Freitag, 2. Juni 2017

Patriarch von Konstantinopel besucht Berlin

Orthodoxie ist für viele Deutsche ein Buch mit sieben Siegeln. Zurzeit bereist Bartholomaios I unser Land. Gestern referierte er in der Konrad-Adenauer-Stiftung und besuchte anschließend den Bundespräsidenten.

In der Mitte des großen Saales der CDU nahen Stiftung konnte man Schwarz sehen: schwarze lange Gewänder, schwarze Hüte, schwarze Mützen, schwarze und graue Bärte. Über den Gewändern goldene Ketten mit großen goldenen und Stein-besetzten Broschen: Metropoliten, Archimandriten und der Patriarch selbst.

Erzbistum und EKBO

Im Saal saßen neben den Botschaftern von Griechenland, der Türkei und Zypern auch der katholische Erzbischof Heiner Koch aus Berlin und sein evangelischer Kollege Markus Dröge von der EKBO. Ein breites Grinsen ging regelmäßig durch die Reihen, wenn in den Grußworten die "Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz" in der Langversion ausgesprochen wurde.

Patriarch von Konstantinopel Bartholomaios I in Berlin
Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I, in Berlin



Grüß Gott!

Bartholomaios begann seinen Vortrag über Menschenrechte mit einem schwungvollen "Grüß Gott". Er hatte in München drei Semester Deutsch gelernt und las seine Rede fließend auf Deutsch vor. Es sah so aus, als hatte er nur fünf Blätter in der Hand. Gelesene Seiten gruppierte er unter den flachen Stapel. So oft, wie er die Seiten wechselte, müssen es um die zwanzig Blätter gewesen sein.

Seine Kollegen in Schwarz genossen den Sekundenschlaf oder beschäftigten sich mit ihrem Smartphone. Erzbischof Koch wechselte Blicke mit dem Apostolischen Nuntius des Heiligen Stuhls, Erzbischof Nikola Eterović. Dann kam ein langes Wort und der Patriarch warf spontan ein: "Zu lang!" Lachen. Der Saal war wieder in die Realität des Vortrages geholt. "Wenn ich ein bisschen müde bin. Sie müssen viel müder sein", war sein verständnisvoller Kommentar zum Vortrag.

Menschenrechte

Obwohl der Vortrag über Menschenrechte etwa eine dreiviertel Stunde gedauert hatte, war er doch sehr interessant. Mir war gar nicht bewusst, dass nicht-christliche Religionen eine große Distanz zu Menschenrechten hegen, denn:

  • Menschenrechte seien westliches Kulturgut.
  • Menschenrechte tragen das Siegel des Christentums.
  • Menschenrechte schützen einen gefährlichen Individualismus.
  • Menschenrechte stehen für Säkularisierung und Anthropozentrik.
  • Menschenrechte verbünden sich mit dem Atheismus.
  • Menschenrechte widerstreben der Souveränität Gottes.

Kein Wunder also, dass Menschenrechte außerhalb der westlichen Welt abgelehnt und missachtet werden. Die Botschafter verzogen keine Miene.

Orthodoxie

Die Magna Charta der Orthodoxie sei eine "Kultur der Person". Selbstlose Liebe könne ungeahnte Kräfte freisetzen. Er nannte das die "Liturgische Diakonie", was im Sinne einer alltäglichen Liturgie nach der sonntäglichen Liturgie zu verstehen sei. Der Patriarch wurde sehr emotional, als er sagte, dass die "defensive Haltung gegenüber der Aufklärung endgültig überwunden" werden müsse. "Fehlentwicklungen" in der Orthodoxen Kirche sollten auf keinen Fall zur Pauschalverurteilung dieser Konfession genutzt werden. Eine große Baustelle sei die Ethnozentrik.

Patriarch von Konstantinopel Bartholomaios I in Berlin
Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I, in Berlin
Ökumene

Bartholomaios hat viele Titel, so dass seine späteren Gesprächspartner im Schloss Bellevue erst einmal abklärten, wie sie ihn genau anzusprechen haben. "Seine Allheiligkeit Batholomaios I, Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel" ist der volle Titel. Bei der offiziellen Anrede wird "Eure Allheiligkeit" verwendet, während die Bischöfe wie säkulare Botschafter mit "Eure Exzellenz" angesprochen werden.

Die Ökumene im Titel ist vergleichbar mit der Wortbedeutung von katholisch und erklärt den übergeordneten Anspruch auf die Definition der Rechtgläubigkeit. Zurzeit findet jedoch ein intensiver Austausch zwischen Othodoxen, Katholiken und Protestanten statt. Letztere sehen Ökumene als Gemeinschaft von Christen jedweder Konfession um das Zentrum Jesus Christus und die Bibel. So wurde es auf dem #Kirchentag ausgedrückt.

Der Patriarch im Schloss

Anschließend wurden die Herren in Schwarz mit schwarzen BMW 5er-Limousinen zum Bundespräsidenten ins Schloss Bellevue gefahren. Kein Ehrenposten, keine militärischen Ehren, kein roter Teppich. Dafür aber ein blauer Teppich und eine sehr familiäre Atmosphäre. Vier Kameraleute, ein Gästebuch und eine vertrauliche Unterredung mit Frank-Walter Steinmeier. Diese war nicht presseöffentlich.

Autor: Matthias Baumann