Montag, 21. Mai 2018

Georg, Tradition und Panzerbataillon

Die Briten lieben Kürzel hinter den Namen. So bedeutet beispielsweise ein KCMG bei Botschafter Sebastian Wood: "Knight Commander of the Order of Saint Michael and Saint George". Übersetzt heißt das, dass Herr Wood ein Ritter ist, mit Sir angeredet wird und die beiden Orden St. Michael und St. Georg tragen darf. Ein Privileg, das hauptsächlich Diplomaten vorbehalten ist.

Um Georg - insbesondere den mit dem Sankt vor dem Namen - ranken sich viele Legenden. Die Gewichtung von Mythos und Tatsachen ist heute nicht mehr eindeutig zu ermitteln. Wenn Georg irgendwo dargestellt wird, dann beim Erlegen eines Drachen. Georg mit Lanze oder Schwert auf einem Pferd und unter ihm ein sterbender Drache.

Der erste berühmte Georg lebte bis 305 und wurde mit 21 Jahren als Märtyrer umgebracht. Er hatte sich für den christlichen Glauben eingesetzt und war sogar dafür in den Tod gegangen. Von diesem Georg stammt das Sankt.

St. Georg Lohheide Panzerbataillon 414
St. Georg im Verbandsabzeichen des Panzerbataillons 414 in Lohheide
Es folgten weitere Georgs, die für die Tradition wichtig sind. Einer davon lebte zur Zeit der Kreuzzüge und soll eine Jungfrau gerettet haben: Bei einigen Heidenvölkern waren damals Menschenopfer üblich. Um die Stimmung eines Drachen aus der Nachbarschaft zu verbessern, wurden diesem zunächst sämtliche Frauen der Gegend geopfert. So erzählt es zumindest die katalanische Version. Als der Drache dann immer noch nicht satt war, sollte ihm eine Jungfrau gegeben werden. Das rief Georg auf den Plan. Er stellte sich dem Kampf, erlegte den Drachen und rettete damit das Mädchen.

Wäre diese Geschichte ein frei erfundenes Märchen, hätte Georg die Jungfrau geheiratet. Beide wären glücklich bis ans Ende ihrer Tage gewesen und - wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Bei einer Datierung auf das 11. Jahrhundert aber eher unwahrscheinlich. Weil die Erzählungen nicht so enden, muss die heldenhafte Tat des Kreuzritters Georg wahr sein - zumindest bezüglich der groben Rahmenhandlung: Georg übergab die Jungfrau ihrer Familie, überzeugte die Heiden vom Christentum und zog von dannen.

Es streiten sich nun allerdings verschiedene Nationen über Zeit und Ort des Geschehens. Auch der Verbleib der sterblichen Überreste von Georg ist strittig. So habe man Georg in 365 Teile zerlegt und an sämtlichen Orten Georgiens beigesetzt. Ein perfektes Marketing für eine ganzjährige Pilgerreise.

Die etwa 400 Soldaten des Panzerbataillons 414 in Lohheide tragen den Georg am rechten Ärmel. Als Schutzpatron der Soldaten und Reiter bietet er sich als tradierendes Vorbild an. Eine sehr weite Auslegung der im März verabschiedeten Traditionsrichtlinien der Bundeswehr. Immerhin nimmt die Bundeswehr nach Punkt 2.1 die "gesamte deutsche (Militär-)Geschichte in den Blick". Dazu gehört auch der Kreuzritter Georg, der Leben gerettet und abendländische Werte vermittelt hatte.

St. Georg Lohheide Panzerbataillon 414 Queen
St. Georg auf dem Bentley der Queen (Archivbild vom 24.06.2015)
In Lohheide treffen pikante Traditionslinien zusammen: Kreuzritter, das ehemalige Konzentrationslager Bergen-Belsen und ein Übungsgelände, das ab 1935 für die Wehrmacht aufgebaut wurde. Dass letztere Einrichtung immer noch genutzt wird, passt in die Argumentationslinie von Brigadegeneral Alexander Sollfrank, der bei einem der Workshops zum Traditionserlass auch die Tradierung des handwerklichen Könnens der Wehrmacht angesprochen hatte.

Während Wehrmacht und NVA wegen ihrer ethischen und politischen Grundlagen im neuen Traditionserlass stark reglementiert sind, können Kreuzritter frei genutzt werden. Das handwerkliche Können von Ritter Georg und dessen ethische Grundlagen sind lupenrein. Auch der Kampf des Malteser Ritterordens im Mittelmeer zur Zeit Luthers, deren diakonisches Engagement und deren edler Abzug von Malta 1798 könnten für die Bundeswehr genutzt werden.

Auf dem Bentley der Queen kämpft übrigens auch ein Georg. Da der Wagen gepanzert ist, werden die Insassen bei höheren Geschwindigkeiten vermutlich nicht durch die Windgeräusche der Skulptur gestört. Dafür haben sie aber den siegreichen Ritter stets vor Augen.

Autor: Matthias Baumann