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Mittwoch, 26. Februar 2020

US Defender: Feldjäger und Konvois

Das Whiskyglas schlittert über den Tresen. "Der Fremde ist in der Stadt", spricht eine rauchige Stimme in den ebenso rauchigen Raum. Kurz darauf poltern Barstühle zu Boden. Revolver werden entsichert. Typischerweise folgt eine von unten gefilmte Szene auf dem staubigen Vorplatz des Saloons. Breitbeinig positioniert sich der Verteidiger seines Reviers. Revolvergurt - die Hände bereit zum Ziehen: Showdown im Wilden Westen.

Die Feldjäger der Bundeswehr sind recht selten in der Öffentlichkeit zu sehen. Aber wenn sie zu sehen sind, dann fallen sie durch ihre besondere Optik auf: starke Motorräder aus dem Hause BMW, breite Schultern in grauen Lederkombis mit weißen Gürteln. Zu Fuß bewegen sie sich wie typische Nahkämpfer. Sie tragen Handschellen und Pistolen an der Seite und dazu die markante schwarze Armbinde mit dem Schriftzug MP - Militärpolizei. Feldjäger bewegen sich aber auch in VW-Bussen wie dem T6 oder dem geländegängigen Widder. Ab und zu ist auch ein Nissan Pathfinder oder ein Spezialumbau der Mercedes G-Klasse dabei.

US Defender #DefenderEurope #DEF20 Feldjäger Konvois US Fahrzeuge
US Defender #DefenderEurope #DEF20 - Feldjäger warten auf den Marschbefehl für den ersten Konvoi.
Die beeindruckende Optik ist jedoch nicht die Kernaufgabe der Feldjäger. Die Militärpolizei hat polizeiliche Aufgaben innerhalb der Bundeswehr zu erfüllen und ist nach Anlegen der schwarzen Armbinde auch weisungsberechtigt gegenüber höherrangigen Soldaten. Nur selten taucht ein Feldjäger ab Leutnant (ein Silberstern ohne Laub) im öffentlichen Geschehen auf. Zumeist sieht man spezialisierte Unteroffiziere. Da gibt es Personenschützer, Spurensicherer, Kriminalermittler, Eskortenfahrer, Hundeführer, Gefahrgutermittler und Festnahmeeinheiten.

Wegen der Zuständigkeit für die gesamte Bundeswehr sind die Feldjäger deutschlandweit verteilt und untergliedern sich in drei Regimenter. Für die Unterstützung der Verlegung amerikanischer Fahrzeuge von Bremerhaven nach Hagenow im Rahmen der Großübung US Defender Europe 20 war die 4. Kompanie des 2. Feldjägerregimentes aus Wilhelmshaven angefordert worden. Wilhelmshaven liegt zwar auf der Landkarte direkt neben Bremerhaven, wird aber durch den Jadebusen und die Weser getrennt. Das heißt: Umweg von zwei Stunden über Bremen.

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US Defender #DefenderEurope #DEF20 - Feldjäger positionieren sich für die folgenden Aufgaben.
Der Arbeitstag der 4. Kompanie begann um 14 Uhr. Es sollten heute vier amerikanische Konvois zu je 20 Fahrzeugen aus dem Hafengelände geleitet und sicher auf die A1 Richtung Hamburg gebracht werden. Das Ziel der Etappe war Hagenow in Mecklenburg-Vorpommern - eine Strecke von etwa 260 Kilometern. Bei einer so langen Strecke ist es wichtig, dass alle regionalen und übergeordneten Zuständigkeiten geklärt sind. Die 4. Kompanie war nur für die Begleitung und Sicherung bis zur A1 zuständig und ab dort wurde an die nächsten Feldjäger und Polizisten übergeben. Feldjäger und die zivile Polizei arbeiten hier Hand in Hand, wobei die Landespolizei auf den öffentlichen Verkehrswegen deutlich höhere Befugnisse hat. Das ist aber weitestgehend unbekannt, so dass die Feldjäger das durch ihre reine Erscheinung kompensieren können.

Beim Eintreffen in Bremerhaven wurden gerade die letzten Vorbereitungen für den ersten Konvoi getroffen. Die US-Armee hatte mit dem zweiten Schiff - GREEN BAY - fast nur in Wüstenfarbe lackierte Autos angeliefert. Es waren keine Bewaffnungen zu sehen und der Zustand der Fahrzeuge wurde auch rege bei den Feldjägern diskutiert. Jedenfalls lieferte dieser Fuhrpark einen klaren Beweis dafür, dass es bei US Defender tatsächlich nur um das Üben logistischer Vorgänge geht.

US Defender #DefenderEurope #DEF20 Feldjäger Konvois US Fahrzeuge
US Defender #DefenderEurope #DEF20 - Militärpolizei der US-Streitkräfte während der Einweisung am Sandkasten.
Wenn man etwas bei der Bundeswehr lernt, dann ist es Geduld. Pünktliches Erscheinen und Warten auf die nächste Aktion gehen dem Bundeswehrsoldaten schon in den ersten Tagen ins Unterbewusstsein über. So waren die Kameraden schon kurz nach drei vor Ort und konnten so ganz langsam die Einweisung um 17 Uhr vorbereiten. Diese sollte am Sandkasten stattfinden.

Der T6 setzte sich entsprechend pünktlich in Bewegung, fuhr vorbei an den unzähligen amerikanische Wüstenfahrzeugen und bog dann in eine flache, aber riesige Halle ein. Ganz hinten sah man einen Container und daneben den Sandkasten. Neonröhren erleuchteten die Halle. Jetzt wäre der Moment, wo der Verbrecher mit seinem Sportwagen in die Halle einfährt und das Feuer eröffnet. Eine wilde Verfolgungsjagd beginnt und endet am Sandkasten - soweit das Drehbuch zum Actionfilm. In der Realität erreichte der T6 den Sandkasten ohne Zwischenfälle.

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US Defender #DefenderEurope #DEF20 - Feldjäger weisen die Beteiligten am Sandkasten ein.
Der Sandkasten war gar kein Sandkasten. Der Asphalt war mit Kreidestrichen bemalt. Die Parkmarkierungen dienten als Grenzen zwischen den Bundesländern sowie Polen. Holzklötzer markierten Städte und Haltepunkte. Farbige Geschenkbänder kennzeichneten den Streckenverlauf. Sehr einfach, aber für den Zweck völlig ausreichend. Abwechselnd traten die Lenker der kolonneninternen Leitfahrzeuge und die am Geschehen beteiligten Militärpolizisten herzu. Den Amerikanern wurden auch noch einige deutsche Verkehrsregeln erläutert. Die Fahrer hatten die Herausforderung, die Meilen im Tacho auf km/h umzurechnen. 80 km/h entsprechen 49,71 Meilen pro Stunde.

Um den normalen Verkehr nicht zu stören, wurde bereits vor Beginn der Großübung festgelegt, dass die Konvois nachts rollen. Die Nacht in Norddeutschland begann heute um 18 Uhr. Die erste Kolonne startete und musste noch durch einen Zollpunkt fahren. Hier wurden rein formal die Zollpapiere geprüft. Dann ging es weiter durch die Innenstadt von Bremerhaven und relativ schnell auf die Autobahn A 27. Dort konnte auf 80 km/h beschleunigt und der A1 entgegengefahren werden. Das Tempo bestimmen die regionalen Begleitfahrzeuge. So lange sie für die Strecke zuständig sind, fahren sie voraus und verlassen die Kolonne, sobald sie an den nächsten Zuständigkeitsabschnitt übergeben haben. Die Übergabe erfolgt normalerweise nahtlos an einer passenden Ausfahrt.

US Defender #DefenderEurope #DEF20 Feldjäger Konvois US Fahrzeuge
US Defender #DefenderEurope #DEF20 - Der vierte Konvoi ist bereit für die Abfahrt. Die Konvois haben eigene Fahrzeuge am Anfang und am Ende. Davor und dahinter fahren die regional zuständigen Polizisten oder Feldjäger.
Beim zweiten Konvoi gab es eine Panne. Besser gesagt, der Fahrer des drittletzten Fahrzeuges war eingeschlafen und hatte die Abfahrt seiner Gruppe verpasst. Die Abfahrt erfolgte immer im Halbstundentakt. Nun war das Situationsmanagement der Feldjäger gefragt. "Leben in der Lage" heißt das bei der Bundeswehr. Nach dem Erwachen des Fahrers wurden die drei Hinterbliebenen an eine wichtige Kreuzung in Bremerhaven geleitet und dann vom Zugführer höchst persönlich in Empfang genommen. Er fuhr nun mit seinem T6 und Blaulicht vorne weg. Als Zugführer konnte er auch das Tempo der Kolonne bestimmen: Sie sollten auf 50 reduzieren. In diesem Falle waren Kilometer pro Stunde gemeint. Das reichte jedoch nicht. 40 km/h! Mit ihren 40 km/h zwang die Kolonne sämtliche LKWs auf die Mittelspur. So war irgendwann das Ende des Konvois frei und die drei Nachzügler konnten hinten angeschlossen werden. Der Teilauftrag war erledigt. Runter von der Autobahn und wieder zum Hafen.

Im Hafen machte sich gerade die vierte Kolonne fertig zum Abmarsch. Marsch ist im Verständnis der Bundeswehr nicht nur die Bewegung zu Fuß. So weit lief alles nach Plan. Nur noch ein sandfarbener Abschleppwagen der US-Armee hatte eine kurze Panne. Aber auch das wurde schnell geklärt, so dass er ebenfalls nach Hagenow rollen konnte.

US Defender #DefenderEurope #DEF20 Feldjäger Konvois US Fahrzeuge
US Defender #DefenderEurope #DEF20 - Feldjäger stimmen sich ab. Im Hintergrund ein VW-Bus T6 und im Vordergrund ein Nissan Pathfinder. Die Autos sind teilweise schon mit den neuen Taschen für das G36 ausgerüstet. Diese sind deutlich praktischer als die alten Halterungen in der Mitte.
Die Feldjäger trafen sich anschließend auf der Polizeidirektion in Bremerhaven. Hier mischten sich Flecktarn und schwarze Polizeiuniformen. Man hatte sehr viel Kaffee gekocht. Bis auf die Nachzügler und den Abschleppwagen war kaum etwas auszuwerten. Die Zusammenarbeit der Polizei mit den Feldjägern war hervorragend - ebenso die Stimmung. Gegen 21:30 Uhr waren die Feldjäger wieder in der Kaserne von Garlstedt zurück und konnten dort noch ihre eigene kurze Auswertungsrunde machen. Dann ploppten zwei Kronkorken und der Arbeitstag war zu Ende.

Video:
US Defender - Feldjäger und 4 Konvois

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 16. Februar 2020

#MSC2020 - Pelosi, Palaishalle und Palästinenser

Nach einem hektischen MSC-Samstag brach heute ein entspannter Sonntag an. Die Glocken läuteten. Die Straßen waren frei. Auf dem Odeonsplatz durfte wieder geparkt werden. Viele Sperren waren abgebaut. Im Pressezelt war auch deutlich weniger Betrieb. Dennoch war es ratsam, die neuesten Termininfos zu verfolgen. Zwei Anlässe stachen dabei heraus - ausgerechnet parallel: Pressekonferenz mit Nancy Pelosi und Townhall on Palestine mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Schtaje.

Da Nancy Pelosi regelmäßig durch ihre Konfrontationen mit Donald Trump auffällt, ist sie in Europa sehr beliebt. Entsprechend berechenbar war ihre Argumentation in der Pressekonferenz. Die USA, China und der Iran hatten ja gestern ihre Befindlichkeiten herausgelassen und hatten dabei ein wenig den Pfad der Professionalität verlassen. Frau Pelosi verspätete sich um eine Viertelstunde. Das wurde sehr knapp. Ihre ersten Worte waren die wichtigsten: Der Kongress stehe zum transatlantischen Bündnis und zur NATO. Um das auch optisch zu verdeutlichen, hatten sich einige Kongressabgeordnete hinter Nancy Pelosi aufgestellt. Bei dem hohen innenpolitischen Druck tat ihr die herzliche Aufnahme bei der Münchner Sicherheitskonferenz sehr gut.

#MSC2020 MSC Münchner Sicherheitskonferenz
#MSC2020 Münchner Sicherheitskonferenz - Nancy Pelosi und Kongresskollegen aus der US-Delegation
Kurz nach diesem Statement begann auch schon das Format Townhall im Palaissaal. Dieses Format war insofern interessant, weil sich einige Protagonisten in der Mitte des Raumes auf einem stilechten MSC-Teppich trafen und über ein vorgegebenes Thema sprachen. Das Publikum bestand aus interessierten Teilnehmern der Sicherheitskonferenz und einigen Pressevertretern. Gelegentlich wurde es gefährlich: Wer sich zum falschen Zeitpunkt meldete, hatte plötzlich das Mikrofon vor der Nase und musste auf Englisch ein Statement abgeben. Zwei bis vier präparierte Personen saßen im Publikum und wurden zu gegebener Zeit für einen vorbereiteten Input aktiviert.

Während also Frau Pelosi und ihre Kongresskollegen die Pressekonferenz fortsetzten, quirlten Bodyguards und der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Schtaje in die Palaishalle. Auch die Botschafterin aus Berlin war dabei. Die Begrüßung war überaus herzlich. Etwas im Schatten des Palästinensers betraten auch der Außenminister Jordaniens, Ayman Safadi, und der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Abdoul Gheit, den Raum. Mohammed Schtaje begann mit einer Rede und forderte eine internationale Palästina-Konferenz.

Anschließend setzten sich die drei Herren in die Mitte. Der westliche Moderator hegte offenbar tiefe Sympathien für die Palästinenser. Das beeinflusste die Steuerung der Gesamtdiskussion. Mohammed Schtaje konnte ausführlich auf die neuerlichen Aktionen von Donald Trump eingehen. Benjamin Netanjahu und Donald Trump hätten noch nie konstruktiv auf palästinensische Vorschläge zur Befriedung der Region reagiert. Besonders verärgert zeigte er sich, dass in den Vorgaben der Amerikaner stehe, dass die Palästinenser Israel als Staat akzeptieren sollen. Man habe sich verbündet, um diese Pläne zu verwerfen. Überhaupt hätten sich ganz viele Verbündete gefunden, die diese Pläne auch ablehnen: "Trump hat keine Freunde."

#MSC2020 MSC Münchner Sicherheitskonferenz
#MSC2020 Münchner Sicherheitskonferenz - Townhall on Palestine - Palästinensischer Ministerpräsident Mohammed Schtaje (vorne rechts) und der jordanische Außenminister Ayman Safadi
Ahmed Abdoul Gheit von der Arabischen Liga wurde gefragt, ob die Palästinenser nicht mehr auf der Agenda stehen. Dazu bemerkte er, dass das Kernthema im Nahen Osten nach wie vor das "Palästinenserproblem" sei. Das sei aber derzeit nicht Priorität Eins der Liga. Da in der arabischen Welt die Abstammung eine große Rolle spielt, sei hier erwähnt, dass die Palsätinenser ursprünglich aus Kreta kamen. Deshalb gehören sie nicht wirklich dazu und werden von sämtlichen Kräften der Region als williges Werkzeug für Stellvertreterkonflikte genutzt. Frei nach dem chinesischen Sprichwort: "Mit dem Dolch eines anderen morden".

"Wir sind ein Stabilitätsfaktor in der Region", warf der Ministerpräsident ein. Dass dieser Stabilitätsfaktor die Hamas in Gaza nicht im Griff hat, liege nicht etwa an ihnen selbst, sondern an den Anderen. Man habe vier Verträge mit der Hamas geschlossen. Aber die halten sich einfach nicht daran. Hätte Israel nicht ein Machtvakuum in Gaza erzeugt, wäre es dort gar nicht zu diesem Problem gekommen.

Während Mohammed Schtaje unentwegt mit den Schwarze-Peter-Karten, Netanjahu und Trump, hantierte, ging der jordanische Außenminister Ayman Safadi etwas differenzierter an die Sache heran. Es gebe in der Region keine Gewinner und keine Verlierer. Entweder gewinnen Alle oder es verlieren Alle. Es solle akzeptiert werden, dass man Seite an Seite leben könne und nur dadurch Frieden möglich sei.

Aus dem Publikum meldete sich eine Knesset-Abgeordnete und ging auf einige Punkte des Ministerpräsidenten ein. Er hatte die passende Antwort parat: Die Frau solle sich bitte nicht so sehr von der Netanjahu-Propaganda beeinflussen lassen. Immerhin befinde sich dieser aktuell im Wahlkampf. Warum einige Leute den Raum verließen, konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden.

Nach diesem Einblick in die aktuelle Situation im Nahen Osten ging auch schon fast die Münchner Sicherheitskonferenz zu Ende. Die Straßen von München waren inzwischen gut mit Passanten gefüllt. In den Cafés gab es kaum noch Sitzplätze und die Sonne tauchte den Odeonsplatz in ein angenehmes Licht.

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 15. Februar 2020

#MSC2020 - Die schwere Entscheidung zwischen Zuckerberg und Golfkrise

Der gemeine Hauptstadtjournalist ist normalerweise erst nach mehreren Tassen Kaffee und bei Terminen ab zehn Uhr einsatzfähig. Die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) forderte Teilnehmer und Presse auf ihre sehr spezielle Weise heraus. Denn schon um halb acht beginnen die ersten Gesprächsrunden - Breakfast genannt. Da sich der Terminplan sehr kurzfristig ändern oder erweitern kann, tut man gut daran, auch schon um diese Zeit vor Ort zu sein und den verschlafenen Blick auf den Ticker an den Großleinwänden zu werfen. Profis haben neben der Kaffeetasse sogar noch das druckfrische Programmheftchen des Tages zu liegen.

Unter permanentem Abgleich von Ticker und Programmheft läuft der Rest des Tages nur bedingt planbar ab. Flexibilität und schnelle Entscheidungen sind gefordert. Nachdem das Kreuzchen bei den Reden von AKK und Sergey Lavrov in der Conference Hall gesetzt sind, blättert man auf die nächste Seite und sieht einen Paralleltermin im Königssaal. Was ist jetzt wichtiger? Passt das mit den Anschlussterminen? Anhören im Pressezelt oder Dabeisein im Königssaal? Wann ist Pooling und wie lang sind die Wege zwischen den Terminen? Darf schreibende Presse bleiben oder muss sie mit der Bildpresse nach fünf Minuten den Raum verlassen?

#MSC2020 MSC Münchner Sicherheitskonferenz
#MSC2020 Münchner Sicherheitskonferenz - Informationsmaterial zur Planung des Tagesablaufs
Es gibt viele Abstufungen in der Zutrittsberechtigung. In diesem Jahr ist die Presse Gelb. Dann gibt es noch Gelb mit Blau und Gelb mit doppelt Blau. Je mehr blaue Streifen, umso weiter der Bewegungsradius. Es gibt Grün und Blau und Grau. Da die Badges Fotos und einen Transponder enthalten, kann beim Durchlaufen eines Eingangs immer gesehen werden, ob das Badge zur herzutretenden Person passt. Auf einem Display erscheint ein riesiges Passfoto nebst Namen. Die namentliche Begrüßung der Herzutretenden muss relativ frühzeitig ausgesetzt worden sein.

Samstag ist der Powertag bei der MSC: Präsidenten, Verteidigungsminister, Außenminister und andere wichtige Personen geben sich die Klinke in die Hand. Mitarbeiter des Hotels stürzen mit Bergen von Tischdecken, Gläsern und Stühlen durch die Gänge. Es gibt eine gefühlte 1:1-Betreuung durch Sicherheitspersonal im zarten Jugendalter. Generale und Staatssekretäre drängen sich an wartenden Delegationen vorbei. Präsidenten, die kürzlich noch auf dem roten Podest im Kanzleramt standen, wühlen sich mit ihren Personenschützern durch die Massen. Handschlag? Selfie? Kein Problem.

In dieser geballten Form kommen wohl nur noch in Davos die Spitzenpolitiker zusammen. Die MSC ist jedoch kein Wirtschaftsforum, sondern betrachtet sämtliche Themen aus dem Blickwinkel der Sicherheitspolitik. Das betrifft auch Corona, Big Data, Social Media oder den Klimawandel. Zu letzterem Thema durfte diesmal Jennifer Morgan von Greenpeace eine Einleitungsrede halten. Für das Fachpublikum war diese jedoch nicht annähernd so spannend und überzeugend, wie die wissenschaftlichen Hochrechnungen von Prof. Schellnhuber auf der MSC 2019.

#MSC2020 MSC Münchner Sicherheitskonferenz
#MSC2020 Münchner Sicherheitskonferenz - Kasachstans Präsident Kassym-Jomart Tokayev
Der Vorteil an diesem Umstand war, dass ad hoc auf eine Parallelveranstaltung im Königssaal umdisponiert werden konnte. Nämlich die Geografie in Asien - eine Diskussionsrunde mit den Präsidenten Kasachstans und Afghanistans. Kassym-Jomart Tokayev hatte Ende des letzten Jahres die Kanzlerin auflaufen lassen, indem er demonstrativ zur eigenen Nationalhymne aufgestanden war und sogar die Hand aufs Herz gelegt hatte. Auch in dieser Runde gab er sich konsequent loyal gegenüber Russland und China. Die Sandwich-Position seines Landes sei ein Segen, da es von Russland und China profitiere. Afghanistan zeigte sich hingegen loyal gegenüber den USA und der NATO. Da sich die Drogenproduktion für Afghanistan lohne, werde kaum etwas dagegen unternommen. Das tangiert auch den Nachbarn Kasachstan. Kasachstan dient schon lange als Transitland und hat inzwischen eine steigende Zahl an Konsumenten. Mit One Belt One Raod (OBOR) werden die chinesischen Partner sicher für eine weitere Vereinfachung der Drogenlogistik sorgen.

Vor dem Königssaal gab es das übliche dichte Gedränge. Der Leiter Protokoll BMVg bahnte sich einen Weg. Es war zu erfahren, dass Annegret Kramp-Karrenbauer wie am Fließband bilaterale Gespräche mit Amtskollegen führe. Nur die Bundeswehrredaktion war für die Auftaktbilder zugelassen.

Klimawandel und asiatische Geografie waren nicht die einzigen Herausforderungen des Tages: "Zuckerberg oder Golfkrise?", war die Frage. Wer möchte ihn nicht einmal live sehen, den berühmten Mark Zuckerberg von Facebook? Gemäß der Altersstruktur der MSC-Teilnehmer konnte die Prognose gewagt werden, dass die Conference Hall voll ist. Deshalb fiel die Entscheidung leicht, sich dem Thema "Deeskalation in der Golf-Region" zuzuwenden. Und dazu wurde im Königssaal alles aufgefahren, was in der Region Rang und Namen hat: Mohammad Javad Zarif (Außenminister des Iran), Sheikh Mohammed bin Abdulrahman Al Thani (Außenminister von Katar), Sheikh Ahmed Nasser Al-Mohammed Al-Sebah (Außenminister von Kuwait), Mevlüt Cavesoglu (Außenminister der Türkei), Yusuf bin Alawi bin Abdulla (Außenminister von Oman), Prince Faisal bin Farhan Al Saud (Außenminister von Saudi Arabien) und der in dieser Runde eher unspektakulär wirkende US-Senator Christopher Murphy.

#MSC2020 MSC Münchner Sicherheitskonferenz
#MSC2020 Münchner Sicherheitskonferenz - Afghanistans Präsident Mohammad Ashraf Ghani (rechts) im Gespräch mit dem Moderator Richard N. Haas
Achtung! Hier endet die Aufzählung der Namen. Die Liste deutet jedoch an, wie wichtig diesen Spitzenpolitikern der Dialog bei der Münchner Sicherheitskonferenz ist. Ja es ist sogar so, dass sie sich auf eine Moderatorin wie die BBC-Korrespondentin Lyse Doucet einlassen. Da kann man nie wissen, welche Fragen sie stellen wird und wie sie in ihrer unerbittlichen Art das Gespräch auf den Kern zurückführt. Mohammad Javad Zarif aus dem Iran sah das gelassen. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und ließ den Dialog selbstsicher und entspannt über sich ergehen.

Bei den Ausführungen des Mannes aus dem Iran kam zum Ausdruck, dass man sich von den USA nicht "austrocknen" lasse. Überhaupt sehe man nicht ein, warum man den USA entgegenkommen solle, wenn diese ihrerseits keine Zugeständnisse machen. Der türkische Außenminister setzte noch einen drauf, indem er den momentanen Feind Nummer Eins - China - als "ein Glück" für die Türkei bezeichnete. Die Türkei sei schließlich das Zentrum der neuen Seidenstraße OBOR.

Etwas moderater argumentierten die Scheichs aus Katar und Kuweit. Auch für ihre Länder stehe viel auf dem Spiel, wenn der Iran den Seeweg abschneidet. Deshalb sei man sehr an einer Deeskalation und einer dauerhaften Lösung des Problems interessiert. Die Region brauche den Handel und die Abnahme ihres Öls. Nachdem Prince Faisal bin Farhan Al Saud sehr direkt mit dem jüngsten Journalistenmord konfrontiert worden war, sprach er sich für eine weitere gute Zusammenarbeit mit der Trump-Administration aus. Auch das Jemen-Problem wolle man friedlich lösen. Der Erfolg sei aber auch von anderen Playern abhängig.

Apropos Trump: Die Eröffnungsstatements dieses Samstags wurde von Mike Pompeo (Außenminister der USA) und Mark Esper (Verteidigungsminister der USA) gehalten. Für die USA gibt es demnach momentan nur eine Priorität: China. China ist eine Diktatur, China verbreitet einen Virus, China rüstet auf, China überholt den Westen technologisch, China ist ein Risiko für die Werte des Westens. Man habe sich in China getäuscht. Vor 20 Jahren war China in die WTO aufgenommen worden, um das Land sukzessive in eine Demokratie umzufunktionieren. Stattdessen sei China wirtschaftlich erstarkt und tue heute so, als sei ihr kommunistisches System den westlichen Demokratien überlegen. Man habe sich verkalkuliert. Während die Europäer Russland als Hauptbedrohung ausgemacht haben, spielt Russland in der Betrachtung der USA nur eine weit untergeordnete Rolle. Mike Pompeo erwähnte zwar die erfolgreichen "Russian Desinformation Campaigns", wechselte dann aber gleich wieder das Thema und wiederholte in gut dosierten Abständen: "The West is winning!" - "The West is winning!" (Der Westen gewinnt!)

Das China-Bashing zeigte sehr deutlich, dass amerikanische und europäische Interessen auseinanderdriften. Ein Umstand, der nicht ungefährlich ist, wenn man die anschließenden Ausführungen von Emmanuel Macron reflektiert. Seine Worte schlugen wie ein Gewitter in das für Europa typische politisch korrekte Wischiwaschi ein. Keine Floskeln, sondern ein klar formuliertes Lagebild. Noch Stunden später war ein NDR-Kollege erschüttert von der Aussage, dass Europa "keine Antikörper mehr zum Schutz unserer Demokratie" hätte. Wir seien inzwischen "sehr, sehr verletzlich".

#MSC2020 MSC Münchner Sicherheitskonferenz
#MSC2020 Münchner Sicherheitskonferenz - Conference Hall - Der Inspekteur der Streitkräftebasis, Generalleutnant Martin Schelleis, schaut sich im Publikum um.
Laut Macron habe es China richtig gemacht. China habe in seine Zukunft investiert, während in Europa durch eine verfehlte Finanzpolitik - das war ja schon immer sein Thema - der Mittelstand geschwächt und nahezu abgeschafft worden sei. Und was der Mittelstand noch gehabt habe, hätte er an die Chinesen verkauft. Im Gegensatz zu seinen amerikanischen Vorrednern, ging Macron auf Russland ein. Russland sei per se schwach und könne auf längere Sicht keinen heißen Konflikt - wie einen Krieg - mit Europa austragen. Russland nutze daher schamlos die europäische Verletzlichkeit aus und befeuere sehr professionell das Thema Desinformation. Deshalb müsse Europa weiterhin misstrauisch gegenüber Russland sein sowie "brutal", "konsequent" und "glaubwürdig" auftreten. Ein Tenor, der sich vor zwei Tagen auch durch die Rede von Generalleutnant Jörg Vollmer gezogen hatte. Macron gab Donald Trump Recht, dass dieser mehr Eigenverantwortung bei der Selbstverteidigung Europas einfordert. Im Verteidigungsbündnis Europas spiele auch der Brexit keine Rolle.

Der Reiz der MSC besteht darin, dass auch Kontrahenten zu Wort kommen. So trat dann auch der Außenminister Chinas, Wang Yi, auf. In einer überaus blumigen Sprache lobte er die Weisheit und Stärke der Führung von Xi Jing Ping. Man führe derzeit einen "Krieg ohne Rauch" gegen den Corona-Virus. Man kämpfe und schütze jeden in der Bevölkerung vor dem Virus. Die Größe und Effizienz der Maßnahmen sei bewundernswert und zeigten die Vorteile des chinesischen Systems. Am Kampf seien ganz viele Arbeiterinnen und Arbeiter beteiligt, die als Helden bezeichnet werden. "Der Morgen naht und wir sehen das Licht", war der optimistische Ausblick zum Sieg über den Virus. "Wir sind eine dankbare Nation", wurde eine Aufzählung in einer interessanten Reihenfolge eingeleitet: Republik Korea, Weißrussland, Russland ... Grußkarten, Telegramme ... Italien, Großbritannien, Frankreich. Überhaupt habe China schon immer Völker in ihrem gerechten Kampf unterstütz, wie zum Beispiel die Palästinenser.

Da vor dieser Rede viel auf China eingeprügelt worden war, plädierte Wolfgang Ischinger, der Leiter der MSC, dafür, auch endlich einmal Worte der Ermutigung für China zu finden. Immerhin hätten sie gerade mit dem Virus erhebliche Herausforderungen zu meistern. Wang Yi knüpfte an diesem Punkt an und sagte, dass die "Schmierenkampagnen" der US-Repräsentanten "alles Lügen, keine Tatsachen" seien. Wenn man das umdrehe und auf die USA anwende, werden "aus Lügen Tatsachen". Der Außenminister sprach sich für eine engere Zusammenarbeit mit der EU aus und legte damit einen gefährlichen Köder zur Abspaltung gegenüber der USA. China kennt die Befindlichkeiten der Europäer und nutzt diese konsequent für eigene Zwecke aus. Die neue Seidenstraße soll schließlich auch durch Europa gehen.

Wer es geschafft hat, bis zu dieser Stelle zu lesen, dem sei gesagt, dass es sich hier um das Pensum nur eines Tages der Münchner Sicherheitskonferenz handelt. Es liefen noch diverse Parallelveranstaltungen wie "Politik und Big Date" oder "Ein Update zu Nagorny-Karabach", ganz abgesehen von den vielen bilateralen Unterredungen, die kaum jemand mitbekommen hat, die aber die Geschichte in einigen Regionen der Welt in eine positive Richtung lenken. Der Wert dieser Konferenz kann nicht mit Geld aufgewogen werden, da hier in kleinen und größeren Formaten lebenswichtige Entscheidungen getroffen und auch Konflikte beigelegt werden.

Video:
#MSC2020 - Impressionen von der Münchner Sicherheitskonferenz

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 14. Februar 2020

#MSC2020 - Westlessness und Desinformation

"Ich habe es an Sergej geschickt", bemerkte ein Mann im Pressezelt. "Ja, wir müssen noch auf die Antwort aus Moskau warten", bestätigte sein Kollege auf Sächsisch. Besonders erheitert waren die beiden über das Thema der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz "Westlessness". Das werde wieder alles nur auf die übliche "Desinformation" hinauslaufen und das Gejammer über den "armen Westen". Missgelaunt richteten sie ihren Arbeitsplatz ein. In einem anderen Bereich des großen Zeltes bereitete sich der russische Sender RT auf die ersten Interviews und Kommentare vor.

Der speziell für die MSC entwickelte Begriff der Westlessness könnte mit "Westlosigkeit" oder "ohne den Westen" übersetzt werden. Ein deutscher Buchautor würde es eventuell so formulieren: "Der Westen schafft sich ab". Diese Entwicklung wird zwar aktiv von außen befeuert. Allerdings hat auch der Westen selbst erheblich dazu beigetragen.

#MSC2020 MSC Münchner Sicherheitskonferenz Westlessness
#MSC2020 Münchner Sicherheitskonferenz - Information, Desinformation, Halbinformation, Tendenzinformation: Wie demontieren wir eine Spitzenpolitikerin?
Beginnen wir mit dem Stichwort Arroganz: Die USA und ihre europäischen Partner waren es gewohnt, irgendwo aufzutauchen und die Regeln vorzugeben. Idealerweise sollten diese Regeln die westlichen Werte in die entsprechenden Regionen transportieren und dort etablieren. So war es auch mit der Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation (WTO) geplant. China hat das Potenzial erkannt, die Chance genutzt, die Wirtschaft aufleben lassen und dann einfach die eigenen Regeln und Werte gefestigt. Einer der ersten Diskussionsteilnehmer auf der MSC-Bühne ergänzte dazu: "China versteht unsere Prinzipien gar nicht" - eine Erkenntnis, die in Europa Seltenheitswert hat.

Aber es tut sich etwas. Bei den jüngeren Verantwortungsträgern wie Sebastian Kurz oder Emmanuel Macron ist die Angst vor der fortschreitenden Westlessness angekommen. Die Westlessness muss als mehrschichtiges Thema betrachtet werden.

Auch hier bietet China eine gute Vorlage. Durch die Erstarkung Chinas in wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht fühlen sich die USA plötzlich einem ernst zu nehmenden Wettbewerber gegenüber. China und die USA haben ihre Militärausgaben im letzten Jahr noch einmal deutlich nach oben korrigiert, während Saudi Arabien und Russland auf den Plätzen 3 und 4 ihr Budget reduziert haben. China hat eine erhebliche Staatsverschuldung. das ist auch den USA bekannt. Deshalb versuchen sie mit Sanktionen das Land "auszutrocknen". Das "Austrocknen" ist eine amerikanische Taktik, die auch im Nahen und Mittleren Osten und sonstigen Gegnern zum Einsatz kommt. Irgendwann werde der fragile Staat schon zusammenbrechen und das gewünschte Vakuum entstehen.

Das geschaffene Vakuum ist den USA und ihren Partnern in letzter Zeit mehrfach auf die Füße gefallen. Der britische Chilcot-Report geht in 13 dicken Bänden auf die Fehleinschätzungen des Westens und deren Folgen ein. Er gibt aber auch Handlungsempfehlungen, um diese aus kultureller Arroganz entstandenen Fehler nicht noch einmal zu begehen. Das Wort "austrocknen" nahm auch der Iran auf der Konferenz in den Mund und stellte seine Entschlossenheit dar, sich das nicht gefallen zu lassen.

Die USA sehen derzeit in China ihre Herausforderung Nummer Eins. Russland und andere Länder spielen in ihrer momentanen Betrachtung kaum eine Rolle. Zu viel Energie muss gegen den roten Feind im Westen aufgewendet werden. Oder liegt China für die USA im Osten? Jedenfalls fokussiert sich die USA in Richtung Westen nach China und hat kaum noch einen Blick nach Osten zu seinen westlichen Verbündeten in Europa. Diese Partner hatten es sich bisher recht leicht gemacht. Die USA machen schon, wenn es ein Problem gibt. Die USA zahlen schon für unsere Sicherheit. Seit Donald Trump ist damit Schluss. Europa sieht sich plötzlich mit Eigenverantwortung konfrontiert. Europa ist nun auf Donald Trump so sauer wie ein Mittvierziger, der aus der elterlichen Wohnung ausziehen soll.

Es gibt Kinder, die ziehen rechtzeitig aus und können sich in der freien Wildbahn behaupten. Ein Mittvierziger kann sich nur noch schwer vom elterlichen Kühlschrank und seinem geliebten Kinderzimmer trennen. Deshalb wird der Prozess auch deutlich schmerzhafter verlaufen. Geschwächt vom Stress mit Mama und Papa ist der Mittvierziger eine leichte Beute für falsche Freunde. Hier kommt die weitere Schicht der Westlessness ins Spiel. Die vermeintlichen Freunde nähren den Hass auf die gemeinen Eltern und treiben einen Keil in die Familie. Diese Art des Trostes wird gerne angenommen. Russland, China und andere Staaten nutzen diesen Abstand zum Papa in Amerika geschickt aus, um ihre eigenen Akzente zu setzen.

#MSC2020 MSC Münchner Sicherheitskonferenz Westlessness
#MSC2020 Münchner Sicherheitskonferenz - Suchbild: Wer findet den Bundespräsidenten?
Auch Frank-Walter Steinmeier beschwerte sich in seiner Rede über den Abstand der USA, während seine Parteigenossen wichtige Maßnahmen der Eigenverantwortung im Bereich der Landesverteidigung blockieren. Das Westbündnis zwischen Europa und den USA hatte in der Vergangenheit mehrere Höhen und Tiefen erlebt. 1945 war es am Tiefpunkt, schwang sich bis 1960 in die Höhe und stürzte bis 1970 wieder ab. 1989 erreichten die Beziehungen einen neuen Höhepunkt und wurden danach wieder konsequent abgebaut.

Sebastian Kurz aus Österreich wandte sich gegen die vielen Kompromisse, die Europa schon bezüglich seiner Grundprinzipien gemacht hat. "Meinungsfreiheit, Medienfreiheit, Rechtstaatlichkeit sind nicht verhandelbar". Diese und weitere Werte des Westens gelte es zu verteidigen und zwar nicht nur militärisch. Laut Sebastian Kurz färbten die Gesellschaften auf andere Regionen der Welt ab, die erfolgreich seien. Solange der Westen wirtschaftlich erfolgreich ist, bewegten sich die Flüchtlingsströme Richtung Westen und andere Staaten versuchten das Erfolgsmodell zu kopieren. Erfolg muss aber ständig neu erarbeitet werden, so dass der Wettbewerb aus Fernost durchaus beachtet werden sollte.

Eine Chinesin fragte, ob denn der Westen im Zuge von Huawei und 5G Angst habe. Immerhin zeige doch 5G die technologische Überlegenheit der chinesischen Gesellschaftsordnung. In der Tat kann 5G über die Nachfrage am Markt einiges umkrempeln und den Westen bei der Steuerung seiner Datenströme empfindlich verletzlich machen. Dass technische Innovationen gleichzeitig auf die Attraktivität der chinesischen Gesellschaftsform zurückschließen lasse, wurde im Publikum bezweifelt. Ein Journalist der Deutschen Welle fragte, wann denn in China die Deutsche Welle, Twitter und andere Dienste erreichbar wären. Damit hatte sich dieser Diskussionspunkt erledigt.

Sebastian Kurz wandte sich gegen das Selbstmitleid. man habe viel in Europa erreicht und vieles laufe wirklich gut. Ein neues Selbstbewusstsein müsse her. Europa habe allen Grund dazu. In Europa läuft wohl vieles in der Metaebene ab. Das Denken, die Meinung, die Wahrnehmung, das Fühlen entscheiden die Stimmung und die nachgelagerten Handlungsweisen. Dankbarkeit für Erreichtes, Selbstbewusstsein und ein optimistisches Herangehen an die nächsten Herausforderungen täten Europa als Bestandteil des Westens gut.

Damit das Selbstbewusstsein nicht zu stark wird und gar nicht erst Mut zum konstruktiven Angehen der Herausforderungen aufkommt, gibt es noch das Stilmittel der Desinformation. Eine besondere Expertise auf diesem Gebiet wird den Nachbarn Estlands nachgesagt. Damit sind wohl nicht die Finnen gemeint. Diese estnischen Nachbarn hatten deshalb auch nicht am Personal gespart und viele ihrer Experten zur MSC entsandt. Bereits am ersten Abend gab es in der Palaishalle des Bayerischen Hofs eine Diskussionsrunde zur "Zukunft der Desinformation". Die Veranstaltung lief "Off the Record" und enthielt keine bahnbrechenden Neuigkeiten. Lediglich die Wahrnehmung, dass deutsche Zuständigkeiten das Thema Desinformation nicht als virulent ansehen.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 13. Februar 2020

Kommandowechsel beim Deutschen Heer von Jörg Vollmer zu Alfons Mais

Heute übergab Generalinspekteur Eberhard Zorn das Kommando über das Deutsche Heer an Generalleutnant Alfons Mais. Sein Vorgänger, Jörg Vollmer, hatte das Heer seit 2015 geleitet und diverse Innovationen auf den Weg gebracht. Das Heer ist mit 60.000 Soldaten die größte Teilstreitkraft. Jede der fünf Teilstreitkräfte - Heer, Luftwaffe, Marine, Cyber-Informationsraum und Sanitätsdienst - hat einen sogenannten Inspekteur an der Spitze. Inspekteure haben als Generalleutnant oder Generaloberstabsarzt (GOSA) drei goldene Sterne auf der Schulter oder sie sind im vergleichbaren Dienstgrad eines Vizeadmirals. Letzterer ist durch besonders dicke Streifen am Ärmel zu erkennen.

Kommandowechsel beim Deutschen Heer von Jörg Vollmann zu Alfons Mais
Kommandowechsel beim Deutschen Heer von Jörg Vollmer zu Alfons Mais - v.l.n.r.: Generalinspekteur Eberhard Zorn, Generalleutnant Jörg Vollmer, Generalleutnant Alfons Mais, Generalleutnant Johann Langenegger
Der vierte Stern ist für viele Dreisterner unerreichbar. Dazu müssen sie entweder Generalinspekteur werden oder zur NATO gehen. Jörg Vollmer wird im Sommer Befehlshaber des Allied Joint Forces Command der NATO in Brunssum. Generale werden im BMVg befördert. Durch politisch bedingte Faktoren kann sich eine Beförderung vom Oberst zum Brigadegeneral verzögern oder erheblich beschleunigen. Leider finden diese Anlässe immer unspektakulär im kleinen Kreise statt.

Kommandowechsel beim Deutschen Heer von Jörg Vollmann zu Alfons Mais
Kommandowechsel beim Deutschen Heer von Jörg Vollmer zu Alfons Mais - Jörg Vollmer (2. von rechts) übergibt die Truppenfahne an Generalinspkteur Eberhard Zorn
Wann immer man Jörg Vollmer traf, wirkte er ruhig und ausgeglichen. Er konnte jedoch auf energisch umschalten und hatte seine Truppe im Griff. Jörg Vollmer ist Praktiker. Das kam auch bei seiner Rede an den neuen Generalstabslehrgang auf der ILÜ 2019 zum Ausdruck. Bei einer längeren Fahrt von Bonn nach Koblenz setzte er sich zu den wenigen VIPs in den Reisebus und ließ seine Limousine hinterherfahren. Vom Bus aus telefonierte und telefonierte er und steuerte seinen Aufgabenbereich bis - ja bis - ihm das Handy zwischen die Sitze fiel. Aber auch das klärte er gelassen.

Kommandowechsel beim Deutschen Heer von Jörg Vollmann zu Alfons Mais
Kommandowechsel beim Deutschen Heer von Jörg Vollmer (rechts) zu Alfons Mais (links), Mitte: Generalinspekteur Eberhard Zorn
Jörg Vollmer ist Bremer und 62 Jahre alt. 1978 trat er in die Bundeswehr ein und steht nun kurz vor der Pensionierung. Der Gang nach Brunssum wird wohl seine letzte Etappe im militärischen Berufsleben sein. Danach warten die Familie und die Clausewitz Gesellschaft mit Vortragsanfragen auf ihn. Wenn er nicht gerade im BMVg tätig war oder Studiengänge und Weiterbildungen absolvierte, konzentrierte er sich auf Verwendungen bei den Panzergrenadieren oder den Fallschirmjägern. Er hatte also immer etwas mit Infanterie, Staub und Schlamm zu tun. Entsprechend sahen auch seine Dienstfahrzeuge aus.

Seine Abschiedsrede war sehr deutlich und wich gelegentlich vom Manuskript ab. Wenn er von seinen ausländischen Kollegen nach dem allgemein vermittelten Zustand der Bundeswehr gefragt werde, antworte er mit Stolz: "Wir sind das Heer, verlässlich und da, wenn man uns braucht." Einen Großteil der Schlussfolgerungen des Wehrbeauftragten empfand er als hart, aber zutreffend. Glaubwürdige Abschreckung und die Demonstration der Fähigkeit zur Kriegsführung waren ihm wichtig. Auch wenn das Wort Russland nicht fiel, war doch klar, welche konkrete Gefahr er ansprach. Jörg Vollmer war überzeugt davon, dass die Soldaten des Heeres ohne Zögern zu den Waffen greifen werden, um Bündnisinteressen zu wahren und zu schützen.

Deshalb formulierte er gegenüber den politischen Entscheidungsträgern den "Anspruch auf überlegenes Wehrmaterial im Interesse des Wohles der Soldatinnen und Soldaten". Hier komme es insbesondere auf das Verhandlungsgeschick der Staatssekretäre und der Ministerin an. Auch diese müssten sich "gegen den Widerstand eines allzu bequemen und realitätsfernen Zeitgeistes behaupten".

Kommandowechsel beim Deutschen Heer von Jörg Vollmann zu Alfons Mais
Kommandowechsel beim Deutschen Heer von Jörg Vollmer zu Alfons Mais - Truppenfahnen in der Ehrenformation
Sein Nachfolger in Strausberg, Alfons Mais, ist 57 Jahre alt und trat 1981 in die Bundeswehr ein. Auch er studierte - wie Jörg Vollmer - Wirtschafts- und Organisationswissenschaften in Hamburg. Alfons Mais stammt allerdings aus Koblenz, wo der Inspekteur des Sanitätsdienstes sitzt. Statt jedoch Sanitäter zu werden, ließ er sich als Heeresflieger ausbilden. Luftbewegung bestimmte immer wieder sein Berufsleben. Seit Mitte 2019 fungierte er als Kommandeur des 1. Deutsch-Niederländischen Korps.

Angesichts der neuerlichen Rivalitäten zwischen den Größmächten und einer fragiler werdenden nordatlantischen Verbindung haben die beiden Generale eventuell noch einen spannenden Lebensabschnitt vor sich. Alfons Mais für etwa sieben Jahre und Jörg Vollmer für zwei.

Rede Generalleutnant Jörg Vollmer mit freundlicher Genehmigung des PIZ Heer - Das gesprochene Wort wich nur geringfügig von diesem Manuskript ab.

Video:
Kommandowechsel Inspekteur Deutsches Heer - Jörg Vollmer zu Alfons Mais

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 12. Februar 2020

US Defender - Verladung amerikanischer Fahrzeuge von der Schiene auf die Straße

"Straßentankwagen" warf Martin Schelleis spontan ein, als der Kompaniechef der 8./SpezPiRgt164 mit den bundeswehrüblichen Abkürzungen hantierte. "STW" hatte er gesagt. Seit November 2019 sind die Inspekteure auf Twitter unterwegs und haben sich darauf eingestellt, dass die zivile Zielgruppe in einer verständlichen Sprache angeredet werden möchte.

US Defender - Verladung amerikanischer Fahrzeuge von der Schiene auf die Straße #DEF20 #DefenderEurope
US Defender Europe 2020 #DEF20 #DefenderEurope - Einweisung des Fahrers einer amerikanischen Panzerhaubitze zur Auffahrt auf einen Schwerlasttransporter SLT Mammut
Martin Schelleis ist Generalleutnant und Inspekteur des Streitkräftebasis (SKB). Die Streitkräftebasis fasst sämtliche Bereiche der Bundeswehr zusammen, die nicht eindeutig dem Heer, der Luftwaffe oder der Marine zuzuordnen sind. Dazu gehören auch die Spezialpioniere und der gesamte Bereich Logistik.

US Defender - Verladung amerikanischer Fahrzeuge von der Schiene auf die Straße #DEF20 #DefenderEurope
US Defender Europe 2020 #DEF20 #DefenderEurope - Amerikanische Fahrzeuge an der Verladerampe
Da die Schiffe aus Amerika noch nicht in Bremerhaven eingetroffen sind, wurden heute in Bergen bei Celle amerikanische Bestandsfahrzeuge von der Schiene auf Schwerlasttransporter (SLT) Mammut verladen. Die Bundeswehr verfügt über drei Arten von Schwerlasttransportern: Elefant, Franziska und Mammut. Normalerweise haben die Fahrzeuge der Bundeswehr Tiernamen. Franziska tanzt dabei aus der Rolle. Die Legende erzählt, dass der Entwickler des Fahrzeuges auf den Namen seiner Tochter bestanden habe. Solch ein SLT schafft locker 80 km/h und verbraucht einen Liter Diesel - auf einen Kilometer.

US Defender - Verladung amerikanischer Fahrzeuge von der Schiene auf die Straße #DEF20 #DefenderEurope
US Defender Europe 2020 #DEF20 #DefenderEurope - Gut verzurrt für den Schwerlasttransport per SLT Mammut über die Straße
Amerikanische Fahrzeuge sind wohl recht flexibel bezüglich der Betankung. Sie können wahlweise mit Diesel oder Kerosin fahren. Das erklärt auch die überproportional hohe Menge Kerosin, die im neuen Tanklager in der Nähe von Bergen eingelagert werden soll. Zusammen mit Martin Schelleis schaute sich die Presse heute nicht nur den professionellen Ablauf der Fahrzeugverladung an, sondern konnte auch sehen, dass beim Bau eines temporären Tanklagers jeder Handgriff sitzt.

US Defender - Bau eines Tanklagers #DEF20 #DefenderEurope
US Defender Europe 2020 #DEF20 #DefenderEurope - Bau eines Tanklagers - Teamwork ist gefragt.
Es gibt übrigens nur eine Kompanie, die solche Tanklager bauen darf und kann. Das ist die oben erwähnte 8. Kompanie des Spezialpionierregiments 164 (8./SpezPiRgt164). Entsprechend hoch ist deren nationale und internationale Auslastung. Gleiches gilt für die Mammutfahrer. Gerade bei diesen Einheiten zeigt sich, dass der Trend weg vom Mannschaftsdienstgrad und hin zum Feldwebel (Unteroffiziersgrad) geht. Neben 300 Mannschaftssoldaten gibt es bei den Spezialpionieren knapp 1.100 Unteroffiziere.

US Defender - Bau eines Tanklagers #DEF20 #DefenderEurope
US Defender Europe 2020 #DEF20 #DefenderEurope - Bau eines Tanklagers -Jeder Handgriff sitzt.
Der hier gelagerte Sprit kommt aus einem NATO-Depot und sollte den Qualitätsstandards entsprechen. Im Auslandseinsatz sieht das anders aus. Regionale Lieferanten nutzen ihre unkonventionellen Transportmittel, so dass sich Wasser oder Schmutzpartikel im Tank befinden. Um das zu ermitteln, gehen immer Proben in ein mobiles Labor. Anschließend wird entschieden, ob Additive beigefügt werden, eine Filterung stattfindet oder der Lieferant seine Tankladung wieder mitnehmen kann.

Videos:
Verladung amerikanischer Fahrzeuge von der Schiene auf die Straße
Aufbau eines Tanklagers

Autor: Matthias Baumann

Montag, 3. Februar 2020

Bundeswehrtagung Berlin 2020 - Beschaffung, Einsatzbereitschaft und das Bad im Sternenmeer

Der Saal im Hyatt war bis auf den letzten Platz besetzt. Als die Ministerin angekündigt wurde, erhoben sich die Gäste und blickten erwartungsvoll zum Eingang. Annegret Kramp-Karrenbauer nutzte jedoch die Hintertür. Damit wurde die Flexibilität der Teilnehmer getestet. Neben Abgeordneten verschiedener Parteien, wenigen Obersten und der Presse waren nur Generale und Admirale anwesend. Etwa 200 gibt es davon in Deutschland. Rein statistisch kommt damit ein General oder Admiral auf 1.000 Bundeswehrangehörige. Gefühlt waren alle anwesend.

Bundeswehrtagung Berlin 2020
Bundeswehrtagung Berlin 2020 - Rede der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK
Der Fahrdienst hatte sie mit schwarzen BMW 5er-Limousinen und Mercedes E-Klassen zum Hyatt gebracht. Auch bei den Fahrzeugen gibt es in der Bundeswehr klare Abstufungen: Kommandeure ab Oberstleutnant bis Inspekteur im Dienstgrad Generalleutnant (drei Sterne) fahren Skoda Superb, BMW 5er, E-Klasse oder Audi A6. Erst der Generalinspekteur und die Ministerin fahren Oberklassewagen.

Die Beleuchtung im Saal ließ die Sterne funkeln. Bei Generalen, die in ihren Dienststellen Flecktarn tragen, waren die goldenen Sterne noch besonders gut poliert und reflektierten das Licht entsprechend. Es fiel auf, dass es innerhalb des letzten Jahres erhebliche Beförderungsschübe gegeben hatte. Das betraf insbesondere die Steigerung vom Oberst (drei Silbersterne) zum Brigadegeneral (ein Goldstern) und die vom Brigadegeneral zum Generalmajor (zwei Goldsterne). Darunter viele bekannte Gesichter wie Generalmajor Ohl, Generalmajor von Sandrart, Generalmajor Sollfrank oder Brigadegeneral Klaffus. Mit dem dritten Goldstern ist dann oft das Ende der Karriere - kurz EdeKa - erreicht. Denn vier Sterne bekommt nur der Generalinspekteur oder ein Dreisterner (Generalleutnant), der einen Leitungsposten bei der NATO ergattert.

Bundeswehrtagung Berlin 2020
Bundeswehrtagung Berlin 2020 - Baden im Sternenmeer
Nachdem die Ministerin das Sternenmeer durchschwommen hatte, hielt sie eine umfangreiche Rede und musste sich anschließend noch einem längeren Interview stellen. In der rede wurden viele Themen angesprochen. Der Hauptfokus lag jedoch auf der Einsatzbereitschaft und der damit verbundenen Beschaffungsproblematik.

Die materielle Einsatzbereitschaft liege bei 70 Prozent. Diesen Wert oder gar dessen Unterschreitung werde AKK nicht mehr akzeptieren. Das gehe so weit, dass sie sich auch mit den Kollegen im Bundestag entsprechend auseinandersetzen werde. Sie klang entschlossen. Als Sofortmaßnahme hat sie "Planungskonferenzen" angesetzt, die für ein schnelles Aufbauen der materiellen Ressourcen sorgen sollen. "Und zwar zügig", unterstrich sie die Geschwindigkeit, mit der der Handlungsbedarf umzusetzen sei.

Bundeswehrtagung Berlin 2020
Bundeswehrtagung Berlin 2020 - Podiumsdiskussion zwischen Generalinspekteur Eberhard Zorn (nicht im Bild), Staatssekretär Thomas Silberhorn (oben rechts) und dem Abteilungsleiter Politik, Detlef Wächter (unten Mitte)
Im weiteren Verlauf - auch in einer Diskussionsrunde zwischen Staatssekretär Thomas Silberhorn, Generalinspekteur Eberhard Zorn und dem Abteilungsleiter Politik, Detlef Wächter - stellte sich heraus, dass die Beschaffung auch durch den fehlenden Mut der Entscheider blockiert werde. Wenn sich selbst schon ein A-Dreizehner (Besoldungsstufe Major - ein silberner Stern mit Laub) vor dem Untersuchungsausschuss für seine Entscheidung rechtfertigen müsse, treffe er dann am besten gar keine Entscheidung und erreiche somit das EdeKa zum Renteneintritt. Was diesem A-Dreizehner zunächst persönlich hilft, schädigt das Gesamtgetriebe Bundeswehr. Es gibt sogar Langzeitsoldaten, die den Sprung in den nächsten Dienstgradbereich scheuen, weil für unwesentlich mehr Geld gleich viel mehr Verantwortung zu tragen ist.

Die Angst vor Denunzianten - auch innerhalb der eigenen Reihen - ist hoch. Das beginnt bei der freiwilligen Drosselung des BMW 5ers auf 130 km/h und endet bei disziplinarisch relevanten Anschreiben an den Generalinspekteur wegen lapidarer Formfehler nachgeordneter Dienststellen. Neidern, Entscheidungsmuffeln und ausgedienten Denunzianten ist das Wohl des Gesamtgebildes Bundeswehr dabei offensichtlich egal. Darüber hinaus waren in den letzten vier Monaten verschiedene Angehörige der Silbersternfraktion durch einen erschreckenden Mangel an Supervision aufgefallen.

Bundeswehrtagung Berlin 2020 - ILÜ 2019 Logistik
Audi A6 und BMW 5er - Generale besuchen die Truppe (Archivfoto ILÜ 2019)
Auch die 20.000 nicht besetzten Stellen bei der Bundeswehr wurden angesprochen. Als Maßnahmen greifen wohl sehr gut die regionalen Werbeaktionen nach dem Fitness-Studio-Motto "Bring a Friend". So seien laut Generalinspekteur Zorn schon jede Menge Lücken im Feldwebelbereich des Cyber-Kommandos geschlossen worden. Gute Erfahrungen habe man zudem mit freiwillig Wehrdienstleistenden und der Reaktivierung von Reservisten gemacht. Gerade im Cyber-Informationsraum tue sich gerade etwas mit der Besoldung. Man müsse aber auch sehen, dass die Millionäre nicht immer aus dem IT-Bereich kommen. Da hatte er Recht. Bis auf Hasso Plattner von SAP sind die Millionäre eher im Immobilienbereich zu finden. Dass weiterhin viel zu tun ist im Cyberbereich, drückte Eberhard Zorn so aus: "Fahren Sie doch mal nach außerhalb von Berlin. Dann sehen Sie, wo Digitalisierung ihre Grenzen hat."

Staatssekretär Silberhorn freute sich über einige Teilerfolge. Mit dem passenden Narrativ (Geschichte zum Verkaufen des eigenen Anliegens), könne man auch große Beträge schnell durch das Parlament schleusen. So habe die milliardenschwere Beschaffung von A350-Flugzeugen nur viereinhalb Monate gedauert. Es sei durchaus Spielraum zum Ausreizen der Grenzen vorhanden. Zudem müsse man abwägen, welches Projekt zu priorisieren sei. Wenn ein Kleinprojekt wie die Beschaffung von 1.000 LKWs spürbar bei der Truppe ankommt, ist mehr gewonnen, als mit einem Großprojekt, von dem der Soldat kaum etwas merkt.

Es kam auch zur Sprache, dass es von den NATO-Partnern "als deutsche Besonderheit wahrgenommen" werde, dass die Ausgaben für die Verteidigung weit hinter den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Bundesrepublik liegen. AKK begründete das mit den historischen Gegebenheiten und der parlamentarischen Konstellation. Ein General verwies auf die ständigen Spannungsfelder zwischen Anhängern des Grundgesetzartikels 87a und den Anhängern des Artikels 87b, in denen Einsatzradius, Personalwesen und Beschaffung geregelt sind.

Bundeswehrtagung Berlin 2020
Bundeswehrtagung Berlin 2020 - Rede der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK
Apropos NATO-Partner: Annegret Kramp-Karrenbauer stellte klar, dass es europäische Verteidigungsinitiativen nur unter dem Dach der NATO geben werde. Der Generalinspekteur ergänzte den praktischen Aspekt der gemeinsamen Einsätze. Die Deutsch-Französische Brigade laufe derzeit wohl nicht so gut, weil es einfach keine gemeinsamen Einsätze gebe. Das liege auch daran, dass die Deutschen erst kommen, wenn die Franzosen oder Briten schon wieder abreisen. Andere Nationen sind schneller im Einsatz, während in Deutschland erst einmal gründlich nachgedacht wird. Dafür bleiben dann die Deutschen eben auch viel länger.

Dass Landes- und Bündnisverteidigung zur Chefsache erklärt wurde kommt nicht von ungefähr. Detlef Wächter sagte, dass Russland mit seinen neuen Waffensystemen ein "Dispositiv" aufgebaut habe, "das - gelinde gesagt - bedrohlich ist". Das bestätigte der Generalinspekteur und ergänzte noch die Bedrohungslage seitens der Fähigkeiten Chinas.

Die Ministerin betonte mehrfach, dass sie einen ehrlichen und konstruktiven Dialog wünsche. Dieser fand heute auch schon in persönlichen Begegnungen am Kuchenbuffet statt. Morgen wird er in kleinen Arbeitsgruppen im Hyatt fortgesetzt.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 14. Januar 2020

US Defender Europe 2020 - Verlegung bei Nacht

US Defender Europe 2020 ist die größte Verlegeoperation der US-Streitkräfte zusammen mit einigen NATO-Partnern seit 25 Jahren. 37.000 Soldaten werden in Summe daran teilnehmen. Darunter eine Division mit 20.000 Soldaten aus den USA. In den nächsten Tagen werden die Schiffe aus Übersee in Bremerhaven erwartet. Zwischen Februar und April wird diese Großübung vermutlich auch den normalen Verkehrsteilnehmern auffallen. Geräte, Fahrzeuge und Truppen werden dann quer durch Deutschland transportiert.

#DefenderEurope US Defender Europe 2020 Schelleis Rohling
#DefenderEurope US Defender Europe 2020 - Generalleutnant Martin Schelleis (links) und Generalmajor Andrew M. Rohling bei der Auftakt-Pressekonferenz in der Julius-Leber-Kaserne
Sozialistische Propaganda hätte ihren Lieblingsbegriff der "Nacht- und Nebelaktion" strapaziert. Um das Alltagsleben in Deutschland nicht zu belasten, werden die Transporte nämlich vorrangig in der Nacht durchgeführt. Dabei rollen Kolonnen von etwa 20 Fahrzeugen über die Autobahnen. Auch die Gütersparte der Deutschen Bahn kommt zum Einsatz. Die Kapazitäten sind gebucht und sollen laut Generalleutnant Schelleis ausreichen. Bei plötzlichen oder noch größeren Verlegungen kommt die Bahn erwartungsgemäß an ihre Kapazitätsgrenzen.

Bei der heutigen Pressekonferenz informierten der Inspekteur der Streitkräftebasis, Generalleutnant (3 Sterne) Martin Schelleis, und der amerikanische Generalmajor (2 Sterne) Andrew M. Rohling über Zweck und Durchführung der Übung. Dass man sich von den Niederlanden und Deutschland aus über Polen ins Baltikum vorarbeitet sei rein zufällig und solle nicht explizit provozieren. Irgendwo müsse man das ja mal trainieren. Russland ist eingeladen, an sämtlichen presseöffentlichen Anlässen teilzunehmen.

General Rohling machte klar, dass US Defender auch als Statement der amerikanischen Streitkräfte für die verunsicherten NATO-Partner gedacht ist: Wir lassen euch nicht im Stich. Letzteres hatte Russland gehofft und über Social Media oder andere Kanäle antiamerikanische Befindlichkeiten in Europa genährt.

Das bei der ILÜ 2019 so anschaulich demonstrierte Host-Nation-Szenario kann nun in einem größeren Maßstab auf dem eigenen Territorium durchgeführt werden. General Schelleis wirkte entspannt und zuversichtlich, dass alles nach Plan laufen wird - abgesehen von Unwettern, die die Seefracht verzögern könnten. Deutschland und Polen stellen die Hauptgebiete der Übung dar. Die Kosten für die Aktion konnten weder von amerikanischer noch von deutscher Seite beziffert werden. Die Abrechnung erfolgt wohl hinterher.

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 24. November 2019

#MSC Cyber Security Summit - 5G und die Verschiebung der Hoheit über das Internet

Die Teilnehmer aus Iran waren "not amused" über das, was wie selbstverständlich auf der Bühne diskutiert wurde. Es war bemängelt worden, dass die Regierung des Iran einfach mal das Internet abschaltet, während sich in den Straßen bürgerkriegsähnliche Szenen abspielen. In einem Koreferat wurde die Frage aufgeworfen, wie denn in Europa mit solchen Situationen umgegangen würde? Man habe damit im Iran weitere Gewalt verhindern wollen. Das hochkarätig besetzte Panel sprach sich dennoch sehr klar gegen eine pauschale Abschaltung des Internets aus. G20 im Juli 2017 in Hamburg wäre eine entsprechende Gelegenheit gewesen.

Am heutigen Cyber Security Summit der MSC (Münchner Sicherheitskonferenz) in der Telekomrepräsentanz hatten etwa 150 Experten aus Politik, Wirtschaft und Militär teilgenommen. Letztere waren deutlich unterrepräsentiert. Dafür hatte der Chef der MSC, Botschafter Wolfgang Ischinger, die Kommunikationsminister verschiedener Staaten und Cyberspace-Entscheider renommierter Unternehmen wie Oracle, Microsoft oder Telekom zusammengebracht.

Ein akutes Thema war 5G. Die Abkürzung 5G steht ganz unspektakulär für "5. Generation". Damit ist ein neuer Standard für mobiles Internet und Mobiltelefonie gemeint. Der Knackpunkt dabei ist jedoch, dass die Standards inzwischen nicht mehr von der westlichen Welt vorgegeben werden, sondern von China. Der Direktor des chinesischen Cyberspace Governance Research Institutes, Shen Yi, betonte, dass China ein demokratischer Staat sei - vergleichbar mit Europa und den USA. Die Regierung Chinas könne nicht einfach in Unternehmen eingreifen und deren Technologien für eigene Zwecke nutzen. Sein Vertrauen in diese Aussage wirkte authentisch.

Sicherheit passt in Mitteleuropa nicht in das bunte Spektrum der politischen Korrektheit. Das betrifft auch die Cybersicherheit. Es gibt zwar die überarbeitete Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Diese ist aber eher Ballast und Abschreckung als ein beflügelndes Werkzeug für kreative Entwickler. Während sich im Westen die "Policymaker" mit den Technikern bitweise annähern, rast China auf der Überholspur vorbei und schafft technologische Tatsachen. Durchaus attraktive Tatsachen, die Begehrlichkeiten befriedigen und bald nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken sind.

Wohl dem, der die Hoheit über die Infrastruktur besitzt. Er kann mitlesen, kopieren, zwischenspeichern, archivieren oder einfach abschalten. Auf der Bühne wurde der Ruf nach einer eigenen europäischen Lösung laut. Man müsse die Technologie zudem mit ethischen Grundsätzen verknüpfen. Das setzt allerdings voraus, dass man selbst noch die Regeln bestimmen kann. Ist der regelfokussierte Westen nicht mehr "Top of the Game", nützen ihm die Werte gar nichts mehr.

Nach drei anregenden Themenblöcken machten sich die Teilnehmer des Cyber Security Summits auf den Weg zum nahegelegenen Kommunikationsmuseum. Dort wartete Wirtschaftsminister Peter Altmaier mit einem Dinner auf die Experten.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 8. November 2019

US-Außenminister Pompeo durch Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer im Bendlerblock zu Gesprächen empfangen

Der US-Außenminister Mike Pompeo feiert im Dezember seinen 56. Geburtstag. Bei seinen Ansichten klingeln selbst konservativen Politikern in Deutschland die Ohren. Er hat ein ähnlich rustikales Auftreten wie sein präsidiales Vorbild. Deshalb konnte er sich vermutlich auch schon länger als eineinhalb Jahre auf dem Posten des Außenministers halten. Übrigens der 70. Außenminister der USA. Donald Trump hingegen ist der 45. Präsident. Die Amtszeiten der Präsidenten sind etwas stabiler.

Mike Pompeo war mit Beginn der Präsidentschaft Donald Trumps zum CIA-Chef erhoben worden. Er ist ein großer Freund der NSA und deren nachrichtendienstlicher Ermittlungen und Verknüpfungen. Gegen den Islamismus bezieht er klare Stellung und überschreitet dabei gerne die Grenzen politisch korrekter Hörgewohnheiten. Selbstredend befürwortet er geheime Gefängnisse und die Gewinnung von Geständnissen und Informationen durch physischen Druck.

US-Außenminister Mike Pompeo durch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK im Bendlerblock empfangen
US-Außenminister Mike Pompeo durch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (rechts) im Bendlerblock zu Gesprächen empfangen
Am heutigen Vormittag wurde er von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer empfangen. Die militärischen Ehren entfielen, da solch eine Konstellation (Außenminister und Verteidigungsministerin) nur bedingt ins protokollarische Schema passt. Mike Pompeo bezeichnet sich gerne selbst als Ehemann und Heeresveteran. Das schlägt auch die Brücke zum Besuch im Bendlerblock.

Mike Pompeo hatte eine umfangreiche Delegation mitgebracht. In den Gesprächen sollte es unter anderem um die NATO gehen. Die USA fordern ja gerade von Deutschland die Erfüllung der 2014 in Wales festgelegten Verteidigungsausgaben von 2% des BIP ein. Die USA geben über 3% ihres BIP aus und haben für 2019 ein Anwachsen auf 689 Milliarden USD geplant. Dann kommt eine ganze Weile gar nichts. China liegt an Platz 2 mit 168 Milliarden USD. Die Partner innerhalb der EU geben gemeinsam 180 Milliarden USD aus - mehr als China und etwa das Dreifache von Russland.

Neben der NATO standen noch Themen wie Rüstungskontrolle sowie die Situation im Nahen und Mittleren Osten auf der Agenda. Dazu war ausreichend Zeit. Erst am Nachmittag wird Mike Pompeo bei Angela Merkel erwartet. Diese konnte sich beim Mittagessen von ihrer ehemaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen briefen lassen.

Video:
US-Außenminister Mike Pompeo im Bendlerblock

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 7. November 2019

NATO-Generalsekretär Stoltenberg bekommt die Manfred-Wörner-Medaille

Dem Namen nach könnte Jens Stoltenberg auch als Deutscher durchgehen. Er wurde jedoch vor 60 Jahren in Oslo geboren. Er ist Norweger. Norwegen ist das Land, dessen Flagge viele Winterjacken in Deutschland ziert und das Ende letzten Jahres als Gastgeber für das NATO-Großmanöver Trident Juncture fungierte.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg Manfred-Wörner-Medaille
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erhält die Manfred-Wörner-Medaille
Jens Stoltenberg ist Sozialdemokrat, hat Wirtschaftswissenschaften studiert und im journalistischen Bereich gearbeitet. Schon früh engagierte er sich für die sozialdemokratische Jugend. 1990 kam er als Staatssekretär erstmalig mit militärischen Themen in Berührung. Damals ging es um den Zerfall des Ostblocks und dessen verteidigungspolitische Folgen. Nach einigen Exkursen in Sozial- und Finanzresorts wurde er 2000 etwas ungeplant zum Ministerpräsidenten. Weil die Sozialdemokraten nach der Wahl 2001 zu wenige Sitze im Parlament hatten, gab es eine vierjährige Unterbrechung. 2005 gewannen diese jedoch wieder, so dass sich Jens Stoltenberg anschließend bis 2013 im Amt des Ministerpräsidenten halten konnte.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg Manfred-Wörner-Medaille
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erhält die Manfred-Wörner-Medaille - v.l.n.r.: Wolfgang Ischinger, Annegret Kramp-Karrenbauer, Jens Stoltenberg
Im bedeutungsschwangeren Jahr 2014 wurde Jens Stoltenberg zum Generalsekretär der NATO berufen. 2014 ist insofern wichtig für die NATO, weil diese als Reaktion auf die neuerliche Expansionspolitik Russlands reagieren musste und 2014 die 2%-Marke für die nationalen Verteidigungsausgaben festgeschrieben wurde. Jens Stoltenberg fordert eine Ausgabensolidarität ein, ohne sich dabei aggressiv gegenüber den beteiligten EU-Staaten zu positionieren. Gerade Deutschland wird ja regelmäßig dafür gerügt, zu wenig für die Landes- und Bündnisverteidigung auszugeben. Dabei wird oft der nominelle Wert von 2% des Bruttoinlandsproduktes übersehen.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg Manfred-Wörner-Medaille AXICA
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erhält die Manfred-Wörner-Medaille im AXICA Kongress- und Tagungszentrum am Pariser Platz
Gestern bekam Jens Stoltenberg die Manfred-Wörner-Medaille überreicht. Als Location war das AXICA Kongress- und Tagungszentrum am Pariser Platz gewählt worden. Ein architektonisch hochinteressanter Bau. Vielleicht sogar das optisch spannendste Haus Berlins. Die Manfred Wörner-Medaille ist nach dem ehemaligen NATO-Generalsekretär Manfred Wörner benannt. Dieser war 1994 verstorben. Dennoch klingt sein Name noch heute nach. So gibt es beispielsweise ein alljährliches Manfred-Wörner-Seminar, das insbesondere den transatlantischen Dialog zu Themen der Sicherheitspolitik fördert.

Die Medaille wurde durch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer übergeben. Die Laudatio hielt der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger.

Videos:
Rede Annegret Kramp-Karrenbauer (Verteidigungsministerin)
Laudatio Wolfgang Ischinger (MSC) 
Übergabe der Manfred-Wörner-Medaille und Rede Jens Stoltenberg (NATO-Generalsekretär)

Autor: Matthias Baumann

Montag, 14. Oktober 2019

ILÜ 2019 Informationslehrübung mit Fokus auf Landes- und Bündnisverteidigung

Die Informationslehrübung im Großraum Celle - kurz ILÜ - ist eine aufwendig gestaltete Lehrveranstaltung für militärische Führungskräfte. Mit Auf- und Abbau nimmt die ILÜ etwa zwei Monate in Anspruch. In den letzten beiden Wochen finden die begehrten Vorführungen statt. In Staffeln reisen dann bis zu 15 Busse mit Angehörigen der Zielgruppe über das weitläufige Übungsgelände. Etwa 5.000 Besucher werden in dieser Zeit durch die Stationen geschleust. VIPs und Medienvertreter erscheinen zum Schluss, da diese eine Sekundärzielgruppe darstellen, die jedoch wegen ihrer multiplikativen Wirkung einen reibungslosen Ablauf sehen sollen. Die Darsteller selbst führen ihren Part bis zu 30 Mal vor.

ILÜ 2019 #ILÜ2019 InfoDVag SKB CIR
23. InfoDVag des SKB bei der ILÜ 2019 LandOp - Die 5. Dimension CIR Cyber-Informationsraum präsentierte sich diesmal in einem Kuppelzelt.
Unsere 23-köpfige InfoDVag-Gruppe hatte ein üppiges Zeitbudget von zwei Tagen. Dadurch konnten wir auch Stationen sehen, die dem gemeinen VIP oder Medienvertreter verborgen bleiben. Quellen berichten, dass das Medieninteresse gegenüber der ILÜ 2018 deutlich nachgelassen habe. Letzteres ist symptomatisch für die Berichterstattung über sicherheitspolitische Themen. Dabei konnte die ILÜ 2019 für wichtige Entwicklungen sensibilisieren. Was bereits bei verschiedenen Konferenzen wie der MSC angeklungen war, wurde auch auf der ILÜ klar kommuniziert: Es geht um Landes- und Bündnisverteidigung.

ILÜ 2019 #ILÜ2019 InfoDVag SKB Logistik RSOM Staging Area
23. InfoDVag des SKB bei der ILÜ 2019 LandOp - Logistik bei jedem Wetter: Vorführung des Aufbaus und Betriebes einer Staging Area inklusive Erläuterung des RSOM-Prozesses. RSOM bedeutet Reception Staging Onward Movement und bezeichnet bei der NATO den sich ständig wiederholenden Prozess zwischen Abreise aus dem Heimatland bis zum Einsatz am Zielort.
Damit rückt die Gefahr näher an uns heran. Die ILÜ stellt die komplexen Abläufe bei einer Konfliktsituation zunächst in Teilstationen vor und führt diese dann im finalen Gefechtsschießen verbundener Kräfte zusammen. Ein Zahnrad greift in das andere. Es beginnt mit den logistischen Voraussetzungen für den Einsatz: Transport der Gerätschaften, Bau einer Staging Area im Hinterland, Anlegen vorgelagerter Versorgungsstützpunkte und Einrichtung von mobilen Rettungsstationen. Letztere waren diesmal besonders präsent. Die Patienten wurden sehr realitätsnah geschminkt und verarztet. Es wurden sogar MASCAL-Szenarien dargestellt. MASCAL ist die Situation, in der mehr Patienten als Kapazitäten vorhanden sind. Die Notaufnahme muss dann sehr schnelle Entscheidungen treffen, die über Leben und Tod der Verletzten entscheiden.

ILÜ 2019 #ILÜ2019 InfoDVag SKB Sanitätsdienst
23. InfoDVag des SKB bei der ILÜ 2019 LandOp - Ein großer Fokus der ILÜ 2019 wurde auf den Transport und die Versorgung von Verwundeten gelegt.
Es wurde deutlich, dass Kampf und Verwundung eine Einheit bilden. Während kämpfende Truppen im Rampenlicht stehen, könnten sie ohne die nachgelagerten Unterstützungs- und Versorgungskräfte nichts ausrichten. Es müssen Munition, Lebensmittel, Medikamente nachgeführt werden. Es muss Instandsetzungspunkte für defekte Geräte geben und der Verwundetentransport aus dem Gefechtsfeld muss gesichert sein. Wer sich heute freiwillig für den infanteristischen Dienst verpflichtet, weiß spätestens nach dieser ILÜ um die eigene gesundheitliche Gefährdung. Deshalb Respekt für die Soldaten, die diesen Job übernehmen.

ILÜ 2019 #ILÜ2019 InfoDVag SKB Gefechtsschießen
23. InfoDVag des SKB bei der ILÜ 2019 LandOp - Highligt der ILÜ ist das Gefechtsschießen, in dem alle vorher gezeigten Einzelkomponenten zum Einsatz kommen. Das Gefechtsschießen mit nahezu ununterbrochenem scharfen Schuss dauert etwa 90 Minuten und zeigt zunächst die Verzögerung des Feindes und anschließend den eigenen Angriff.
Die ILÜ 2019 LandOp (Landoperation) zeigte aber auch, dass die Ausstattung mit Material vorangeht. So waren erstaunlich viele Schützenpanzer Puma zu sehen. Wie das G36 sieht sich auch der Puma dem Spott der ansonsten desinteressierten Presse ausgesetzt. Ob die Gefahr der Landes- und Bündnisverteidigung in einen heißen Konflikt mündet, hängt vom cleveren Agieren und Reagieren der militärischen und politischen Entscheidungsträger ab. Momentan befinden wir uns in einer ähnlichen Situation wie zu Zeiten des Kalten Krieges: Aufrüstung und Abschreckung.

Videos:
Playlist mit thematisch zusammengestellten Videos zur ILÜ

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 26. September 2019

Admiral Manfred Nielson mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet

Manfred Nielson war einer von fünf Marineangehörigen in der Geschichte der Bundeswehr, die überhaupt in den Genuss kamen, zum Admiral befördert worden zu sein. Normalerweise endet die Karriere spätestens beim Vizeadmiral. Die nächste Stufe = Admiral wurde dadurch ermöglicht, dass er 2016 als Deputy Supreme Allied Commander Transformation (ACT) der NATO in Norfolk (USA) eingesetzt wurde. Das ist ein Posten für 4-Sterne-Generale oder eben die damit vergleichbaren Admirale.

Admiral Nielson ist 64 Jahre alt und trat bereits mit 18 in die Bundeswehr ein. Seine maritime Verwendung beschäftigte sich hauptsächlich mit Minensuche und Unterwasserwaffen. Zwischendurch studierte er drei Jahre in Hamburg und schloss diesen Lebensabschnitt als Diplom-Kaufmann ab.

1985 gab es ein kurzes Intermezzo am BMVg, das ihn im Folgejahr zum Admiralslehrgang an die Führungsakademie in Hamburg katapultierte. Anschließend war er Korvettenkapitän, was mit einem Major vergleichbar ist. Zwischen 1988 und 2002 gab es ein reges Hin und Her zwischen Minensuche und BMVg. Dabei schaukelte sich sein Dienstgrad bis zum Kapitän zur See hoch. Das ist vergleichbar mit einem Oberst, also eine Stufe vor Brigadegeneral beziehungsweise Flottillenadmiral.

Admiral Manfred Nielson DSACT ACT NATO Großer Zapfenstreich
Großer Zapfenstreich für Admiral Manfred Nielson DSACT (Deputy Supreme Allied Commander Transformation) - Ausmarsch der Formation des Großen Zapfenstreiches - vorne auf dem Podest Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK), in der Mitte Admiral Manfred Nielson und rechts Generalinspekteur Eberhard Zorn
Als Leiter der Marineschule Mürwik (ab 2002) wurde Manfred Nielson relativ schnell zum Flottillenadmiral ernannt (2003). Kaum war er Flottillenadmiral, wurde er als Commander am Horn von Afrika eingesetzt. 2005 ging es dann mal wieder zurück ans BMVg. Drei Jahre später wurde er dann endlich in den wohlklingenden Dienstgrad eines Konteradmirals gehoben und arbeitete weiter im Verteidigungsministerium. Hätte er dort nicht die Abteilungen gewechselt, hätte man hier schon fast von Kontinuität sprechen können.

Bereits 2010 wurde er zum Generalleutnant - pardon - Vizeadmiral befördert, dem typischen Ende einer goldverzierten Karriere. Der Laie erkennt einen Vizeadmiral an einem sehr dicken und zwei dünnen Streifen am Ärmel. Flottillen- und Konteradmirale sind anhand der Streifen deutlich schwerer voneinander zu unterscheiden. Als Vizeadmiral war Manfred Nielson Befehlshaber der Flotte, Kommandeur der Streitkräftebasis und Leiter in besonderen Projektverwendungen des BMVg. Dass er 2016 zur NATO nach Norfolk ging, wurde bereits erwähnt.

Erwähnt wurde allerdings noch nicht, dass er heute einen Großen Zapfenstreich zur Verabschiedung in den Ruhestand bekam. Manfred Nielson weist die üblichen privaten Eckdaten eines Bundeswehroffiziers auf: verheiratet und zwei Kinder. Ein Spiegel der Persönlichkeit ist auch die Stückauswahl zur Serenade. Manfred Nielson hatte sich Folgendes gewünscht:

1) Fire in your heart (SE ILDEN LYSE) - Svein Gundersen, Arr.: Eilertsen/Eljas
2) America, the beautiful - Samuel Augustus Ward
3) Anchors aweigh - H. Miles/A. Zimmermann, Arr.: Paul Yoder

Video:
Großer Zapfenstreich für Admiral Manfred Nielson

Autor: Matthias Baumann