Donnerstag, 30. Oktober 2014

#pubtalk über das bedingungslose Grundeinkommen #BGE

Die Parkplatzsituation war weniger angespannt als erwartet. Der frühere Prekariatsbezirk Prenzlauer Berg wird seit einigen Jahren durch die internationale Kreativwirtschaft und weitere Migranten aus Süddeutschland bevölkert, die mit ihren Fahrzeugen dem Straßenbild eine gehobene Optik verleihen. Eine Parkplatzsuche von zwanzig Minuten sollte daher immer eingeplant werden.

Aber auch im Prenzlauer Berg ist die Erfahrung angekommen, dass mit Gründung einer Familie das Einkommen auf mehr Personen aufzuteilen ist und deshalb nicht mehr für alle Annehmlichkeiten des kreativen Eigenlebens ausreicht.

So ging es beim heutigen Berliner Pub Talk im "en passant" an der Schönhauser Allee um "10 Jahre Hartz-Reformen". Der seit Anfang des Jahres monatlich stattfindende Berliner Pub Talk wird von Mitgliedern des Toastmaster-Clubs Berliner Redekünstler organisiert und präsentiert auf dem Podium gerne zwei Vertreter hochgradig divergenter Meinungen.

Berliner Pub Talk Berliner Redekünstler
Berliner Pub Talk im "en pessant" organisiert vom Toastmaster-Club Berliner Redekünstler
Manuela Stamm moderierte die heutige Diskussion sehr kompetent und aufmerksam. Passend zum Thema schaute bei ihrer Begrüßung ein Mann mit Lidl-Tüte durch das große Schaufenster, gönnte sich einen ausgiebigen Schluck aus der Bierflasche und schlurfte dann weiter die Schönhauser Allee entlang.

Wenn Amerikaner davon reden, dass zwei Schiffe in der Nacht aneinander vorbeifahren, bedeutet das, dass die Denkmuster so abgekoppelt voneinander sind, dass der andere diese auch mit redlichem Bemühen nicht nachvollziehen kann. So vertrat Michael Fielsch als Key-Accounter der BGE-Lobby und selbsternannter "leidenschaftlicher Hartz-IV-Empfänger und hyperaktiver Taugenichts" die Ansicht, dass jedem Menschen per se ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) zustehe. Solche Denkmodelle waren mir gelegentlich begegnet, konnten bisher aber nicht logisch nachvollzogen werden. Zumal die Argumentation des hyperaktiven Mannes eher der Zeitepoche der Jäger und Sammler entsprach. Er ging davon aus, dass alle Empfänger von Hartz-IV ihre Zeit für sinnvolle soziale Beschäftigungen nutzen. Überhaupt würde ein BGE den Menschen vom zwanghaften Verhältnis zu einem Arbeitgeber oder irgendwelchen Institutionen wie dem Jobcenter abkoppeln. Er selbst sei durchaus bereit, sich vom Jobcenter in eine geregelte Beschäftigung vermitteln zu lassen, wenn man ihm denn eine Tätigkeit mit Netto 2.000 Euro bei zwanzig Stunden pro Woche anbiete.

Johannes Eber von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft stellte die Frage, wer denn dieses BGE erwirtschaften solle. Man könne doch nur das nehmen oder verteilen, was irgendwie erst einmal geschaffen wurde. Beeindruckend war seine entspannte Art und die moderaten Formulierungen bei der Beantwortung der Ansichten des leidenschaftlichen BGE-Lobbyisten.

Berliner Pub Talk Berliner Redekünstler
Berliner Pub Talk im "en pessant" organisiert vom Toastmaster-Club Berliner Redekünstler
Direkt neben den Hauptdiskutanten konnten immer jeweils zwei Personen aus dem Publikum Platz nehmen und sich am Gespräch beteiligen. Währenddessen wurde das Gesamteinkommen eines Hartz-IV-Empfängers inklusive Mietkostenbeteiligung und Krankenversicherung auf etwa 1.200 Euro beziffert. Das entspricht in etwa dem Richtwert des BGE. Besonders demotivierend bei der Rückkehr ins Arbeitsleben sei die Anrechnung des Gehaltes auf die staatliche Unterstützung, so dass nur bei einem überdurchschnittlich hohen Verdienst eine spürbare Verbesserung gegenüber der Stütze festzustellen sei. Das verstärke sich mit entsprechender Familiengröße.

Es kamen auch Hartz-IV-Berater zu Wort und betroffene Hochschulabsolventen. Immer wieder ging es um inkompetente Seminarvermittlung und Willkür der Jobcenter. Letztere treibe die Leistungssuchenden in existenzielle Notlagen.

Als es zum Ausklang um die Motivation der sich oftmals selbst verwaltenden Jobcenter-Agenten ging, kam es sogar zum "Schulterschluss" der Kontrahenten, so dass die Diskussion zu einem harmonischen Ende geführt werden konnte.

Autor: Matthias Baumann