen und den heran eilenden Journalisten entladen.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel Finanzminister Wolfgang Schäuble
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Finanzminister Wolfgang Schäuble
Finanzminister Schäuble bezeichnete das Verhältnis als vertrauensvoll, wodurch die anstehenden Probleme gut lösbar seien. Dieses Treffen finde in Zeiten des wirtschaftlichen Rückganges statt. Deshalb habe man ein besonderes Augenmerk auf die Förderung von Investitionen gelegt.

Michel Sapin präzisierte das noch dahingehend, dass insbesondere private Investitionen gefördert werden sollten, da Frankreich zur Zeit 21 Mrd. Euro seiner öffentlichen Ausgaben kürzt. Er zeigte sich enttäuscht über das Wachstum in der Eurozone. Dieses sei deutlich geringer als gedacht. In Frankreich spüre man dieses besonders an der zunehmenden Jugendarbeitslosigkeit.

Französische Finanzminister Michel Sapin und Wirtschaftsminister Emmanuel Macron
Frankreichs Finanzminister Michel Sapin und Wirtschaftsminister Emmanuel Macron
Wirtschaftsminister Gabriel sprach sich für umfassende Strukturreformen aus, die keinesfalls als Strohfeuer fungieren sollten. Energie sei in Deutschland zu teuer, so dass energieeffizientes Wirtschaften forciert werden solle. Zudem gehe es darum, junge Unternehmen zu unterstützen und gute Rahmenbedingungen für diese zu schaffen. Letztlich habe das zur Folge, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Kontinentes gestärkt werde.

Für Wirtschaftsminister Macron blieb dann nur noch anzumerken, dass seine Vorredner bereits alles gesagt hätten. Der 39-jährige kam aber so richtig in Schwung, als er eine "neue Dynamik" forderte. Europa solle wieder zu einer "schönen Idee" werden, die nicht durch Regulierungen aus Brüssel bürokratisch verstaubt werde. Emmanuel Macron schwärmte vom "europäischen Traum", den wir wieder in Besitz nehmen sollten.

Französischer Wirtschaftsminister Emmanuel Macron
Französischer Wirtschaftsminister Emmanuel Macron
Abwechselnd durften deutsche und französische Pressevertreter ihre Fragen stellen. Immer wieder fiel das Wort "Pakt", welches gar nicht auf alle Beziehungen zu Frankreich anwendbar war. Die deutschen Journalisten schossen sich auf kritische Fragen zur Stabilität des Euro ein. Da wurde dann seitens der französischen Minister gerne einmal auf die unvollständige Simultan-Übersetzung der Frage abgestellt und entsprechend unvollständig geantwortet.

Als die französische Forderung nach 50 Mrd. Euro Investitionsvolumen deutscher Unternehmen in Frankreich hinterfragt wurde, ruderten Macron und Sapin zurück und sagten, dass man Deutschland keine Auslands-Investitionen vorschreiben könne. Umgekehrt gehe das ja auch nicht.

Die Frage, ob Frankreich immer noch eine weitere Abwertung des Euro zur Ankurbelung der Wirtschaft wünsche, wurde von Finanzminister Sapin an die EZB und deren unabhängige Entscheidungsprozesse verwiesen. Sigmar Gabriel warf ein, dass der Stabilitätspakt nicht nur ein Pakt für die Stabilität sei, sondern in seiner Funktion und vollen Bezeichnung ein Stabilitäts- und Wachstumspakt. Gabriel sprach sich gegen eine Änderung der Regeln und für ein Ausschöpfen der Spielräume aus. Alles mit dem Ziel des wirtschaftlichen Wachstums. Michel Sapin fügte dem noch hinzu, dass eine Änderung der Regeln keine Probleme löse. Ein gutes Wort, welches Hoffnung auf wirtschaftliche Stabilisierung und Aufschwung vermittelt.

Video:
Tagesschau vom 20.10.2014 zum Treffen der Minister

Autor: Matthias Baumann

Bundesministerium für Finanzen Pressekonferenz
Bundesministerium für Finanzen - hohes Medieninteresse an der Pressekonferenz