Montag, 21. Dezember 2020

Kirche setzt sich mit Rüstungsexporten auseinander

Es war eine dieser Pressekonferenzen, in der sich die Protagonisten darauf konzentrierten, einen Katalog von Forderungen vorzutragen. Die Prälaten Dutzmann und Jüsten waren persönlich erschienen und Dr. Simone Wisotzki war per Skype zugeschaltet. In der GKKE, der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung, sind evangelische und katholische Amtsträger zusammengeschlossen und versuchen, am sicherheitspolitischen Diskurs des Bundestages teilzunehmen. Als eine Art ethische Lobby und weitere Stimme in der Meinungsvielfalt des Parlaments.

Zum "Hinschauen, wo es weh tut" werden die Gläubigen regelmäßig von der Kanzel aus ermutigt. Langjährige Predigthörer wissen natürlich, in welche Richtung zu schauen ist, damit es möglichst nur bei anderen weh tut. Die GKKE hat sich für das Hinschauen den Prügelknaben der Nation ausgesucht: die Bundeswehr und im weiteren Sinne die Rüstungsindustrie. Akribisch wurden 100 Seiten mit statistischen Daten zu Rüstungsgenehmigungen und tatsächlichen Exporten zusammengestellt und mit entsprechenden Forderungstexten versehen. Hinzu kamen Klagelieder über die Differenz zwischen "politischer Rhetorik" und dem Handeln der Bundesregierung. Die GKKE selbst ist fein raus, da sie nur analysiert, beobachtet, kritisiert und fordert. Umsetzen muss sie nichts. Kein Wunder, dass das für Rüstung zuständige Wirtschaftsministerium seit 2018 den Dialog auf Eis gelegt hat.

GKKE Rüstungsexportbericht 2020
GKKE stellt ihren Rüstungsexportbericht 2020 vor - Das Archivfoto aus 3/2019 zeigt ein Maschinengewehr MG3 und dessen Munition. Kann der Nachschub an Munition gestoppt werden, endet bald auch der Konflikt.

Der 100-seitige Bericht und die Aussagen in der Pressekonferenz vermittelten den Eindruck, dass die Fachgruppe im Lagebild des Jahres 2000 lebt. Auf dieser Basis scheint sie die Zusammenhänge von Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik zu bewerten. Flankiert wird das mit der Definition eines ethischen Sollzustandes, der eine allseits praktizierte, regelbasierte Konfliktlösung voraussetzt. Das verschafft der GKKE eine Anschlussfähigkeit bei DIE LINKE und den Grünen. Terrorismus, Krim, Corona und Desinformation spielen als Bedrohungsszenarien eine untergeordnete Rolle. Über bewaffnete Drohnen fange man gerade an, sich eine Meinung zu bilden. Zumindest hat die GKKE das zeitlose Problemfeld der Kleinwaffen im Blick und weiß, dass ein Ende der Munitionslieferung auch ein Ende der Nutzung der Waffen bedeutet.

Während sich die praktizierende Christin Annegret Kramp-Karrenbauer über die Möglichkeiten des neuen Europäischen Verteidigungsfonds freut, wird dieser von der GKKE scharf kritisiert. Dass Deutschland und Europa seitens der USA zunehmend in die Eigenverantwortung entlassen werden, scheint außerhalb der Wahrnehmung dieser kirchlichen Fachgruppe zu liegen. Die Strategie der Hilfe zur Selbsthilfe ist ihnen wohl ebenfalls neu. So habe die Gruppe "wiederholt auf die Problematik der Ertüchtigung von Polizei und Sicherheitskräften in Drittstaaten hingewiesen". Nach allgemeinem Verständnis arbeiten Ausbilder von Polizei und Bundeswehr in fragilen Staaten, um ein gewisses Maß an Stabilität zu erreichen, bauen mit regionalen Kräften erste tragfähige Strukturen auf und haben das erklärte Ziel, entbehrlich zu werden. In einigen Ländern gelingt das und in anderen Ländern wie Mali stellt sich die Ausbildung regionaler Kräfte eher als Zeitverschwendung heraus. Hilfe zur Selbsthilfe stellt Hilfsbedürftige auf eigene Füße und entlastet damit die Helfenden.

Die GKKE heftet sich die Lorbeeren für eine Verbesserung der Transparenz bei Kriegswaffenausfuhren an und betont, dass sie Gerichtsverfahren gegen Heckler & Koch oder Sig Sauer beobachte. Diese sollen Kleinwaffen an problematische Empfänger geliefert haben. Sie schauen aber auch hin bei Waffenlieferungen an Staaten, die am Jemen-Konflikt beteiligt sind. Ein ganz schwieriges strategisches Thema, das die Außen- und Sicherheitspolitik von NATO-Partnern, Erdölabnehmern und Exportnationen in ein Dilemma führt. Als Lösung schlägt die GKKE ein Rüstungsexportkontrollgesetz vor. Auch möchte sie eine umfangreiche Kontrollinstanz für Rüstungsexporte und mögliche Weiterverkäufe von Waffen in deutschen Behörden etabliert sehen.

Politik in Deutschland wird mit Kompromissen gestaltet. Parteien, Ausschüsse, Arbeitskreise, Lobbyisten, Minister, Hinterbänkler und Journalisten bringen ihre Meinung ein. Dann wird debattiert. Einige Themen lösen sich zuweilen zwischenzeitlich von selbst. Und zum Schluss gibt es einen Konsens der stärksten Kräfte. In diesem Potpourri mischt auch die GKKE mit.

Autor: Matthias Baumann