Dienstag, 11. Februar 2020

Israels Parlamentspräsident Yuli Yoel Edelstein bei AKK in Berlin

Die Spitzenpolitiker aus Israel geben sich in Berlin zurzeit die Klinke in die Hand. Auch Annegret Kramp-Karrenbauer ist immer dabei. Heute empfing sie den Präsidenten des israelischen Parlamentes, Yuli Yoel Edelstein, im Bendlerblock. Der Laie könnte sich langsam etwas verwirrt zeigen, ob der vielen Ämter in einer parlamentarischen Demokratie. Wo bitte wird dann noch Benjamin Netanjahu angesiedelt. Ist der nicht Chef des Parlaments?

Nein, Benjamin Netanjahu ist Ministerpräsident und vergleichbar mit der Position von Angela Merkel (Dritte im Staat), Reuven Rivlin ist Präsident und vergleichbar mit der Position Frank-Walter Steinmeiers (Erster im Staat). Yuli Yoel Edelstein als Präsident der Knesset ist vergleichbar mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (Zweiter im Staat).

Israels Parlamentspräsident Yuli Yoel Edelstein #Knesset bei #AKK in Berlin
Israels Parlamentspräsident Yuli Yoel Edelstein bei Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK in Berlin
Nachdem das geklärt ist, wäre noch zu sagen, dass Yuli Yoel Edelstein 61 Jahre alt ist und in der heutigen Ukraine geboren wurde. Vor etwa 30 Jahren siedelte er nach Israel über und engagierte sich dort in der Politik. Wie Reuven Rivlin und Benjamin Netanjahu gehört er dem nationalkonservativen Likud an. Er wohnt in einer Siedlung im Westjordanland. Wer diese Region einmal mit einem gelben israelischen Autokennzeichen bereist, gewinnt einen nachhaltigen Eindruck davon, wie sich Lebensgefahr anfühlt.

Yuli Yoel Edelstein hat keine besonders entspannte Vergangenheit. Er hat zwei Kinder, ist aber verwitwet. Vor seiner Ausreise nach Israel musste er einige Jahre im Arbeitslager zubringen, in dem er schwer verletzt wurde.

Das Hauptthema des Knesset-Chefs ist die Rückführung von Juden nach Israel. Deshalb fungierte er bereits als Minister für Einwanderung und als Minister für Diasporaangelegenheiten. Diaspora nennt sich das Leben eines Menschen außerhalb seiner eigentlichen Heimat. Im Kontext des Volkes der Bibel ist Diaspora als eine Strafe Gottes anzusehen, die schon unter Mose angekündigt worden war. Theologen verharmlosen die Verschleppung und Zerstreuung in sämtliche Länder der Erde gerne als Exil.

Zuerst kamen die Assyrer und haben die Nordstämme Israels nach Norden und Osten umgesiedelt. Dann übernahmen die Babylonier (Irak) und brachten den Rest der Bevölkerung nach Babylon. Als 70 Jahre später die Perser (Iran) den Nahen Osten beherrschten, kehrten viele Juden wieder zurück. Dann gab es ein Intermezzo mit den Griechen - spannend erzählt in den Makkabäer-Büchern. Bald danach überrannten die Römer den Mittelmeerbereich. Diese zerstörten wichtige Stätten in Israel und sorgten für die letzte große Vertreibungswelle. Seit Gründung des Staates Israel (1948) gibt es nach fast 2.000 Jahren wieder eine geografische Heimat für das alte biblische Volk. In diese Heimat sollten sie idealerweise zurückkehren. Dafür setzt sich Präsident Edelstein ein.

Bei den Gesprächen im Verteidigungsministerium wird es um die guten Beziehungen der Bundeswehr zu den israelischen Streitkräften gehen. Wie vielschichtig die Kooperationen sind, war während des Besuches von Präsident Rivlin zu erfahren. Die genauen Themen des heutigen Treffens wurden nicht weiter spezifiziert und waren auch nicht für die Ohren der Presse vorgesehen.

Video:
Besuch des israelischen Parlamentspräsidenten im Bendlerblock

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 4. Februar 2020

Sebastian Kurz beim Bundespräsidenten im Schloss Bellevue

Wie lang ist eine Minute mit Sebastian Kurz? Heute dauerte die eine Minute des Kurzbesuchs im Schloss Bellevue etwa fünf Stunden: Anfahrt, Warten auf die Sicherheitskontrolle, Warten im Bundespräsidialamt, Warten im Foyer des Schlosses, kurz den Sebastian Kurz filmen, abbauen, Rückfahrt, Material sichten, Video schneiden, Video hochladen, Fotos nachbearbeiten, Artikel schreiben, Artikel zur Korrektur lesen lassen, mediale Endprodukte von Google-News bis Twitter verbreiten.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz bei Bundespräsident Steinmeier im Schloss Bellevue
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (links) bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue
Eine Minute war wirklich kurz für den Besuch des viel beachteten Bundeskanzlers von Österreich. Gestern hatte er bereits eine Pressekonferenz bei der Kanzlerin gegeben. Ein Fotograf berichtete von handgreiflichen Szenen um die besten Bildpositionen. Die heute anwesende Begleitpresse aus Österreich war recht pflegeleicht.

Der protokollarische Ablauf im Schloss war etwas ungewohnt. Normalerweise tritt der Bundespräsident vor die Tür und begrüßt den Gast auf der Treppe. Heute ging statt dessen der Chef des Bundespräsidialamtes, Stephan Steinlein, vor die Tür und begrüßte kurz den Gast. Etwa zeitgleich stürzte der Bundespräsident aus seinem Büro, während der Bundeskanzler aus Österreich den kurzen Weg vom Fahrzeug zur Tür überwand. "Guten Tag, Herr Bundespräsident!" und der Handschlag erfolgten erst innerhalb des Schlosses auf einem flauschigen roten Teppich.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz bei Bundespräsident Steinmeier im Schloss Bellevue
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue - Sebastian Kurz hat nur einen kurzen Eintrag im Gästebuch hinterlassen. Sein übergeordneter Präsident hatte vor drei Jahren zwei Minuten für seinen Eintrag benötigt.
Es wäre unter der protokollarischen Würde (infra dignitatem) gewesen, wenn ein Präsident für einen Bundeskanzler oder Premierminister vor das Schloss hätte treten müssen. Hier wird sichtbar, wer an welcher Position im Staate angesiedelt ist. Dennoch bewegen Präsidenten im Alltagsgeschäft deutlich weniger als die Damen und Herren der zweiten und dritten Riege. So ähnlich hatte es auch der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck kurz vor seinem Amtsaustritt formuliert. Interessanterweise während des Besuches seines Kollegen aus Österreich, Van der Bellen.

Van der Bellen von den Grünen ist nun Koalitionspartner von Sebastian Kurz. Nach dem Scheitern der Koalition mit der FPÖ musste neu gewählt werden. Dabei konnte Sebastian Kurz einen klaren Sieg verbuchen. Nach einer Pause von sieben Monaten wurde er wieder als Bundeskanzler bestätigt und übt dieses Amt seit dem 7. Januar 2020 erneut aus. Theoretisch stehen einem Präsidenten oder Bundeskanzler alias Premierminister nach dessen Wiederwahl militärische Ehren zu. Warum Sebastian Kurz diese gestern bei Angela Merkel nicht bekommen hatte, konnte bisher nicht geklärt werden. Es liegt vermutlich am Arbeitscharakter seines Besuches.

Video:
Sebastian Kurz besucht Bundespräsident Steinmeier im Schloss Bellevue

Autor: Matthias Baumann

Montag, 3. Februar 2020

Bundeswehrtagung Berlin 2020 - Beschaffung, Einsatzbereitschaft und das Bad im Sternenmeer

Der Saal im Hyatt war bis auf den letzten Platz besetzt. Als die Ministerin angekündigt wurde, erhoben sich die Gäste und blickten erwartungsvoll zum Eingang. Annegret Kramp-Karrenbauer nutzte jedoch die Hintertür. Damit wurde die Flexibilität der Teilnehmer getestet. Neben Abgeordneten verschiedener Parteien, wenigen Obersten und der Presse waren nur Generale und Admirale anwesend. Etwa 200 gibt es davon in Deutschland. Rein statistisch kommt damit ein General oder Admiral auf 1.000 Bundeswehrangehörige. Gefühlt waren alle anwesend.

Bundeswehrtagung Berlin 2020
Bundeswehrtagung Berlin 2020 - Rede der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK
Der Fahrdienst hatte sie mit schwarzen BMW 5er-Limousinen und Mercedes E-Klassen zum Hyatt gebracht. Auch bei den Fahrzeugen gibt es in der Bundeswehr klare Abstufungen: Kommandeure ab Oberstleutnant bis Inspekteur im Dienstgrad Generalleutnant (drei Sterne) fahren Skoda Superb, BMW 5er, E-Klasse oder Audi A6. Erst der Generalinspekteur und die Ministerin fahren Oberklassewagen.

Die Beleuchtung im Saal ließ die Sterne funkeln. Bei Generalen, die in ihren Dienststellen Flecktarn tragen, waren die goldenen Sterne noch besonders gut poliert und reflektierten das Licht entsprechend. Es fiel auf, dass es innerhalb des letzten Jahres erhebliche Beförderungsschübe gegeben hatte. Das betraf insbesondere die Steigerung vom Oberst (drei Silbersterne) zum Brigadegeneral (ein Goldstern) und die vom Brigadegeneral zum Generalmajor (zwei Goldsterne). Darunter viele bekannte Gesichter wie Generalmajor Ohl, Generalmajor von Sandrart, Generalmajor Sollfrank oder Brigadegeneral Klaffus. Mit dem dritten Goldstern ist dann oft das Ende der Karriere - kurz EdeKa - erreicht. Denn vier Sterne bekommt nur der Generalinspekteur oder ein Dreisterner (Generalleutnant), der einen Leitungsposten bei der NATO ergattert.

Bundeswehrtagung Berlin 2020
Bundeswehrtagung Berlin 2020 - Baden im Sternenmeer
Nachdem die Ministerin das Sternenmeer durchschwommen hatte, hielt sie eine umfangreiche Rede und musste sich anschließend noch einem längeren Interview stellen. In der rede wurden viele Themen angesprochen. Der Hauptfokus lag jedoch auf der Einsatzbereitschaft und der damit verbundenen Beschaffungsproblematik.

Die materielle Einsatzbereitschaft liege bei 70 Prozent. Diesen Wert oder gar dessen Unterschreitung werde AKK nicht mehr akzeptieren. Das gehe so weit, dass sie sich auch mit den Kollegen im Bundestag entsprechend auseinandersetzen werde. Sie klang entschlossen. Als Sofortmaßnahme hat sie "Planungskonferenzen" angesetzt, die für ein schnelles Aufbauen der materiellen Ressourcen sorgen sollen. "Und zwar zügig", unterstrich sie die Geschwindigkeit, mit der der Handlungsbedarf umzusetzen sei.

Bundeswehrtagung Berlin 2020
Bundeswehrtagung Berlin 2020 - Podiumsdiskussion zwischen Generalinspekteur Eberhard Zorn (nicht im Bild), Staatssekretär Thomas Silberhorn (oben rechts) und dem Abteilungsleiter Politik, Detlef Wächter (unten Mitte)
Im weiteren Verlauf - auch in einer Diskussionsrunde zwischen Staatssekretär Thomas Silberhorn, Generalinspekteur Eberhard Zorn und dem Abteilungsleiter Politik, Detlef Wächter - stellte sich heraus, dass die Beschaffung auch durch den fehlenden Mut der Entscheider blockiert werde. Wenn sich selbst schon ein A-Dreizehner (Besoldungsstufe Major - ein silberner Stern mit Laub) vor dem Untersuchungsausschuss für seine Entscheidung rechtfertigen müsse, treffe er dann am besten gar keine Entscheidung und erreiche somit das EdeKa zum Renteneintritt. Was diesem A-Dreizehner zunächst persönlich hilft, schädigt das Gesamtgetriebe Bundeswehr. Es gibt sogar Langzeitsoldaten, die den Sprung in den nächsten Dienstgradbereich scheuen, weil für unwesentlich mehr Geld gleich viel mehr Verantwortung zu tragen ist.

Die Angst vor Denunzianten - auch innerhalb der eigenen Reihen - ist hoch. Das beginnt bei der freiwilligen Drosselung des BMW 5ers auf 130 km/h und endet bei disziplinarisch relevanten Anschreiben an den Generalinspekteur wegen lapidarer Formfehler nachgeordneter Dienststellen. Neidern, Entscheidungsmuffeln und ausgedienten Denunzianten ist das Wohl des Gesamtgebildes Bundeswehr dabei offensichtlich egal. Darüber hinaus waren in den letzten vier Monaten verschiedene Angehörige der Silbersternfraktion durch einen erschreckenden Mangel an Supervision aufgefallen.

Bundeswehrtagung Berlin 2020 - ILÜ 2019 Logistik
Audi A6 und BMW 5er - Generale besuchen die Truppe (Archivfoto ILÜ 2019)
Auch die 20.000 nicht besetzten Stellen bei der Bundeswehr wurden angesprochen. Als Maßnahmen greifen wohl sehr gut die regionalen Werbeaktionen nach dem Fitness-Studio-Motto "Bring a Friend". So seien laut Generalinspekteur Zorn schon jede Menge Lücken im Feldwebelbereich des Cyber-Kommandos geschlossen worden. Gute Erfahrungen habe man zudem mit freiwillig Wehrdienstleistenden und der Reaktivierung von Reservisten gemacht. Gerade im Cyber-Informationsraum tue sich gerade etwas mit der Besoldung. Man müsse aber auch sehen, dass die Millionäre nicht immer aus dem IT-Bereich kommen. Da hatte er Recht. Bis auf Hasso Plattner von SAP sind die Millionäre eher im Immobilienbereich zu finden. Dass weiterhin viel zu tun ist im Cyberbereich, drückte Eberhard Zorn so aus: "Fahren Sie doch mal nach außerhalb von Berlin. Dann sehen Sie, wo Digitalisierung ihre Grenzen hat."

Staatssekretär Silberhorn freute sich über einige Teilerfolge. Mit dem passenden Narrativ (Geschichte zum Verkaufen des eigenen Anliegens), könne man auch große Beträge schnell durch das Parlament schleusen. So habe die milliardenschwere Beschaffung von A350-Flugzeugen nur viereinhalb Monate gedauert. Es sei durchaus Spielraum zum Ausreizen der Grenzen vorhanden. Zudem müsse man abwägen, welches Projekt zu priorisieren sei. Wenn ein Kleinprojekt wie die Beschaffung von 1.000 LKWs spürbar bei der Truppe ankommt, ist mehr gewonnen, als mit einem Großprojekt, von dem der Soldat kaum etwas merkt.

Es kam auch zur Sprache, dass es von den NATO-Partnern "als deutsche Besonderheit wahrgenommen" werde, dass die Ausgaben für die Verteidigung weit hinter den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Bundesrepublik liegen. AKK begründete das mit den historischen Gegebenheiten und der parlamentarischen Konstellation. Ein General verwies auf die ständigen Spannungsfelder zwischen Anhängern des Grundgesetzartikels 87a und den Anhängern des Artikels 87b, in denen Einsatzradius, Personalwesen und Beschaffung geregelt sind.

Bundeswehrtagung Berlin 2020
Bundeswehrtagung Berlin 2020 - Rede der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK
Apropos NATO-Partner: Annegret Kramp-Karrenbauer stellte klar, dass es europäische Verteidigungsinitiativen nur unter dem Dach der NATO geben werde. Der Generalinspekteur ergänzte den praktischen Aspekt der gemeinsamen Einsätze. Die Deutsch-Französische Brigade laufe derzeit wohl nicht so gut, weil es einfach keine gemeinsamen Einsätze gebe. Das liege auch daran, dass die Deutschen erst kommen, wenn die Franzosen oder Briten schon wieder abreisen. Andere Nationen sind schneller im Einsatz, während in Deutschland erst einmal gründlich nachgedacht wird. Dafür bleiben dann die Deutschen eben auch viel länger.

Dass Landes- und Bündnisverteidigung zur Chefsache erklärt wurde kommt nicht von ungefähr. Detlef Wächter sagte, dass Russland mit seinen neuen Waffensystemen ein "Dispositiv" aufgebaut habe, "das - gelinde gesagt - bedrohlich ist". Das bestätigte der Generalinspekteur und ergänzte noch die Bedrohungslage seitens der Fähigkeiten Chinas.

Die Ministerin betonte mehrfach, dass sie einen ehrlichen und konstruktiven Dialog wünsche. Dieser fand heute auch schon in persönlichen Begegnungen am Kuchenbuffet statt. Morgen wird er in kleinen Arbeitsgruppen im Hyatt fortgesetzt.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 28. Januar 2020

Israels Präsident Reuven Rivlin trifft die Bundesregierung in Berlin

Die Freundschaft zu Frank-Walter Steinmeier täuscht ein wenig darüber hinweg, dass Reuven Rivlin dem Likud angehört. Derselben Partei wie Benjamin Netanjahu. Likud ist national, liberal und konservativ. Reuven Rivlin - auch Ruvi genannt - war 1939 in Jerusalem geboren worden und von dort nie weggekommen. Eine seltene Spezies analog echter in Berlin geborener Berliner.

Israels Präsident Reuven Rivlin BMVg #AKK Kramp-Karrenbauer Berlin
Israels Präsident, Reuven Rivlin, zu Besuch bei Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer#AKK im BMVg
Auch wenn das Mindset des Likud von politisch korrekten Kreisen in Deutschland abgelehnt und heftig kritisiert wird, wird doch Präsident Rivlin gerne in der Spitzenpolitik herumgereicht. Bereits in der letzten Woche war Frank-Walter Steinmeier nach Israel geflogen und hatte dort den Präsidenten getroffen. Die israelische Gesellschaft ist sehr divergent. Das beginnt bei der Orthodoxie in Schwarz mit großen Hüten, Löckchen und Quasten und geht bis zur schrillen LGBTQ-Szene. Es gibt einen Witz, den seine Erzähler für humorvoll halten: Zehn Israelis haben 20 Meinungen. Bei zwei Themen stehen Israelis jedoch zusammen: Sicherheit und Holocaust.

Holocaust ist kein Wort der Neuzeit. Bereits Hieronimus hatte das Wort um 400 benutzt, als er die Bibel ins Lateinische übersetzt hatte. In der Vulgata taucht das Wort immer im Zusammenhang mit den Opfervorschriften auf und bedeutet Brandopfer. Das hebräische Wort Shoah hingegen wird mit Katastrophe oder Untergang übersetzt und wird in der Bibel nur sieben Mal erwähnt. Davon zweimal in Psalm 35 Vers 8: "Möge ihn unversehens Unglück (Shoah) überfallen und das Netz, das er gestellt hat, ihn selber fangen, so dass er ins Verderben (Shoah) hineinfällt."

Israels Präsident Reuven Rivlin BMVg #AKK Kramp-Karrenbauer Berlin
Israels Präsident, Reuven Rivlin, zu Besuch bei Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer#AKK im BMVg - Teil der Brüstung und roter Foto-Teppich im Süd-Treppenhaus
Dass Frank-Walter Steinmeier vor einer Woche in Israel war, hängt mit dem 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz bei Krakau zusammen. Darüber hinaus hatte die Bundeswehr Überlebende von Konzentrationslagern nach Deutschland geflogen, weil in Essen eine Ausstellung mit deren Portraits eröffnet wurde. Gestern war der Bundespräsident zu einer Gedenkstunde in Auschwitz und hatte auf dem Rückflug seinen Amtskollegen Reuven Rivlin mit nach Berlin genommen. In der großen Regierungsmaschine saßen auch viele Holocaust-Überlebende.

Mark Wolynn verweist in seinem sehr lesenswerten Buch "Dieser Schmerz ist nicht meiner" auf die Bindung zwischen Tätern und Opfern und die genetische Übertragung traumatischer Erlebnisse bis in die dritte und vierte Generation. Auch wenn der Holocaust nicht das Thema des Buches ist, nennt der Autor doch verschiedene Beispiele von Nachkommen der Betroffenen. Seltsame psychische Verhaltensweisen lassen sich dort erst durch eine Reflexion der Erlebnisse ihrer Vorfahren auflösen und heilen.

Das Besuchspensum für den 80-Jährigen war auch heute sehr sportlich: Der Termin am Morgen im Schloss Bellevue wurde kurzfristig auf den Besuch einer Schule umdisponiert. Kurz vor zwölf dann ein Treffen mit Annegret Kramp-Karrenbauer und am Abend ein Besuch bei Angela Merkel.

Israels Präsident Reuven Rivlin BMVg #AKK Kramp-Karrenbauer Berlin
Israels Präsident, Reuven Rivlin, zu Besuch bei Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer#AKK im BMVg - Die Ministerin erklärt den roten Foto-Teppich im Süd-Treppenhaus.
"Oh, heute in Blau", bemerkte ein Journalist. AKK hatte sich in den Nationalfarben Israels gekleidet. Die Begrüßung Rivlins im Verteidigungsministerium war sehr herzlich. Sein Alter sah man ihm gar nicht an. Er wirkte agil und hatte die Situation im BMVg voll im Griff. Während sich die Ministerin hilfesuchend bezüglich des nächsten Programmpunktes umschaute, wusste Reuven Rivlin, wo es langgeht - zumindest erahnte er es, wies mit der Hand in die jeweilige Richtung und übernahm die Initiative.

Nach den Delegationsgesprächen wurde ihm der rote Teppich erklärt. Damit ist nicht der rote Fischgrätenmusterteppich gemeint, der bei Staatsbesuchen auf dem Ehrenhof liegt, sondern das in rot gehaltene Foto der 1945 zerbombten City von Berlin. Ein Knick zieht sich über das Foto und verstärkt damit die Dramatik. Das Foto - besser gesagt der aus dem Foto entstandene rote Teppich - liegt im südlichen Treppenhaus des BMVg. Dieses bekommen normalerweise nur VIPs und Mitarbeiter des Hauses zu sehen, denn das südliche Treppenhaus führt zu den Büros der Staatssekretäre, der Ministerin und des Generalinspekteurs.

Israels Präsident Reuven Rivlin BMVg #AKK Kramp-Karrenbauer Berlin
Israels Präsident, Reuven Rivlin, zu Besuch bei Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer#AKK im BMVg - roter Foto-Teppich mit der zerstörten City Berlins 1945 im Süd-Treppenhaus
Gerade im Sicherheitsbereich sind die deutsch-israelischen Beziehungen hervorragend. Das war auch bei er Begegnung mit 18 Soldaten der Bundeswehr zu erleben. Einige von ihnen schalteten von Englisch auf Ivrith (Neuhebräisch)  um und stellten sich in dieser Sprache vor. Der Präsident quittierte das mit "toda raba" (Danke sehr). Gerade bezüglich der Sicherheit ist Hebräisch eine sehr nützliche Sprache. Wird diese doch in Wort und Schrift nur von Israelis, Theologen und Bildungsexoten verwendet.

Videos:
Reuven Rivlin trifft nach dem Besuch von Auschwitz auf dem Flughafen Tegel ein
Reuven Rivlin bei Annegret Kramp-Karrenbauer

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 16. Januar 2020

Konferenz der BCCG zu den Auswirkungen des Brexits auf den Finanzplatz London

Die Konversation britischer Spitzenpolitiker kann sehr unterhaltsam sein. Sie müssen lediglich aus unterschiedlichen politischen Lagern stammen. Ein Glanzstück dieser Art des Diskurses wurde den Teilnehmern der heutigen Konferenz im Haus der Commerzbank am Pariser Platz geboten. Thematisch ging es darum, wie sich der Brexit auf den Finanzstandort London auswirkt.

Es diskutierten der Bankingprofi David Marsh CBE, der Finanzmarktkenner Markus Schmucker von Squire Patton Boggs, Adam Marshall - Generaldirektor der British Chamber of Commerce, Baroness Kishwer Falkner vom House of Lords und der ehemalige Europaminister Denis MacShane. Da David Marsh relativ schnell das Podium verlassen musste, um mit EasyJet nach London zu fliegen, hatten die anderen Panelisten für die nötige Würze zu sorgen. Der ehemalige Labour-Politiker Denis MacShane schlug sich dabei wacker und sezierte Boris Johnson mit treffsicherer Ironie. Die Baroness vom House of Lords fand das despektierlich und konterte mit festem Blick. Sie war gar nicht erfreut über "the language Denis describes the prime minister" (die Sprache, mit der Denis den Premierminister beschreibt).

Spinner und Außenseiter

Dass in Großbritannien politisch korrekte Formulierungen nicht so hoch im Kurs stehen, zeigt auch eine Stellenanzeige, die Downing Street 10 herausgebracht hat. Man suche "Spinner und Außenseiter", die sich um das Thema Brexit kümmern. Mit unflexiblen Schmalspurdenken, sei solch eine Aufgabe nicht zu bewältigen. Um weiteres Öl ins Feuer zu gießen, holte Denis MacShane sein Buch mit dem schönen Wortspieltitel "Brexiternity" heraus. Als Berliner könnte man darauf aufsetzen und ein Buch mit dem Titel "BERwigkeit" schreiben- wenn das Thema BER inzwischen nicht schon so langweilig geworden wäre. Bei langweiligen Themen wie dem Brexit geht die britische Presse inzwischen auch sehr clever vor. Sie überlagert diese einfach mit Schlagzeilen aus dem Königshaus. Das klappt fast immer.

Financial Hub London

Nun aber zum eigentlichen Thema der Konferenz: Die Commerzbank sieht den Brexit sehr kritisch. Falle dadurch doch ein wichtiger europäischer Player aus, mit dem man sich gemeinsam im globalen Wettbewerb gegenüber China und den USA hätte behaupten können. Auch gehe damit die Komponente des britischen Pragmatismus verloren, die eine gute Ergänzung zur deutschen Korrektheit und dem französischen Zentralismus geboten hatte.

Bereits vor zwei Jahren waren über 20 große Finanzgesellschaften aus London abgewandert und haben den Standort geschwächt. London war und ist als Financial Hub für viele internationale Finanzhäuser interessant, weil es das weltweit beste Clearingverfahren für Transaktionen zwischen Banken bietet. Zusammen mit den Folgedienstleistungen macht das Finanzwesen in Großbritannien etwa 11% des Bruttoinlandsproduktes aus.

Stillstand durch Brexiternity

Der "Brexiternity" hat inzwischen einen spürbaren Stillstand in der britischen Wirtschaft erzeugt. Unternehmen besetzen vakante Stellen nicht und warten ab, wie sich die Regeln für Arbeitserlaubnisse gestalten werden. Auch Investitionen sind auf Eis gelegt. Adam Marshall warf ein, dass sich Unternehmen letztlich irgendeinen Weg suchen, um weiter Profit machen zu können - und sei es, dass sie Großbritannien verlassen. Auch Fachkräfte werden einen Weg finden, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Letztlich wurde in dieser Konferenz bestätigt, dass seitens der politischen Akteure nicht wirklich etwas für den Brexit vorbereitet wurde. Boris Johnson brachte in seiner kalkuliert flapsigen Art schon Regeln von Cricket und Football an, um sich von altbewährten Regeln des Marktes und der Diplomatie zu lösen. Interessant war, dass die Briten Angela Merkel als verlässlichen Fels in der Brandung Europas ansehen und froh sind, dass sie noch im Amt ist.

Empfang in der Botschaft

Nachdem Baroness Kishwer Falkner noch angebracht hatte, dass Labour immer nur zurückschaut, während die Torys nach vorne schauen, war die unterhaltsame Konferenz beendet. Direkt neben dem Fenster hing die Flagge der amerikanischen Botschaft. Sie wurde nun nicht mehr von der Sonne beleuchtet, sondern von einem Scheinwerfer. Die Teilnehmer begaben sich angeregt plaudernd in die nahegelegene britische Botschaft. Dort gab es den traditionellen Empfang zum Jahresauftakt.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 15. Januar 2020

#pubtalk zum Musterpolizeigesetz

Schon die Einladung war sehr konspirativ. Der Ort des #pubtalks sollte kurzfristig bekannt gegeben werden, nachdem über eine Teilnahme des Interessenten beschieden worden war. Das klang spannend. Das Mail mit der Teilnahmebestätigung kam recht schnell. Die Adresse traf erst kurz vor der Veranstaltung ein. Aber auch hier lief es über Umwege. Erst als man die Reinhardtstraße 14 betreten hatte, erfuhr man, dass der #pubtalk in der benachbarten Nummer 12 stattfinde.

Auch der Einlasser war ein Profi. Mit dem Hinweis "Die WCs sind dort rechts." offenbarte er die geheimsten Gedanken neu eingetroffener Gäste. Das heutige Thema des #pubtalks war das Musterpolizeigesetz auf Basis des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG). Als Diskussionspartner waren der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Konstantin Kuhle MdB, und der ehemalige Verfassungsschutz-Chef, Dr. Hans-Georg Maaßen, erschienen. Letzterer hatte wohl für den konspirativen Aufwand gesorgt.

Musterpolizeigesetz? Was ist das?

Umfragen haben ergeben, dass kaum jemand weiß, was ein Musterpolizeigesetz ist. Dabei wird schon seit 1967 darüber geredet  Bisher wurde es nicht verabschiedet und auch gestern Abend von Hans-Georg Maaßen als "Totgeburt" bezeichnet. Immerhin müsse es durch 16 Länderparlamente und dann noch durch den Bundesstag gehen. Denn Polizei ist Ländersache. Bayern geht mit einer Stärkung polizeilicher Befugnisse voran. Allerdings ist es mit Befugnissen nicht getan. Was fehlt, sind Personal und Ausrüstung.

#pubtalk Musterpolizeigesetz Hans-Georg Maaßen Konstantin Kuhle
#pubtalk zum Musterpolizeigesetz mit Ex-Verfassungsschutz-Chef, Dr. Hans-Georg Maaßen (links), und dem innenpolitischen Sprecher der FDP-Fraktion, Konstantin Kuhle MdB. Foto: Matthias Bannas
In den letzten Jahren waren vom "grünen Tisch" aus viele Stellen gestrichen worden. Eine Neubesetzung der entstandenen Lücken geht nicht so schnell, weil neben den notwendigen Scheinen auch Erfahrung erforderlich ist. Hans-Georg Maaßen hatte im Verlauf seiner Tätigkeit als Verfassungsschutz-Chef eine gewisse Entspanntheit entwickelt. Er analysiert das Lagebild, teilt es den Entscheidungsträgern der Politik mit und entlässt diese komplett in deren Verantwortung, anhand des Lagebildes die passenden Entscheidungen zu treffen. Wie sich diese Verantwortung in den Entscheidungen repräsentiert, ist hinreichend bekannt: Über einen politisch aufgeheizten Diskurs wird letztlich oft gar nichts entschieden.

Früher war alles besser ...

Bis in die 1990er Jahre war vieles einfacher: beispielsweise das Abhören oder das Sperren von Konten. Inzwischen renne die Gesetzgebung den Kriminellen hinterher. Abhören wird heute durch eine breite Provider-Landschaft und exotische Verschlüsselungstechniken erschwert. Zudem ist ein Einfrieren von Bitcoin-Konten gesetzlich nicht geregelt. In diesem Zusammenhang kommt der sogenannte "Staatstrojaner" zum Zuge. Aber huch: Der kann ja noch viel mehr als nur Sprachnachrichten abhören. Da ist dann plötzlich das gesamte Smartphone offen mit WhatsApp, Browser, SMS und Geotracking.

Die Anderen dürfen doch auch ...

Neue Bedrohungslagen erfordern neue Befugnisse der Polizei und der Nachrichtendienste. In Israel, den USA oder Großbritannien sind diese Befugnisse schon sehr weitreichend. Allerdings haben diese in der Bevölkerung auch eine deutlich höhere Akzeptanz. Das Sicherheitsbewusstsein ist ein anderes. Umfragen haben ergeben, dass Eingriffe in die Freiheit zugunsten der Sicherheit in Deutschland hauptsächlich von Senioren, AfD-Freunden, Linke-Wählern, Sachsen und Thüringern favorisiert werden.

Die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) muss hier einen Spagat zwischen persönlicher Freiheit und Öffentlicher Sicherheit machen. Beim Finden des passenden Maßes sind die harten Fakten einer stagnierenden Kriminalstatistik und die gefühlte Bedrohungslage abzuwägen. Ein schwieriger Entscheidungsprozess, der in der Regel durch die oben erwähnte Unentschlossenheit gelöst wird.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 14. Januar 2020

US Defender Europe 2020 - Verlegung bei Nacht

US Defender Europe 2020 ist die größte Verlegeoperation der US-Streitkräfte zusammen mit einigen NATO-Partnern seit 25 Jahren. 37.000 Soldaten werden in Summe daran teilnehmen. Darunter eine Division mit 20.000 Soldaten aus den USA. In den nächsten Tagen werden die Schiffe aus Übersee in Bremerhaven erwartet. Zwischen Februar und April wird diese Großübung vermutlich auch den normalen Verkehrsteilnehmern auffallen. Geräte, Fahrzeuge und Truppen werden dann quer durch Deutschland transportiert.

#DefenderEurope US Defender Europe 2020 Schelleis Rohling
#DefenderEurope US Defender Europe 2020 - Generalleutnant Martin Schelleis (links) und Generalmajor Andrew M. Rohling bei der Auftakt-Pressekonferenz in der Julius-Leber-Kaserne
Sozialistische Propaganda hätte ihren Lieblingsbegriff der "Nacht- und Nebelaktion" strapaziert. Um das Alltagsleben in Deutschland nicht zu belasten, werden die Transporte nämlich vorrangig in der Nacht durchgeführt. Dabei rollen Kolonnen von etwa 20 Fahrzeugen über die Autobahnen. Auch die Gütersparte der Deutschen Bahn kommt zum Einsatz. Die Kapazitäten sind gebucht und sollen laut Generalleutnant Schelleis ausreichen. Bei plötzlichen oder noch größeren Verlegungen kommt die Bahn erwartungsgemäß an ihre Kapazitätsgrenzen.

Bei der heutigen Pressekonferenz informierten der Inspekteur der Streitkräftebasis, Generalleutnant (3 Sterne) Martin Schelleis, und der amerikanische Generalmajor (2 Sterne) Andrew M. Rohling über Zweck und Durchführung der Übung. Dass man sich von den Niederlanden und Deutschland aus über Polen ins Baltikum vorarbeitet sei rein zufällig und solle nicht explizit provozieren. Irgendwo müsse man das ja mal trainieren. Russland ist eingeladen, an sämtlichen presseöffentlichen Anlässen teilzunehmen.

General Rohling machte klar, dass US Defender auch als Statement der amerikanischen Streitkräfte für die verunsicherten NATO-Partner gedacht ist: Wir lassen euch nicht im Stich. Letzteres hatte Russland gehofft und über Social Media oder andere Kanäle antiamerikanische Befindlichkeiten in Europa genährt.

Das bei der ILÜ 2019 so anschaulich demonstrierte Host-Nation-Szenario kann nun in einem größeren Maßstab auf dem eigenen Territorium durchgeführt werden. General Schelleis wirkte entspannt und zuversichtlich, dass alles nach Plan laufen wird - abgesehen von Unwettern, die die Seefracht verzögern könnten. Deutschland und Polen stellen die Hauptgebiete der Übung dar. Die Kosten für die Aktion konnten weder von amerikanischer noch von deutscher Seite beziffert werden. Die Abrechnung erfolgt wohl hinterher.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 13. Januar 2020

Neujahrsempfang 2020 des Diplomatischen Korps

Der Apostolische Nuntius eröffnete auch diesmal das Defilee zum Neujahrsempfang des Diplomatischen Korps. Das Defilee startet immer mit dem Doyen, dem Leiter des Diplomatischen Korps. Länder, in denen der Vatikan eine diplomatische Vertretung unterhält, machen es sich leicht und setzen den Apostolischen Nuntius des Heiligen Stuhls als Doyen ein. In anderen Ländern geht es nach dem Akkreditierungsdatum. Wer am längsten akkreditiert ist, wird Doyen.

Neujahrsempfang 2020 des Diplomatischen Korps Botschafter Pakistan
Neujahrsempfang 2020 des Diplomatischen Korps - Botschafter Pakistans Jauhar Saleem flüstert dem Bundespräsidenten seine Botschaft ins Ohr
Das heutige Defilee dauerte eine Dreiviertelstunde. Die 120  Botschafter waren nach 35 Minuten am Bundespräsidenten und BMZ-Minister Gerd Müller vorbeigegangen - defiliert. Mit Ausnahme des Doyen richtete sich deren Reihenfolge nach dem Zeitpunkt ihrer Akkreditierung. Anschließend kamen die Geschäftsträger ad interim und Vertreter verschiedener Organisationen wie des Sekretariats des Übereinkommens zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten - kurz UNER/CMS.

Neujahrsempfang 2020 des Diplomatischen Korps Botschafterinnen Tschad Montenegro
Neujahrsempfang 2020 des Diplomatischen Korps - Bei den in Deutschland akkreditierten Botschaftern gibt es eine Frauenquote von etwa 25%. Hier die Botschafterin des Tschad Mariam Ali Moussa (Mitte) und die Botschafterin Montenegros Vera Kulis (links). Rechts im Bild: Arz von Straußenburg, Protokollchef des Auswärtigen Amtes, liest die Anredeformeln des Defilees vor. Sobald die Hand des Bundespräsidenten losgelassen wurde, wird die nächste Anredeformel vorgelesen.
Der längste Händedruck hatte 30 Sekunden gedauert. Eine Zeitspanne, die das Protokoll nervös werden lässt. Die Lieblinge des Protokolls sind Gäste, die spätestens nach 10 Sekunden die Hand des Präsidenten loslassen und beim Eintrag ins Gästebuch ebenso schnell sind.

Bei solchen Anlässen muss der Doyen eine Rede halten. Erzbischof Eterovic vom Heiligen Stuhl trat zuerst ans Pult und hielt eine Rede auf Deutsch. Eine Übersetzung in verschiedene Weltsprachen war ausgelegt. Auch der Bundespräsident sprach auf Deutsch. Es ging um die üblichen Themen Krieg, Vertreibung und Flucht. Im Großen Saal des Schlosses standen Vertreter von Staaten, die im Kontext der Reden als Täter, Opfer oder Helfer fungierten.

Neujahrsempfang 2020 des Diplomatischen Korps in Deutschland akkreditierte Botschafter
Neujahrsempfang 2020 des Diplomatischen Korps - Dicht gedrängt stehen 120 in Deutschland akkreditierte Botschafter und weitere Vertreter von Staaten und Organisationen im Großen Saal. Der Doyen, der Apostolische Nuntius des Heiligen Stuhls, wartet am Pult auf das Zeichen für den Beginn seiner Rede. Die Dritte von rechts in der ersten Reihe ist die Geschäftsträgerin ad interim von Madagaskar, Florence Isabelle Rafaramalala ép. Ratsimba.
Nach zwei Stunden war der Neujahrsempfang vorbei. Der amerikanische Botschafter stand diesmal gar nicht auf der Liste. Einige Botschafter verließen direkt nach den Reden das Schloss. Andere Botschafter blieben noch zu einem erfrischenden Glas Wein oder Saft. Der logistische Aufwand zur Koordination der Parkordnung war erheblich. Immerhin hatte jeder der Gäste seine eigene Limousine dabei. Seit 2019 werden rings um das Schloss teure Strafzettel verteilt. Deshalb war es praktisch, dass die Diplomaten auf das Schlossgelände fahren durften. Die Chauffeure sammelten sich anschließend in Rauchergruppen, die sehr gut die diplomatischen Zusammenhänge bestimmter Regionen repräsentierten.

Video:
Neujahrsempfang 2020 des Diplomatischen Korps

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 7. Januar 2020

Botschafter der Slowakei, von Monaco und Kroatien beim Bundespräsidenten akkreditiert

Gerade noch rechtzeitig vor dem Neujahrsempfang des Diplomatischen Korps wurden heute drei Botschafter im Schloss Bellevue akkreditiert. Diese werden den Abschluss in der Reihenfolge der Botschafter beim nächsten Defilee bilden. Die Frauenquote lag heute bei null. Hier die Reihenfolge:

Slowakische Republik - Marián Jakubócy
Fürstentum Monaco - Frédéric Labarrére
Republik Kroatien - Gordan Bakota

Botschafter akkreditiert Slowakische Republik Marián Jakubócy
Botschafter der Slowakischen Republik akkreditiert: Marián Jakubócy
Über die aktuelle Situation in der Slowakei und deren Zugehörigkeit zur Visegrád-Gruppe wurde hier schon so viel geschrieben, dass wir an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen müssen. Deshalb widmen wir uns dem Botschafter selbst: Marián Jakubócy. Auf dem diplomatischen Parkett ist er schon eine ganze Weile unterwegs. Er vertrat sein Land bereits an den Botschaften in Sofia und Moskau (1998 bis 2002). In Berlin arbeitete er von 2005 bis 2009. Entsprechend sieht sein Sprachportfolio aus: Russisch, Englisch und Deutsch. Zuletzt war er Generaldirektor der politischen Abteilung im slowakischen Außenministerium.

Botschafter akkreditiert Slowakische Republik Marián Jakubócy
Botschafter der Slowakischen Republik akkreditiert: Marián Jakubócy - Flagge der Slowakei
Das Internet weiß, dass Marián Jakubócy ein Freund der Kernenergie ist und diese Ansicht gerne im Ausland erläutert. Seine Kernkompetenzen scheinen wirtschaftliche Beziehungen und Energie zu sein. Das betrifft auch den Transit von Gas und anderen Rohstoffen durch die Slowakei und angrenzende Staaten.

Botschafter akkreditiert Fürstentum Monaco Frédéric Labarrére
Botschafter des Fürstentums Monaco akreditiert: Frédéric Labarrére
Die Flagge von Monaco ist identisch mit der von Indonesien: oben Rot und unten Weiß. Leider gibt es bei Monaco keine so gute Eselsbrücke, sich die Farbfolge der Flagge zu merken. Monaco hat etwa 2 Millionen Einwohner. Der Schutz des Stadtstaates wird vorrangig von Frankreich aus gewährleistet. Dennoch unterhält das Fürstentum eine Armee von der Stärke der 5. Kompanie des Wachbataillons. Ein Ehrenzug dieser 5. Kompanie (Luftwaffe) war heute zur Begrüßung von Botschafter Frédéric Labarrére im Schloss Bellevue eingesetzt.

Botschafter akkreditiert Fürstentum Monaco Frédéric Labarrére
Botschafter des Fürstentums Monaco akreditiert: Frédéric Labarrére - Flagge von Monaco
Die Botschaft von Monaco wurde zeitweilig von einem Geschäftsträger ad interim geführt. Das ist normal bei kleineren Staaten. Es ist zudem normal, dass diese Staaten von ihrer Botschaft aus mehrere Länder betreuen. So kann es vorkommen, dass Interessenten an einem Visum erst nach Berlin fliegen müssen. Bei Monaco geht das noch, da sich die Botschaft in unmittelbarer Nähe des Tiergartens befindet. Wenn beispielsweise ein Isländer ein Visum für Madagaskar beantragen möchte, muss er nach Berlin fliegen und dann nach Falkensee weiterreisen. Der neue Botschafter von Monaco, Frédéric Labarrére, war bisher in verschiedenen Präsidialfunktionen tätig - unter anderem im Bereich Telekommunikation. An der Botschaft in Paris fungierte er als Berater.

Den Abschluss der heutigen Botschafter-Akkreditierung bildete Gordan Bakota aus Kroatien. Kroatien hat eine ähnliche Flagge wie die Slowakei, nur dass diese in ihrer Abfolge von Rot, Weiß und Blau nicht mit der Flagge von Russland kollidiert. Die Slowakei musste deswegen 1993 ein Wappen einsetzen, um Verwechslungen zu verhindern. Kroatien hat 4 Millionen Einwohner und eine eigene Sprache: Kroatisch.

Botschafter akkreditiert Republik Kroatien Gordan Bakota
Botschafter der Republik Kroatien akkreditiert: Gordan Bakota
Kroatien ist seit 2013 Mitglied der EU und stellt im ersten Halbjahr 2020 den Ratspräsidenten. Das Land gehört jedoch nicht zur Euro-Zone. Kuna (HRK) nennt sich die offizielle Währung. Während sich die Slowakei mit Russland um die Flagge stritt, kämpfte Kroatien um seine Unabhängigkeit vom ehemaligen Jugoslawien - insbesondere von Serbien, das nach seiner Niederlage 1995 jede Menge verbrannter und verminter Erde hinterließ.

Botschafter akkreditiert Republik Kroatien Gordan Bakota
Botschafter der Republik Kroatien akkreditiert: Gordan Bakota - Flagge von Kroatien
Botschafter Gordan Bakota ist 52 Jahre alt, hat einen Fuhrerschein der Klasse B und spielt gerne Tennis. Neben Kroatisch spricht er Englisch und Deutsch. Letzteres war schon sehr nützlich für seine Botschafter-Tätigkeit in Österreich. Studiert hatte er unter anderem in den USA. 1993 begann seine diplomatische Karriere als Vizekonsul in der Schweiz. Darauf folgten diverse weitere diplomatische Verwendungen weltweit. Nun ist er in Berlin.

Videos:
Akkreditierung des Botschafters der Slowakischen Republik - Marián Jakubócy
Akkreditierung des Botschafters des Fürstentums Monaco - Frédéric Labarrére
Akkreditierung des Botschafters der Republik Kroatien - Gordan Bakota

Autor: Matthias Baumann

Montag, 6. Januar 2020

20*C+M+B+20 Sternsinger aus dem Bistum Passau bei der Bundesregierung in Berlin

Die lieben Kleinen kamen heute aus dem Bistum Passau. Passau liegt im tiefsten Bayern etwa 650 Kilometer südlich von Berlin. Die Drei-Flüsse-Stadt Passau hat eine lange Tradition mit Überschwemmungen und katholischem Leben. Das zeigte sich auch heute beim Bundespräsidenten. Bei einigen der Programmpunkte wirkte der evangelische Christ, Frank-Walter Steinmeier, etwas unbeholfen. Fast hätte er die Kinder ins Schloss geholt, ohne dass vorher die Kreidesignatur an der Tür angebracht worden wäre. First Lady und Sternsinger kannten aber die protokollarischen Abläufe und konnten die Situation klären.

Die Kinder schrieben in der korrekten Abfolge das 20*C+M+B+20 an die Tür des Schlosses. Dabei schließen die Zahlenpaare des Jahres 20_20 die Abkürzung des lateinischen Spruches "Christus mansionem benedicat" ein. Das bedeutet "Christus segne unsere Bleibe". Der Stern hinter der ersten Zahl steht für die Geburt und die drei folgenden Kreuze für die Kreuzigung von Jesus Christus.

20*C+M+B+20 Sternsinger Bistum Passau Schloss Bellevue Bundespräsident
20*C+M+B+20 Sternsinger aus dem Bistum Passau im Schloss Bellevue bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenbender - Länder mit Krieg werden durch Lösungsbegriffe ersetzt.
Die Kinder, die sich als die Magier - pardon die drei Könige - aus dem Orient verkleidet hatten, brachten dem Bundespräsidenten und seiner Gattin jede Menge Geschenke aus der Region mit: eine CD mit Orgelmusik, eine Vase, zwei Flaschen Bier, eine Medaille, eine Kerze, eine Miniaturburg und eine Marienskulptur.

Besonders beeindruckend war das bayerisch gerollte R, welches besonders bei Worten wie Respekt oder Ruhe zum Ausdruck kam. Respekt und Ruhe waren nur einige Begriffe, mit denen die Kinder einen Kontrast zu kriegerischen Auseinandersetzungen in über 20 Ländern der Welt setzen wollten. Für jedes dieser Länder hielten sie Schilder hoch und drehten diese dann in entsprechende Lösungsbegriffe um.

Die Sternsinger waren gut drauf. Sie sangen, klatschten und wurden von einigen Musikern begleitet. Bundespräsident Steinmeier hielt eine kurze Rede und dankte insbesondere dem Kindermissionswerk "Die Sternsinger" und dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Anschließend holte er einen Briefumschlag aus der Hosentasche und legte ihn in die "Schatulle" der Sternsinger. Die Sternsinger besuchen schon seit fast 40 Jahren die Bundesregierung und ernten dabei erhebliche finanzielle Unterstützung. Beim heutigen Besuch im Schloss Bellevue ernteten sie zudem ein hohes Maß an medialer Unterstützung. Betrachtet man die Aufstellung der Sternsinger und des Präsidentenpaares, wird klar, dass die Presse die eigentlichen Zuschauer des Anlasses waren, während der Bundespräsident in die Reihen der Akteure eintauchte.

Video:
Sternsinger aus dem Bistum Passau beim Bundespräsidenten im Schloss Bellevue

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 5. Januar 2020

3 Gedenktafeln zum 75. Todestag von Julius Leber in der Julius-Leber-Kaserne enthüllt

Die Gäste hatten sich auf Outdoor eingestellt. Bei klirrender Kälte sollten am Tagungszentrum der Julius-Leber-Kaserne Gedenktafeln für Julius Leber enthüllt werden. Am 5. Januar 1945 lagen die Temperaturen in Berlin knapp unter dem Gefrierpunkt. Es war bewölkt. Kein Niederschlag. Das Wetter muss sich ähnlich angefühlt haben wie heute, als Julius Leber vor genau 75 Jahren zur Hinrichtung geführt wurde. Er starb im damaligen Gefängnis Berlin-Plötzensee.

3 Gedenktafeln zum 75. Todestag von Julius Leber in der Julius-Leber-Kaserne enthüllt
3 Gedenktafeln zum 75. Todestag von Julius Leber in der Julius-Leber-Kaserne mit einem Zitat von Julius Leber enthüllt: "Für eine gute und gerechte Sache ist der Einsatz des eigenen Lebens der angemessene Preis."
Plötzensee befindet sich nur etwa vier Kilometer entfernt von der Julius-Leber-Kaserne. Diese trägt seit 25 Jahren den Namen dieses mutigen Sozialdemokraten. Julius Leber nahm aktiv am Ersten Weltkrieg teil und wurde mehrfach verwundet. Er war Demokrat durch und durch. Seit 1924 saß er in der sozialdemokratischen Fraktion des Reichstags und befasste sich dort mit sicherheitspolitischen Themen. Er positionierte sich klar gegen den Kapp-Putsch. Kein Wunder also, dass er 1933 verhaftet und nach Sachsenhausen gebracht wurde. Überhaupt sehr clever, sämtliche Oppositionspolitiker zu verhaften und dann auf "demokratischem" Wege die Abstimmungen durchzuführen, die zur Abschaffung der Demokratie notwendig waren.

Julius Leber kam 1937 frei und machte in Berlin-Schöneberg einen Kohlehandel auf. Damit erwirtschaftete er seinen Lebensunterhalt und schuf eine geniale Tarnung für Treffen von Widerstandskämpfern. Julius Leber war der Überzeugung, dass die Diktatur nur durch Gewalt zu beseitigen sei. So war auch geplant, dass Julius Leber nach einem erfolgreichen Stauffenberg-Attentat als Reichskanzler oder Innenminister eingesetzt wird. Sein Eifer ließ ihn jedoch einen schwerwiegenden Fehler machen, dessen Wiederholung in der Sozialdemokratie wohl symptomatisch ist: Er ließ sich mit den Kommunisten ein. Diese waren mit Spitzeln durchsetzt, die eine Verhaftung von Julius Leber anregten. Stauffenberg sah sich dadurch zum Handeln gezwungen und ließ zwei Wochen später seine Aktentasche explodieren. Während Stauffenberg noch in derselben Nacht des 20. Juli 1944 erschossen wurde, machte man Julius Leber einen Schauprozess.

Am 5. Januar 1945 wurde Julius Leber hingerichtet. Die drei Gedenktafeln, die heute enthüllt wurden, sollen im Frühjahr auf dem Gelände der Kaserne einbetoniert werden. Momentan sei es zu kalt für solche Baumaßnahmen. In die dicken Stahlplatten ist ein Zitat von Julius Leber eingraviert: "Für eine gute und gerechte Sache ist der Einsatz des eigenen Lebens der angemessene Preis." Der Text ist so geschrieben, dass der Betrachter zunächst überlegt, ob er die getrennten Kolumnen oder die über die drei Tafeln verteilten Zeilen lesen soll. Die rechte Tafel zeigt die Schlüsselwörter: SACHE - LEBENS - PREIS und JULIUS LEBER.

Video:
Enthüllung von 3 Gedenktafeln zum 75. Jahrestag der Ermordung von Julius Leber

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 24. Dezember 2019

Alles hat seine Zeit - auch für Piraten und im Ausland eingesetzte Soldaten

Auch wer sonst keinen Bezug zur Bibel hat, kann aus dem Lesen des Buches "Prediger" einen erheblichen Gewinn ziehen. Das Buch befindet sich etwa in der Mitte der Bibel. Kurz hinter den Psalmen. In 12 kurzen Kapiteln lässt der "Prediger" - Salomo höchstpersönlich - ungeschönt seinen Frust heraus über die allgemeine Vergänglichkeit, das Zerrinnen der Zeit und die Sinnlosigkeit vieler Dinge. Kapitel 3 beginnt mit: "Alles hat seine Zeit". Luther formuliert das etwas antiquierter. Dann folgt eine Aufzählung von Verben, die alle ein bestimmtes Zeitbudget benötigen: geboren werden, sterben, pflanzen, ausreißen, bauen, reden, lieben.

Auch das Jahr hat seine Zeiten: Saat, Ernte, Ostern, Pfingsten, Weihnachten. Gerade zu den jährlichen Feiertagen erinnern sich Erwachsene gerne an die Traditionen der Kindheit wie Geschenke unter dem Weihnachtsbaum oder Familienfotos vor dem Weihnachtsbaum. Letztere hatte das Deutsche Historische Museum gesammelt und daran spannende Familiengeschichten rekonstruiert. Wie wichtig das Feiern der regelmäßigen Feste für Soldaten ist, zeigen auch die Ausführungen im jüngst erschienenen Buch "Militärrabbiner in der Bundeswehr".

Bundeswehr Dschibuti Fregattenkapitän Gert Krause
Bundeswehr in Dschibuti - Fregattenkapitän Gert Krause leitet als Reservist für einige Monate das Bundeswehrkontingent in Dschibuti (Foto: Militärseelsorge / Töpelmann)
Einen Großteil der Bundeswehrsoldaten im In- und Ausland tangiert das Weihnachtsfest. Die Gebirgsjäger feiern in Bad Reichenhall die Stallweihnacht, Scharfschützen schmücken ihren Tarnanzug (Ghillie) mit Lametta und Lichtern. Das Wachbataillon entwendet die jährliche Weihnachtskugel aus dem Schloss Bellevue und Gert Krause freut sich, dass er kurz vor Weihnachten nach Hause fliegen durfte.

Gert Krause profitiert davon, dass auch für die Piraten im Großraum Somalia eine neue Saison angebrochen ist - die Monsunzeit. Der Monsun verhindert im Winter und im Sommer das Auslaufen der Piratenschiffe. Deshalb wird das Personal der Bundeswehr in Dschibuti - am Südzipfel des Roten Meeres - deutlich abgebaut. Die dort stationierten Soldaten sind vorrangig mit Aufklärung beschäftigt. Von der Luft aus beobachten sie die Bewegung verdächtiger Boote und lotsen bei Bedarf entsprechende Sicherungsschiffe in den Gefährdungsbereich. Taucht eine Fregatte auf, ist die Piratenaktion in der Regel beendet, ohne dass auch nur ein Schuss gefallen ist.

Gert Krause ist Reservist und hat gerade seinen 63. Geburtstag in Dschibuti gefeiert. Dort war er als Kommandeur eingesetzt. Als 2015 die Flüchtlingswellen über Europa schwappten, wagte er nach mehreren Jahrzehnten den Wiedereinstieg in die Bundeswehr. Bei der Marine in Wilhelmshaven kümmerte er sich um Notunterkünfte und weitere organisatorische Themen. Er sah das als Einstieg in die Abrundung seines Berufslebens, das vor etwa 40 Jahren mit dem Wehrdienst begonnen hatte. Es folgten zwei Einsätze bei UNIFIL im Libanon und dieser Herbsteinsatz in Dschibuti.

Je nach körperlicher Verfassung kann er sich nach Renteneintritt auch die Mitarbeit in einer NGO vorstellen. Sein Anliegen ist es, dass Spenden nicht irgendwo im Verwaltungsapparat versanden, sondern tatsächlich bei den Betroffenen ankommen. Tief beeindruckt zeigte er sich von der Bedürftigkeit der Menschen in Dschibuti. Die Soldaten der Bundeswehr waren vor Ort so bewegt, dass sie kurzerhand die Patenschaft für ein Waisenhaus übernommen haben.

Wenn in Deutschland der Frühling beginnt, die Sommerräder aufgeschraubt werden, der Monsun endet und die ersten Piraten über den indischen Ozean schippern, wird er wohl wieder nach Dschibuti fliegen und das Kommando über die deutschen Soldaten übernehmen. Alles hat seine Zeit: die Familie sehen, die Familie verlassen, die Truppe leiten, dem zivilen Beruf nachgehen, Ostereier suchen, Böller kaufen, Weihnachten feiern.

Auch der Bundesregierung ist es bewusst, dass etwa 3.600 deutsche Soldaten und Polizisten über Weihnachten im Ausland eingesetzt sind. Deshalb hat sich die Tradition entwickelt, Mitte Dezember stellvertretend einige von deren Angehörigen ins Kanzleramt einzuladen. Annegret Kramp-Karrenbauer flog kurz darauf zu den 120 UNIFIL-Soldaten in Zypern. Das sollte heimatliche Verbundenheit demonstrieren. Neben der Ministerin ist auch die Militärseelsorge regelmäßig in den Einsatzgebieten unterwegs. Sigurd Rink, der Evangelische Militärbischof, besuchte im November die Soldaten in Dschibuti. Dort traf er auch Gert Krause.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 20. Dezember 2019

Militärseelsorge-Staatsvertrag beim Gemeindetag des Zentralrats der Juden unterzeichnet

Die Streitkräfte Israels gelten als besonders schlagkräftig und sind in der Region gefürchtet. Das liegt nicht nur an der modernen Ausstattung, sondern am ungebrochenen Lebenswillen dieses Volkes. Innerhalb der letzten 30 Jahre hat sich die Einwohnerzahl auf 8,5 Millionen verdoppelt. Dennoch leben sehr viele Juden im Ausland - der Diaspora. Wer sich dann doch für einen Umzug in den Staat Israel entscheidet, wird sofort in das allgegenwärtige Sicherheitskonzept eingebunden. Die Wehrpflicht gilt in Israel für Männer und Frauen.

Auch außerhalb des Dienstes tragen viele Israelis Schusswaffen. Denn so ungebrochen wie ihr Lebenswille ist auch der Hass ihrer Nachbarn. Dieser entlädt sich bei regelmäßigen Angriffen in Bussen, auf der Straße, in Restaurants, Tankstellen, beim Trampen und anderen Gelegenheiten. Kein Wunder, dass die Selbstverteidigungstechnik Krav Maga (auf Deutsch: Nahkampf) in Israel entwickelt wurde. Diese Technik folgt den Regeln der Straße und schaltet mit wenigen Bewegungen einen oder mehrere Angreifer aus, die mit Messer, Pistole, Stock, Faust oder Würgegriff daherkommen.

Militärseelsorge-Staatsvertrag Gemeindetag 2019 Zentralrat der Juden #AKK
Militärseelsorge-Staatsvertrag beim Gemeindetag 2019 des Zentralrats der Juden unterzeichnet - v.l.n.r.: Mark Dainow (Vizepräsident Zentralrat der Juden in Deutschland), Annegret Kramp-Karrenbauer (Bundesministerin der Verteidigung), Dr. Josef Schuster (Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland), Abraham Lehrer (Vizepräsident Zentralrat der Juden in Deutschland)
Juden, die sich bisher nicht zu einer Rückkehr in ihre historische Heimat durchringen konnten, dienen gelegentlich auch in der Bundeswehr. Da dieser Dienst gewisse ethische und psychische Herausforderungen mit sich bringt, ist die Konsultation von Militärseelsorgern nützlich. Als Ansprechpartner für Soldaten jedweder religiöser Zugehörigkeit dienten bisher ausgebildete Seelsorger der evangelischen und katholischen Kirche. Die Erfahrung zeigt, dass in der Bundeswehr deutlich entspannter mit anderen Glaubensverständnissen umgegangen wird, als in der Zivilgesellschaft.

Die christlichen Militärseelsorgeverträge wurden fast zeitgleich mit der Gründung der Bundeswehr abgeschlossen. Das spiegelte vor 60 Jahren sehr gut die religiöse Zusammensetzung von weit über 98% Christen in den bundesdeutschen Streitkräften wider. In der Zwischenzeit hat sich das Verhältnis zugunsten Kirchendistanzierter, Juden und Moslems verschoben. In der Bundeswehr dienen zurzeit etwa 3.000 Muslime und 300 Juden. Zum Christentum bekennen sich noch etwa 50% aller Soldaten. Die christliche Verankerung in der Truppe ist dennoch allgegenwärtig.

Um Militärseelsorge anbieten zu können, müssen bestimmte Parameter erfüllt sein. Dazu gehört eine anerkannte theologische Ausbildung. Im Raum der Kirchen ist das Standard. Die jüdischen Rabbiner können das auch nachweisen. Allein die Moslems müssen wohl noch einige Jahre auf die eigene Seelsorge warten: Erstens kennt der Islam keine Seelsorge und zweitens fehlt es an relevanten Ansprechpartnern.

Militärseelsorge-Staatsvertrag Gemeindetag 2019 Zentralrat der Juden #AKK
Militärseelsorge-Staatsvertrag beim Gemeindetag 2019 des Zentralrats der Juden unterzeichnet - Deko im Saal Potsdam des Hotels InterContinental


Der jüdische Glauben ist sehr speziell und wird vorrangig von Personen mit jüdischer Abstammung praktiziert. Zur Basis des Tenach - bei uns als Altes Testament bekannt - gesellen sich noch diverse Zusatzschriften und Regelwerke, die wohl nur Insidern schlüssig und attraktiv erscheinen. Während sich das Christentum und der Islam als globale Religionen verstehen, fokussiert sich das Judentum auf die biologische Abstammungslinie von Abraham. Dieser hatte vor etwa 4.000 Jahren seinen Fuß auf das Gebiet des heutigen Staates Israel gesetzt. In seltenen Fällen konvertieren Nichtjuden zu dieser Religion. Diese werden dann Proselyten genannt.

Zur Unterzeichnung des Militärseelsorge-Staatsvertrages mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland hatte sich das Verteidigungsministerium einen besonderen Anlass ausgesucht: den Gemeindetag 2019. Dieser findet seit gestern in Berlin statt. Der heute ebenfalls anwesende Evangelische Militärbischof, Dr. Sigurd Rink, zeigte sich begeistert darüber, dass dieser Vertrag nach 100 Jahren Pause möglich wurde. Noch im Ersten Weltkrieg waren Millitärrabbiner an der Seite ihrer christlichen Kollegen an der Front aktiv gewesen. Kurz darauf waren sie zum Feindbild erklärt worden. So ist dieser heutige Vertragsschluss eine Geste mit Symbolcharakter.

Die zehn Rabbiner, die für diesen neuen Dienst eingesetzt werden, erfüllen ein organisatorisches Mindestmaß, das zum Betrieb einer Militärseelsorge notwendig ist. Sie werden die 300 jüdischen Gläubigen betreuen und dabei die relevanten Standorte in Deutschland und in den Einsatzgebieten bereisen. Offiziell stehen sie auch Nichtjuden als Ansprechpartner zur Verfügung und sehen sich als Ergänzung der christlichen Militärseelsorger.

Autor: Matthias Baumann

Videos:
Militärseelsorge-Staatsvertrag mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland
Rede #AKK zur Unterzeichnung des Militärseelsorge-Staatsvertrages

Buch zum Thema:
Militärrabbiner in der Bundeswehr: Zwischen Tradition und Herausforderung

Dienstag, 17. Dezember 2019

Bundespräsident Steinmeier besucht die Bahnhofsmission am Hauptbahnhof

Vor dem Hauptbahnhof steht ein Mann und verkauft die Obdachlosenzeitung MOTZ. Überdimensionierte Kränze und Weihnachtsbäume umrahmen das unübersehbare Logo der Deutschen Bahn. Geschäftiges Treiben. Ein neues Glashaus neben dem Bahnhof ist wie eine Pyramide gefaltet. Das Kanzleramt, das Bildungsministerium, der Reichstag und die City Ost spiegeln sich darin. Ein fotogener Sonnenaufgang über Berlin. An der Brücke zum Kanzleramt sitzt ein Obdachloser und bittet um eine Spende.

Bahnhofsmission Hauptbahnhof Bundespräsident Steinmeier INVIA Elke Büdenbender
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Steinmeier und Elke Büdenbender zu Besuch bei der Bahnhofsmission am Hauptbahnhof
Es gehört zur Tradition, dass der Bundespräsident kurz vor Weihnachten zu den Menschen geht, die nicht nur am Rande der Gesellschaft stehen, sondern schon ganz weit draußen - außerhalb dieses Randes - am Boden liegen oder unter der Brücke. Frank-Walter Steinmeier hat keine Berührungsängste. Er kann sich sogar lange mit Obdachlosen unterhalten. Die Themen gehen ihm dabei nicht aus. Immerhin hatte er seine Doktorarbeit zum Thema "Bürger ohne Obdach" geschrieben.

Bahnhofsmission Hauptbahnhof Bundespräsident Steinmeier INVIA
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Steinmeier und Elke Büdenbender zu Besuch bei der Bahnhofsmission am Hauptbahnhof - Sonnenaufgang über Berlin
Die Bahnhofsmission im Berliner Hauptbahnhof ist allerdings nur wenig mit den Missionen am Bahnhof Zoo oder am Ostbahnhof zu vergleichen. Während Obdachlose am Zoo Schlange stehen und neben Essen, Kaffee, Unterwäsche und Wärme auch eine Dusche bekommen, gibt es hier wenige beengte Räume, zwei Tische und ein Ambiente, das auch als Kirchengemeinde durchgehen könnte.

Das liegt daran, dass der Schwerpunkt am Hauptbahnhof ein wenig verschoben ist. Nur etwa 50% der Arbeit konzentriert sich auf Obdachlose. Die anderen 50% betreffen Hilfe für Reisende und sogar Reisebegleitung. Täglich werden die Aufgaben per Fax an die Bahnhofsmission herangetragen: Blinde zum richtigen Zug führen, Rollstuhlfahrern beim Einsteigen helfen, minderjährige Kinder bei Bahnfahrten ohne die Eltern begleiten. Aufgaben, mit denen die Bahn selbst oft überfordert ist.

Bahnhofsmission Hauptbahnhof Bundespräsident Steinmeier INVIA Obdachlose
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Steinmeier zu Besuch bei der Bahnhofsmission am Hauptbahnhof - Gespräch mit Obdachlosen bei Kaffee und Weihnachtsgebäck
Die Bahnhofsmissionen haben zwar alle das gleiche Logo, werden aber von unterschiedlichen Trägern organisiert. Während die evangelische Berliner Stadtmission am Bahnhof Zoo aktiv ist, fallen die Bahnhofsmissionen am Hauptbahnhof und Ostbahnhof in den Zuständigkeitsbereich des katholischen Verbandes IN VIA. Die heute anwesenden Mitarbeiter waren zu 100% ehrenamtlich tätig. Einmal pro Woche helfen Sie in der Bahnhofsmission - entweder unter dem Wohlwollen ihrer Chefs oder weil sie sich als Selbstständige selbst und ständig ihre Zeit einteilen können.

Der Bundespräsident nahm sich bemerkenswert viel Zeit für die Gespräche mit den Mitarbeitern. Noch mehr Zeit widmete er den wenigen Gästen: aktiven und ehemaligen Obdachlosen. Wie üblich teilte sich das Präsidentenpaar an den Tischen auf, so dass auch Elke Büdenbender ihre interessierten Fragen loswerden konnte. Wie üblich überzog Frank-Walter Steinmeier auch die festgesetzte Zeit. Bereits im letzten Jahr hatte er über 20 Minuten länger mit den Obdachlosen in der Wärmestube der Kreuzkirche geredet, während die Hauptstadtpresse die Kälte auf Berlins Straßen nachempfinden konnte.

Bahnhofsmission Hauptbahnhof Bundespräsident Steinmeier INVIA Klaus-Dieter Kottnik
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Steinmeier zu Besuch bei der Bahnhofsmission am Hauptbahnhof - Die Brille macht den Unterschied: links im Vordergrund Steinmeier-Double Klaus-Dieter Kottnik.
Dieser Besuch bekam noch einen ganz besonderen evangelischen Akzent: Steinmeier-Double, Klaus-Dieter Kottnik, war dabei. Klaus-Dieter Kottnik ist freikirchlich ausgebildeter Theologe und war viele Jahre Präsident des Diakonischen Werkes. Seit 2017 ist er Bundesvorsitzender der Bahnhofsmissionen - Titelangabe ohne Gewähr.

Autor: Matthias Baumann